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Transactions

0130 - Cementia Holding AG

Empfehlung in Sachen Cementia Holding AG vom 27. Mai 2002

Öffentliches Umtauschangebot der Lafarge, Paris, an die Aktionäre und Partizipationsscheininhaber der Cementia Holding AG, Zürich

A.
Die Cementia Holding AG („Cementia“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 18’583’400. Dieses ist eingeteilt in 929’170 Inhaberaktien zu je CHF 20 Nennwert. Weiter besteht ein Partizipationskapital von CHF 8’993’020, das in 449’651 Partizipationsscheine („PS“) mit einem Nennwert von je CHF 20 eingeteilt ist. Sowohl die Aktien als auch die PS sind an der SWX Swiss Exchange kotiert.

B.
Die Lafarge („Lafarge“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Paris (Frankreich). Per 23. Mai 2002 betrug das nominelle Aktienkapital von Lafarge EUR 520’583’200, eingeteilt in 130’145’800 Aktien mit einem Nennwert von je EUR 4. Die Aktien von Lafarge sind an der Euronext in Paris, der London Stock Exchange, an der Frankfurter Wertpapierbörse und, in der Form von American Depositary Receipts („ADR“), an der New York Stock Exchange kotiert. Unter Einbezug der von Cementia gehaltenen eigenen Aktien hält Lafarge 98.51% der Stimmrechte und des Aktienkapitals sowie 93.90% des PS-Kapitals an Cementia.

C.
Am 15. Mai 2002 veröffentlichte Lafarge in den elektronischen Medien die Voranmeldung eines öffentlichen Umtauschangebots für alle sich im Publikum befindenden Inhaberaktien und PS von Cementia. Am 18. Mai 2002 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung, indem sie in mehreren Zeitungen in deutsch und französisch veröffentlicht wurde (Art. 8 Abs. 1 UEV-UEK).

D.
Am 31. Mai 2002 wird Lafarge in der Tagespresse und den elektronischen Medien das öffentliche Umtauschangebot an die Inhaberaktionäre und PS-Inhaber von Cementia veröffentlichen. Den Aktionären und PS-Inhabern von Cementia werden pro Inhaberaktie bzw. pro PS elf Lafarge Aktien angeboten. Das Angebot ist an keine Bedingungen geknüpft.

E.
Der Angebotsprospekt und der Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft wurden der Übernahmekommission vor der Publikation unterbreitet.

F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Frau Maja Bauer-Balmelli (Präsidentin) sowie den Herren Ulrich Oppikofer und Thierry de Marignac gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Voranmeldung

1.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 UEV-UEK kann ein Anbieter ein Angebot vor der Veröffentlichung des Angebotsprospekts voranmelden. Die daran geknüpften rechtlichen Wirkungen ergeben sich aus Art. 9 UEV-UEK. Art. 8 Abs. 1 UEV-UEK bestimmt, dass die Voranmeldung landesweite Verbreitung finden muss, indem sie in zwei oder mehreren Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht wird. Ausserdem ist sie nach Abs. 2 dieser Bestimmung mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien, die Börseninformationen verbreiten, zuzustellen. Damit die Rechtswirkungen gemäss Art. 9 UEV-UEK an diesen Zeitpunkt geknüpft werden können, genügt gemäss Praxis der Übernahmekommission die blosse Zustellung an ein elektronisches Medium jedoch nicht. Vielmehr hat eine Veröffentlichung der vollständigen Voranmeldung zu erfolgen.

1.2 Im vorliegenden Fall enthielt die am 15. Mai 2002 in den elektronischen Medien publizierte Voranmeldung sämtliche von Art. 7 Abs. 2 UEV-UEK geforderten Angaben. Die Publikation in den Tageszeitungen erfolgte rechtzeitig innert 3 Börsentagen am 18. Mai 2002. Somit entfaltete die Voranmeldung ihre Wirkungen am 15. Mai 2002.

2. Nichtanwendung der Bestimmungen über Pflichtangebote

Unter Einbezug der von Cementia gehaltenen eigenen Aktien hält Lafarge bereits 98.51% der Stimmrechte und des Aktienkapitals und 93.90% des PS-Kapitals an Cementia. Das Angebot von Lafarge umfasst somit keine Beteiligungspapiere, deren Erwerb die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots auslösen würde. Lafarge ist demzufolge nicht an die Mindestpreisbestimmungen des Börsengesetzes gebunden, hat aber nach Art. 10 abs. 4 UEV-UEK auf ein angemessenes Verhältnis zwischen den Preisen der verschiedenen kotierten Beteiligungspapiere zu achten (vgl. dazu sogleich Ziff. 3).

3. Verhältnis zwischen den Angebotspreisen für die verschiedenen Kategorien von Beteiligungspapieren

3.1 Die Übernahmekommission überlässt es grundsätzlich dem Anbieter, die Kriterien für das Verhältnis zwischen den Angebotspreisen für die verschiedenen Kategorien von Beteiligungspapieren festzulegen. Die vom Anbieter gewählte Methode muss nach Art. 22 Abs. 1 UEV-UEK im Angebotsprospekt beschrieben werden, und die Prüfstelle hat die Angemessenheit der Verhältnisse zu bestätigen (Art. 22 Abs. 2 UEV-UEK). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, beschränkt sich die Übernahmekommission auf eine Plausibilitätsprüfung. Nur wenn sich die Berechnungsmethode als offensichtlich unhaltbar erweist, greift die Kommission ein.

3.2 Lafarge führt zum Verhältnis des Angebotspreises für die Inhaberaktien und die PS von Cementia aus, dass der Markt die beiden Papiere praktisch gleich bewerte, weshalb im Rahmen des Umtauschangebots die beiden Titel paritätisch bewertet würden.

3.3 Aufgrund des sehr illiquiden Cementia Aktien- und PS-Markts kann den Kursen dieser Titel eine gewisse Zufälligkeit nicht abgesprochen werden. Tendenziell wurde zwar der PS in der jüngeren Vergangenheit jeweils zu einem leicht höheren Preis gehandelt als die Inhaberaktie, aufgrund der Illiquidität des Markts kann dieser Höherbewertung des PS aber keine massgebende Bedeutung zukommen. Der Entscheid von Lafarge, die PS und Aktien von Cementia - die nota bene den gleichen Nennwert von je CHF 20 aufweisen - paritätisch zu behandeln, ist demzufolge nicht zu beanstanden.

4. Handeln in gemeinsamer Absprache

Nach Art. 11 UEV-UEK und Art. 15 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK handelt der Anbieter grundsätzlich in gemeinsamer Absprache mit allen Mitgliedern seines Konzerns. Dies gilt auch für die Zielgesellschaft, wenn sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Angebotsprospekts oder der Voranmeldung durch den Anbieter beherrscht wird.
Im vorliegenden Fall hält Lafarge 98.51% der Stimmrechte und 93.90% des PS-Kapitals an Cementia. Lafarge erklärt im Angebotsprospekt, dass sie und alle weiteren durch sie kontrollierten Gesellschaften inkl. Cementia im Hinblick auf das Umtauschangebot in gemeinsamer Absprache handeln. Alle diese Gesellschaften und allfällige weitere mit Lafarge in gemeinsamer Absprache handelnde Personen haben somit den Pflichten von Art. 12 UEV-UEK nachzukommen.

5. Best Price Rule

Gemäss aRT. 10 ABS. 6 UEV-UEK darf der Anbieter nach Veröffentlichung des Angebots keine Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem über dem Angebotspreis liegenden Preis erwerben, ohne diesen allen Empfängern des Angebots anzubieten (sog. „Best Price Rule”). Gemäss Praxis der Übernahmekommission gilt diese Regel während der ganzen Dauer des Angebots und während sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist (siehe u.a. Empfehlung in Sachen Big Star Holding AG vom 7. April 2000, E. 8). Beim Umtauschangebot folgt der Angebotspreis laufend den Kursänderungen der zum Umtausch angebotenen Titel. Folglich darf der Anbieter ab dem Zeitpunkt der Voranmeldung bis zum Ablauf der Nachfrist keine Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem Preis erwerben, der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses höher ist als der „aktuelle Wert“ des Angebots (siehe Empfehlung in Sachen Esec Holding AG vom 3. Juli 2000, E. 5). Im vorliegenden Umtauschangebot liegt dieser Wert beim Gegenwert von elf Lafarge Aktien. Nach Abwicklung des Angebots darf Lafarge für die Dauer von sechs Monaten keine Beteiligungspapiere von Cementia zu einem Preis erwerben, der über dem Wert des Umtauschangebots im Zeitpunkt der Abwicklung liegt. Die Prüfstelle hat zu bestätigen, dass diese Auflagen eingehalten wurden (Art. 27 UEV-UEK).

6. Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft

6.1 Gemäss Art. 31 Abs. 1 UEV-UEK hat der Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft auf allfällige Interessenkonflikte von Mitgliedern des Verwaltungsrats und der obersten Geschäftsleitung hinzuweisen. Er muss im Besonderen die finanziellen Folgen des Angebots für die genannten Personen schildern. Im Bericht ist offen zu legen, ob die Mandate der Mitglieder des Verwaltungsrats und der obersten Geschäftsleitung zu gleichwertigen Bedingungen weitergeführt werden. Ansonsten sind die neuen Konditionen darzulegen. Verlassen gewisse Mitglieder des Verwaltungsrats oder der obersten Geschäftsleitung die Zielgesellschaft, ist anzugeben, ob sie eine Abgangsentschädigung erhalten und wie gross diese ist. Die Angaben müssen individuell erfolgen (siehe Empfehlung in Sachen Axantis Holding AG vom 15. Dezember 2000, E. 5.3). Im vorliegenden Fall wird im Prospekt ausgeführt, dass keine Änderungen in der Zusammensetzung des Verwaltungsrats oder bezüglich der Entschädigung von dessen Mitglieder vorgesehen seien.

6.2 Liegen Interessenkonflikte vor, muss der Bericht gemäss Art. 31 Abs. 3 UEV-UEK Rechenschaft ablegen über die Massnahmen, welche die Zielgesellschaft getroffen hat, um zu vermeiden, dass sich diese Konflikte zum Nachteil der Empfänger des Angebots auswirken. Bei der Beschlussfassung über den vorliegenden Bericht haben sich diejenigen Verwaltungsräte von Cementia, die gleichzeitig in Mandatsstellung oder einem Organverhältnis zu Lafarge stehen, der Stimme enthalten. Zu beachten ist jedoch, dass Lafarge über 98.51% der Stimmrechte an Cementia verfügt und der Verwaltungsrat mit diesen Stimmen gewählt wurde. Aufgrund dieser speziellen Konstellation besteht per se ein potentieller Interessenkonflikt des Verwaltungsrats. Diesem Umstand Rechnung tragend, hat der Verwaltungsrat von Cementia eine Revisionsgesellschaft mit dem Erstellen einer Fairness Opinion beauftragt, mit der die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses aus Sicht der Publikumsaktionäre und Partizipanten von Cementia geprüft werden soll. Die Revisionsgesellschaft kommt in ihrer Fairness Opinion vom 15. Mai 2002 zum Ergebnis, dass das konkrete Umtauschangebot fair und angemessen sei.

7. Befreiung von der Karenzfrist und Verkürzung der Angebotsfrist auf zehn Börsentage

Legt ein Anbieter ein Angebot vor seiner Veröffentlichung samt Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft der Übernahmekommission zur Prüfung vor, so befreit diese den Anbieter grundsätzlich von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK). Da Lafarge diese Voraussetzungen erfüllt hat, wird sie von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist befreit.

Nach Art. 14 Abs. 3 UEV-UEK kann die Angebotsfrist auf zehn Börsentage verkürzt werden, wenn der Anbieter vor der Veröffentlichung des Angebots die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft hält und der Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft im Angebot veröffentlicht wird. Auch diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, so dass die Angebotsfrist auf zehn Börsentage verkürzt werden kann.

8. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation des Angebotsprospekts, d.h. am 31. Mai 2002, auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

9. Gebühr

Das Angebot bezieht sich auf 13’817 Cementia Inhaberaktien und 27’441 Cementia PS. Das Umtauschverhältnis pro Aktie und PS ist gleich. Bei einem Angebotswert von CHF 1'751 pro Cementia Titel liegt der gesamte Preis des Angebots bei CHF 72’223’779. Gemäss Art. 62 Abs. 2 lit. a UEV-UEK beläuft sich die Gebühr somit auf CHF 36’100.

 

Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Das öffentliche Umtauschangebot der Lafarge entspricht dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995.

  2. Die Übernahmekommission gewährt die folgenden Ausnahmen von der Übernahmeverordnung (Art. 4 UEV-UEK): Befreiung von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK); Verkürzung der Angebotsfrist auf zehn Börsentage (Art. 14 Abs. 3 UEV-UEK).

  3. Diese Empfehlung wird am 31. Mai 2002 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

  4. Die Gebühr beträgt CHF 36’100.

Die Präsidentin:

Maja Bauer-Balmelli

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • Lafarge und Cementia Holding AG (durch ihren Vertreter)
  • die EBK.