SWISS TAKEOVER BOARD

Transazioni

0098 - Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft

Empfehlung in Sachen Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft vom 23. Mai 2001

Öffentliches Kaufangebot der Allianz Aktiengesellschaft, München für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft, Bern

A.
Die Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (Berner Allgemeine) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Bern. Ihr Kapital beträgt CHF 90'000'000.-- und ist in 900'000 Namenaktien von je CHF 100.-- Nennwert eingeteilt. Die Namenaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.

B.
Die Allianz Aktiengesellschaft (Allianz) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in München. Das Aktienkapital beträgt € 629'120'000.--, eingeteilt in 245'750'000 Stückaktien (ohne Nennwert).

C.
Nachdem die Allianz im Jahre 1996 eine kontrollierende Beteiligung an der Berner Allgemeinen erworben hat, halten sie und die in gemeinsamer Absprache mit ihr handelnden Personen derzeit 541'205 Berner Allgemeine-Namenaktien, was 60.13 % des ausgegebenen Aktienkapitals und der Stimmrechte entspricht.

D.
Am 16. Mai 2001 kündigte die Allianz in den elektronischen Medien an, dass sie den Aktionären der Berner Allgemeinen ein öffentliches Kaufangebot von CHF 750.-- je Namenaktie unterbreite. Die Dividende für das Geschäftsjahr 2000 von CHF 22.-- pro Namenaktie soll dabei dem Angebotspreis nicht angerechnet und noch vor Beginn der Angebotsfrist ausbezahlt werden. Diese Ankündigung wurde am 18. Mai 2001 in den Tageszeitungen landesweit veröffentlicht.

E.
Der Angebotsprospekt und der Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft wurden der Übernahmekommission vor der Publikation vorgelegt.

F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Hans Caspar von der Crone (Präsident), Alfred Spörri und Walter Knabenhans gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:


1. Voranmeldung

Gemäss Art. 7 Abs. 1 UEV-UEK kann ein Anbieter ein Angebot vor der Veröffentlichung des Angebotsprospektes voranmelden. Die daran geknüpften rechtlichen Wirkungen ergeben sich aus Art. 9 UEV-UEK. Art. 8 Abs. 1 UEV-UEK bestimmt, dass die Voranmeldung landesweite Verbreitung finden muss, indem sie in zwei oder mehreren Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht wird. Ausserdem ist sie nach Abs. 2 dieser Bestimmung mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien, welche Börseninformationen veröffentlichen, zuzustellen. Im vorliegenden Fall wurde die Voranmeldung am 16. Mai 2001 in den elektronischen Medien veröffentlicht. Die Publikation in den Tageszeitungen erfolgte rechtzeitig innerhalb dreier Börsentage.

2. Anwendung der Bestimmungen über Pflichtangebote

Unter Einbezug der durch die Berner Allgemeine selbst gehaltenen Namenaktien verfügen der Anbieter und die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Personen über 60.13 % des Kapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft. Das Angebot umfasst somit keine Beteiligungspapiere, deren Erwerb die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes auslösen würde (Art. 10 Abs. 5 UEV-UEK). Deshalb ist der Anbieter auch keinen Einschränkungen hinsichtlich der Festlegung des Angebotspreises unterworfen (vgl. etwa Empfehlung in Sachen Calanda Bräu vom 27. Mai 1999). Gleichwohl entspricht das öffentliche Kaufangebot der Allianz den gesetzlichen Mindestpreisbestimmungen, da der Angebotspreis sowohl über dem Durchschnitt der während der letzten 30 Börsentage vor Veröffentlichung der Voranmeldung an einer Schweizer Börse ermittelten Eröffnungskurse liegt als auch den Höchstbetrag überschreitet, den die Anbieterin in den letzten zwölf Monaten für Berner Allgemeine-Titel bezahlt hat.

3. Best Price Rule

Gemäss Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK darf der Anbieter nach Veröffentlichung des Angebotes keine Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem über dem Angebotspreis liegenden Preis erwerben, ohne diesen Preis allen Empfängern des Angebotes anzubieten (sogenannte „Best Price Rule"). Gemäss Praxis der Übernahmekommission gilt diese Regel während der ganzen Dauer des Angebotes und während sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist (siehe u.a. Empfehlung in Sachen Big Star Holding AG vom 7. April 2000, E. 8). Die Prüfstelle hat zu bestätigen, dass diese Auflage eingehalten wurde (Art. 27 UEV-UEK).

4. Handeln in gemeinsamer Absprache

Nach Art. 11 UEV-UEK und Art. 15 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK handelt der Anbieter grundsätzlich mit allen Mitgliedern seines Konzerns in gemeinsamer Absprache. Das gilt auch für die Zielgesellschaft, wenn sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Angebotsprospektes oder der Voranmeldung durch den Anbieter beherrscht wird. Im vorliegenden Fall hielten der Anbieter und die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Personen bei Publikation der Voranmeldung 60.13 % des Kapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft. Folglich hat auch die Berner Allgemeine allen in Art. 12 UEV-UEK aufgezählten Verpflichtungen nachzukommen.

5. Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft

5.1 Gemäss Art. 31 Abs. 1 UEV-UEK hat der Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft auf allfällige Interessenkonflikte von Mitgliedern des Verwaltungsrates und der obersten Geschäftsleitung hinzuweisen. Er muss im Besonderen die finanziellen Folgen des Angebotes für die genannten Personen schildern. Der Bericht hat offen zu legen, ob die Mandate der Mitglieder des Verwaltungsrates und der obersten Geschäftsleitung zu gleichwertigen Bedingungen weitergeführt werden; ansonsten sind die neuen Konditionen darzulegen. Verlassen gewisse Mitglieder des Verwaltungsrates oder der obersten Geschäftsleitung die Zielgesellschaft, ist anzugeben, ob sie eine Abgangsentschädigung erhalten und wie gross diese ist. Die Angaben müssen individuell erfolgen (siehe Empfehlung in Sachen Axantis Holding AG vom 15. Dezember 2000, E. 5.3). Der vorliegende Bericht führt aus, dass die allenfalls aus dem Verwaltungsrat der Zielgesellschaft ausscheidenden Mitglieder keine Abgangsentschädigungen erhalten werden. In diesem Punkt entspricht der Bericht des Verwaltungsrates den genannten Anforderungen.

5.2 Liegen Interessenkonflikte vor, muss der Bericht gemäss Art. 31 Abs. 3 UEV-UEK über die Massnahmen Rechenschaft ablegen, welche die Zielgesellschaft getroffen hat, um zu vermeiden, dass sich diese Konflikte zum Nachteil der Empfänger des Angebotes auswirken. Im vorliegenden Fall ist ein Verwaltungsratsmitglied der Berner Allgemeinen ebenfalls im Vorstand der Allianz. Aus dem Bericht des Verwaltungsrates der Berner Allgemeinen geht hervor, dass dieses Mitglied für alle jene Geschäfte in den Ausstand trat, welche die Empfehlung zum öffentlichen Kaufangebot der Allianz betrafen. Ebenfalls in den Ausstand getreten ist der Delegierte des Verwaltungsrats der Berner Allgemeinen, der auch Delegierter des Verwaltungsrates der Allianz Versicherung (Schweiz) AG und der Elvia Schweizerische Versicherungsgesellschaft Zürich AG ist und bis 1997 Managementfunktionen für den Allianz-Konzern in Deutschland wahrgenommen hat. Der Verwaltungsrat beauftragte zudem die Ernst&Young AG mit der Erstellung einer Fairness Opinion. Diese gelangte in ihrem Bericht zum Schluss, dass der Angebotspreis von CHF 750.-- für eine Berner Allgemeine-Namenaktie fair und finanziell angemessen sei. Damit ist Art. 31 Abs. 3 UEV-UEK Genüge getan.

5.3 Gemäss Art. 30 Abs. 1 UEV-UEK hat der Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft die Absichten derjenigen Aktionäre darzulegen, die mehr als 5 % der Stimmrechte besitzen, sofern deren Absichten dem Verwaltungsrat bekannt sind. Auch in diesem Punkt entspricht der Bericht den genannten Anforderungen.

6. Dauer des Angebotes

Gemäss Art. 14 Abs. 3 UEV-UEK muss ein Angebot grundsätzlich mindestens 20 Börsentage offen bleiben. Diese Frist wird auf zehn Börsentage verkürzt, wenn (a) der Anbieter vor der Veröffentlichung des Angebots die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft besitzt und (b) der Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft im Angebot veröffentlicht wird. Beide Bedingungen für eine Verkürzung der Angebotsdauer sind im vorliegenden Fall erfüllt. Zwar sieht Art. 14 Abs. 3 UEV-UEK eine Verkürzung auf 10 Tage vor. Die von der Anbieterin gewählte Frist von 15 Tagen ist jedoch nach dem Grundsatz a maiore minus ebenfalls für zulässig zu erachten.

7. Karenzfrist

Legt ein Anbieter ein Angebot vor seiner Veröffentlichung samt dem Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft der Übernahmekommission zur Prüfung vor, so befreit die Übernahmekommission den Anbieter grundsätzlich von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK). Da die Allianz diese Voraussetzungen erfüllt hat, wird sie von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist entbunden.

8. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation des Angebotsprospektes, d.h. am 29. Mai 2001, auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

9. Gebühr

Das Angebot bezieht sich auf 358'795 Berner Allgemeine-Namenaktien. Der Gesamtbetrag des Angebotes liegt bei CHF 269'096'250.--. Gemäss Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK wird somit eine Gebühr von CHF 113'800.-- erhoben.


Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:

  1. Das öffentliche Kaufangebot der Allianz Aktiengesellschaft entspricht dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995.

  2. Die Übernahmekommission gewährt die folgenden Ausnahmen von der Übernahmeverordnung (Art. 4 UEV-UEK): Befreiung von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK); Abkürzung der Angebotsfrist (Art. 14 Abs. 3 UEV-UEK).

  3. Diese Empfehlung wird am 29. Mai 2001 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

  4. Die Gebühr beträgt CHF 113'800.--.

 

Der Präsident:

Hans Caspar von der Crone

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

Mitteilung an:

  • die Allianz Aktiengesellschaft sowie die Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft AG, durch ihren Vertreter
  • die EBK.