SWISS TAKEOVER BOARD

Transazioni

0157 - Disetronic Holding AG

Empfehlung II Disetronic Holding AG vom 25. Juli 2003

Widerruf und Korrektur der Kostendispositivziffer in der Empfehlung in Sachen Disetronic Holding AG vom 19. März 2003

A.
Die Roche Holding AG („Roche“ oder „Anbieterin“) gelangte im Hinblick auf die Durchführung eines öffentlichen Kauf- und Umtauschangebots für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Disetronic Holding AG („Disetronic“ oder „Zielgesellschaft“) Ende Januar 2003 an die Übernahmekommission. Diese bildete einen Ausschuss und behandelte zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit dem Angebot und prüfte die Voranmeldung und den Angebotsprospekt.

B.
Mit Empfehlung vom 19. März 2003 erliess die Übernahmekommission unter anderem folgende Empfehlung:

„1. Das öffentliche Kauf- und Umtauschangebot der Roche Holding AG an die Aktionäre der Disetronic Holding AG entspricht dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995.
(...)
4. Die Gebühr zu Lasten der Roche Holding AG beträgt CHF 103'500.“

C.
Ende März informierte das Sekretariat der Übernahmekommission einen der Rechts­vertreter der Anbieterin telefonisch, dass die Gebühr von CHF 103'500 falsch berechnet worden sei und diese gestützt auf Art. 62 Abs. 2 und 3 UEV-UEK stattdessen CHF 200'000 betrage. Die Anbieterin erklärte sich mit einer entsprechenden Korrektur nicht einverstanden. In der Folge ergingen zwischen dem Sekretariat der Übernahmekommission und den Rechtsvertretern der Anbieter zahlreiche E-Mails in dieser Angelegenheit. Mit Schreiben vom 16. April 2003 räumte das Sekretariat der Übernahmekommission der Anbieterin eine Frist bis 28. April ein, um ihr entweder die Originale der Empfehlung vom 19. März 2003 zurückzusenden, zwecks Korrektur der Gebühr auf neu CHF 200'000 oder ihr eine Stellungnahme einzureichen, zwecks Erlass einer neuen Empfehlung, mit welcher die fehlerhafte Gebühr im erwähnten Sinn korrigiert werde. Mit Schreiben vom 28. April 2003 teilte die Anbieterin der Übernahmekommission sinngemäss erneut mit, sie erachte die Voraussetzungen für eine Korrektur des Gebührendispositivs in der Empfehlung vom 19. März 2003 als nicht erfüllt.

D.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Herrn Ulrich Oppikofer und Frau Anne Héritier Lachat gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Voraussetzungen für die Widerrufbarkeit von Empfehlungen

1.1 Fehlerhafte Verfügungen können unter bestimmten, nachstehend aufgeführten Voraussetzungen von Amtes wegen von den Behörden widerrufen werden. Was für die fehlerhaften Verfügungen gilt, trifft in gleichem Masse für fehlerhafte Empfehlungen zu. Dies entspricht der Eigenart des öffentlichen Rechts und der Natur der öffentlichen Interessen, dass ein Verwaltungsakt, der dem Gesetz nicht entspricht, nicht unabänderlich ist (vgl. BGE 94 I 343; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2002, N. 994 ff., auch zum Folgenden). Weder das Börsengesetz noch die Übernahmeverordnungen regeln die Voraussetzungen des Widerrufs einer fehlerhaften Empfehlung. Ein solcher ist – da keine gesetzliche Reglung vorliegt, insbesondere auch das Verwaltungsverfahrensgesetz nach Art. 55 Abs. 5 UEV-UEK nicht anwendbar ist – aufgrund allgemeiner verwaltungsrechtlicher Kriterien zu beurteilen. Demnach ist eine Interessengewichtung vorzunehmen, wobei zwischen dem Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts einerseits und dem Interesse an der Rechtssicherheit bzw. dem Vertrauensschutz andererseits abzuwägen ist.

1.1.1 Nach Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK wird die Gebühr im Verhältnis zum Gesamtbetrag des Angebots wie folgt berechnet:

„a.       0.5 Promille bis zu 200 Millionen Franken;

b.        0.2 Promille zwischen 200 und 500 Millionen Franken;

c.         0.1 Promille des Betrages über 500 Millionen Franken.“

Gemäss Art. 62 Abs. 3 UEV-UEK beträgt die Gebühr mindestens CHF 20'000 und höchstens CHF 200'000. Aus den beiden genannten Absätzen ergibt sich ohne weiteres, dass der Gebührentarif eine gestaffelte Anwendung vorsieht. Andernfalls ergäbe bspw. ein Gesamtbetrag eines Angebots von CHF 520'000'000 eine tiefere Gebühr (0.1 Promille von CHF 520'000'000 = CHF 52'000) als ein Gesamtbetrag eines Angebots von CHF 480'000'000 (0.2 Promille von CHF 480'000'000 = CHF 96'000), was überhaupt keinen Sinn machen würde. Das hier in Frage stehende Angebot von Roche bezog sich auf rund 1'188'550 (ca. 61.3%) Disetronic Namenaktien. Der Angebotspreis lag bei CHF 670 sowie dem Wert von zwei Roche Genussscheinen („Roche-GS“). Bei der Ermittlung des Werts eines Roche-GS war analog Art. 62 Abs. 4 UEV-UEK vorzugehen, d.h. der entsprechende Wert war aufgrund des durchschnittlichen Eröffnungskurses dieser Titel während der zehn Börsentage vor der Unterbreitung des Angebots an die Übernahmekommission zu ermitteln. Das Angebot wurde der Übernahmekommission am 29. Januar 2003 unterbreitet. Der durchschnittliche Eröffnungskurs eines Roche-GS betrug vom 15. Januar bis 28. Januar 2003 CHF 100.15 bzw. von zwei Roche-GS CHF 200.30. Insgesamt ergab dies einen Angebotspreis von CHF 870.28 (CHF 670 + CHF 200.30). Der Gesamtbetrag des Angebots lag folglich bei CHF 1'034'351'550 (CHF 870.30 x 1'188'500; vgl. Empfehlung in Sachen Disetronic Holding AG vom 19. März 2003, E. 10). Dies ergäbe nach Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK allein eine Gebühr zu Lasten der Roche von CHF 213'435, nach Art. 62 Abs. 2  i.V.m. Abs. 3 UEV-UEK folglich die Höchstgebühr von CHF 200'000.
Ist der Gesamtbetrag eines Angebots bekannt – wie hier mit Empfehlung vom 19. März 2003, E. 10 – lässt sich die massgebende Gebühr anhand des erwähnten Tarifs ohne weiteres ausrechnen. Mit anderen Worten lässt sich die richtige Anwendung des objektiven Rechts diesbezüglich problemlos ermitteln. Damit ist einerseits das Interesse an der richtigen Durchsetzung des erwähnten Gebührentarifs insbesondere auch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung der Betroffenen als bedeutend einzustufen.

1.1.2 Andererseits gilt es vorliegend, die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtsicherheit zu berücksichtigen. Zwischen ihnen besteht eine enge Verwandtschaft. Beide verlangen den Schutz der Privaten, die auf eine bestimme Rechtslage vertraut haben. Zu beachten ist aber, dass Vertrauensschutz im Sinn der Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Sinn des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht identisch sind. Während der Grundsatz von Treu und Glauben das individuelle Vertrauen der Privaten schützt, das diese in einem konkreten Fall aus ganz bestimmten Gründen in ein Verhalten der Behörden haben, schützt die Rechtssicherheit ein generelles Vertrauen der Privaten in die Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Beständigkeit des Rechts (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2002, N. 628).
Dass Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK eine gestaffelte Anwendung vorsieht, ergibt sich wie dargelegt (Ziff. 1.1.1) mühelos aus der Verordnungsbestimmung selber. Von daher ist nicht einzusehen, inwiefern mit dem Widerruf der fehlerhaften Dispositivziffer der Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt sein sollte. Jedenfalls aber überwiegt in diesem Zusammenhang das Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts deutlich. Die Anwendung von Art. 62 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 UEV-UEK war denn auch den Rechtsvertretern von Roche bestens bekannt. Sie hätten folglich die unrichtige Gebühr ohne weiteres erkennen können. Hinzu kommt, dass sie knapp zwei Wochen nach Erlass des falschen Kostendispositivs vom Sekretariat der Übernahmekommission über das Versehen informiert worden waren. Vor diesem Hintergrund ist auch das Interesse von Roche am Vertrauensschutz in den Bestand der mit Empfehlung vom 19. März 2003 erlassenen unrichtigen Gebühr nicht als bedeutend einzustufen.

1.2 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hier aus den oben dargelegten Gründen das Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts das Interesse von Roche an der Rechtssicherheit bzw. dem Vertrauensschutz in den Bestand der falschen Gebühr deutlich überwiegt. Damit sind die Voraussetzungen für den Widerruf der in der Empfehlung vom 19. März 2003 erlassenen fehlerhaften Kostendispositivziffer erfüllt.

2. Gesetzliche Grundlage der Gebührenerhebung durch die Übernahmekommission

2.1 Roche vertritt in ihrer Eingabe vom 28. April 2003 die Auffassung, dass die Gebührenerhebung durch die Übernahmekommission der gesetzlichen Grundlage entbehre. Ausserdem macht sie geltend, dass Art. 62 Abs. 2 und 3 UEV-UEK das Äquivalenzprinzip verletzten.

2.2 Die Erhebung von Gebühren bedarf einer formellgesetzlichen Grundlage. Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an eine nachgeordnete Behörde, muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand der Abgabe sowie deren Bemessungsgrundlagen nennen. Diese Anforderungen dürfen namentlich dort herabgesetzt werden, wo das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt wird (BGE 126 I 183). Dass dies im Rahmen der börsenrechtlichen Gebührenregelung der Fall ist und art. 23 Abs. 5 BEHG eine genügende formell-rechtliche Grundlage bildet, wird nachstehend dargelegt.

2.3 Die heutige Gebührenregelung basiert auf dem Grundgedanken, dass die Übernahmekommission eine selbständige Bundesbehörde bildet, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote im Einzelfall zu überprüfen. Sie nimmt somit öffentlichrechtliche Bundesaufgaben wahr (Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartements vom 14. April 1994, S. 1; Alain Hirsch The Swiss Takeover Board in: SZW Sondernummer 1997, S. 73 f., N. 3.7). In Kenntnis der Tatsache, dass die Übernahmekommission ihre Tätigkeit im Spannungsfeld von diversen Marktinteressen auszuüben hat, war es, wie die parlamentarischen Beratungen zeigen, der Wille des Gesetzgebers, diese Aufgabe einer unabhängigen Organisation anzuvertrauen (Amtliches Bulletin des Nationalrats, 1994, 1069-1070). Es kam auf Antrag des Nationalrats zur Streichung des privatrechtlichen Status der Übernahmekommission. Zugleich wurde den Börsen statt eines Antragsrechts lediglich ein Anhörungsrecht bei der personellen Zusammensetzung der Übernahmekommission zuerkannt (Protokoll der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 1. Februar 1994, S. 3 ff.). Die angestrebte Unabhängigkeit setzt per definitionem eine finanzielle Eigenständigkeit voraus. Nur dann, wenn die Kommission nicht dem Vorwurf der finanziellen Abhängigkeit von einzelnen Interessensgruppen ausgesetzt ist, findet ihre Tätigkeit die notwendige Akzeptanz. In diesem Sinne ist auch Art. 23 Abs. 5, 1. Satz BEHG auszulegen. Ziel dieser Bestimmung ist es, über die von Anbietern und Zielgesellschaften erhobenen Gebühren den Aufwand der Übernahmekommission nach Möglichkeit zu decken. Die Börsen haben auf Grund der naturgemäss stark schwankenden Anzahl Fälle pro Jahr lediglich eine Defizitgarantie zu leisten (Verfügung der Übernahmekammer der Eidgenössischen Bankenkommission [„EBK“] vom 7. Oktober 1999 in Sachen Alusuisse Lonza Group AG und Viag AG, E. 2b, EBK Bulletin 39, S. 36 f.). Die Auffassung von Roche, dass die Börsen grundsätzlich die Kosten der Kommission zu tragen hätten, würde dem Willen des Gesetzgebers klar zuwiderlaufen. Denn durch die Verhinderung eines selbsttragenden Betriebs würde die Unabhängigkeit der Kommission – quasi durch die Hintertüre – untergraben werden.

2.4 Die auf art. 23 Abs. 5 BEHG beruhende Gebührenregelung in Art. 62 Abs. 2 und 3 UEV-UEK trägt dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip vollumfänglich Rechnung. Das Kostendeckungsprinzip bedeutet, dass der Gesamtbetrag der Gebühren die Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht übersteigen darf (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2002, N. 2637). Dieser Grundsatz schliesst eine gewisse Schematisierung oder Pauschalisierung der Abgabe nicht aus (BGE 126 I 188). Zum Gesamtaufwand sind nicht nur die laufenden Ausgaben des betreffenden Verwaltungszweigs, sondern auch angemessene Rückstellungen, Abschreibungen und Reserven hinzuzurechnen (BGE 126 I 188). Wie das Bundesgericht in BGE 126 I 189 darlegte, darf der Tatsache, dass der jährliche Gesamtbetrag der Gebühren, je nach Wirtschaftslage, erheblichen Schwankungen unterworfen ist, mit Blick auf einen ausgeglichenen Finanzhaushalt bei der Festsetzung der Gebührenhöhe Rechnung getragen werden. Erst erhebliche Mehreinnahmen würden das Kostendeckungsprinzip verletzen (Klaus A. Vallender, Grundzüge des Kausalabgaberechts, Bern/Stuttgart, 1976, S. 72 f.). Die Gebühreneinnahmen der Übernahmekommission waren während der letzten drei Jahre erheblichen Schwankungen unterworfen. So entstand im Jahr 2000 gemäss geprüfter Jahresrechnung ein Jahresverlust von –512'760, im Jahr 2001 gemäss geprüfter Jahresrechnung ein Jahresgewinn von CHF 292'831 und im Jahr 2002 nach noch ungeprüfter Jahresrechnung ein Jahresverlust von CHF –177'222. Die jährlichen Gewinn- und Verlustzahlen decken längerfristig ungefähr den Gesamtaufwand der Übernahmekommission. Die Gebühren entsprechen folglich dem Kostendeckungsprinzip, was von Roche denn auch letztlich nicht bestritten wird.

2.5 Das Äquivalenzprinzip stellt die gebührenrechtliche Ausgestaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes dar. Es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen halten muss. Der Wert der Leistung bemisst sich nach dem Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs, wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen (BGE 126 I 188). Weiter kann bei der Festsetzung der Gebührenhöhe die Leistungsfähigkeit der staatlichen Einrichtung und die mit der amtlichen Handlung verbundene Verantwortung, aber auch die wirtschaftliche Situation des Pflichtigen und dessen Interesse am abzugeltenden Akt angemessen berücksichtigt werden (BGE 126 I 191). Wie nachstehend dargelegt wird, tragen Art. 62 Abs. 2 und 3 UEV-UEK den obgenannten Kriterien Rechnung.

2.5.1 Bereits der Wortlaut von Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK (vgl. Ziff. 1.1.1) widerlegt die sinngemässe Aussage von Roche, dass es sich bei der Gebührenregelung der Übernahmekommission um eine starre Pauschalgebühr handle, die in keinem vernünftigen Verhältnis zur staatlichen Leistung stehe. Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK sieht ausdrücklich einen degressiven Promillesatz vor. Je höher der Gesamtbetrag des Angebots, desto kleiner ist der anzuwendende Gebührensatz. Der degressive Promillesatz trägt durchaus im Sinne des Anliegens der Roche dem Umstand Rechnung, dass es sich ab einer gewissen Höhe des Angebots nicht mehr rechtfertigen lässt, die Gebühr nach einem starren Promillesatz festzulegen, da dieser zu einer das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip sprengenden Abgabe führen würde. Die geltende Gebührenordnung will gerade verhindern, dass die im Rahmen von öffentlichen Kaufangeboten zu erhebenden Gebühren faktisch zu einer Gemengsteuer werden. Dass die Gebührenregelung sich dabei auf den Gesamtbetrag des Angebots abstützt, ist zulässig. Auf diesem Weg wird der wirtschaftlichen Situation des Anbieters und dessen Interesse am abzugeltenden Akt angemessen Rechnung getragen (BGE 126 I 191). In casu verfügt Roche über die notwendigen Mittel, um ein öffentliches Kaufangebot im Umfang von CHF 1'034'351'550 für die sich im Publikum befindenden Namenaktien der Disetronic zu finanzieren (vgl. Ziff. 1.1.1). Die in Rechnung gestellte Gebühr entspricht dabei nur gerade 0.019 % des Angebotswerts, womit belegt wäre, dass eine Gebühr der Übernahmekommission von CHF 200'000 auf jeden Fall keine untragbare finanzielle Belastung für Roche darstellt.

2.5.2 Im Weiteren macht Roche geltend, die Unangemessenheit der Gebühr zeige sich aus dem Vergleich mit den Aufwendungen der Wettbewerbskommission und ihrem Sekretariat, die gestützt auf Art. 4 Abs. 2 der KG-Gebührenverordnung einen Stundensatz von CHF 130 anwendeten. Abgesehen davon, dass auch dieser Stundenansatz pro Person verrechnet wird und neben diesem Aufwand die effektiv anfallenden Auslagen nach Art. 5 KG-Gebührenverordnung separat berechnet werden, verkennt Roche, dass die Wettbewerbskommission im Gegensatz zur Übernahmekommission nicht selbsttragend ist. Die Wettbewerbskommission ist administrativ dem Eidgenössischen Volkswirtschafts­departement („EVD“) zugeordnet. Ihre Organisation ist durch das Geschäftsreglement der Wettbewerbkommission vom 1. Juli 1996 (SR 251.1) geregelt. Dessen Art. 24 bestimmt, dass die Wettbewerbskommission für die Rechnungsführung als Verwaltungseinheit des EVD gilt. Letzteres stellt Personal- und Sachkosten in den Voranschlag ein. Mit anderen Worten wird die Wettbewerbskommission mit Steuergeldern finanziert, und ihre Gebühren gelangen im Gegenzug in die allgemeine Staatskasse. Eine Gegenüberstellung der Einnahmen der Wettbewerbskommission mit den Einnahmen der Übernahmekommission wäre demnach nicht schlüssig bzw. ohnehin nicht aussagekräftig. – Demgegenüber zeigt ein Gebührenvergleich mit dem Handelsgericht des Kantons Zürich, dass dort entsprechend der massgebenden Verordnung für einen Streitwert von CHF 1'034'351'550 eine Gebühr von knapp CHF 4'000'000 erhoben würde (§ 3 Abs. 1 der Verordnung des Obergerichts des Kantons Zürich über die Gerichtsgebühren vom 30. Juni 1993 (LS 211.11)).

2.5.3 Anzumerken bleibt, dass die Gebührenregelung von Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK dazu führt, dass bei öffentlichen Kaufangeboten an Aktionäre von kleinen Publikumsgesellschaften oftmals nur ein Teil des Aufwands der Übernahmekommission in Rechnung gestellt werden kann und folglich bei Übernahmen von grossen Publikumsgesellschaften entsprechend höhere Gebühren anfallen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung verhindern, dass Angebote auf kleine Publikumsgesellschaften wegen im Vergleich zum Angebotswert unverhältnismässig hohen Gebühren nicht unterbreitet würden. Als Beispiel sei hierzu der Fall Intersport Deutschland eG / Intersport PSC Holding AG genannt (vgl. Empfehlung in Sachen Intersport PSC Holding AG vom 7. Juli 2000). Der Angebotswert belief sich auf CHF 41'100'000, die von der Übernahmekommission erhobene Gebühr auf CHF 20'000, d.h. 0.019 % des Angebotswerts. Hätte die Kommission die Gebühr einzig nach dem Aufwand berechnet (in casu wurden zehn Empfehlungen in dieser Angelegenheit erlassen), wäre diese in keinem Verhältnis zum Angebotswert gestanden. Ein solches Vorgehen ist rechtens. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen die Gebühren für bedeutende Geschäfte in einem gewissen Mass den Ausfall für Verrichtungen ausgleichen, für welche wegen Geringfügigkeit keine bzw. keine kostendeckende Entschädigung verlangt werden kann (vgl. BGE 109 Ib 314; 103 Ia 81 f.; 101 Ib 467). Entscheidend ist, dass das Gleichgewicht in umfassendem Sinne gewährleistet bleibt (Blaise Knapp, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, Basel/Frankfurt 1993, S. 668). Dies ist hier der Fall.
In diesem Zusammenhang gilt ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Übernahmekommission neben ihrer Tätigkeit im Rahmen von konkreten Übernahmen eine bedeutende Funktion als Auskunfts- und Beratungsstelle wahrnimmt. Nur ein Teil der Anfragen aus dem In- und Ausland mündet letztendlich in eine gebührenpflichtige Handlung der Übernahme­kommission. Die Spruchgebühren bilden dabei die einzige Einnahmequelle der Übernahme­kommission.

2.5.4 Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK wird – wie erwähnt – durch Art. 62 Abs. 3 UEV-UEK ergänzt. Letzterer sieht einerseits eine Maximalgebühr in der Höhe von CHF 200'000 vor und gibt der Übernahmekommission auch die Möglichkeit, in einfachen Fällen die Gebühr um bis zu 50 % zu verringern und in Spezialfällen gar unter die Minimalgebühr von CHF 20'000 zu gehen. Diese Regelung erlaubt es der Übernahmekommission, den Komplexitätsgrad jeder einzelnen Transaktion zu würdigen und entsprechend dem Zeit- und Arbeitsaufwand, der Bedeutung des Geschäftes und dem Interesse des Anbieters an der Verrichtung allenfalls zu reduzieren. Diese differenzierte Regelung ermöglicht der Übernahmekommission eine verfassungsmässige Gebührenerhebung, welche die Einfachheit einer Prüfung berücksichtigt. Festzuhalten bleibt, dass es sich bei der Prüfung des öffentlichen Kauf- und Umtauschangebots von Roche an die Aktionäre der Disetronic nicht um einen einfachen Fall handelte, welcher eine Reduktion der Gebühr gerechtfertigt hätte (vgl. hierzu die Empfehlung in Sachen Disetronic Holding AG vom 19. März 2003).

2.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Kombination von Art. 62 Abs. 2 und 3 UEV-UEK es der Übernahmekommission erlaubt, die Gebühr bei öffentlichen Kaufangeboten im Einklang mit dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip festzulegen. Diese trägt dabei der Verantwortung der Kommission, welche aus der marktwirtschaftlichen Bedeutung eines Übernahmeangebots resultiert, Rechnung und berücksichtigt zudem das Interesse des Angebotspflichtigen sowie dessen wirtschaftliche Situation. Zum gleichen Ergebnis kam auch die EBK in ihrer Verfügung vom 7. Oktober 1999 in Sachen Alusuisse Lonza Group AG und Viag AG (EBK Bulletin 39, S. 34). Sie qualifizierte darin Art. 23 Abs. 5 BEHG in Verbindung mit Art. 62 Abs. 2 UEV-UEK als eine verfassungsmässige Grundlage zur Gebührenerhebung und erklärte die damals von der Übernahmekommission erhobene Gebühr als rechtmässig (Verfügung der Übernahmekammer der EBK vom 7. Oktober 1999 in Sachen Alusuisse Lonza Group AG und Viag AG, E. 2a (EBK Bulletin 39, S. 36 f.); vgl. auch die Verfügung der EBK vom 29. März 2001 in Sachen Ems-Chemie Holding AG.

3. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am 28. Juli 2003 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

Entsprechend dem Verursacherprinzip ist es vorliegend nicht gerechtfertigt, eine Gebühr zu erheben.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Die Dispositivziffer 4 der Empfehlung in Sachen Disetronic Holding AG vom 19. März 2003 wird widerrufen und gemäss Erwägung 1.1.1 dieser Empfehlung wie folgt ersetzt:
  2. Die Gebühr zu Lasten der Roche Holding AG beträgt CHF 200'000.
  3. Diese Empfehlung wird am 28. Juli 2003 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
  4. Es wird keine Gebühr erhoben.

Der Präsident:

Hans Caspar von der Crone

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • Die Roche Holding AG, durch ihren Vertreter,
  • Die Disetronic Holding AG, durch ihren Vertreter,
  • Die Eidgenössische Bankenkommission.