Transazioni
0088 - Sulzer AG
Empfehlung III Sulzer AG vom 29. März 2001
Anspruch auf Akteneinsicht der Anbieterin im Rahmen des öffentlichen Kauf- und Umtauschangebotes der InCentive Capital AG, Zug, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Sulzer AG, Winterthur – Anzeige einer Abwehrmassnahme
A.
Die Sulzer AG (Sulzer) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Winterthur. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 218‘281‘800.-- und ist eingeteilt in 3‘638‘030 Namenaktien von je CHF 60.-- Nennwert. Die Namenaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.
B.
Die InCentive Capital AG (InCentive) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug. Das Aktienkapital beträgt CHF 42‘944‘040.-- und ist eingeteilt in 2‘147‘202 Inhaberaktien von je CHF 20.-- Nennwert. Die Inhaberaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.
C.
Am 19. Februar 2001 veröffentlichte InCentive die Voranmeldung eines öffentlichen Kauf- und Umtauschangebotes für alle sich im Publikum befindenden Aktien der Sulzer. In der Folge beantragte Sulzer mit Eingabe vom 8. März 2001, die Übernahmekommission habe ihr sämtliche Informationen über Meldungen betreffend Transaktionen der InCentive in Sulzer-Titeln gemäss Art. 37 ff. UEV-UEK während der Laufzeit der Voranmeldung und des anschliessenden Übernahmeangebotes zukommen zu lassen.
In ihrer Stellungnahme vom 15. März 2001 beantragte InCentive die Abweisung des Gesuches und stellte für den Fall, dass dieses nicht abgewiesen würde, den Eventualantrag, die Zielgesellschaft sei im Sinne der Rechtsgleichheit und des rechtlichen Gehörs zu verpflichten, sämtliche Abwehrmassnahmen gemäss Art. 34 UEV-UEK der Übernahmekommission mitzuteilen, welche diese sodann an die Anbieterin weiterzuleiten habe. Weiter sei festzustellen, dass die Stimmbarmachung aller eigenen Aktien, welche die Zielgesellschaft per 19. Februar 2001 hielt, bis zur ordentlichen Generalversammlung der Sulzer als Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 34 UEV-UEK zu gelten habe. Dies sei deshalb der Übernahmekommission anzuzeigen und gelte insbesondere für 160‘000 Namenaktien, welche bei einer Bank zur Absicherung einer Wandelanleihe der Zielgesellschaft hinterlegt seien.
D.
Mit Empfehlung II vom 19. März 2001 hiess die Übernahmekommission das Gesuch der Zielgesellschaft auf Akteneinsicht gut. Da die Anbieterin die Empfehlung mit Schreiben vom 20. März 2001 akzeptierte, wurde Sulzer Frist bis zum 26. März 2001 gewährt, um zum Eventual- und Zusatzantrag von InCentive Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme der Zielgesellschaft ist fristgerecht eingetroffen. Sie beantragt, die Begehren der Anbieterin abzuweisen, soweit auf diese eingetreten würde.
F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Hans Caspar von der Crone (Präsident), Luc Thévenoz und Alfred Spörri gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Einsicht der Anbieterin in Meldungen über Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft
1.1 InCentive ist der Ansicht, dass aufgrund der Rechtsgleichheit und des rechtlichen Gehörs alle Meldungen der Zielgesellschaft über vorgesehene Abwehrmassnahmen an sie weiterzuleiten seien. Sulzer begründet ihren Antrag auf Abweisung insbesondere damit, dass es sich hierbei um einen tiefen Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit handle. Die vorausgehende Anzeige der Abwehrmassnahmen gegenüber dem Anbieter würde das im Übernahmeverfahren zentrale Prinzip der Waffengleichheit massiv gefährden und den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen, indem ein Aktionär bedeutsame Informationen früher erhielte als andere Kapitalseigner.
1.2 Meldepflichtige Abwehrmassnahmen gemäss Art. 34 UEV-UEK sind generell alle Handlungen des Verwaltungsrates, die bei einer objektiven Betrachtungsweise dazu dienen können, ein Übernahmeangebot zu verhindern. Diese Anzeigepflicht erlaubt der Übernahmekommission, die Einhaltung der börsengesetzlichen Bestimmungen umfassend zu überwachen. Die vorgängige Information soll dabei sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörde noch einzugreifen vermag, bevor die Abwehrmassnahmen Wirkungen zeitigen.
1.3 Der Antrag auf Weiterleitung von Unterlagen, welche der Übernahmekommission zugestellt wurde, ist nach den Grundsätzen des Akteneinsichtrechts als Bestandteil des rechtlichen Gehörs zu prüfen. Die Akteneinsicht erstreckt sich auf alle Akten, die geeignet sind, Grundlage für die spätere Entscheidung zu bilden, d.h. entscheidrelevant sind oder sein könnten (BGE 121 I 225 E. 2a). Meldungen über geplante Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft stellen Dokumente eines laufenden Übernahmeverfahrens dar und können je nach Inhalt die Entscheidfindung der Übernahmekommission beeinflussen. Diese Meldungen unterliegen somit dem Recht auf Akteneinsicht, sofern diesem keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Die Übernahmekommission nimmt die Abwägung der Interessen von Anbieterin und Zielgesellschaft auf der Grundlage von Art. 55 Abs. 1 UEV-UEK vor ().
Das Interesse der Anbieterin ist aufgrund ihrer Parteistellung gegeben und in casu offensichtlich. Die Kenntnis über geplante Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft ermöglicht es der Anbieterin, sich frühzeitig darauf einzurichten und Gegenstrategien zu entwickeln. Dem stehen die Interessen der Zielgesellschaft entgegen, möchte diese doch ihre Abwehrmassnahmen möglichst lange ungestört vorbereiten, ohne durch Interventionen der Anbieterin behindert zu werden. Der zeitliche Vorsprung bildet in diesen Fällen oftmals den entscheidenden Erfolgsfaktor. Je überraschender eine Abwehrmassnahme ergriffen werden kann, desto wirkungsvoller wird sie in der Regel ausfallen.
Die Frage, ob die Interessen der Anbieterin oder diejenigen der Zielgesellschaft höher zu gewichten sind, lässt sich mit Blick auf die Zielsetzungen der Börsengesetzgebung beantworten. Der Handlungsspielraum des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft wurde in Art. 35 UEV-UEK eng abgesteckt. Für eine weitergehende Einschränkung findet sich im Gesetz keine Rechtfertigung. Die vorgängige Ankündigung gegenüber der Übernahmekommission nach Art. 34 UEV-UEK hat zum Zweck, gesetzeswidrige Abwehrmassnahmen rechtzeitig unterbinden zu können. Der Gesetzgeber hat jedoch nicht beabsichtigt, der Zielgesellschaft das Überraschungsmoment zu entziehen, dem einzelne Abwehrmassnahmen oftmals ihre Wirkung verdanken.
1.4 Es gilt weiter zu berücksichtigen, dass die vorgängige Meldepflicht gemäss Art. 34 UEV-UEK einen tieferen Einschnitt in die unternehmerische Handlungsfreiheit bildet, als die nachträgliche Informationspflicht nach Art. 37 ff. UEV-UEK (vgl. hierzu , E 4). Entsprechend ist das Interesse an der Geheimhaltung der Zielgesellschaft vor dem Vollzug der Abwehrmassnahme höher zu gewichten. Dies gilt umso mehr, als nicht jede gemeldete Abwehrmassnahme auch tatsächlich zur Umsetzung gelangt. Da den Anbieter im Vorfeld seines Kaufangebotes keine Informationspflichten gegenüber der Zielgesellschaft treffen, würde eine andere Bewertung der Interessen schliesslichnicht zuletzt auch dem gesetzlichen Grundgedanken der Übernahmeregelung widersprechen, welcher in erster Line auf ein "level playing field" abzielt. Ein genereller Anspruch der Anbieterin auf eine direkte Weiterleitung der Meldung von Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft besteht demnach nicht. Die Übernahmekommission entscheidet im Einzelfall, welche Interessen vor dem Hintergrund des Börsengesetzes überwiegen.
2. Einsicht der Anbieterin in Meldungen der Zielgesellschaft über Transaktionen in Beteiligungspapieren und Derivaten ihrer Titel und der Sulzer Medica-Titel
2.1 InCentive fordert im Besonderen, Informationen bezüglich Transaktionen von Sulzer in Beteiligungspapieren und Derivaten ihrer selbst und der Sulzer Medica einsehen zu können. Sulzer bestreitet hingegen die Pflicht der Zielgesellschaft, Transaktionen eigener Titel zu melden, da die diesbezügliche Meldepflicht in Art. 37 ff. UEV-UEK abschliessend geregelt sei. Zur Qualifizierung als Verteidigungsmassnahme gemäss Art. 34 UEV-UEK bedürfe es objektiv einer gewissen kritischen Grösse des gehandelten Aktienpaketes und subjektiv einer auf verteidigungspolitische Ziele ausgerichteten Absicht. Dies sei bei Sulzer nicht der Fall.
2.2 Meldepflichtige Abwehrmassnahmen sind, wie unter Ziff. 1.2 dargelegt, alle Handlungen des Verwaltungsrates, die bei einer objektiven Sichtweise darauf ausgerichtet sind, ein Übernahmeangebot zu verhindern. Solche Diese Begriffsdefinition der Abwehrmassnahme erfasst auch Transaktionen in eigenen Titeln der Zielgesellschaft bzw. in denjenigen ihrer Tochtergesellschaften. Diese unterstehen somit der Meldepflicht.
Hinsichtlich der Frage der Weiterleitung der Meldungen an die Anbieterin kann auf die Erwägungen unter Ziff. 1.3 und 1.4 verwiesen werden. Eine generelle Bekanntgabe der Transaktionen würde demnach die Wirksamkeit dieser Abwehrmassnahmen, soweit sie gesetzlich zulässig sind, gefährden und damit auch den Handlungsspielraum des Verwaltungsrates der Sulzer gewichtig massiv einschränken. Das Interesse der Zielgesellschaft an deren Geheimhaltung wiegt daher schwerer als dasjenige der vorgängigen Offenlegung der Anbieterin. Die Akteneinsicht in die Transaktionen von Sulzer in Beteiligungspapieren und Derivaten ihrer selbst und der Sulzer Medica wird daher nicht gewährt.
3. Stimmbarmachung der von der Zielgesellschaft gehaltenen Aktien
3.1 InCentive vertritt die Auffassung, dass durch eine Stimmbarmachung eigener Aktien seitens der Zielgesellschaft die zur Generalversammlung zuzulassenden Aktionärsstimmen und somit der Ausgang der zu entscheidenden Anträge massgeblich beeinflusst würden. Eine solche Stimmbarmachung sei daher als Abwehrmassnahme gemäss Art. 34 UEV-UEK zu qualifizieren und meldepflich tig. Sulzer bestreitet in ihrer Stellungnahme ein Feststellungsinteresse der InCentive zum heutigen Zeitpunkt. Der Antrag widerspreche zudem der Schutzkonzeption von Art. 34 UEV-UEK sowie dem bei Übernahmeangeboten geltenden Grundsatz eines schnellen und einfachen Verfahrens.
3.2 Art. 34 UEV-UEK statuiert die Meldepflicht von Abwehrmassnahmen, um eine vorgängige Prüfung durch die Übernahmekommission zu ermöglichen. Diese vorbeugende Massnahme soll den ordentlichen Ablauf eines öffentlichen Kaufangebots sicherstellen, was einem elementaren Interesse der Anbieterin entspricht. Dieses Interesse der Anbieterin bezieht sich folgerichtig auch auf die Feststellung, dass eine bestimmte Massnahme der Zielgesellschaft unter die Meldepflicht fällt. Ein zeitlicher wie sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Verfahrensanträgen ist zudem vorhanden. Der Grundsatz eines einfachen und schnellen Verfahrens wird somit nicht beeinträchtigt. Auf den Antrag der InCentive ist deshalb einzutreten.
3.3 Die Stimmbarmachung eigener Aktien durch die Zielgesellschaft führt dazu, dass sich der prozentuale Stimmenanteil jedes Aktionärs und somit auch des Anbieters verringert. Weiter besteht für den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft die Möglichkeit, dabei die stimmbar gemachten Titel in "freundlich gesinnte Hände" zu legen. Auf diesem Weg wird nicht nur eine Verwässerung der Stimmkraft des Anbieters bewirkt, sondern gleichzeitig auch die eigene Ausgangslage verbessert. Folglich ist die Stimmbarmachung eigener Aktien, wenn sie von der Zielgesellschaft aktiv herbeigeführt wird, als Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 34 UEV-UEK zu qualifizieren, welche der Übernahmekommission im Voraus anzuzeigen wäre.
4. Publikation
Die vorliegende Empfehlung wird am ersten Börsentag nach der Eröffnung an die Parteien, d.h. am 30. März 2001, auf der Website der Übernahmekommission publiziert.
5. Gebühr
Eine Gebühr wird erst mit der Empfehlung zum öffentlichen Kaufangebot erhoben.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
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Der Antrag der InCentive Capital AG auf die generelle Einsichtnahme in die Meldungen der Sulzer AG über Abwehrmassnahmen gemäss Art. 34 UEV-UEK sowie im Besonderen hinsichtlich sämtlicher Transaktionen in Beteiligungspapieren und Derivaten ihrer selbst und der Sulzer Medica AG, wird abgewiesen.
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Die Stimmbarmachung all jener eigenen Aktien, welche die Sulzer AG per 19. Februar 2001 hielt, insbesondere auch der 160‘000 Namenaktien, welche bei der UBS AG zur Absicherung einer Wandelanleihe der Sulzer AG hinterlegt sind, ist während der gesamten Angebotsdauer als eine Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 34 UEV-UEK zu qualifizieren.
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Diese Empfehlung wird am 30. März 2001 nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission publiziert.
Der Präsident:
Hans Caspar von der Crone
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
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InCentive Capital AG, durch ihren Vertreter,
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Sulzer AG, durch ihren Vertreter,
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EBK.