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0113 - ENR Eastern Natural Resources SA
Empfehlung I in Sachen ENR Eastern Natural Resources SA vom 28. September 2001
Öffentliches Kaufangebot der Hansa AG, Basel, für 375'000 sich im Publikum befindenden Inhaberaktien der ENR Eastern Natural Resources SA, Genf - Gesuch der Zielgesellschaft betreffend Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK
A.
Die Hansa AG (Hansa) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 10'000'000.-- und ist eingeteilt in 10'000 Inhaberaktien von je CHF 1'000.-- Nennwert. Die Inhaberaktien sind nicht kotiert.
B.
Die ENR Eastern Natural Resources SA (ENR) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Genf. Das Aktienkapital beträgt CHF 37'500'000.-- und ist eingeteilt in 750'000 Inhaberaktien von je CHF 50.-- Nennwert. Die Inhaberaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.
C.
Am 21. September 2001 veröffentlichte Hansa in den elektronischen Medien die Voranmeldung eines öffentlichen Kaufangebotes für 375'000 Inhaberaktien der ENR. Am 24. September 2001 erfolgte die Publikation der Voranmeldung landesweit in Tageszeitungen der deutsch- und französischsprachigen Schweiz.
D.
Mit Eingabe vom 26. September 2001 beantragte ENR eine Ausnahme nach Art. 4 UEV-UEK hinsichtlich der Bestimmung von Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK, wonach der Verkauf oder der Erwerb von Betriebsteilen mit einem Wert oder zu einem Preis von mehr als 10 Prozent der Bilanzsumme durch den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft eine gesetzeswidrige Abwehrmassnahme darstellt. Diese Ausnahmegewährung soll es der ENR erlauben, gegebenenfalls Aktiven im Wert oder zum Preis von bis zu 33 % der konsolidierten Bilanzsumme zu kaufen oder zu verkaufen. Die Zielgesellschaft begründet ihr Gesuch insbesondere damit, dass die in Art. 29 Abs. 2 BEHG und Art. 35 UEV-UEK umschriebenen gesetzeswidrigen Abwehrmassnahmen auf Investmentgesellschaften eigentlich gar nicht anwendbar seien und sich der Erdölmarkt zudem derzeit in einer ausserordentlichen Verfassung präsentiere. Die weitere Entwicklung könne den Verwaltungsrat gegebenenfalls zu einem raschen Handeln zwingen, zumal die ENR über hohe Beteiligungen in diesem Bereich verfüge.
E.
Der Präsident der Übernahmekommission gewährte der Hansa mittels verfahrensleitender Anordnung vom 26. September 2001 Frist bis am 27. September 2001, um zum oben erwähnten Antrag der ENR Stellung zu nehmen. Die Anbieterin beantragt in ihrer Stellungnahme, das Gesuch der Zielgesellschaft abzulehnen. Sie begründet diesen Antrag insbesondere damit, dass das Gesuch lediglich summarisch mit dem Hinweis auf mögliche künftige Entwicklungen begründet sei. Die fehlende qualitative Begrenzung der Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK würde der Zielgesellschaft die freie Liquidation ihrer Aktiven bis zu einem Drittel ihrer Bilanzsumme erlauben. Für die Veräusserung von Beteiligungen in diesem Umfange bestehe zudem aus der Sicht der Anbieterin bei der derzeitigen Marktsituation keinerlei Notwendigkeit. Die ENR sei nach eigenem Bekunden auf eine langfristige Investmentpolitik ausgerichtet. Kurzfristige Schwankungen der Erdölpreise würden hingegen regelmässig auftreten, weshalb Investitionen in diesem Sektor mittel- und langfristig beurteilt werden müssten.
F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Ulrich Oppikofer (Präsident), Frau Claire Huguenin und Herrn Alfred Spörri gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Gewährung einer Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK
Nach Art. 29 Abs. 2 BEHG darf der Verwaltungsrat von der Publikation des Angebotes bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses keine Rechtsgeschäfte beschliessen, mit denen der Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft in bedeutender Weise verändert würde. Damit soll verhindert werden, dass der Verwaltungsrat den Ausgang des Übernahmeangebotes präjudiziert und dadurch den Aktionären verunmöglicht, selbst in vollem Umfang über das Zustandekommen oder Scheitern des Angebots zu entscheiden. Als Ausführungsnorm zum Gesetzestext enthält Art. 35 Abs. 2 UEV-UEK einen nicht abschliessenden Katalog gesetzeswidriger Abwehrmassnahmen. Im Rahmen dieser Aufzählung wird in Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK der Verkauf oder Erwerb von Betriebsteilen mit einem Wert oder zu einem Preis von mehr als 10 Prozent der Bilanzsumme durch den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft untersagt.
Die Zielgesellschaft macht nun in ihrem Gesuch geltend, Art. 29 Abs. 2 BEHG und Art. 35 Abs. 2 UEV-UEK würden keine Anwendung auf Investmentgesellschaften finden, welche sich in einem dynamischen und volatilen Umfeld bewegen, das den Verwaltungsrat dazu zwingt, hinsichtlich der gehaltenen Beteiligungen jederzeit und rasch reagieren zu können. Für eine solche Gesetzesinterpretation lassen sich jedoch weder aus dem Gesetzeswortlaut Anhaltspunkte ableiten, noch liesse sich eine derartig weitgehende Interpretation mit dem Zweck der Bestimmungen zum Schutz der Aktionäre im feindlichen Übernahmekampf in Einklang bringen. Hingegen ist der Gesuchstellerin dahingehend zuzustimmen, dass für Investmentgesellschaften das gesetzliche Verbot, bedeutende Rechtsgeschäfte zu tätigen, von grösserer Tragweite sein kann als für Zielgesellschaften aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeitsspektren. So sind gerade im Investmentbereich durchaus aussergewöhnliche Konstellationen vorstellbar, bei denen die Übernahmekommission eine Ausnahme gemäss Art. 4 UEV-UEK gewähren könnte.
Die Gesuchstellerin verweist in ihrer Eingabe jedoch lediglich in allgemeiner Weise auf die ausserordentliche Situation im Erdölmarkt. Die ENR sei als Investmentgesellschaft in den ehemaligen Ostblockstaaten, insbesondere in Russland, aktiv, wo sie Beteiligungen an Gesellschaften halte, die im Handel und in der Ausbeutung von Rohstoffen tätig seien. Die Tätigkeit dieser Gesellschaften hätte einen engen Bezug zur Entwicklung des Erdölkurses, der sich aktuellerweise auf einem äusserst tiefen Niveau präsentiere. In dieser Situation könne die Sorgfaltspflicht den Verwaltungsrat je nach Entwicklung dazu drängen, rasche und wichtige Massnahmen zur Rettung des Investitionswertes der Aktionäre zu ergreifen. Die Übernahmekommission erachtet diese von der Gesuchstellerin sehr allgemein gehaltene Darstellung der möglichen künftigen Gefahren für die getätigten Investitionen als ungenügend, um eine Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK bis zu einem Drittel der Bilanzsumme zu gewähren und somit dem Verwaltungsrat weitgehend von den gesetzlich auferlegten Schranken während der Angebotsfrist zu befreien. Eine Ausnahme könnte aus der Sicht der Übernahmekommission lediglich bei einer massiven Gefährdung von wesentlichen Teilen der Gesellschaftssubstanz gewährt werden. Eine Einberufung der Generalversammlung der Zielgesellschaft, welche nach dem Börsengesetz über die vorgesehenen Rechtsgeschäfte befinden könnte, muss zudem aus zeitlichen Gründen ausgeschlossen sein. Die Gesuchstellerin hat überdies gegenüber der Übernahmekommission die gefährdeten Beteiligungen genau zu benennen sowie die konkreten Gefährdungen zu begründen und in geeigneter Form zu belegen. Schliesslich kann eine Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 lit. a. UEV-UEK immer nur auf fest umrissene Beteiligungen abzielen und in keinem Fall eine "carte blanche" für die Bewirtschaftung des Portfolios durch den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft beinhalten. Das vorliegende Gesuch wird daher abgewiesen.
2. Publikation
Diese Empfehlung wird am ersten Börsentag nach der Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission publiziert.
3. Gebühr
Gemäss Art. 62 Abs. 5 UEV-UEK kann die Übernahmekommission in besonderen Fällen, namentlich wenn die Zielgesellschaft einem Ausschuss besondere Arbeit verursacht hat, letzterer eine Gebühr auferlegen. Die Übernahmekommission wird die Frage des durch die Zielgesellschaft verursachten Aufwandes mit Blick auf das gesamte Verfahren beurteilen. Folglich wird an dieser Stelle keine separate Gebühr erhoben.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
-
Das Gesuch der ENR Eastern Natural Resources SA betreffend Gewährung einer Ausnahme von Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK wird abgewiesen.
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Diese Empfehlung wird am ersten Börsentag nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission publiziert.
Der Präsident:
Ulrich Oppikofer
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- Hansa AG, durch ihren Vertreter,
- ENR Eastern Natural Resources SA, durch ihren Vertreter,
- EBK.