SWISS TAKEOVER BOARD

Transactions

0844 - GAM Holding AG

Verfügung 844/01 vom 21. April 2023

Öffentliches Tauschangebot von Liontrust Asset Management Plc an die Aktionäre von GAM Holding AG – Handeln in gemeinsamer Absprache / Bedingung / Abwehrmassnahmen

Sachverhalt:

A.
GAM Holding AG (GAM oder Zielgesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Gemäss Handelsregistereintrag beträgt das Aktienkapital CHF 7'984'127, eingeteilt in 159'682'531 Namenaktien zum Nennwert von je CHF 0.05 (GAM-Aktien). GAM verfügt zudem über ein genehmigtes Kapital von 15'968'240 GAM-Aktien. Die GAM-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) gemäss International Reporting Standard kotiert (Valorensymbol: GAM; ISIN: CH0102659627; Valorennummer: 10265962). GAM ist ein unabhängiger globaler Vermögensverwalter, der seinen Kunden Anlagelösungen in den drei Geschäftsbereichen Investment Management, Wealth Management und Fund Management Services anbietet.

B.
GAM sieht sich derzeit mit schwierigen Marktbedingungen konfrontiert, welche erhebliche Auswirkungen auf die verwalteten Vermögen und die damit verbundenen Erträge haben. Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 25. Januar 2023 teilte GAM mit, dass für das Jahr 2022 im Vergleich zum Geschäftsjahr 2021 ein wesentlich höherer Verlust erwartet werde und Kosteneinsparungsziele umgesetzt worden seien (inkl. Abbau Personalbestand). Weiter wurde informiert, dass GAM kontinuierlich ihre Strategie überprüfe, um sicherzustellen, dass diese angemessen sei und die Interessen aller Anspruchsgruppen berücksichtige. Zudem wurde der Termin für die Präsentation des Jahresergebnisses 2022 auf den 25. April 2023 verschoben. Insbesondere GAMs Geschäftsbereich der Fund Management Services (FMS) ist derzeit nicht rentabel und generiert Verluste. Das FMS-Geschäft besteht aus den FMS-Verträgen, welche die Erbringung von Fondsverwaltungsdienstleistungen (fund management services) und von damit zusammenhängenden Nebendienstleistungen durch GAM bzw. deren Gruppengesellschaften in Luxemburg und in der Schweiz für Fonds von Dritten regeln.

C.
Liontrust Asset Management Plc, registriert in England mit Company Number 02954692 (LAM, Anbieterin oder Gesuchstellerin), ist eine im Vereinigten Königreich ansässige asset management company mit Sitz in London, deren Aktien im Premium Segment der London Stock Exchange reguliert sind. LAM ist im Bereich der spezialisierten Fondsverwaltung tätig.

D.
LAM hält als Holdinggesellschaft mehrere Tochtergesellschaften: Über die Tochtergesellschaft Liontrust Fund Partners LLP (LFP) ist das Unternehmen in der Verwaltung von Unit Trusts tätig. Über Liontrust Investment Partners LLP (LIP) bietet LAM professionellen Anlegern direkt, über Anlageberater und über andere professionelle Berater Anlageverwaltungsdienste an. Über Liontrust International (Luxembourg) S.A. (LILSA) ist LAM im Vertriebsgeschäft tätig. Über Liontrust Portfolio Management Limited (LPML) bietet LAM professionellen Anlegern direkt, über Anlageberater und über andere professionelle Berater Anlageverwaltungsdienste an (Informationen gemäss: https://de.marketscreener.com/kurs/aktie/LIONTRUST-ASSET-MANAGEMEN-4002273/unternehmen/ besucht am 14. April 2023).

E.
Gemäss Angaben der Gesuchstellerin erbringt LIP, eine 100%-Tochter von LAM als Investment Advisor diskretionäre Investment Management- und Marketing-Dienstleistungen und handelt als solche im Namen der von ihr geleiteten Anlagefonds und kann diese binden. Unter anderem liegt es im Ermessen von LIP, das Portfolio zu verwalten und Anlagen und andere Vermögenswerte der Fonds zu kaufen, zu verkaufen, einzubehalten, umzutauschen, umzuwandeln oder anderweitig damit zu handeln. LAM geht davon aus, dass LIP im Namen und auf Rechnung eines von ihr gemanagten Sub-Fonds der Liontrust Global Funds plc, in der Zeit zwischen Juni 2021 und Mai 2022 eine Short-Position bezüglich einer Anzahl GAM-Aktien von insgesamt weniger als 1% der GAM-Aktien eingegangen ist.

F.
LAM prüft die Möglichkeit, den Aktionären von GAM ein öffentliches Tauschangebot für alle GAM-Aktien zu unterbreiten (das öffentliche Tauschangebot). Die Voranmeldung für das öffentliche Tauschangebot soll voraussichtlich am 25. April 2023 publiziert werden. Gleichentags ist die (verschobene) Präsentation der Jahresergebnisse von GAM für das Geschäftsjahr 2022 angesetzt (vgl. Sachverhalt lit. B).

G.
Mit Gesuch vom 6. April 2023 (Gesuch vom 6. April 2023) stellte LAM folgende Anträge:

Feststellungsantrag

1.

Es sei festzustellen, dass Liontrust Investment Partners LLP (LIP) bezüglich des Handelns mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds (Fonds), insbesondere des Liontrust GF European Strategic Equity Fund, nicht als handelnd in gemeinsamer Absprache mit LAM nach Art. 11 Übernahmeverordnung (UEV) gilt.

  Die zu erlassende Verfügung sei nicht vor der Publikation einer Voranmeldung beziehungsweise eines Prospekts bezüglich des möglichen öffentlichen Tauschangebots für alle GAM-Aktien zu veröffentlichen.


Eventualanträge

2. Eventualiter (falls obigem Antrag 1 nicht stattgegeben werden sollte) sei festzustellen resp. eine entsprechende Ausnahme zu gewähren, dass LIP bezüglich des Handelns mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds, insbesondere des Liontrust GF European Strategic Equity Fund, von der Mindestpreisregel (Art. 135 Abs. 2 FinfraG) sowie von der Best Price Rule (Art. 10 UEV) und der Pflicht, eine Baralternative anzubieten (Art. 9a UEV), ausgenommen ist.

3. Eventualiter (falls obigen Anträgen 1 und 2 nicht stattgegeben werden sollte) sei festzustellen resp. eine entsprechende Ausnahme zu gewähren, dass LIP bezüglich des Handelns mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds, insbesondere des Liontrust GF European Strategic Equity Fund, für nachfolgende Transaktionen nicht als handelnd in gemeinsamer Absprache mit LAM nach Art. 11 UEV gilt:

  a. Vor der Publikation der Voranmeldung oder des Prospekts: Jeder Handel mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) von LIP auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds, vorausgesetzt, dass LIP bzw. ihre Portfoliomanager (Händler) zum Zeitpunkt ihres Handels keine Kenntnis vom möglichen Angebot haben; sowie

  b.

Nach der Publikation der Voranmeldung oder des Prospekts: Alle von LIP getätigte Käufe von GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten), wenn das Ziel des Handels entweder die Reduzierung der Short-Positionen der Fonds oder die Rückgabe von GAM-Aktien ist, welche die Fonds ausgeliehen hatten.

4. Eventualiter (falls obigen Anträgen 1 bis 3 nicht stattgegeben werden sollte) sei festzustellen resp. eine entsprechende Ausnahme zu gewähren, dass LIP bezüglich des Handelns mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds, insbesondere des Liontrust GF European Strategic Equity Fund, für nachfolgende Transaktionen die Mindestpreisregel (Art. 135 Abs. 2 FinfraG) sowie die Best Price Rule (Art. 10 UEV) und die Pflicht, eine Baralternative anzubieten (Art. 9a UEV), nicht zur Anwendung kommen:

  a. Vor der Publikation der Voranmeldung oder des Prospekts: Jeder Handel mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) von LIP auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds, vorausgesetzt, dass LIP bzw. ihre Portfoliomanager (Händler) zum Zeitpunkt ihres Handels keine Kenntnis vom möglichen Angebot haben; sowie

  b.

Nach der Publikation der Voranmeldung oder des Prospekts: Alle von LIP getätigte Käufe von GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten), wenn das Ziel des Handels entweder die Reduzierung der Short-Positionen der Fonds oder die Rückgabe von GAM-Aktien ist, welche die Fonds ausgeliehen hatten.

5. Die zu erlassende Verfügung sei nicht vor der Publikation einer Voranmeldung beziehungsweise eines Prospekts bezüglich des möglichen öffentlichen Tauschangebots für alle GAM-Aktien zu veröffentlichen.

 

Zusammen mit dem Gesuch vom 6. April 2023 reichte die Gesuchstellerin ein Rechtsgutachten von Dentons UK and Middle East LLP (Dentons), One Fleet Place London EC4M 7WS, Vereinigtes Königreich, vom 7. November 2022 und 31. März 2023 ein (Rechtsgutachten von Dentons), in welchem Dentons die Frage der Unabhängigkeit eines Fund Manager im Vereinigten Königreich und die diesbezüglichen Regelungen im UK Takeover Code erörtert, namentlich in Bezug auf die Frage eines Handelns in gemeinsamer Absprache mit einem verbundenen Anbieter.

Auf die Begründung der Anträge des Gesuchs vom 6. April 2023 sowie auf den Inhalt des Rechtsgutachtens von Dentons wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

H.
Mit Eingabe vom 11. April 2023 reichte die Gesuchstellerin ein zweites Gesuch ein (Gesuch vom 11. April 2023), welches das Gesuch vom 6. April 2023 ergänzt (Gesuch vom 6. April 2023 und Gesuch vom 11 April 2023 zusammen die Gesuche der Anbieterin). Mit Eingabe vom 14. April 2023 reichte die Anbieterin zudem den Entwurf einer Voranmeldung zum öffentlichen Tauschangebot ein (Entwurf der Voranmeldung). Das Gesuch vom 11. April 2023 enthält folgende Anträge:

1. Es sei festzustellen, dass in einem möglichen öffentlichen Tauschangebot von LAM für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von GAM nachfolgende Angebotsbedingung bis zum Vollzug des möglichen öffentlichen Tauschangebots zulässig ist:

  "Implementation of the FMS Exit: The FMS Exit having been implemented.

  For the purposes of this condition:

  FMS Exit means exit of the Company and its subsidiaries from the fund management services business undertaken by the Company's subsidiaries in Luxembourg and Switzerland in respect of all third party funds that have no GAM branding, including through those subsidiaries transferring or terminating the FMS Service Contracts in accordance with their terms and applicable law, such that those subsidiaries have ceased to provide services under such contracts, subject always to those subsidiaries complying with all necessary regulatory approvals or directions in relation to the exit from that business.

 

FMS Service Contracts means all contracts, agreements and arrangements pursuant to which to all third party funds that have no GAM branding receive fund management services from the Company's subsidiaries in Luxembourg and Switzerland.

[Anm.: Wortlaut gemäss Entwurf der Voranmeldung]

2.

Vor Erlass einer Verfügung, welche den Antrag 1. nicht vollumfänglich gutheisst, sei LAM vorgängig anzuhören und es sei LAM die Möglichkeit einzuräumen, weitere Ausführungen einzureichen.

3. Die Verfügung der Übernahmekommission sei frühestens nach oder gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Voranmeldung durch LAM zu veröffentlichen.

 

Auf die Begründung dieser Anträge des Gesuchs vom 11. April 2023 wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

I.
Mit Eingabe vom 11. April 2023 reichte GAM ein Gesuch um Feststellung des Nichtvorliegens einer Abwehrmassnahme / Ausnahme (Gesuch von GAM) ein mit folgenden Anträgen:

1. Es sei festzustellen, dass:

  a. die Abwicklung FMS-Geschäft keine gesetzeswidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (FinfraG) und Art. 36 der Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote (UEV) darstellt. Eventualiter sei GAM eine Ausnahme von den genannten Bestimmungen des Übernahmerechts zu den Abwehrmassnahmen dahingehend zu gewähren, dass der Verwaltungsrat von GAM die Abwicklung FMS-Geschäft ohne Beschlussfassung der Generalversammlung von GAM beschliessen und durchführen darf.

  b. falls Antrag 1(a) nicht stattgegeben werden sollte, die Abwicklung FMS-Geschäft keine gesetzeswidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 Abs. 2 FinfraG und Art. 36 UEV darstellt, wenn sie durch den Verwaltungsrat von GAM vor der Unterbreitung der Voranmeldung des Angebots durch LAM beschlossen und gleichzeitig mit der Voranmeldung öffentlich kommuniziert wird unabhängig davon, wann GAM die FMS-Verträge allenfalls auf einen Drittdienstleister überträgt oder Kündigungen der FMS-Verträge ausspricht. Eventualiter sei GAM eine Ausnahme von den genannten Bestimmungen des Übernahmerechts zu den Abwehrmassnahmen dahingehend zu gewähren, dass der Verwaltungsrat von GAM die Abwicklung FMS-Geschäft ohne Beschlussfassung der Generalversammlung von GAM durchführen darf, wenn er sie wie in diesem Antrag beschrieben beschliesst und kommuniziert.

  c. falls den Anträgen 1(a) und 1(b) nicht stattgegeben werden sollte, die Abwicklung FMS-Geschäft keine gesetzeswidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 Abs. 2 FinfraG und Art. 36 UEV darstellt, wenn sie durch den Verwaltungsrat von GAM vor der Unterbreitung der Voranmeldung des Angebots durch LAM beschlossen wird und GAM die Kündigungen der FMS-Verträge vor der Unterbreitung der Voranmeldung des Angebots durch LAM ausspricht. Eventualiter sei GAM eine Ausnahme von den genannten Bestimmungen des Übernahmerechts zu den Abwehrmassnahmen dahingehend zu gewähren, dass der Verwaltungsrat von GAM die Abwicklung FMS-Geschäft ohne Beschlussfassung der Generalversammlung von GAM durchführen darf, wenn er sie wie in diesem Antrag beschrieben beschliesst und GAM die FMS-Verträge wie in diesem Antrag beschrieben kündigt.

  d.

falls Antrag 1(a) nicht stattgegeben werden sollte, die Abwicklung FMS-Geschäft keine gesetzeswidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 Abs. 2 FinfraG und Art. 36 UEV darstellt, wenn sie durch Veräusserung oder Übertragung des FMS-Geschäfts an einen oder mehrere Dritte erfolgt und der oder die entsprechende(n) Veräusserungs- oder Übertragungsvertr(ag/äge) vor der Unterbreitung der Voranmeldung des Angebots durch LAM unterzeichnet wird oder werden oder, ungeachtet des Abschlusses eines oder mehrerer solcher Verträge, ein Abbruch der Verhandlungen eines solchen Vertrags oder solcher Verträge zu Ansprüchen Dritter gegen die Zielgesellschaft (z.B. aus culpa in contrahendo) oder zu Reputationsschäden führen könnte.

2. Die Verfügung der Übernahmekommission sei frühestens zeitgleich mit der Voranmeldung von LAM zu veröffentlichen.

 

Auf die Begründung dieser Anträge im Gesuch von GAM wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

J.
Mit Eingabe vom 13. April 2023 teilte die Zielgesellschaft mit, dass sie mit Bezug auf die Eingabe der Anbieterin zu den Short Positions (vgl. Gesuch vom 6. April 2023, Sachverhalt lit. G) bestätige, dass sie diese vorab zur Durchsicht und Kommentierung erhalten habe und dass sie mit dieser einverstanden sei und die Anträge der Anbieterin unterstütze. Auch mit Bezug auf die Eingabe der Anbieterin zur Angebotsbedingung hinsichtlich des Ausstiegs aus dem FMS-Geschäft (vgl. Gesuch vom 11. April 2023, Sachverhalt lit. H) bestätigte die Zielgesellschaft, dass sie diese vorab zur Durchsicht und Kommentierung erhalten habe und dass sie mit dieser einverstanden sei und die Anträge der Anbieterin unterstütze. Die Zielgesellschaft bestätigte zudem, dass mit Blick auf das öffentliche Tauschangebot der Anbieterin der Ausstieg aus dem FMS-Geschäft ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Neuausrichtung und des Restrukturierungsplans der Zielgesellschaft und ein unentbehrlicher Bestandteil der Gesamttransaktion sei.

K.
Mit Eingabe vom 14. April 2023 bestätigte die Anbieterin, dass sie vom Gesuch von GAM (vgl. Sachverhalt lit. I) Kenntnis habe und dieses unterstütze.

L.
Mit Eingabe vom 18. April 2023 bestätigte die Gesuchstellerin, dass LIP in den letzten 12 Monaten keine GAM-Aktien für die von LIP gemanagten Anlagefonds erworben habe.

M.
Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 18. April 2023 teilte GAM mit, dass man die jüngsten Pressespekulationen zur Kenntnis nehme und dass man bestätige, dass sich GAM in Gesprächen unter anderen mit LAM befinde.

N.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Mirjam Eggen (Präsidentin), Jean-Luc Chenaux, Beat Fellmann und Mario Rossi gebildet.

 

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.  Handeln in gemeinsamer Absprache von LIP mit der Anbieterin (Antrag Ziff. 1 und Eventualantrag Ziff. 2 des Gesuchs vom 6. April 2023)

1.1 Feststellungsinteresse

[1] Für Verfahren vor der Übernahmekommission gelten unter Vorbehalt der Bestimmungen gemäss Art. 139 Abs. 2 – 5 FinfraG die Normen des VwVG (Art. 139 Abs. 1 FinfraG). Nach Art. 25 Abs. 1 VwVG kann über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten auf Begehren eine Feststellungsverfügung erlassen werden. Einem Begehren um Erlass einer solchen Verfügung ist gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse daran nachweist. Gemäss Praxis ist ein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse gegeben, wenn für den Gesuchsteller eine direkte und aktuelle Unklarheit über die Rechtslage besteht, die mittels einer Feststellungsverfügung geklärt werden kann (zuletzt Verfügung 805/01 vom 26. Januar 2022 in Sachen Bank Linth LLB AG, Erw. 1).

[2] Im vorliegenden Fall hat die Gesuchstellerin ein schutzwürdiges, direktes und aktuelles Interesse, eine mögliche Unsicherheit mit Blick auf die Frage, ob LIP im Fall der Unterbreitung des öffentlichen Tauschangebotes in gemeinsamer Absprache handelt, mittels Feststellungsverfügung zu klären. Auf das Gesuch wird somit eingetreten.

1.2 Grundsatz

[3] Für Personen, die im Hinblick auf ein Angebot in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe mit der Anbieterin handeln, gilt Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA sinngemäss (Art. 11 Abs. 1 UEV). Solche Personen haben die Pflichten nach Art. 12 UEV einzuhalten, was von der Prüfstelle zu überprüfen ist.

[4] Nach Praxis der Übernahmekommission handeln alle vom Anbieter direkt oder indirekt beherrschten Gesellschaften und Personen mit dem Anbieter in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art.11 Abs. 1 UEV (zuletzt Verfügung 823/01 vom 25. Juli 2022 in Sachen Valora Holding AG, Erw. 3.1).

1.3 Antragsbegründung der Gesuchstellerin

[5] Die Gesuchstellerin macht in diesem Zusammenhang insbesondere Folgendes geltend: Das Rechtsgutachten von Dentons führe aus, dass LIP ihre Anlageentscheide unabhängig von der Anbieterin treffen müsse und dass in der Praxis des Vereinigten Königreichs und gestützt auf den UK Takeover Code eine gefestigte Praxis besteht, gemäss welcher die Unabhängigkeit der Fund Manager im Vereinigten Königreich anerkannt sei. Dies müsse auch im Schweizer Übernahmerecht zutreffen: Zwar sei LIP eine Konzerngesellschaft der Anbieterin LAM, jedoch treffe LIP ihre Anlageentscheide ohne Beeinflussung durch LAM.

[6] Das Rechtsgutachten von Dentons zeige, dass LIP als Wertpapierfirma im Vereinigten Königreich den folgenden Regeln unterliege, die den Vorrang ihrer Pflichten gegenüber ihrem Kunden, dem Fonds, im Zusammenhang mit den von ihr im Namen des Fonds getätigten Geschäften festlegen würden: LIP sei von der Financial Conduct Authority (FCA) im Vereinigten Königreich zugelassen und werde von ihr reguliert. LIP sei daher verpflichtet, ihre Geschäfte im Einklang mit einem detaillierten Regelwerk zu führen, das Gesetzeskraft besitze. LIP unterliege strengen treuhänderischen Pflichten nach allgemeinem Recht (Common Law), die auch in den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen verankert seien, insbesondere der Pflicht, im besten Interesse ihres Kunden, des Fonds, zu handeln. Das Investment Advisory Agreement von LIP mit dem Fonds verpflichte LIP ebenfalls vertraglich, im besten Interesse des Fonds zu handeln. Falls LIP mit Wertpapieren, wie z.B. GAM-Aktien, handle, tue LIP dies für den Fonds in Übereinstimmung mit ihren in der Vereinbarung mit dem Fonds festgelegten Befugnissen. LIP handle dabei im Namen des Fonds und im Interesse des Fonds, nicht im eigenen Interesse und nicht im Interesse der Unternehmensgruppe, zu der LIP gehöre; und LIP unterliege als Fund Manager strengen Governance-Anforderungen in Form von Vorschriften und internen Liontrust-Governance-Richtlinien, die sicherstellen würden, dass die einzelnen Fondsmanager, die Wertpapiergeschäfte für den Fonds tätigen, bei der Durchführung dieser Anlagegeschäfte unabhängig von LAM handeln würden. Schliesslich zeige das Rechtsgutachten von Dentons auch, dass gemäss UK Market Abuse Regulation eine Absprache zwischen LAM und LIP bezüglich des Handels mit GAM-Aktien unter der UK Market Abuse Regulation kritisch zu betrachten wäre. Daraus ergebe sich, dass ein Fund Manager, d.h. LIP, und die von ihm verwalteten Fonds, somit als unabhängig gelten müssten und daher nicht in gemeinsamer Absprache mit LAM handeln würden.

1.4 Erwägungen

1.4.1 Praxis der Übernahmekommission

[7] Mit Verfügung 477/01 vom 3. Juni 2011 in Sachen Absolute Private Equity AG, Erw. 3 stellte die Übernahmekommission u.a. Folgendes fest: «HarbourVest verwaltet und kontrolliert eine Vielzahl von Einheiten und Anlagevehikeln unterschiedlicher Rechtsformen. Bei einem Teil dieser Einheiten handelt es sich um Limited Liability Companies (LLC), US-amerikanische Kapitalgesellschaften, für welche HarbourVest direkt oder indirekt über andere Einheiten die Funktion eines geschäftsführenden Mitglieds (Managing Member) ausübt. Bei anderen Einheiten handelt es sich um Limited Partnerships (LP) angloamerikanischen Rechts, welche am ehesten mit den Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen des Bundesgesetzes für kollektive Kapitalanlagen (KAG) vergleichbar sind (vgl. Peter Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, 3. Auflage 2010, § 12 N 8). Bei diesen Einheiten übt HarbourVest ebenfalls direkt oder indirekt über andere Einheiten die Funktion eines General Partners aus. Sämtliche auf diese Weise von HarbourVest direkt oder indirekt verwalteten und kontrollierten Einheiten und Anlagevehikel handeln im Sinne von Art. 11 UEV in gemeinsamer Absprache mit HarbourVest (vgl. Angebotsprospekt, Ziff. 3.3)

[8] Nichts anderes ergibt sich auch aus der Empfehlung 225/01 vom 7. März 2005 in Sachen Forbo Holding AG, Erw. 3.2. Darin heisst es: «Im Übrigen handeln im Rahmen dieses Kaufangebots CVC und deren direkte und indirekte Muttergesellschaften und die durch diese kontrollierten Tochtergesellschaften sowie alle durch CVC und deren direkte und indirekte Muttergesellschaften und deren Tochtergesellschaften kontrollierten und von diesen beratenen Beteiligungsgesellschaften und deren Tochtergesellschaften in gemeinsamer Absprache mit AFB Investment.»

[9] In Verfügung 500/01 vom 22. Dezember 2011 in Sachen Bank Sarasin & Cie AG, 2.6 wurde Folgendes ausgeführt: «Die Anlageentscheide der Fondsleitungsgesellschaft sind demnach Sarasin zuzurechnen. Das gilt natürlich auch für die wohl üblichsten Fälle, bei denen die Fondsleitungsgesellschaft die Anlageentscheide an Sarasin mittels Verwaltungsmandat delegiert. Dass Sarasin oder die Fondsleitungsgesellschaft ihre Anlageentscheide letztlich im Interesse der wirtschaftlich berechtigten Fondsanteilsinhaber vornimmt, ändert daran nichts.»

[10] Auch aus der Empfehlung 307/02 in Sachen Bank Sarasin & Co. AG vom 16. Februar 2007, Erw. 6.6.2 geht nichts anderes hervor. Dort heisst es: «Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Fondsleitungsgesellschaften von den Depotbanken unabhängig sind. Vorliegend handelt es sich jedoch um eine besondere Situation, da die Anlageentscheide von den Fondsleitungsgesellschaften an die Sarasin delegiert worden sind. Selbst wenn also die Fondsleitungsgesellschaften im Rahmen der anlagefondrechtlichen Regulierung als von der Depotbank unabhängig gelten, kann vorliegend aufgrund dieser Delegation aus übernahmerechtlicher Sicht nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Anlageentscheide unabhängig getroffen werden. Zwar werden die Anlageentscheide für die verschiedenen Fonds oder Fondsgesellschaften im Interesse der Anleger bzw. der Fonds und für Rechnung der Fonds getätigt. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass Anlageentscheide von der Sarasin beeinflusst werden könnten. Zudem ist es für die Sarasin und die Fonds bzw. Fondsgesellschaften durchaus zumutbar, während des Best Price Rule-relevanten Zeitraums davon abzusehen, Käufe von Namenaktien B vorzunehmen.» [Anm.: Hervorhebung nicht im Original].

1.4.2 Würdigung

[11] Aus der erwähnten Praxis der Übernahmekommission geht hervor, dass – jedenfalls im Grundsatz – (auch) Fondsleitungsgesellschaften in gemeinsamer Absprache mit einer sie kontrollierenden Anbieterin handeln. Dies gilt zumindest dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Anlageentscheide von der Anbieterin beeinflusst werden könnten.

[12] Dies trifft auch auf LIP zu: LIP wird von LAM vollständig kontrolliert. LIP tritt die Analageentscheide für die von ihr verwalteten Anlagefonds. Zwar werden diese Anlageentscheide für die Anlagefonds im Interesse der Anleger bzw. der Anlagefonds und für Rechnung der Anlagefonds getätigt. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass Anlageentscheide von LAM beeinflusst werden könnten.

[13] Anders als im Sachverhalt, welcher der Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Sarasin & Cie AG zugrunde lag, trifft LIP die Anlageentscheide für die ihr verwalteten Fonds selbst und hat diese nicht an eine (in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin) handelnde Gesellschaft delegiert. Da es sich bei LIP jedoch um eine 100%-Tochtergesellschaft der Anbieterin handelt (vgl. Sachverhalt lit. C und D) kann auch bei der vorliegenden Konstellation nicht ausgeschlossen werden, dass im konkreten Fall Anlageentscheide von der Anbieterin beeinflusst werden könnten. Der Umstand, dass LIP ihre Anlageentscheide letztlich im Interesse der wirtschaftlich berechtigten Fondsanteilsinhaber vornimmt, ändert daran nichts.

1.5 Zwischenfazit

[14] Nach Gesagtem handelt LIP in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin gemäss Art. 11 UEV. Antrag Ziff. 1 und Eventualantrag Ziff. 2, welcher sich auf die Rechtsfolgen eines Handelns in gemeinsamer Absprache bezieht, werden demnach abgewiesen.

2.  Ausnahmen für bestimmte Erwerbe von GAM-Aktien durch LIP (Anträge Ziff. 3-4 des Gesuchs vom 6. April 2023)

[15] Die Gesuchstellerin beantragt (vgl. Sachverhalt lit. G):

    • eventualiter die Feststellung, dass LIP bezüglich des Handelns mit GAM-Aktien auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds von der Mindestpreisregel (Art. 135 Abs. 2 FinfraG) sowie von der Best Price Rule (Art. 10 UEV) und der Pflicht, eine Baralternative anzubieten (Art. 9a UEV), (generell) ausgenommen ist (Antrag Ziff. 2) bzw.

    • subeventualiter dass für LIP das Handeln in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin zeitlich erst ab Kenntnis des möglichen Angebots beginnt und zudem keine Deckungskäufe erfasst (Antrag Ziff. 3 a) und b)) bzw.

    • subsubeventualiter dass die Mindestpreisregel (Art. 135 Abs. 2 FinfraG) die Best Price Rule (Art. 10 UEV) und die Pflicht, eine Baralternative anzubieten (Art. 9a UEV) zeitlich erst ab Kenntnis des möglichen Angebots beginnen und zudem keine Deckungskäufe erfassen (Antrag Ziff. 4).

2.1 Allgemeines

[16] Zunächst ist festzuhalten, dass ein allfälliger Erwerb von GAM-Aktien durch LIP grundsätzlich der Mindestpreisregel, der Best Price Rule und der Pflicht zur Baralternative untersteht, sofern er in dem für die jeweilige Vorschrift massgebenden Zeitraum erfolgt, da LIP wie festgestellt in gemeinsamer Absprache mit LAM handelt (vgl. Erw. 1.5). Damit stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang von diesen Vorschriften eine Ausnahme erteilt werden kann.

[17] Gemäss Art. 4 Abs. 1 UEV kann die UEV von Amtes wegen oder auf Gesuch hin Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen der UEV gewähren, sofern diese durch überwiegende Interessen gerechtfertigt sind. Diese Regelung ermöglicht der Übernahmekommission eine dem Einzelfall angemessene Lösung zu finden, sofern sich eine solche durch überwiegende Interessen rechtfertigt oder eine buchstabengetreue Anwendung der UEV zu einem Ergebnis führt, das nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar ist (Verfügung 726/03 vom 28. Mai 2019 in Sachen Panalpina Welttransport (Holding) AG, Erw. 4.1 mit Nachweisen).

[18] Eine Ausnahme zur Best Price Rule kann gewährt werden, wenn die Zielgesellschaft aus rechtlichen oder ökonomischen Gründen zwingend darauf angewiesen ist, die fraglichen Transaktionen zu tätigen, beispielsweise um bestehende Verpflichtungen unter oder Anwartschaften und Rechte aus Mitarbeiterbeteiligungsplänen zu erfüllen bzw. zu bedienen (Verfügung 726/03 vom 28. Mai 2019 in Sachen Panalpina Welttransport (Holding) AG, Erw. 4.1; Verfügung 624/03 vom 29. April 2016 in Sachen Syngenta AG, Erw. 2).

[19] Analog zur Praxis zur Best Price Rule kann auch zur Pflicht zur Unterbreitung einer Baralternative gemäss Art. 9a Abs. 1 UEV eine Ausnahme gewährt werden, wenn die Zielgesellschaft aus rechtlichen oder ökonomischen Gründen zwingend darauf angewiesen ist, die fraglichen Transaktionen in bar zu tätigen (Verfügung 726/03 vom 28. Mai 2019 in Sachen Panalpina Welttransport (Holding) AG, Erw. 6.2; Verfügung 418/01 vom 07. Juli 2009 in Sachen BB Medtech AG; Erw.5).

[20] Eine Ausnahme von der Mindestpreisregel gemäss Art. 135 Abs. 2 lit. b FinfraG kann die Übernahmekommission gestützt auf Art. 47 FinfraV-FINMA «aus wichtigen Gründen» erteilen.

2.2 Ausnahme für Käufe von GAM-Aktien durch LIP vor Kenntnis des öffentlichen Tauschangebots (Eventualantrag Ziff. 3 a des Gesuchs vom 6. April 2023)

[21] Die Gesuchstellerin beantragt mit Eventualantrag Ziff. 3 a des Gesuchs vom 6. April 2023, es sei festzustellen (bzw. eine entsprechende Ausnahme zu gewähren), dass LIP bezüglich des Handels mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) auf Rechnung der von LIP gemanagten Fonds nicht als handelnd in gemeinsamer Absprache gilt, wenn der Handel vor der Publikation der Voranmeldung oder des Prospekts erfolgt und LIP zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis vom möglichen öffentlichen Tauschangebot hatte.

[22] Die Gesuchstellerin führt hierzu u.a. Folgendes aus: LIP treffe ihre Anlageentscheide unabhängig von LAM. Das Gutachten von Dentons zeige zudem, dass eine Absprache zwischen LAM und LIP bezüglich des Handels mit GAM-Aktien unter der UK Market Abuse Regulation kritisch zu betrachten wäre. Obwohl es keine formellen "Chinese Walls" zwischen LAM und LIP gebe, agieren LAM und LIP, wie im Gutachten von Dentons beschrieben, als eigenständige juristische Personen, die getrennt und unabhängig voneinander handeln würden. Wichtig sei, dass LAM gemäss Artikel 9 der UK Market Abuse Regulation überzeugt sei, dass sie angemessene und wirksame interne Vorkehrungen und Verfahren eingeführt habe, um (i) zu verhindern, dass Personen, die im Besitz von Informationen über das öffentliche Tauschangebot sind, GAM-Aktien erwerben oder veräussern, und (ii) zu verhindern, dass solche Personen Einfluss auf die Entscheidungen nehmen, welche die Portfoliomanager von LIP (in Übereinstimmung mit den Anlageverwaltungspflichten) über den Erwerb oder die Veräusserung von GAM-Aktien treffen können.

[23] Die Gesuchstellerin konnte darlegen, dass es für sie zeitlich vor dem Bekanntwerden des öffentlichen Tauschangebots, also vor der Publikation der Voranmeldung oder des Prospekts, angesichts der Unabhängigkeit von LIP als Fondsleitungsgesellschaft nicht möglich ist, ohne Verletzung der einschlägigen Governance-Anforderungen und der UK Market Abuse Regulation Einfluss auf einen möglichen Handel von GAM-Aktien durch LIP zu nehmen.

[24] Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, dass LAM bzw. LIP eine Ausnahme zum Handeln in gemeinsamer Absprache gemäss Art. 11 UEV gewährt wird für allfällige Käufe von LIP-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten), welche LIP auf Rechnung der von LIP gemanagten Fonds getätigt hat. Diese Ausnahme gilt allerdings nur bis zu jenem Zeitpunkt, in welchem LIP Kenntnis von dem möglichen öffentlichen Tauschangebot erlangt hat, also vorliegend längstens bis zum 18. April 2023, dem Datum der Ad-hoc-Meldung von GAM (vgl. Sachverhalt lit. M).

[25] Dies entspricht im Ergebnis auch der Rechtslage unter dem Recht des Vereinigten Königsreichs, wonach «connected fund managers» vermutungshalber erst ab dem Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung eines Kaufangebotes (oder falls sie schön früher von einem [möglichen] öffentlichen Angebot Kenntnis haben, ab diesem früheren Zeitpunkt) in gemeinsamer Absprache mit einem Anbieter handeln, mit welchem sie verbunden sind (vgl. Rule 7.2(a) TIME FROM WHICH PRESUMPTIONS OF ACTING IN CONCERT APPLY: «Where a fund manager or principal trader is connected with an offeror or potential offeror, any presumption that the connected fund manager or connected principal trader is acting in concert with that offeror or potential offeror will be applied only from when: (i) the offeror or potential offeror is first publicly identified; or (ii) the connected fund manager or connected principal trader is made aware of the possible offer to be made by the potential offeror, whichever is the earlier.»).

2.3 Ausnahme für Käufe von GAM-Aktien durch LIP zur Deckung von Short-Positionen (Eventualantrag Ziff. 3 b des Gesuchs vom 6. April 2023)

[26] Die Gesuchstellerin beantragt mit Eventualantrag Ziff. 3 b des Gesuchs vom 6. April 2023, es sei festzustellen (bzw. eine entsprechende Ausnahme zu gewähren), dass LIP bezüglich des Handels mit GAM-Aktien (oder entsprechenden Finanzprodukten) auf Rechnung der von LIP gemanagten Fonds, insbesondere des Liontrust GF European Strategic Equity Fund, nicht als handelnd in gemeinsamer Absprache gilt, wenn das Ziel des Handels entweder die Reduzierung der Short-Positionen der Fonds oder die Rückgabe von GAM-Aktien ist, welche die Fonds ausgeliehen hatten.

[27] Die Gesuchstellerin führt hierzu aus, dass LIP im Namen und auf Rechnung des Liontrust GF European Strategic Equity Fund, einem von ihr gemanagten Sub-Fonds der Liontrust Global Funds plc, in der Zeit zwischen Juni 2021 und Mai 2022 eine Short-Position bezüglich einer geringen Anzahl GAM-Aktien von insgesamt weniger als 1% der GAM-Aktien eingegangen sei (vgl. Sachverhalt lit. E). Der Liontrust GF European Strategic Equity Fund sei zwar nicht direkt verpflichtet, GAM-Aktien im Rahmen der Short-Position zu erwerben. Die Short-Position sei jedoch über eine Swap-Transaktion mit Morgan Stanley eingegangen worden, in deren Rahmen der Liontrust GF European Strategic Equity Fund GAM-Aktien ausgeliehen habe. Auch wenn es unwahrscheinlich sei, sei es möglich, dass LIP die Short-Position schliessen müsse, weil der Aktienverleiher die Rückgabe dieser Aktien verlange.

[28] Gemäss Praxis der Übernahmekommission fallen Deckungskäufe nicht unter den Gleichbehandlungsgrundsatz, insbesondere nicht unter die Best Price Rule von Art. 10 UEV, sofern solche Absicherungsgeschäfte zur Erfüllung von bestehenden vertraglichen Pflichten gegenüber Dritten erfolgen (Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Bank Sarasin & Cie AG, Erw. 6.3).

[29] Vor diesem Hintergrund kann der Gesuchstellerin antragsgemäss eine Ausnahme von der Pflicht eine Baralternative anzubieten und von der Einhaltung der Best Price Rule gewährt werden für Deckungskäufe von GAM-Aktien, welche der Erfüllung von bestehenden Short-Positionen der von LIP geleiteten Anlagefonds dienen (inkl. Rückgabe von ausgeliehenen GAM-Aktien).

[30] Die Prüfstelle hat die entsprechenden Transaktionen zu überwachen und gegenüber der Übernahmekommission zu bestätigen, dass die im Rahmen dieser Transaktionen erworbenen GAM-Aktien ausschliesslich zur Erfüllung von bestehenden vertraglichen Pflichten gegenüber Dritten verwendet werden.

3.  Zulässigkeit der FMS Abwicklungs-Bedingung

[31] Mit Gesuch vom 11. April 2023 stellt die Anbieterin den Antrag, es sei festzustellen, dass eine Bedingung zulässig ist, welche die Abwicklung des FMS-Geschäfts von GAM vorsieht (FMS Abwicklungs-Bedingung, vgl. Sachverhalt lit. H).

[32] Die Gesuchstellerin begründet die Notwendigkeit dieser Bedingung wie folgt:

    • Insbesondere GAMs Geschäftsbereich der FMS sei derzeit nicht rentabel und generiere Verluste (vgl. Sachverhalt lit. B). Das FMS-Geschäft bestehe aus den FMS-Verträgen, welche die Erbringung von Fondsverwaltungsdienstleistungen (fund management services) und damit zusammenhängenden Nebendienstleistungen durch GAM bzw. deren Gruppengesellschaften in Luxemburg und in der Schweiz für Fonds von Dritten regle. Diese FMS-Verträge seien nicht bilanziert, es handle sich um Ausserbilanzpositionen. Im Rahmen der laufenden strategischen Überprüfung von GAM seien für das FMS-Geschäft aufgrund dieser schwierigen Situation verschiedene Handlungsoptionen evaluiert worden, so auch ein möglicher Verkauf. Ein von GAM durchgeführtes Markt-Screening für einen potenziellen Käufer dieses Geschäftsbereiches habe bisher allerdings nicht zu einem Abschluss eines Verkaufsvertrags geführt. GAM sei weiterhin auf die zeitnahe Umsetzung einer angemessenen und passenden Strategiemassnahme mit Blick auf sämtliche Geschäftsbereiche angewiesen.

    • LAM sei grundsätzlich daran interessiert, ein freundliches öffentliches Tauschangebot für sämtliche sich im Publikum befindenden Namenaktien von GAM abzugeben und die Geschäftsbereiche Investment Management und Wealth Management von GAM zu übernehmen. Allerdings sehe sich LAM aus verschiedenen Gründen weder in der Lage noch dazu bereit, das FMS-Geschäft ganz oder teilweise im Rahmen oder als Folge des Angebots zu übernehmen, auch nicht vorübergehend. Da das FMS-Geschäft Verluste generiere, bestehe ein hohes Risiko, dass dessen Weiterführung die anderen Geschäftszweige von GAM, d.h. das Investment Management und das Wealth Management, weiter belasten würde. Aufgrund des von GAM bereits durchgeführten Markt-Screenings für einen potenziellen Verkauf des FMS-Geschäfts müsse LAM zudem davon ausgehen, dass ein zeitnaher Verkauf nicht realistisch sei. Entsprechend verbleibe zurzeit als realistisches Szenario die zeitnahe Einleitung der Abwicklung des FMS-Geschäfts durch Übertragung der FMS-Verträge auf einen Drittdienstleister (voraussichtlich ohne oder gegen eine bloss symbolische Gegenleistung) und/oder Beendigung der FMS-Verträge. Um GAM die notwendige Flexibilität für unvorhergesehene Entwicklungen zu erhalten, beschränke sich die FMS Abwicklungs-Bedingung aber nicht strikt auf dieses Szenario. LAM bzw. dessen Gruppengesellschaften würden zwar über Expertise im Investment Management-Geschäft verfügen, nicht jedoch im Fund Management Services-Geschäft und insbesondere auch nicht in der Abwicklung eines Fund Management Services-Geschäftsbereichs. Das Risiko, das LAM im Zusammenhang mit einer eigenen Abwicklung oder Restabwicklung des FMS-Geschäfts auf sich nehmen müsste, könne LAM deshalb nicht auf sich nehmen.

    • Vor dem Hintergrund dieser Interessenlage hätten sich LAM und GAM darauf verständigt, dass die Abwicklung des FMS-Geschäft durch GAM ein Hauptelement der geplanten Gesamttransaktion und eine vor Vollzug des öffentlichen Tauschangebots zu erfüllende Bedingung darstellen solle.

    • Im Weiteren könne der Eintritt der FMS Abwicklungs-Bedingung aufgrund deren Konzeption nicht massgeblich durch LAM beeinflusst werden, da die Zuständigkeit für die Abwicklung des FMS-Geschäfts bei GAM liege.

    • Die Bedingung sei zudem hinreichend klar umschrieben und orientiere sich an objektiv messbaren Kriterien. Gleichzeitig stehe die FMS Abwicklungs-Bedingung auch im (überwiegenden) Interesse von GAM.

[33] GAM bestätigte in ihrer Stellungnahme vom 13. April 2023 (vgl. Sachverhalt lit. J), dass sie den Antrag von LAM unterstütze: Mit Blick auf ein öffentliches Tauschangebot der Anbieterin sei der Ausstieg aus dem FMS-Geschäft ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Neuausrichtung und des Restrukturierungsplans der Zielgesellschaft und ein unentbehrlicher Bestandteil der Gesamttransaktion.

[34] Gemäss den allgemeinen Grundsätzen ist eine Bedingung bei freiwilligen Angeboten wie dem vorliegenden zulässig, wenn der Anbieter an ihr ein begründetes Interesse hat (Art. 13 Abs. 1 erster Satz UEV), die Bedingung nicht potestativ (Art. 13 Abs. 2 UEV), genügend klar bestimmt und nicht unlauter ist (Art. 1 UEV).

[35] 13 Abs. 1 erster Satz UEV verlangt für die Bedingungen eines freiwilligen Angebots lediglich ein „begründetes Interesse“, während bei einem Pflichtangebot „wichtige Gründe“ vorausgesetzt werden (Art. 38 Abs. 2 FinfraV-FINMA). Die Voraussetzung des „begründeten Interesses“ geht auf die frühere Praxis der Übernahmekommission zurück, wonach eine Bedingung „im Zusammenhang mit dem Angebot zu stehen habe.“ (Empfehlung 249/1 vom 15. Juli 2015 in Sachen Saia-Burgess Electronics Holding AG, Erw. 2.3.4). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass es für ein „begründetes Interesse“ ausreichend sei, wenn ein sachlicher Grund für die Aufnahme einer Bedingung bestehe (Dieter Gericke/Karin Widmer, Kommentar Übernahmeverordnung (UEV), Rn 15 zu Art. 13).

[36] Vorliegend konnte die Anbieterin darlegen, dass sie ein begründetes Interesse an der FMS Abwicklungs-Bedingung hat: Das FMS-Geschäft generiert Verluste und LAM möchte die mit einer Abwicklung (oder Restabwicklung) des FMS-Geschäfts verbundenen Risiken nicht auf sich nehmen.

[37] Kommt hinzu, dass der Ausstieg aus dem FMS-Geschäft auch aus Sicht der Zielgesellschaft ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Neuausrichtung und des Restrukturierungsplans der Zielgesellschaft und ein unentbehrlicher Bestandteil der Gesamttransaktion darstellt. Dieses zusätzliche Interesse der Zielgesellschaft an der Abwicklung des FMS-Geschäfts lässt diese Bedingungen auch aus Sicht der Zielgesellschaft und der Angebotsempfänger als unproblematisch erscheinen (vgl. Verfügung 652/01 vom 14. Februar 2017 in Sachen Actelion Ltd, Erw. 7.3; vgl. auch Empfehlung 157/01 vom 19. März 2003 in Sachen Disetronic Holding AG, Erw. 6.2.8, wo eine Bedingung, dass die Zielgesellschaft den Verkauf der Division „Injections Systems“ vollzogen haben musste, als zulässig qualifiziert wurde).

[38] Die FMS Abwicklungs-Bedingung ist zudem nicht potestativ, da ihr Eintritt vom Verhalten von GAM abhängt. Sie ist überdies genügend bestimmt, da die relevanten Vorgänge klar bezeichnet werden. Schliesslich ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die FMS Abwicklungs-Bedingung unlauter sein könnte.

[39] Nach Gesagtem ist in Gutheissung von Antrag Ziff. 1 des Gesuchs vom 11. April 2023 festzustellen, dass die FMS Abwicklungs-Bedingung gemäss dem Entwurf der Voranmeldung zulässig ist. Der (Verfahrens-)Antrag Ziff. 2 des Gesuchs vom 11. April 2023 ist damit gegenstandslos.

4.  FMS-Abwicklung ist keine gesetzwidrige Abwehrmassnahme (Antrag Ziff. 1 (a) des Gesuchs von GAM)

[40] GAM beantragt die Feststellung, dass die Abwicklung des FMS-Geschäfts keine gesetzwidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 FinfraG und Art. 36 UEV darstellt.

[41] Begründet wird dieser Antrag im Wesentlichen damit, dass GAMs Geschäftsbereich FMS derzeit nicht rentabel sei und Verluste generiere (vgl. Sachverhalt lit B). GAM macht hierzu im Weiteren geltend, dass sich die auf das FMS-Geschäft entfallenden "underlying net losses before taxes" im Vergleich zum Vorjahr weiter vergrössert hätten und sich der Umsatzbeitrag weiter verkleinert habe. Der aufgrund der Performance im bisherigen Jahresverlauf 2023 annualisierte Umsatz (current run rate revenues) des FMS-Geschäfts betrage, unter Berücksichtigung von schon gekündigten FMS-Verträgen, ca. CHF 12 Mio. und entspreche nun weniger als 10% des ebenso annualisierten Gesamtumsatzes der GAM-Gruppe. Im Rahmen der laufenden strategischen Überprüfung von GAM seien für das FMS-Geschäft aufgrund dieser schwierigen Situation deshalb verschiedene Handlungsoptionen evaluiert worden, so auch ein möglicher Verkauf. Ein von GAM durchgeführtes Markt-Screening für einen potenziellen Käufer dieses Geschäftsbereiches habe bisher allerdings nicht zu einem Abschluss eines Verkaufsvertrags geführt. Entsprechend verbleibe zurzeit als realistisches Szenario die zeitnahe Einleitung der Abwicklung des FMS-Geschäfts durch Übertragung der FMS-Verträge auf einen Drittdienstleister (voraussichtlich ohne oder gegen eine bloss symbolische Gegenleistung) und/oder Beendigung der FMS-Verträge. GAM sei auf die zeitnahe Umsetzung einer angemessenen und passenden Strategiemassnahme mit Blick auf sämtliche Geschäftsbereiche angewiesen. Da das FMS-Geschäft Verluste generiere, bestehe ein hohes Risiko, dass dessen Weiterführung die anderen Geschäftszweige von GAM, d.h. das Investment Management und das Wealth Management, weiter belaste.

4.1 Allgemein

[42] Gemäss Art. 132 Abs. 2 FinfraG darf der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft von der Veröffentlichung des Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses keine Rechtsgeschäfte beschliessen, mit denen der Aktiv- oder Passivbestand der Gesellschaft in bedeutender Weise verändert würde.

[43] Zu den Abwehrmassnahmen gehören gemäss Praxis der Übernahmekommission alle Handlungen der zuständigen Organe, die bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, eine unerwünschte Übernahme zu erschweren oder zu verhindern (vgl. Verfügung 638/03 vom 18. Oktober 2016 in Sachen Charles Vögele Holding AG, Erw. 8.3.2; Verfügung 600/01 vom 22. April 2015 in Sachen Kaba Holding AG, Erw. 2.1; Empfehlung 343/03 vom 20. Dezember 2007 in Sachen Implenia AG, Erw. 2.1.1.2; Empfehlung 249/05 vom 23. August 2005 in Sachen Saia-Burgess Electronics Holding AG, Erw. 1.1.2). Handlungen des laufenden Geschäfts im üblichen Rahmen sind zulässig, selbst wenn die durch Art. 36 UEV statuierten Schwellenwerte überschritten werden (Verfügung 648/02 vom 9. März 2017 in Sachen Pax Anlage AG, Erw. 10.2).

4.2 Würdigung

[44] GAM konnte darlegen, dass die Abwicklung des FMS-Geschäfts bei objektiver Betrachtungsweise nicht geeignet ist, eine unerwünschte Übernahme zu erschweren. Im Gegenteil: Mit der Abwicklung des FMS-Geschäfts wird vielmehr eine erforderliche Restrukturierungsmassnahme umgesetzt, welche die Zielgesellschaft für Marktteilnehmer und (potentielle) Anbieter gleichermassen attraktiver macht. Eine sog. "scorched earth"-Politik (attraktive Betriebsteile werden abgestossen) im Bestreben, die Zielgesellschaft unattraktiv zu machen (vgl. Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem/Tino Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl. 2020, Rz. 792), liegt gerade nicht vor.

4.3 Zwischenfazit

[45] Nach Gesagtem kann antragsgemäss festgestellt werden, dass die Abwicklung des FMS-Geschäfts keine gesetzwidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 FinfraG und Art. 36 UEV

5.  Publikation

[46] Die vorliegende Verfügung wird in Gutheissung von Antrag Ziff. 5 des Gesuchs vom 6. April 2023, Antrag Ziff. 3 des Gesuchs vom 11. April 2023 und Antrag Ziff. 2 des Gesuchs von GAM frühestens am Tag der Publikation der Voranmeldung des öffentlichen Tauschangebots auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht (Art. 65 Abs. 1 UEV).

[47] Die Anbieterin veröffentlicht in Übereinstimmung mit Art. 6 und 7 UEV das Dispositiv dieser Verfügung und den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen eine qualifizierte Aktionärin oder ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen diese Verfügung erheben kann.

6.  Gebühr

[48] In Anwendung von Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 FinfraV wird für die Behandlung der vorliegenden Gesuche der Anbieterin und des Gesuchs von GAM eine Gebühr zulasten der Anbieterin und von GAM erhoben. Unter Berücksichtigung des Aufwands und der Schwierigkeit des vorliegenden Falles setzt der Ausschuss die Gebühr zulasten der Anbieterin auf CHF 30'000 und diejenige zulasten von GAM auf CHF 10'000 fest.

 

Die Übernahmekommission verfügt:

1. Es wird festgestellt, dass Liontrust Investment Partners LLP in gemeinsamer Absprache mit Liontrust Asset Management Plc handelt im Hinblick auf ein öffentliches Tauschangebot zum Erwerb der Aktien der GAM Holding AG.

2. Es wird Liontrust Investment Partners LLP und Liontrust Asset Management Plc eine Ausnahme dahingehend gewährt, dass Erwerbe von Aktien der GAM Holding AG durch Liontrust Asset Management Plc auf Rechnung der von ihr gemanagten Fonds, welche ohne Kenntnis von einem möglichen öffentlichen Tauschangebot zum Erwerb der Aktien der GAM Holding AG und spätestens bis am 18. April 2023 erfolgt sind, nicht dem Handeln in gemeinsamer Absprache gemäss Dispo.-Ziff. 1 unterstehen.

3. Es wird Liontrust Investment Partners LLP und Liontrust Asset Management Plc eine Ausnahme dahingehend gewährt, dass von Liontrust Asset Management Plc durchgeführte Deckungskäufe von Aktien der GAM Holding AG, welche der Reduzierung von bestehenden Short-Positionen der von Liontrust Investment Partners LLP geleiteten Fonds (inkl. Rückgabe von ausgeliehen Aktien der GAM Holding AG) dienen, weder der Pflicht eine Baralternative anzubieten noch der Pflicht zur Einhaltung der Best Price Rule unterstehen.

4. Es wird festgestellt, dass die FMS Abwicklungs-Bedingung gemäss dem Entwurf der Voranmeldung des öffentlichen Tauschangebots der Liontrust Asset Management Plc zum Erwerb der Aktien der GAM Holding AG den Vorschriften des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (FinfraG) und den ausführenden Verordnungen entspricht.

5. Es wird festgestellt, dass die Abwicklung des FMS-Geschäfts durch GAM Holding AG keine unzulässige bzw. gesetzwidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 132 Abs. 2 des FinfraG und Art. 36 UEV darstellt.

6. Die übrigen Anträge werden abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos sind.

7. Diese Verfügung wird frühestens am Tag der Publikation der Voranmeldung veröffentlicht.

8. Liontrust Asset Management Plc veröffentlicht in Übereinstimmung mit Art. 6 und 7 UEV das Dispositiv dieser Verfügung und den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen eine qualifizierte Aktionärin oder ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen diese Verfügung erheben kann.

9. Die Gebühr zulasten von Liontrust Asset Management Plc beträgt CHF 30'000.

10. Die Gebühr zulasten von GAM Holding AG beträgt CHF 10'000.

 

 

Die Präsidentin:

 

Mirjam Eggen

 

Diese Verfügung geht an die Parteien:

- Liontrust Asset Management Plc , vertreten durch Dr. Wolfgang Müller, MLL Meyerlustenberger Lachenal Froriep AG;

- GAM Holding AG, vertreten durch Dr. Claude Lambert, Homburger AG.

 

GAM Holding AG, vertreten durch Dr. Claude Lambert, Homburger AG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):

Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.

 

Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):

Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung des Dispositivs der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 4 UEV).