Transazioni
0103 - Altin AG
Empfehlung II in Sachen Altin AG vom 6. Juli 2001
Anspruch auf Akteneinsicht der Zielgesellschaft im Rahmen des öffentlichen Umtauschangebotes der Creinvest AG, Zug, für alle sich im Publikum befindenden Inhaberaktien der Altin AG, Baar
A.
Die Altin AG (Altin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baar. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 213'520'714.-- und ist eingeteilt in 4‘965‘598 Inhaberaktien von je CHF 43.-- Nennwert. Die Inhaberaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.
B.
Die Creinvest AG (Creinvest) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug. Das Aktienkapital beträgt CHF 98'000'000.-- und ist eingeteilt in 980'000 Inhaberaktien von je CHF 100.-- Nennwert. Die Inhaberaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.
C.
Am 14. Mai 2001 veröffentlichte Creinvest in den elektronischen Medien die Voranmeldung ihres öffentlichen Umtauschangebotes für alle sich im Publikum befindenden Aktien der Altin. Am 16. Mai 2001 erfolgte die Publikation der Voranmeldung landesweit in Tageszeitungen der deutsch- und französischsprachigen Schweiz.
D.
Mit Eingabe vom 26. Juni 2001 beantragte Altin, die Übernahmekommission habe ihr sämtliche Informationen über die Meldung betreffend Transaktionen der Creinvest sowie der Bank Julius Bär & Co. AG gemäss Art. 37 ff. UEV-UEK in Altin-Titeln sowie in Creinvest-Titeln (Art. 37 Abs. 2 UEV-UEK) während der Laufzeit der Voranmeldung und des anschliessenden öffentlichen Übernahmeangebotes zukommen zu lassen. Weiter sei auf eine Auflage betreffend Nicht-Veröffentlichung oder Nicht-Weitergabe an Dritte hinsichtlich dieser Informationen zu verzichten.
E.
Der Präsident der Übernahmekommission gewährte der Creinvest mittels verfahrensleitender Anordnung vom 26. Juni 2001 Frist bis am 3. Juli 2001, um zum oben erwähnten Antrag der Altin Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme der Creinvest wurde der Kommission fristgerecht zugestellt. Sie beantragt die Abweisung aller Anträge der Altin.
F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Frau Claire Huguenin und Frau Anne Héritier Lachat gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Akteneinsicht in Transaktionsmeldungen
Die Meldepflicht des Anbieters betreffend Transaktionen in Titeln der Zielgesellschaft während eines Übernahmeverfahrens ist in Art. 37 Abs. 1 UEV-UEK geregelt. Der zweite Absatz derselben Bestimmung auferlegt dem Anbieter im Falle eines Tauschangebotes zusätzlich die Pflicht, alle Transaktionen in Titeln, welche zum Tausch angeboten werden, zu melden. Auch die in gemeinsamer Absprache handelnden Personen unterliegen gemäss Art. 37 Abs. 3 UEV-UEK diesen Meldepflichten.
Altin macht mit ihrem Gesuch betreffend Akteneinsicht in die oben erwähnten Transaktionsmeldungen den Anspruch auf rechtliches Gehör geltend. In der Empfehlung II in Sachen Sulzer AG vom 19. März 2001 bejahte die Übernahmekommission die Frage, ob Transaktionsmeldungen dem Akteneinsichtsrecht unterliegen, da es sich bei diesen Meldungen um Dokumente eines laufenden Verfahrens handelt, welche entscheidrelevant sein können. Voraussetzung für das Gewähren des Akteneinsichtsrecht ist jedoch, dass diesem keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Erw. 4). Im Folgenden gilt es daher zu prüfen, ob sich Creinvest auf ein solch überwiegendes Interesse berufen kann.
2. Akteneinsicht in Transaktionsmeldungen der Creinvest und der mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen
2.1 Während Altin sich auf ihr Akteneinsichtsrecht beruft, erhebt Creinvest den Einwand, dass das Akteneinsichtsrecht aufgrund einer umfassenden Interessenanalyse zu verweigern sei, wobei nicht allein Geheimhaltungsinteressen zu berücksichtigen seien. Zudem macht Creinvest geltend, dass eine hohe Missbrauchsgefahr bezüglich der durch die Akteneinsicht erlangten Informationen bestehe. Diese könnten zur Ausgestaltung allfälliger Abwehrmassnahmen missbraucht werden, insbesondere zur effizienten Umplatzierung von Titeln der Altin in freundliche Hände. Im Falle der Gewährung der Akteneinsicht verlangt Creinvest, dass der Altin die Pflicht zur Geheimhaltung auferlegt werde.
2.2 Das Interesse einer Partei an der Akteneinsicht wird Kraft ihrer Verfahrensbeteiligung vorausgesetzt (BGE 113 Ia 4). Damit ergibt sich das Interesse von Altin, in die Transaktionsmeldungen Einsicht zu nehmen, bereits aus ihrer Parteistellung. Creinvest konnte in ihrer Eingabe nicht genügend substanzieren, inwieweit Geheimhaltungsinteressen diesem Anspruch entgegenstehen. Das Argument der Anbieterin, dass der Aufbau einer starken Aktionärsstellung mit grosser Stimmenmacht ein Angriffsmittel darstelle, welches aber bei Kenntnisnahme der exakten Stimmenmacht durch die Zielgesellschaft jegliche Wirkung verliere und es letzterer gar erlaube, sich frühzeitig darauf einzustellen und Gegenstrategien zu entwickeln, ist nur bedingt nachvollziehbar. Wird nämlich ein öffentliches Kaufangebot an Bedingungen betreffend Generalversammlungsbeschlüsse geknüpft, ist davon auszugehen, dass der Anbieter versuchen wird, bis zur Generalversammlung seine Stimmenmacht auszubauen. Von einem diesbezüglichen Überraschungseffekt kann kaum mehr gesprochen werden. In diesem Zusammenhang gilt weiter festzuhalten, dass der Anbieter den Offenlegungspflichten gemäss Art. 20 BEHG unterstellt ist. Auch das Argument der Anbieterin, dass die Zielgesellschaft durch Kenntnis der Transaktionsmeldungen dazu veranlasst werde, eigene Titel in freundliche Hände zu platzieren, erschöpft sich in einer Behauptung. Zudem kann Altin das von Creinvest befürchtete Verhalten auch ohne Einsichtnahme in die Transaktionsmeldungen der Anbieterin an den Tag legen. Die Ausführungen der Anbieterin sind somit nicht als "greifbare wesentliche Anhaltspunkte" im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu qualifizieren, welcher es für die Annahme eines Ablehnungsgrundes bedarf (BGE 115 V 302).
Aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung wird das Gesuch der Zielgesellschaft um Akteneinsicht in Transaktionsmeldungen der Anbieterin und der mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen gutgeheissen.
3. Antrag auf Befreiung von der Geheimhaltungspflicht
3.1 Altin stellt in ihrem Gesuch weiter den Antrag, dass die Übernahmekommission die Gewährung der Akteneinsicht nicht an die Auflage der Geheimhaltung der dadurch gewonnenen Informationen knüpft. Als Grund für die Befreiung von der Geheimhaltungspflicht führt die Zielgesellschaft an, dass es im Interesse der Aktionäre stehe, durch die Zielgesellschaft umfassend informiert zu werden. Dazu gehöre auch das Wissen um Transaktionen der Anbieterin und der mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen in Titeln der Zielgesellschaft. Noch stärker sei das Interesse an den Meldungen bezüglich Transaktionen in Titeln, die Gegenstand der Tauschofferte bilden.
Creinvest hält dagegen, dass Art. 42 Abs. 1 UEV-UEK eine ausschliessliche Kompetenz der Kommission betreffend den Entscheid über die Veröffentlichung entsprechender Meldungen statuiere. Zudem würden in Art. 42 Abs. 1 UEV-UEK die Veröffentlichungsgründe abschliessend aufgezählt. Weiter führt sie an, dass durch eine Delegation der Veröffentlichungskompetenz die Markttransparenz durch eine eventuell stattfindende selektive Offenlegung gefährdet werde.
3.2 Vorab gilt es festzuhalten, dass mit der Gewährung der Akteneinsicht nicht eine Veröffentlichung der entsprechenden Dokumente einhergeht. Hinsichtlich der Veröffentlichung von Transaktionsmeldungen statuiert Art. 42 Abs. 1 UEV-UEK ausdrücklich, dass dieser Entscheid in die Kompetenz der Übernahmekommission fällt. Diese Bestimmung nennt zwei kumulative Voraussetzungen, unter welchen eine Veröffentlichung der Transaktionsmeldungen in Betracht gezogen werden kann. Diese sind a) das Vorliegen eines nennenswerten Einflusses der gemeldeten Transaktionen auf den Kurs der betroffenen Titel sowie b) die Notwendigkeit der Veröffentlichung aus Gründen der Lauterkeit des Handels. Nach Durchsicht der eingegangenen Meldungen kommt die Übernahmekommission zum Schluss, dass diese aufgrund der geringen Volumen nicht geeignet sind, einen nennenswerten Einfluss auf die Kurse der betroffenen Titel auszuüben. Weiter erscheint auch die Notwendigkeit einer Veröffentlichung aus Gründen der Lauterkeit des Handels nicht gegeben. Folglich wird Altin Akteneinsicht in die Transaktionsmeldungen der Anbieterin und der in gemeinsamer Absprache mit ihr handelnden Personen gewährt. Um der hohen Vertraulichkeit der Dokumente in genügendem Masse Rechnung zu tragen, wird die Akteneinsicht jedoch nur unter der Bedingung gewährt, dass a) das Akteneinsichtsrecht auf drei Vertreter der Altin beschränkt ist und b) die Namen dieser drei Personen und deren Funktion der Übernahmekommission vorgängig mitgeteilt werden. Die Akteneinsicht erfolgt in den Räumlichkeiten der Übernahmekommission. Die drei Vertreter der Altin haben sich zur Geheimhaltung gegenüber der Altin SA und Dritten zu verpflichten. Sollten die genannten Vertreter nach erfolgter Akteneinsicht zum Schluss kommen, dass Bestimmungen des BEHG oder der entsprechenden Verordnungen verletzt worden sind, haben sie sich an die Übernahmekommission zu wenden. Diese wird dann die erhobenen Vorwürfe prüfen.
4. Publikation
Die vorliegende Empfehlung wird am ersten Börsentag nach der Eröffnung an die Parteien, d.h. voraussichtlich am 9. Juli 2001, auf der Website der Übernahmekommission publiziert.
5. Gebühr
Gemäss Art. 62 Abs. 5 UEV-UEK kann die Übernahmekommission in besonderen Fällen, namentlich wenn die Zielgesellschaft einem Ausschuss besondere Arbeit verursacht hat, letzterer eine Gebühr auferlegen. Verfahrensanträge bilden jedoch in der Regel keinen ausserordentlichen Aufwand im Sinne der Verordnung. Folglich wird an dieser Stelle keine separate Gebühr erhoben.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
- Die Übernahmekommission wird der Altin SA Akteneinsicht in die Transaktionsmeldungen in Titeln der Altin SA und der Creinvest AG gemäss Art. 37 ff. UEV-UEK unter der Bedingung gewähren, dass a) das Akteneinsichtsrecht auf drei Vertreter der Altin SA beschränkt wird, welche sich zur Geheimhaltung gegenüber Altin SA und Dritten verpflichten und b) die Namen dieser drei Personen und deren Funktion der Übernahmekommission vorgängig mitgeteilt werden. Das Akteneinsichtsrecht wird in den Räumlichkeiten der Übernahmekommission gewährt.
- Diese Empfehlung wird am 9. Juli 2001 auf der Website der Übernahmekommission publiziert.
Der Präsident:
Hans Caspar von der Crone
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- Altin SA, durch ihren Vertreter,
- Creinvest AG, durch ihren Vertreter,
- EBK.