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0294 - SIG Holding AG
Empfehlung II in Sachen SIG Holding AG vom 2. November 2006
Öffentliches Kaufangebot der Romanshorn S.A., Luxemburg, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall – Fristerstreckung
A.
Die SIG Holding AG („SIG Holding“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Neuhausen am Rheinfall. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 39'000'000, aufgeteilt in 6'500'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 6 („SIG-Aktie(n)“). Die Namenaktien sind an der SWX Swiss Exchange kotiert.
B.
Die Romanshorn S.A. („Romanshorn“ oder „Anbieterin“) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Sie wird gemeinsam beherrscht von Ferd AS, Lysaker, Norwegen [„Ferd“; Eigentümerin der Elopak AS, Spikkestad, Norwegen („Elopak“)] und von durch Tochtergesellschaften der CVC Capital Partners Group Sàrl, Luxemburg, beratenen Fonds („CVC“).
C.
Mit Medienmitteilung vom 24. September 2006 teilte der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft der Öffentlichkeit mit, dass die Anbieterin mit Schreiben vom 22. September 2006 gegenüber der Zielgesellschaft das Interesse bekundet habe, die Aktien der SIG Holding für einen Preis von CHF 325 bis CHF 350 zu übernehmen. Der Verwaltungsrat lehnte – gemäss Medienmitteilung – das geplante Angebot als zu tief ab. Der Verwaltungsrat wies zudem darauf hin, dass er bereits entschieden habe, neben CVC/Ferd auch weiteren Interessenten die Gelegenheit zu geben, eine Akquisition von SIG sorgfältig zu prüfen. Der Verwaltungsrat werde daher in den kommenden Tagen die Modalitäten der Zulassung von potentiellen Kaufinteressenten zu einer „Due Diligence“ festlegen.
D.
Am 25. September 2006 kündigte die Romanshorn in den elektronischen Medien an, dass sie ein öffentliches Übernahmeangebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der SIG Holding unterbreiten werde („Voranmeldung“).
E.
Am 26. September 2006 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung, indem diese in mehreren Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht wurde. Als Preis des Angebots sind CHF 325 netto je SIG-Aktie vorgesehen.
F.
Am 26. Oktober 2006 erliess die Übernahmekommission eine Empfehlung betreffend die Voranmeldung und weitere mit dem öffentlichen Kaufangebot der Romanshorn zusammenhängende Fragen (Empfehlung I in Sachen SIG Holding AG vom 26. Oktober 2006; nachfolgend „Empfehlung I“). Darin stellte die Übernahmekommission unter anderem fest, dass die Anbieterin durch den Abschluss gewisser Kaufverträge den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 24 Abs. 2 BEHG verletzt habe , da die in diesen Verträgen enthaltene Preisanpassungsklausel den Verkäufern eine Besserstellung bzw. einen Mehrwert gewähre, der den Empfängern des Angebots nicht eingeräumt werde. Da die Höhe dieses Mehrwerts und seine Berechnung umstritten sind, hatte die Übernahmekommission dessen Bewertung durch die Prüfstelle angeordnet (vgl. Empfehlung I, Erw. 3.5.1 – 3.5.3). Zudem hielt die Übernahmekommission in Empfehlung I fest, die Romanshorn habe die Gleichbehandlung wie folgt wiederherzustellen: (i) Die Romanshorn erhöht den Angebotspreis im Umfang des von der Prüfstelle berechneten und der Übernahmekommission festgesetzten Wertes der Preisanpassungs-„Option“; (ii) Sollte die Prüfstelle zum Schluss gelangen, dass sich die Preisanpassungs-„Option“ nicht bewerten lässt, hat die Romanshorn auf sämtliche Bedingungen zu verzichten. In diesem Fall ist es ihr gestattet, Bedingung c gemäss ihrer Voranmeldung beizubehalten (Empfehlung I, Erw. 3.5.3 sowie Dispositiv Ziff. 2).
G.
Am 28. Oktober 2006 hat die Übernahmekommission nach einer Besprechung mit der Prüfstelle entschieden, dass diese zur Erstellung dieses Bewertungsberichts (vgl. oben lit. F) nicht geeignet ist, da sie mit der Anbieterin im Vorfeld bereits Gespräche über den möglichen Wert dieser „Option“ geführt hat. Dies wurde der Prüfstelle am gleichen Tag mitgeteilt.
H.
Am 1. November 2006 reichte die Romanshorn ein Gesuch ein mit dem Antrag, es sei ihr die 6-Wochenfrist nach Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK um (mindestens) eine Woche zu erstrecken, so dass die Publikation des Angebotsprospektes (frühestens) am 13. November 2006 zu erfolgen habe.
I.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 1. November 2006 hat die Übernahmekommission der Zielgesellschaft Frist bis 2. November 2006, 12.00 Uhr, gesetzt, um zum Gesuch der Anbieterin Stellung zu nehmen. Die Zielgesellschaft hat in ihrer Stellungnahme beantragt, das Fristerstreckungsgesuch der Anbieterin sei abzulehnen. Die Zielgesellschaft macht in ihrer innert Frist eingereichten Stellungnahme im Wesentlichen geltend, die Anbieterin habe die vorliegende Problematik durch die eigene Verletzung der Best Price Rule selbst heraufbeschworen und könne nun daraus nicht auch noch eine Fristerstreckung bewirken. Überdies sei die Anbieterin auf die in der Öffentlichkeit und Eingabe bei der Übernahmekommission gemachten Aussagen zu behaften, dass der Angebotsprospekt am 6. November 2006 veröffentlicht werde.
J.
Ebenfalls am 1. November 2006 reichte die Anbieterin eine Ablehnung der Empfehlung I bei der Übernahmekommission und bei der Eidgenössischen Bankenkommission ein. In dieser Ablehnung werden Ziffer 2 und 3 des Dispositivs von Empfehlung I abgelehnt.
K.
Zur Prüfung der vorliegenden Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Rudolf Widmer (Präsident), Frau Claire Huguenin und Herrn Thierry de Marignac gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Keine Verlängerung der Frist zur Veröffentlichung des Angebots
1.1. Gemäss Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK muss die Anbieterin innerhalb von sechs Wochen nach der Publikation der Voranmeldung ein Angebot veröffentlichen, das den Konditionen der Voranmeldung entspricht. Die Übernahmekommission kann die sechswöchige Frist verlängern, namentlich wenn die Anbieterin eine Bewilligung einer Behörde, insbesondere einer Wettbewerbsbehörde, einholen muss. Der Verordnungstext schliesst dabei nicht aus, dass die Übernahmekommission aus weiteren Gründen eine Fristverlängerung gewähren kann. Allerdings bedarf es dabei sachlicher Gründe, welche diesen Schritt als notwendig erscheinen lassen. Durch die Fristverlängerung dürfen der Zielgesellschaft und den Anlegern zudem keine wesentlichen Nachteile erwachsen. Ferner darf der Beweggrund der Verlängerung für die Anbieterin nicht bereits zum Zeitpunkt der Voranmeldung voraussehbar gewesen sein. Schliesslich ist die Verlängerung nur im unbedingt notwendigen Umfang zu gewähren (vgl. Empfehlung in Sachen Amazys Holding AG vom 8. März 2006, Erw. 1.1; Empfehlung in Sachen Altin AG vom 22. Juni 2001, Erw. 1.1).
1.2 Vorliegend veröffentlichte die Romanshorn ihre Voranmeldung für das öffentliche Kaufangebot an die SIG-Aktionäre am 25. September 2006 (vgl. Sachverhalt lit. D). Folglich muss die Romanshorn ihr Angebot spätestens am 6. November 2006 lancieren.
1.3 Die Romanshorn begründet ihr Fristerstreckungsgesuch im Wesentlichen damit, dass sie ihren Angebotsprospekt nicht am 6. November 2006 publizieren könne, „weil die Übernahmekommission (i) den angeblichen Wert der vertraglichen und bedingten Preisanpassungszusage nicht mittels Empfehlung festgelegt hat und (ii) der Prüfstellenbericht somit auch nicht vorliegen kann.“
1.4 Die von der Anbieterin geltend gemachten Gründe vermögen nicht zu überzeugen. Die Übernahmekommission hat zwar in Erw. 3.5.2 ihrer Empfehlung I festgehalten, dass die Prüfstelle gemäss Art. 25 BEHG vor Publikation des Angebotsprospekts einen Bericht über den Wert der in Frage stehenden Preisanpassungs-„Option“ zu verfassen habe. Die Abklärungen der Übernahmekommission mit der Prüfstelle haben indessen ergeben, dass diese nicht mehr zur Erstellung dieses Berichts geeignet ist, da sie mit der Anbieterin im Vorfeld bereits Gespräche über den möglichen Wert dieser „Option“ geführt hat (vgl. Sachverhalt lit. G). Aus diesem Grund wird die Übernahmekommission ein Gutachten durch einen neutralen Experten über diese Frage erstellen lassen. Dieser Experte wird von der Übernahmekommission ausgewählt und instruiert. Die Kosten dieses Gutachtens werden im Rahmen dieses Übernahmeverfahrens der Anbieterin auferlegt.
1.5 Die Tatsache, dass dieses Gutachten noch nicht vorliegt, hindert die Anbieterin allerdings nicht an der Veröffentlichung des Angebotsprospekts. Auch wenn der Wert dieser Preisanpassungs-„Option“ noch nicht berechnet und durch die Übernahmekommission noch nicht festgelegt worden ist, wird dadurch die Geltung des Angebots nicht in Frage gestellt. Das zu erstellende Gutachten führt allenfalls lediglich zu einer Anpassung des Angebotspreises. Die Anbieterin hat demzufolge trotzdem die Möglichkeit, den Angebotsprospekt zu veröffentlichen und bei den Angaben über den Angebotspreis auf diese Problematik und auf die allenfalls damit verbundene mögliche Preisanpassung hinzuweisen.
Auch die Prüfstelle kann ihren Prüfstellenbericht erstellen und im Angebotsprospekt veröffentlichen, allerdings unter entsprechendem Vorbehalt in Bezug auf die Gleichbehandlung der Empfänger des Angebots und Hinweis auf das in diesem Zusammenhang noch zu erstellende Gutachten sowie auf den noch zu ergehenden Entscheid der Übernahmekommission hinsichtlich der Bewertung der Preisanpassungs-„Option“. Nicht ersichtlich ist zudem, inwiefern die Prüfstelle – wie von der Anbieterin in ihrem Gesuch behauptet – nicht im Stande sein sollte, die Finanzierung des Angebotes und deren Verfügbarkeit zu bestätigen, sofern das Angebot zum ursprünglich vorgesehenen Angebotspreis veröffentlicht wird. Sollte der Angebotspreis durch die Anbieterin nach Festlegung des Werts der Preisanpassungs-„Option“ im Sinne von Empfehlung I erhöht werden müssen, wird die Prüfstelle anlässlich der Anpassung des Angebotsprospekts ohnehin die Finanzierung und deren Verfügbarkeit von neuem prüfen und bestätigen müssen. Aber selbst dann, wenn die Bestätigung der Prüfstelle betreffend Finanzierung tatsächlich voraussetzt, dass diese auch bei einer allfälligen von der Übernahmekommission festzulegenden Erhöhung des Angebotspreises gegeben und verfügbar ist, handelt es sich dabei um ein Risiko, das die Anbieterin selbst mit dem Abschluss der Verträge am 5. Oktober 2006 bewusst eingegangen ist und aufgrund der daraus sich ergebenden Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (vgl. Sachverhalt lit. F) selber zu vertreten hat. Sie kann nun nicht die eigene Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Anlass nehmen, um eine Fristerstreckung zu ihren Gunsten zu bewirken.
2. Karenzfrist
2 .1 Das Gesuch um Verlängerung der 6-Wochenfrist muss aber auch aus folgender Zwecküberlegung abgelehnt werden. Gemäss Art. 14 Abs. 1 UEV-UEK kann das Angebot in der Regel frühestens nach einer Karenzfrist von zehn Börsentagen nach seiner Veröffentlichung angenommen werden. Diese Bestimmung berücksichtigt grundsätzlich bereits die Möglichkeit, dass ein veröffentlichter Angebotsprospekt allenfalls Mängel aufweist, weil er z.B. unvollständig ist. Abgesehen davon, dass der Zielgesellschaft in der Karenzfrist die Möglichkeit gegeben werden soll, zum Angebot Stellung zu nehmen, besteht der Hauptzweck der Karenzfrist nämlich darin, die Prüfung des Angebotes durch die Übernahmekommission zu ermöglichen. Der Empfänger des Angebots kann dadurch seinen Entscheid in Kenntnis der Empfehlung der Übernahmekommission über die Gesetzmässigkeit des Angebots fällen. Dies ergibt sich auch aus einer systematischen Auslegung von Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 UEV-UEK: Wird das Angebot der Übernahmekommission vor seiner Veröffentlichung vorgelegt und äussert sich die Zielgesellschaft definitiv zum Angebot, so befreit die Übernahmekommission die Anbieterin grundsätzlich von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist (vgl. Empfehlung in Sachen Leica Geosystems Holdings AG vom 7. Juli 2005 , Erw. 8.3). Demzufolge werden allfällige Mängel des Angebotsprospekts, welcher am 6. November 2006 zu veröffentlichen ist, ohnehin innerhalb der Karenzfrist zu beseitigen sein.
2 .2 Demzufolge ist es für die Anbieterin in der vorliegenden Situation zumutbar, einen Angebotsprospekt zu veröffentlichen, der hinsichtlich Angebotspreis und Prüfstellenbericht gewisse Vorbehalte aufweist. Der Anbieterin und der Zielgesellschaft wird alsdann innerhalb der Karenzfrist die Gelegenheit gegeben werden, zum Gutachten hinsichtlich Bewertung der Preisanpassungs-„Option“ Stellung zu nehmen. Danach – vor Ablauf der Karenzfrist und somit vor Beginn der Angebotsfrist – wird der Anbieterin ohnehin die Möglichkeit geboten, den Prospekt dergestalt anzupassen, dass er dem Börsengesetz und den dazugehörigen Verordnungen entspricht, falls dies nicht der Fall sein sollte.
3. Fazit
Die Anbieterin ist verpflichtet, das Angebot bis spätestens am 6. November 2006 zu veröffentlichen. In Bezug auf einen allenfalls unvollständigen Prüfstellenbericht hat die Anbieterin auf den fehlenden oder unvollständigen bzw. mit einem Vorbehalt versehenen Prüfstellenbericht hinzuweisen. Weiter hat sie in ihrem Angebotsprospekt bei den Angaben über den Angebotspreis auf die bevorstehende Bewertung und auf die allenfalls damit verbundene mögliche Preisanpassung hinzuweisen.
4. Publikation
Die vorliegende Empfehlung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
5. Gebühr
Die Gebühr für diese Empfehlung wird mit der Empfehlung der Übernahmekommission betreffend die Prüfung des öffentlichen Übernahmeangebots der Romanshorn erhoben.
Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:
- Das Gesuch der Romanshorn S.A., Luxemburg, um Erstreckung der 6-Wochenfrist gemäss Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK für die Publikation des Angebotsprospektes wird abgelehnt.
- Die in der Empfehlung I der Übernahmekommission vom 26. Oktober 2006 vorgesehene Bewertung der Preisanpassungs-„Option“ durch die Prüfstelle wird neu durch einen neutralen Experten vorgenommen. Dieser Experte wird von der Übernahmekommission ausgewählt und instruiert. Die Kosten dieses Gutachtens werden im Rahmen des vorliegenden Übernahmeverfahrens der Romanshorn S.A., Luxemburg, auferlegt.
- Diese Empfehlung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr für diese Empfehlung wird mit der Empfehlung der Übernahmekommission betreffend die Prüfung des öffentlichen Kaufangebots der Romanshorn S.A., Luxemburg, für sämtliche sich im Publikum befindenden Namenaktien der SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall, erhoben.
Der Präsident:
Hans Rudolf Widmer
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- SIG Holding AG , Neuhausen am Rheinfall, durch ihren Vertreter;
- Romanshorn S.A., Luxemburg, durch ihren Vertreter;
- die Eidgenössische Bankenkommission;
- die Prüfstelle (zur Kenntnisnahme).