Transaktionen
0500 - Bank Sarasin & Cie AG
Verfügung 500/01 vom 22. Dezember 2011
Feststellungsgesuch von Bank Sarasin & Cie AG betreffend Handeln in gemeinsamer Absprache mit B. Safra Luxembourg S.A. und Nichtanwendung der Best Price Rule
Sachverhalt:
A.
Bank Sarasin & Cie AG (Sarasin oder Gesuchstellerin) ist eine schweizerische Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. Sarasin ist unter anderem im Bereich des Wertpapiergeschäftes und der damit zusammenhängenden Dienstleistungen tätig. Das im Handelsregister aktuell eingetragene Aktienkapital beträgt CHF 22‘014‘783.91, eingeteilt in 56‘571‘428 Namenaktien A mit einem Nennwert von je CHF 0.07 (Namenaktie A) und 51‘585‘097 Namenaktien B mit einem Nennwert von je CHF 0.35 (Namenaktie B). Die Namenaktien A sind Stimmrechtsaktien. Die Namenaktien B sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) gemäss Main-Standard kotiert (SIX: BSAN).
B.
IPB Holding B.V. (IPB) mit Sitz in Utrecht, Niederlande, hält an Sarasin 56‘571‘428 Namenaktien A und 17‘660‘983 Namenaktien B, entsprechend 46.07 % des Aktienkapitals und 68.63 % der Stimmrechte (vgl. für den Erwerb des Aktienpakets durch IPB die Empfehlung 307/01 vom 8. Januar 2007 und die Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Bank Sarasin & Cie AG). IPB ist eine Tochtergesellschaft von Coöperatieve Centrale Raiffeisen-Boerenleenbank B.A. Amsterdam (Rabobank), Niederlande.
C.
Am 25. November 2011 haben Sarasin, IPB sowie Rabobank einen Aktienkaufvertrag (sog. Share Purchase Agreement, SPA) abgeschlossen, mit dem IPB bzw. Rabobank ihre gesamte Beteiligung an Sarasin an die unter dem Recht von Luxemburg inkorporierte Gesellschaft B. Safra Luxembourg S.A. (Safra) mit Sitz in Luxemburg verkauft. Sodann haben Sarasin und Safra am 25. November 2011 eine Transaktionsvereinbarung (Transaction Agreement oder Transaktionsvereinbarung) abgeschlossen, über deren Inhalt in den einzelnen Erwägungen einzugehen ist.
D.
Am 8. Dezember 2011 reichte Sarasin ein Feststellungsgesuch (Gesuch) mit folgenden Anträgen ein:
- Hauptantrag
Es sei festzustellen, dass die Sarasin-Gruppe mit Blick auf das bevorstehende Übernahmeangebot von Safra nicht als in gemeinsamer Absprache handelnde Person i.S.v. Art. 11 UEV gilt; - Eventualanträge
2.1. Es sei festzustellen, dass die folgenden Bankgeschäfte der Sarasin-Gruppe von der Anwendung der Best Price Rule gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b UEV ausgenommen sind:
(a) Eigengeschäfte im Rahmen des von Sarasin betriebenen Market Making in Namenaktien B der Zielgesellschaft (i) im Umfang von maximal 25 % des durchschnittlichen Tagesvolumens, das die Namenaktien B in den jeweils 30 vorangehenden Börsentagen im börslichen Handel erzielt haben, pro Handelstag und (ii) einem gesamten Nostrobestand für das Market Making von maximal +0.2 % (long) und –0.2 % (short) aller ausgegebenen Namenaktien B;
(b) Eigengeschäfte zum Delta Hedging der von Sarasin bereits ausgegebenen und künftig auszugebenden Optionen (OTC und Warrants) auf Namenaktien B sowie der an den Börsen EUREX und SCOACH gehandelten Optionen und strukturierten Produkten;
(c) für den Fall, dass die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme der Sarasin-Gruppe fortgesetzt oder ausgebaut werden, Eigengeschäfte zur Bereitstellung der im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (einschliesslich Dienstjubiläen) der Sarasin-Gruppe erforderlichen Namenaktien B, bis maximal 150‘000 Stück, und/oder Optionen auf Namenaktien B, bis maximal 150‘000 Stück, sowie Eigengeschäfte zum Delta Hedging dieser Optionen auf Namenaktien B unter Vorbehalt der Erhöhung nach vorgängiger Anzeige an die UEK.
2.2. Es sei festzustellen, dass Geschäfte in Namenaktien B sowie Finanzinstrumente der Zielgesellschaft für Rechnung des von der Sarasin Investmentfonds AG verwalteten Anlagefonds Sarasin Sustainable Equity – Switzerland von der Anwendung der Best Price Rule gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b UEV ausgenommen sind, sofern solche Geschäfte zur Aufrechterhaltung einer bereits zum 25. November 2011 bestehenden Quote im Fondsvermögen +/- ein Prozentpunkt getätigt werden.
Safra wurde mit verfahrensleitender Verfügung vom 9. Dezember 2011 das rechtliche Gehör gewährt, zum Gesuch von Sarasin Stellung zu nehmen. In ihrer Eingabe unterstützte Safra das Gesuch von Sarasin und verlangte, dass die Verfügung der Übernahmekommission (UEK) umgehend am darauf folgenden Börsentag veröffentlicht werde, unabhängig von einer allfälligen Veröffentlichung der Voranmeldung von Safra.
E.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Luc Thévenoz (Präsident), Raymund Breu und Susan Emmenegger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Handeln in gemeinsamer Absprache
[1] Gemäss Art. 24 Abs. 3 BEHG gelten die Pflichten des Anbieters auch für alle, die mit ihm in gemeinsamer Absprache handeln. In gemeinsamer Absprache im Hinblick auf ein Übernahmeangebot handelt, wer hinsichtlich des Unterbreitens eines öffentlichen Kauf- bzw. Tauschangebots und dessen Bedingungen sein Verhalten koordiniert bzw. sich über das Angebot und dessen Bedingungen geeinigt hat (Art. 11 Abs. 1 UEV in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und 2 BEHV-FINMA). Es stellt sich daher die Frage, ob zwischen den Parteien ein Vertrag oder andere Vorkehren im Sinne von Art. 11 UEV in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und 2 BEHV-FINMA vorliegen, welche das zu erwartende Übernahmeangebot zum Gegenstand haben.
[2] Nach ständiger Praxis der UEK, handeln der Anbieter und die Zielgesellschaft in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf ein Angebot, wenn sie sich hinsichtlich des Unterbreitens und der Bedingungen eines öffentlichen Übernahmeangebots geeinigt haben (vgl. u.a. Empfehlung 049/03 von 7. Oktober 1999 in Sachen TAG Heuer International SA, Erw. 3 : „the target company is also qualified as a person acting in concert with the offeror if an agreement has been concluded between the offeror and the target company with respect to the launch of an offer”; Verfügung 410/01 vom 29. Mai 2009 in Sachen Quadrant AG, Erw. 5). Es ist auch möglich, dass bereits vor der Veröffentlichung eines Übernahmeangebots oder gar vor Abschluss der Transaktionsvereinbarung der Anbieter und die Zielgesellschaft in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf ein zu erwartendes Übernahmeangebot handeln. Im vorliegenden Fall haben Safra und Sarasin am 25. November 2011 eine Transaktionsvereinbarung abgeschlossen, ohne dass zuvor ein Angebotsprospekt oder eine Voranmeldung zu einem öffentlichen Angebot veröffentlicht wurde.
[3] Sarasin machte im Wesentlichen mit ihrem Hauptantrag geltend, die Transaktionsvereinbarung beinhalte für beide Parteien nur sehr beschränkte Verhaltenspflichten und führe daher lediglich zu einer minimalen Koordination, weshalb Sarasin und Safra im Hinblick auf das zu erwartende öffentliche Übernahmeangebot nicht in gemeinsamer Absprache handeln würden. Insbesondere verpflichte sich Sarasin nicht, das Übernahmeangebot von Safra zu fördern oder dessen Durchführung zu erleichtern. Die Transaktionsvereinbarung enthalte auch keine Pflicht des Verwaltungsrates von Sarasin, das Angebot zur Annahme zu empfehlen oder Titel selbst bzw. von der Depotkundschaft von Sarasin anzudienen.
[4] Safra führte in ihrer Stellungnahme aus, dass bei Abschluss der Transaktionsvereinbarung noch kein öffentliches Übernahmeangebot vorliege, weshalb es unmöglich sei, dass Sarasin sich mit ihr im Sinne von Art. 11 Abs. 1 UEV im Hinblick auf ein öffentliches Übernahmeangebot hätte absprechen können.
[5] Da das öffentliche Übernahmeangebot von Safra auf Sarasin noch nicht öffentlich angekündigt ist, liegt noch kein Angebot im Sinne von Art. 11 UEV vor. Dennoch bestehen keine Zweifel, dass sich die Transaktionsvereinbarung zwischen Sarasin (68.63 % der Stimmrechte werden von Rabobank gehalten) und Safra auf das erwartete Übernahmeangebot bezieht. Im Transaction Agreement verpflichtete sich Sarasin unter anderem, ab Unterzeichnung des Abkommens bis zum Vollzug des Angebots nicht bekanntzugeben, wie viele eigene Namenaktien B Sarasin und ihre Tochtergesellschaft halten. Für den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Vereinbarung bis sechs Monate nach Ablauf der Angebotsfrist hat sich Sarasin (einschliesslich ihrer direkt und indirekt beherrschten Gesellschaften) ferner verpflichtet, keine Transaktionen mit eigenen Aktien vorzunehmen, solange die UEK nicht festgestellt hat, dass derartige Transaktionen die Best Price Rule im Sinne von Art. 10 UEV nicht verletzen. Insgesamt enthält die Transaktionsvereinbarung somit verschiedene Rechte und Pflichten im Hinblick auf das zu erwartende Übernahmeangebot.
[6] Nach dem Gesagten ist der Hauptantrag von Sarasin abzuweisen. Demnach handeln Sarasin und Safra ab dem 25. November 2011, dem Tag der Unterzeichnung des Transaction Agreement (vgl. Sachverhalt lit. C), in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf das zu erwartende Übernahmeangebot.
2. Anwendbarkeit der Best Price Rule
[7] Gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b UEV müssen Personen, die mit dem Anbieter nach Art. 11 UEV zusammenwirken, die Regeln über die Gleichbehandlung einhalten, insbesondere die Best Price Rule gemäss Art. 10 UEV. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Best Price Rule von einer Drittperson, die Beteiligungspapiere oder Finanzinstrumente der Zielgesellschaft zu einem den Angebotspreis übersteigenden Preis erwirbt, umgangen werden kann, ohne diesen Preis allen Angebotsempfängern auch anzubieten.
[8] Ein Erwerb durch eine in gemeinsamer Absprache mit dem Anbieter handelnde Drittperson führt allerdings nicht immer zu einer Anwendung der Best Price Rule. Der Gesuchstellerin wurde mit Blick auf das öffentliche Übernahmeangebot von Rabobank an die Aktionäre von Sarasin mit Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 für Kundengeschäfte, für bereits ausgegebene Optionen in Bezug auf das Delta Hedging sowie für das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm die Nichtanwendbarkeit der Best Price Rule bestätigt (Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Bank Sarasin & Cie AG, Erw. 6.3, 6.5 und 6.6). Dagegen hatte Sarasin bezüglich Market Making, zukünftig auszugebenden Optionen in Bezug auf das Delta Hedging sowie von ihr gehaltenen Fondsleitungsgesellschaften, Anlagefonds und Fondsgesellschaften die Best Price Rule einzuhalten (idem, Erw. 6.2 und 6.3).
[9] Vorab ist darauf hinzuweisen, dass mit der teilweisen Verpflichtung, die Best Price Rule einzuhalten, kein Verbot von Käufen von Namenaktien B einhergeht. Die Nichteinhaltung der Best Price Rule hat nur (aber immerhin) zur Folge, dass der Anbieter den über dem Angebotspreis liegende Preis allen Aktionärinnen und Aktionären anbieten muss (Art. 10 Abs. 1 UEV).
2.1 Zeitlicher Anwendungsbereich
[10] Die Eventualanträge von Sarasin beziehen sich einzig auf Feststellungen bezüglich der Nichtanwendbarkeit der Best Price Rule. Die Best Price Rule ist zeitlich von der Veröffentlichung des Angebots bzw. einer Voranmeldung bis sechs Monate nach Ablauf der Nachfrist zu beachten. Bis heute wurde weder ein Angebotsprospekt noch eine Voranmeldung von Safra veröffentlicht. Transaktionen mit eigenen Aktien (oder Finanzinstrumenten) zwischen dem 25. November 2011 (Abschluss des Transaction Agreement) und der Veröffentlichung des Angebotsprospekts bzw. der Voranmeldung fallen (noch) nicht unter die Best Price Rule, sondern gelten als vorausgegangenen Erwerb im Sinne von Art. 32 Abs. 4 BEHG in Verbindung mit Art. 41 BEHV-FINMA (vgl. Empfehlung 049/03 vom 7. Oktober 1999 in Sachen TAG Heuer International SA, Erw. 3; Empfehlung 318/05 vom 6 Juli 2007 in Sachen Converium Holding AG, Erw. 1.2).
2.2 Kundengeschäfte
[11] Kundengeschäfte fallen nicht unter die Best Price Rule, solange Sarasin Transaktionen mit Namenaktien B (und Finanzinstrumenten) als echtes Kommissionsgeschäft betreibt. Ein echtes Kommissionsgeschäft liegt vor, wenn Sarasin Kundentransaktionen lediglich ausführt, ohne den Kunden zu beraten und auch nicht im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats. Bei echten Kommissionsgeschäften liegt die Entscheidung über Käufe von Namenaktien B beim Kunden, ohne Beeinflussung durch Sarasin oder durch die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnde Personen. Es versteht sich von selbst, dass es sich dabei um tatsächlich im Interesse und auf Rechnung der Kunden getätigte Kommissionsgeschäfte und nicht um einen Zwischenschritt im Hinblick auf das zu erwartende Übernahmeangebot oder um eine allfällige Umgehung handeln darf.
[12] Beim Vermögensverwaltungsgeschäft liegt dagegen die Entscheidung über Käufe von Namenaktien B (und Finanzinstrumenten) bei Sarasin, weshalb für derartige Transaktionen die Best Price Rule einzuhalten ist.
[13] Nach dem Gesagten fällt das Kundengeschäft von Sarasin nicht unter die Best Price Rule, soweit es sich um echte Kommissionsgeschäfte, d.h. ohne Beratung oder Vermögensverwaltung, handelt. Bei anderen Kundengeschäften ist die Best Price Rule einzuhalten.
2.3 Market Making
[14] Die Gesuchstellerin führt aus, sie betreibe für die Namenaktie B seit langer Zeit im Interesse der Aktionäre sowie eines funktionierenden und liquiden Marktes ein Market Making. Jedem Aktionär müsse es offenstehen, seine Aktien nicht in das öffentliche Übernahmeangebot anzudienen, sondern am Markt frei verkaufen zu können. Das Market Making von Sarasin würde nicht nach freiem Ermessen ausgeführt, sondern fest vorgegebenen Parametern folgen und sich innerhalb gewisser Limiten bewegen.
[15] Das Market Making wird durch Sarasin selber vorgenommen. Selbst wenn es hauptsächlich von Marktbedingungen bestimmt ist, besteht für Sarasin innerhalb der im Gesuch vorgeschlagenen Limiten trotzdem ein erhebliches Ermessen. Zwar ist das Interesse von Sarasin, unerwünschte Preisausschläge und Handelsunterbrüche zu vermeiden, durchaus verständlich. Allerdings sind die kotierten Namenaktien B bei regem Handel stets liquid gewesen, so auch nach dem 25. Dezember 2011, als Sarasin kein Market Making mehr vorgenahm, weshalb ein Market Making auch während des öffentlichen Übernahmeangebots nicht zwingend geboten erscheint. Sodann bestehen keine gesetzlichen oder regulatorischen Bestimmungen, welche Sarasin zur Vornahme eines Market Making verpflichten würden. Sarasin hat mit dem Abschluss der Transaktionsvereinbarung während eines öffentlichen Übernahmeangebots gewisse Einschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit zu dulden. Andere, neue Begründungen, die eine Abweichung von der bisherigen Praxis (vgl. Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Sarasin & Cie AG, Erw. 6.2.2.) rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich und wurden von der Gesuchstellerin auch nicht geltend gemacht. Demnach überwiegen die Interessen an der Einhaltung der Best Price Rule gegenüber den Interessen an Market Making-Tätigkeiten von Sarasin.
[16] Das Eventualbegehren betreffend die Nichtanwendbarkeit der Best Price Rule für das Market Making ist demnach abzuweisen.
2.4 Delta Hedging mit Optionen
[17] Weiter weist Sarasin mit ihrem Eventualbegehren darauf hin, dass gemäss Praxis der UEK Eigengeschäfte zwecks Delta Hedging hinsichtlich bereits ausgegebener Optionen nicht unter die Best Price Rule fallen würden. Überdies müsse Sarasin stets in der Lage sein, Optionen zu emittieren, sowie ein Market Making in Optionen oder strukturierten Produkten, die an der SCOACH oder EUREX gehandelt würden, zu betreiben, um sich gegen das entsprechende Kursrisiko abzusichern.
[18] Derzeit hat Sarasin verschiedene Optionen ausstehend, welche mehrheitlich out of the money sind, so dass zwecks Erfüllung dieser bereits eingegangenen (potentiellen) Lieferverpflichtungen in naher Zukunft wohl keine erheblichen Aktienzukäufe notwendig werden. Der Aufbau von Hedging-Positionen dient der Absicherung von Vermögenspositionen gegen Kursrisiken gegenüber Drittpersonen und erfolgt grundsätzlich unabhängig vom zu erwartenden Übernahmeangebot. Daher ist das Eventualbegehren von Sarasin in Bestätigung der bisherigen Praxis (vgl. Verfügung 418/01 vom 7. Juli 2009 in Sachen BB Medtech AG, Erw. 7; Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Bank Sarasin & Cie AG, Erw. 6.3.2.) hinsichtlich bereits ausgegebener Optionen zwecks Delta Hedging gutzuheissen.
[19] Bei zukünftig auszugebenden Optionen ist Sarasin derzeit keine Verpflichtungen zur Lieferung von eigenen Aktien gegenüber Drittpersonen eingegangen. Würde Sarasin während der Angebotsfrist und des relevanten Zeitraums für die Best Price Rule Neuemissionen tätigen und eigene Aktien zwecks Hedging kaufen, wäre nicht auszuschliessen, dass sie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen könnte. Ferner trifft Sarasin auch keine gesetzlichen oder regulatorischen Verpflichtungen, während eines öffentlichen Übernahmeangebots Optionen auf eigene Aktien auszugeben. Sarasin hat für die relevante Zeit auch hier gewisse Einschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit hinzunehmen. Demnach ist das Eventualbegehren von Sarasin für zukünftig auszugebende Optionen bezüglich des Delta Hedging abzuweisen.
[20] Die für das Übernahmeangebot zu mandatierende Prüfstelle hat zur gegebenen Zeit gestützt auf Art. 25 BEHG die Einhaltung der Best Price Rule bezüglich Hedging zu bestätigen.
2.5 Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
[21] Sarasin führt zum Eventualantrag betreffend die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme aus, ihren Mitarbeitenden stehe es offen, im Rahmen von Vergütungen während der Best Price Rule-Periode Namenaktien B und Optionen auf Namenaktien B zu beziehen. Hierbei habe sie in Erfüllung der damit verbundenen arbeitsvertraglichen Pflichten im Falle der Fortführung des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms eine gewisse Anzahl an Namenaktien B und Optionen auszugeben oder zu erwerben bzw. die Optionen mit Delta Hedging abzusichern.
[22] Im vorliegenden Fall bestehen bereits vor der Lancierung des zu erwartenden öffentlichen Übernahmeangebots Beteiligungspläne für Mitarbeitende, die sich auch in den Zeitraum der Best Price Rule hineinziehen könnten. Die (arbeits-)vertraglichen Verpflichtungen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, inklusive der bereits vorgenommenen Zuteilung an die Mitarbeitenden, sind auch während des zu erwartenden öffentlichen Übernahmeangebots durch Sarasin zu erfüllen. Daher ist das Eventualbegehren von Sarasin gutzuheissen, Erwerbe von Namenaktien B und Optionen von der Anwendung der Best Price Rule gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b UEV auszunehmen, soweit es bestehende Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, inklusive Zuteilung und Modalitäten, zwecks Erfüllung (arbeits-)vertraglicher Verpflichtungen betrifft. Falls Sarasin neue Mitarbeiteroptionsprogramme lancieren möchte oder bei bestehenden Mitarbeiteroptionsprogrammen die Zuteilung oder die Modalitäten ändern möchte, hat sie der Übernahmekommission ein entsprechendes neues Gesuch einzureichen.
[23] Die für das Übernahmeangebot zu mandatierende Prüfstelle hat zur gegebenen Zeit gestützt auf Art. 25 BEHG zu prüfen, ob die während der Best Price Rule-Periode getätigten Aktienkäufe zwecks Erfüllung (arbeits-)vertraglicher Verpflichtungen notwendig waren.
2.6 Fondsleitungsgesellschaft und Anlagefonds
[24] Schliesslich macht Sarasin geltend, es müsse der Fondsleitungsgesellschaft Sarasin Investmentfonds AG für den Anlagefonds Sarasin Sustainable Equity ohne Anwendung der Best Price Rule möglich sein, die Quote an Namenaktien B sowie Finanzinstrumenten der Zielgesellschaft auch während des zu erwartenden öffentlichen Übernahmeangebots beizubehalten.
[25] Grundsätzlich sind Fondsleitungsgesellschaften von den Depotbanken unabhängig. Bereits in der Empfehlung 307/02 vom 16. Februar 2007 in Sachen Sarasin & Cie AG, Erw. 6.6.2, wurde aber darauf hingewiesen, dass im konkreten Fall Anlageentscheide der Fondsleitungsgesellschaft nicht unabhängig von Sarasin getroffen werden. Bis heute hat sich offenbar nichts daran geändert. Die Anlageentscheide der Fondsleitungsgesellschaft sind demnach Sarasin zuzurechnen. Das gilt natürlich auch für die wohl üblichsten Fällen, bei denen die Fondsleitungsgesellschaft die Anlageentscheide an Sarasin mittels Verwaltungsmandat delegiert. Dass Sarasin oder die Fondsleitungsgesellschaft ihre Anlageentscheide letztlich im Interesse der wirtschaftlich berechtigten Fondsanteilsinhaber vornimmt, ändert daran nichts. Zudem ist es für Sarasin und die Fondsleitungsgesellschaft durchaus zumutbar, während der relevanten Best Price Rule-Periode Käufe von Namenaktien B oder Finanzinstrumenten nur unter Einhaltung der Best Price Rule vorzunehmen.
[26] Nach dem Gesagten ist das Eventualbegehren von Sarasin abzuweisen. Die Fondsleitungsgesellschaft Sarasin Investmentfonds AG und Sarasin haben demnach bei ihren Anlageentscheiden für den Anlagefonds Sarasin Sustainable Equity die Best Price Rule einzuhalten.
[27] Die für das Übernahmeangebot zu mandatierende Prüfstelle hat zur gegebenen Zeit gestützt auf Art. 25 BEHG zu prüfen, ob die Best Price Rule von Sarasin und der Fondsleitungsgesellschaft Sarasin Investmentfonds AG eingehalten wurde.
3. Veröffentlichung
[28] Safra macht geltend, die vorliegende Verfügung sei am darauf folgenden Börsentag nach Eröffnung an die Parteien unabhängig von einer Publikation des Angebotsprospekts bzw. der Voranmeldung zu veröffentlichen, da ein allfälliger Widerspruch gegen diese Verfügung vor einem öffentlichen Übernahmeangebot geklärt sein soll.
[29] Die vorliegende Verfügung hat zum Gegenstand, vorab Fragen zum Handeln in gemeinsamer Absprache und zur Nichtanwendbarkeit der Best Price Rule festzustellen. Materiell besteht ein enger Konnex zwischen dieser Verfügung und dem zu erwartenden Übernahmeangebot von Safra. Eine Voranmeldung oder die Publikation des Angebotsprospekts ist von Safra bis heute allerdings nicht veröffentlicht worden. Die Best Price Rule ist ohnehin erst ab Veröffentlichung des Angebotsprospekts bzw. der Voranmeldung anwendbar. Da für die Angebotsempfänger vorab kein Informationsbedarf besteht, ist von einer vorgängigen Publikation dieser Verfügung abzusehen. Demnach ist die vorliegende Verfügung im Einklang mit der bisherigen Praxis der UEK (vgl. Verfügung 474/04 vom 28. September 2011 in Sachen BKW FMB Energie AG, Erw. 8) erst zusammen mit der Verfügung betreffend die Prüfung des Angebotsprospekts zum zu erwartenden Übernahmeangebot zu veröffentlichen (Art. 33a Abs. 1 BEHG in Verbindung mit Art. 65 Abs. 1 UEV).
4. Gebühr
[30] In Anwendung von Art. 69 Abs. 6 UEV wird für die Prüfung des vorliegenden Feststellungsgesuchs eine Gebühr von CHF 30'000 erhoben.
Die Übernahmekommission verfügt:
- Es wird festgestellt, dass Bank Sarasin & Cie AG, einschliesslich die von ihr direkt und indirekt kontrollierten Gesellschaften, sowie B. Safra Luxembourg S.A., einschliesslich die von ihr direkt und indirekt kontrollierten Gesellschaften, im Hinblick auf das bevorstehende Übernahmeangebot ab dem 25. November 2011 in gemeinsamer Absprache handeln.
- Es wird festgestellt, dass echte Kommissionsgeschäfte im Sinne der Erwägung 2.2 von Sarasin für ihre Kunden nicht unter die Best Price Rule fallen.
- Es wird festgestellt, dass Eigengeschäfte der Bank Sarasin & Cie AG zur Absicherung (Delta Hedging) der von ihr bereits ausgegebenen Optionen auf Namenaktien B nicht unter die Best Price Rule fallen, sofern diese Absicherungsgeschäfte zur Erfüllung von vertraglichen Pflichten gegenüber Drittpersonen, d.h. nicht zugunsten der Anbieterin oder einer mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Person, vorgenommen werden.
- Es wird festgestellt, dass Eigengeschäfte der Bank Sarasin & Cie AG zur Bereitstellung im Rahmen von bestehenden Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen der Sarasin-Gruppe von der Anwendung der Best Price Rule ausgenommen sind, soweit sie für die Erfüllung von arbeitsvertraglichen Verpflichtungen notwendig sind.
- Die übrigen Anträge werden abgewiesen.
- Die für das Übernahmeangebot zu mandatierende Prüfstelle hat zur gegebenen Zeit die Einhaltung der Best Price Rule entsprechend den Erwägungen 2.2 bis 2.6 zu bestätigen.
- Diese Verfügung wird zusammen mit der Verfügung betreffend den Angebotsprospekt am Tag der Publikation des Angebotsprospekts auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr zu Lasten von Bank Sarasin & Cie AG beträgt CHF 30'000.
Der Präsident:
Prof. Luc Thévenoz
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- Bank Sarasin & Cie AG, vertreten durch Dr. Daniel Daeniker, Homburger AG, Zürich.
- B. Safra Luxembourg S.A., vertreten durch Dr. Jacques Iffland, Lenz & Staehelin, Genf.
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 33c des Börsengesetzes, SR 954.1):
Gegen diese Verfügung kann innerhalb von fünf Börsentagen Beschwerde bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA), Einsteinstrasse 2, CH - 3003 Bern erhoben werden. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Eröffnung der Verfügung per Telefax oder auf elektronischem Weg zu laufen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 33c Abs. 2 BEHG und Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens 2 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben.
Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission (Selnaustrasse 30, Postfach, CH - 8021 Zürich,
counsel@takeover.ch, Telefax: +41 58 499 22 91) innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der Verfügung einzureichen. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach der Veröffentlichung zu laufen.
Die Einsprache muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der
Beteiligung gemäss Art. 56 UEV enthalten.