Transazioni
0882 - dormakaba Holding AG
Verfügung 882/01 vom 29. August 2024
Gesuch der dormakaba Holding AG, der Familie Mankel Industriebeteiligungs GmbH + Co. KGaA und der Mankel Family Office GmbH betreffend Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht betreffend dormakaba Holding AG
Sachverhalt:
A.
dormakaba Holding AG (dormakaba oder [Ziel-]Gesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in Rümlang im Kanton Zürich (UID: CHE-107.791.082). Gemäss Handelsregister beträgt das Aktienkapital CHF 420'002.60, eingeteilt in 4'200'026 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 0.10 (dormakaba-Aktie[n] oder dk-Aktie[n]). dormakaba verfügt zudem über ein bedingtes Kapital im Betrag von CHF 42'438 sowie ein Kapitalband von CHF 15'570'000.00 (untere Grenze) und CHF 25'950'000.00 (obere Grenze). Die dk-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange AG (SIX) gemäss Swiss Reporting Standard kotiert (Ticker-Symbol: DOKA; ISIN: CH0011795959).
Die Statuten von dormakaba enthalten in § 5a ein formell selektives Opting out (das Opting out). Mit diesem Opting out sollte anlässlich des Zusammenschlusses der operativen Gesellschaften der Familie Mankel Gruppe und von Kaba sichergestellt werden, dass diese Transaktion (sowie gewisse damit zusammenhängende Mutationen der Poolaktionäre [vgl. zu den Poolaktionären unten Sachverhalt lit. B]) für diese Poolaktionäre keine Angebotspflicht in Bezug auf Kaba auslöst (die Gültigkeit von dieser Opting out Klausel hat die Übernahmekommission mit Verfügung 600/01 vom 22. April 2015 in Sachen dormakaba Holding AG [vormals Kaba Holding AG], Erw. 1, festgestellt).
B.
Grösster Aktionär bzw. grösste Aktionärsgruppe von dormakaba sind die Familie Mankel Industriebeteiligungs GmbH + Co. KGaA und die Mankel Family Office GmbH (gemeinsam die Mankel/Brecht-Bergen Familie) sowie die Kaba Familienaktionäre (die Mankel/Brecht-Bergen Familie und die Kaba Familienaktionäre gemeinsam die Poolaktionäre). Die Poolaktionäre haben am 29. April 2015 einen Pool-Vertrag (mit seitherigen Anpassungen der Pool-Vertrag) abgeschlossen und halten gemäss Offenlegungsmeldung der Swiss Exchange Regulation vom 17. Januar 2024 1'170'605 dk-Aktien, was 27.87% der Stimmrechte an dormakaba entspricht.
Der Pool-Vertrag sieht vor, dass die Poolaktionäre der Generalversammlung maximal fünf Vertreter zur Wahl in den Verwaltungsrat vorschlagen dürfen (das Vorschlagsrecht). Die Poolaktionäre sind sodann verpflichtet, ihre Stimmrechte bezüglich Beschlüsse der Generalversammlung abgestimmt auszuüben. Des Weiteren räumen sich die Poolaktionäre gegenseitige Vorkaufsrechte ein, wenn sie dk-Aktien zu veräussern beabsichtigen. Und schliesslich verpflichten sich die Poolaktionäre, bei einem Verkauf von 27% oder mehr der Stimmrechte an der Gesellschaft den Käufer zu verpflichten, allen Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot zum selben Preis, den die Poolaktionäre selbst erhalten, zu unterbreiten. Der Pool-Vertrag dauert grundsätzlich bis 29. April 2030 (die ursprüngliche Laufzeit). Nach Ablauf der ursprünglichen Laufzeit besteht der Pool-Vertrag für fünf weitere Jahre fort, sofern er nicht von einem Poolaktionär mit einer Frist von zwölf Monaten schriftlich gegenüber allen anderen Poolaktionären gekündigt wird. Jede Kündigung durch einen Poolaktionär führt zum Ausscheiden des kündigenden Poolaktionärs aus dem Pool-Vertrag und beeinflusst die Verbindlichkeit des Pool-Vertrages für alle anderen Poolaktionäre nicht.
Das Vorschlagsrecht für bis zu fünf Verwaltungsratsmitglieder spiegelt die Mehrheitsbeteiligung der Poolaktionäre am operativen Geschäft der dormakaba Gruppe wider. Wirtschaftlich betrachtet halten die Poolaktionäre eine Beteiligung von 62.1% an der dormakaba Gruppe wie folgt:
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indirekt 27.87% von 52.5% der dormakaba Holding GmbH + Co. KGaA (d.h. 27.87% von 52.5% = rund 14.6%), wobei diese 52.5% direkt von dormakaba gehalten werden; und |
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47.5% der dormakaba Holding GmbH + Co. KGaA, welche von der Mankel/Brecht-Bergen Familie gehalten werden. |
C.
Bedeutende Beteiligungen an der Zielgesellschaft halten gemäss Offenlegungsmeldungen der Swiss Exchange Regulation zudem:
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SEO Master Fund LP bzw. SEO Management AG als wirtschaftlich Berechtigte (SEO; Offenlegungsmeldung vom 1. August 2023): 8.07%; und |
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UBS Fund Management (Switzerland) AG (Offenlegungsmeldung vom 7. Mai 2024): 4.088%. |
D.
Zwischen SEO und den Poolaktionären bestehen gemäss Angaben der Gesuchsteller (vgl. hierzu Sachverhalt lit. F) keine Aktionärsbindungsverträge oder sonstigen Absprachen mit Bezug auf die von ihnen gehaltenen dk-Aktien oder die Ausübung der damit verbundenen Stimmrechte und es seien auch keine solchen Absprachen geplant.
E.
Der Verwaltungsrat von dormakaba besteht gemäss § 16 der Statuten von dormakaba aus fünf bis zehn Mitgliedern. Der Vorsitzende hat in den Verwaltungsratssitzungen keinen Stichentscheid (§ 17 Abs. 3 der Statuten von dormakaba). Nachdem Till Reuter im Dezember 2023 zum CEO der dormakaba ernannt wurde und aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten ist, zählt der Verwaltungsrat aktuell neun Mitglieder. An der ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft, die für den 10. Oktober 2024 geplant ist, sollen zehn Mitglieder zur Wahl in den Verwaltungsrat vorgeschlagen werden. Nach dem Pool-Vertrag haben die Poolaktionäre das Recht, bis zu fünf Mitglieder zu nominieren.
SEO hat gegenüber dem Verwaltungsrat von dormakaba den Wunsch geäussert, einen Vertreter in den Verwaltungsrat zu entsenden. Als Kandidaten schlägt SEO Ilias Läber vor. Der Verwaltungsrat ist bereit, diese Kandidatur zu prüfen und möglicherweise den Aktionären die Wahl von Ilias Läber zu beantragen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass die Übernahmekommission auf Gesuch von dormakaba und der Poolaktionäre verfügt, dass dieser Antrag und die Wahl von Ilias Läber in den Verwaltungsrat, und die künftige Verwaltungsratsstätigkeit der Vertreter der Poolaktionäre und von SEO im Verwaltungsrat unter Einhaltung der "Principles of Conduct to Prevent Inadvertent Acting in Concert" (Principles of Conduct), nicht als Handeln in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe im Hinblick auf die Beherrschung der Gesellschaft zu qualifizieren sind und dass dadurch keine Angebotspflicht nach Art. 135 FinfraG ausgelöst wird. Der Verwaltungsrat von dormakaba hat gegenüber SEO klar gemacht, dass eine allfällige Nominierung von Ilias Läber durch den Verwaltungsrat die Poolaktionäre in keiner Weise binden würde.
F.
Vor diesem Hintergrund reichten dormakaba und die Mankel/Brecht-Bergen Familie (zusammen die Gesuchsteller) mit Eingabe vom 18. August 2024 ein Gesuch (Gesuch) bei der Übernahmekommission mit folgenden Anträgen ein:
1. | Es sei festzustellen, dass weder der Antrag des Verwaltungsrats der Gesellschaft auf Wahl eines Vertreters der SEO Management AG in den Verwaltungsrat noch dessen Wahl durch die Generalversammlung der Gesellschaft die Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG bezüglich der Gesellschaft auslöst. |
2. | Es sei festzustellen, dass das künftige Verhalten und Handeln der Vertreter der Mankel/Brecht-Bergen Familie und der Kaba-Familienaktionäre sowie der SEO Management AG im Verwaltungsrat der Gesellschaft in ihrer Funktion als Verwaltungsräte nicht die Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG bezüglich der Gesellschaft auslöst, soweit sie die "Principles of Conduct to Prevent Inadvertent Acting in Concert" einhalten. |
3. | Die Publikation der Verfügung der Übernahmekommission sei aufzuschieben bis zur Publikation der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft mit einem entsprechenden Wahlantrag, die für den 10. Oktober 2024 geplant ist. |
Auf die Begründung dieser Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
G.
Im Rahmen des Gesuchs wurde erklärt, dass die Zielgesellschaft auf eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrates im Sinne von Art. 61 Abs. 1bis UEV verzichtet.
H.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Mirjam Eggen (Präsidentin), Franca Contratto und Hans-Peter Wyss gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Feststellungsinteresse
[1] Für Verfahren vor der Übernahmekommission gelten unter Vorbehalt der Bestimmungen gemäss Art. 139 Abs. 2–5 FinfraG die Normen des VwVG (Art. 139 Abs. 1 FinfraG). Nach Art. 25 Abs. 1 VwVG kann über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten auf Begehren eine Feststellungsverfügung erlassen werden. Einem Begehren um Erlass einer solchen Verfügung ist gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse daran nachweist. Gemäss Praxis ist ein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse gegeben, wenn für den Gesuchsteller eine direkte und aktuelle Unklarheit über die Rechtslage besteht, die mittels einer Feststellungsverfügung geklärt werden kann (vgl. Verfügung 864/01 vom 12. Februar 2024 in Sachen Aluflexpack AG, Erw. 1).
[2] Im vorliegenden Fall haben die Gesuchsteller ein schutzwürdiges, direktes und aktuelles Interesse, mögliche Unsicherheiten über das Auslösen einer Angebotspflicht zu klären. Die Gesuchsteller haben ein Interesse an der Feststellung, dass die Nominierung, die Wahl von Ilias Läber und/oder die künftige Verwaltungsratsstätigkeit der Vertreter der Poolaktionäre und von SEO im Verwaltungsrat von dormakaba nicht zum Entstehen einer angebotspflichtigen Gruppe führt. Auf das Gesuch wird somit eingetreten.
2. Entstehen einer Angebotspflicht
2.1 Rechtliches
[3] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Beteiligungspapieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ob ausübbar oder nicht, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft unterbreiten.
[4] Art. 33 FinfraV-FINMA hält fest, dass für Personen, die der Angebotspflicht unterliegende Beteiligungen der Zielgesellschaft im Hinblick auf die Beherrschung der Zielgesellschaft in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe erwerben, Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA gilt. Nach Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA handelt in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe, wer seine Verhaltensweise im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräusserung von Beteiligungspapieren oder die Ausübung von Stimmrechten mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren oder von Gesetzes wegen abstimmt.
[5] Ein Handeln in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA wird angenommen, wenn der gemeinsame Erwerb von Aktien eine Beherrschung objektiv ermöglicht und auf Grund der Umstände darauf zu schliessen ist, dass eine Beherrschung auch angestrebt wird (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.5.7; vgl. ebenfalls die Verfügung 864/01 vom 12. Februar 2024 in Sachen Aluflexpack AG, Erw. 3; Verfügung 672/01 in Sachen SHL Telemedicine Ltd. vom 26. Januar 2018, Rn 28 bezüglich dem zitierten BGE und die Rn 29 – 31 zur weitergehenden Praxis zu Art. 33 FinfraV-FINMA sowie die Verfügung 825/01 vom 27. Juli 2022 in Sachen MCH Group AG, Rn 6; Verfügung 794/01 vom 13. Oktober 2021 in Sachen Polyphor AG, Rn 7 und die Verfügung 793/01 vom 10. August 2021 in Sachen Vetropack Holding AG, Rn 8 f., jeweils m.w.H.).
[6] Das Handeln in gemeinsamer Absprache ist vom blossen Parallelverhalten abzugrenzen, welches sich aus gleichgerichteten Interessen ergibt (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.4.1; Verfügung 573/01 vom 8. August 2014 in Sachen Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft AG, Erw. 3.2.2). Im Gegensatz zum Parallelverhalten bedarf es zur Annahme einer gemeinsamen Absprache einer qualifizierten Intensität und minimalen Organisation des Zusammenwirkens. Diese innere Verbindlichkeit muss dazu führen, dass die Aktionäre nicht mehr frei über ihre Stimmrechtsausübung entscheiden können.
2.2 Keine Angebotspflicht infolge Nomination oder Wahl des SEO-Kandidaten in den Verwaltungsrat von dormakaba Holding AG (Antrag Ziff. 1)
2.2.1. Begründung des Antrags Ziff. 1
[7] Die Gesuchsteller führen zu Antrag Ziff. 1 im Wesentlichen Folgendes aus: Der mündliche und schriftliche Austausch zwischen dem Verwaltungsrat von dormakaba, dem auch Vertreter der Poolaktionäre angehören, und Ilias Läber sowie SEO begründe kein Handeln in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf die Beherrschung der Gesellschaft zwischen den Poolaktionären und SEO. Zudem seien auch keine Absprachen geplant, weder auf Ebene der Aktionäre noch auf Ebene des Verwaltungsrats. Falls sich der Verwaltungsrat dafür entscheide, der Generalversammlung einen Kandidaten der SEO als Verwaltungsratsmitglied vorzuschlagen, so erfolge dies ohne Absprache mit den Poolaktionären. Vielmehr werde der Verwaltungsrat die Nomination im Rahmen eines unabhängigen Entscheidungsprozesses und auf einer angemessenen Informationsbasis vornehmen. Der Nominationsentscheid werde auch unter Ausstand der Vertreter der Poolaktionäre getroffen. Selbst wenn die Poolaktionäre anschliessend für den vorgeschlagenen Kandidaten stimmen sollten, bestünden keine Absprachen oder abgestimmte Verhaltensweisen, auch wenn im Vorfeld der Generalversammlung Gespräche zwischen den Poolaktionären und SEO stattfinden oder der Kandidat den Poolaktionären persönlich vorgestellt werden sollte. Auch eine allfällige Information von SEO über das Stimmverhalten der Poolaktionäre ändere daran nichts. Solche Verhaltensweisen könnten – wenn überhaupt – als Parallelverhalten erscheinen.
2.2.2. Würdigung und Fazit
[8] Die Gesuchsteller konnten aufzeigen, dass weder dem Auswahlverfahren, welches zur (möglichen) Nomination eines Vertreters von SEO führt, noch dessen allfälliger späteren Wahl durch Poolaktionäre an der Generalversammlung von dormakaba eine (beherrschungsrelevante) Absprache zwischen den Poolaktionären und SEO zu Grunde liegt. Die Poolaktionäre bleiben trotz des Verwaltungsratsentscheides in ihrer Stimmausübung frei. Zwar sind sie gemäss Pool-Vertrag dazu verpflichtet, über ein solches Wahltraktandum einheitlich abzustimmen, was jedoch aufgrund gültiger Opting out-Klausel keine Angebotspflicht auslöst. SEO ist in diese Abstimmung des Stimmverhaltens der Poolaktionäre weder involviert noch eingebunden.
[9] Demnach kann antragsgemäss festgestellt werden, dass weder der Antrag des Verwaltungsrats von dormakaba auf Wahl eines Vertreters der SEO in den Verwaltungsrat noch dessen allfällige Wahl durch die Generalversammlung der Gesellschaft eine Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG bezüglich der Gesellschaft auslöst.
2.3 Keine Angebotspflicht bei künftiger Verwaltungsratstätigkeit (Antrag Ziff. 2)
2.3.1 Begründung des Antrags Ziff. 2
[10] Die Gesuchsteller führen zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen Folgendes aus: Falls Ilias Läber in den Verwaltungsrat gewählt werde, könnten in der Zukunft Situationen entstehen, in denen die Vertreter der Poolaktionäre im Verwaltungsrat und Ilias Läber die übrigen Verwaltungsratsmitglieder überstimmen. Soweit sich diese Verwaltungsratsmitglieder an die Principles of Conduct halten, könne hieraus jedoch keine Angebotspflicht entstehen. Auch wenn gleichgerichtete Interessen verfolgt würden, könne dadurch nicht auf ein Handeln in gemeinsamer Absprache geschlossen werden. Denn es fehle an der qualifizierten Intensität und minimalen Organisation des Zusammenwirkens. Die Verwaltungsratsmitglieder könnten frei über ihre Stimmrechtsausübung entscheiden. Eine gemeinsame Absprache oder ein organisiertes Vorkehren würde demnach voraussetzen, dass die unabhängige Ausübung des Stimmrechts durch die einzelnen Mitglieder zugunsten und im Interesse der "Gruppe" aufgegeben würde. Dies treffe jedoch vorliegend nicht zu. Vielmehr seien die Verwaltungsratsmitglieder gesetzlich verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft voranzustellen. Zudem würden die Principles of Conduct aufführen, welche Verhalten möglich sind bzw. unterlassen werden müssen, damit keine abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne des Übernahmerechts entstehen. Schliesslich sind die Gesuchsteller der Auffassung, dass die Mitwirkung eines SEO-Vertreters ein Gegengewicht im derzeitigen Machtgefüge im Verwaltungsrat bedeute und die Einflussverhältnisse im Zweifel eher abmindere und nicht verstärke.
2.3.2 Würdigung und Fazit
[11] Es trifft zu, dass eine (im Übrigen für das Funktionieren eines Verwaltungsrates unerlässliche) Zusammenarbeit (auch) von Vertretern von (Gross-)Aktionären innerhalb des Verwaltungsrats nicht als Abstimmung der Verhaltensweise auf Ebene der vertretenen Aktionäre im Sinne von Art. 33 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA zu qualifizieren ist. Infolgedessen löst eine solche Zusammenarbeit auch keine Angebotspflicht aus. Dies gilt umso mehr, wenn sich die betreffenden Vertreter dabei an die Principles of Conduct halten müssen, wie dies vorliegend vorgesehen ist.
[12] Eine Abstimmung der Verhaltensweise im Sinne von Art. 33 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA würde allenfalls dann vorliegen, wenn sich die vertretenen Aktionäre, also die Poolaktionäre und SEO, untereinander absprechen würden, um infolgedessen eine koordinierte Einflussnahme auf ihre jeweiligen Vertreter im Verwaltungsrat auszuüben (vgl. hierzu Sonja Blaas, Entstehung und Nachweis der angebotspflichtigen Gruppe, Rn 475 ff., 492 f., die in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass für das Entstehen einer angebotspflichtigen Gruppe zusätzlich vorauszusetzen ist, dass der Abstimmungsgegenstand in einem Beherrschungskontext stehen muss). Für eine solche Abstimmung der Verhaltensweise gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte.
[13] Demnach kann antragsgemäss festgestellt werden, dass das künftige Verhalten und Handeln der Vertreter der Poolaktionäre sowie von SEO im Verwaltungsrat von dormakaba in ihrer Funktion als Verwaltungsräte nicht die Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG bezüglich dormakaba auslöst, soweit sie die Principles of Conduct einhalten.
3. Publikation (Antrag Ziff. 3)
[14] Wird der Übernahmekommission ein Gesuch betreffend die sogenannten übrigen Verfahren eingereicht (insbesondere wenn der Übernahmekommission ein Gesuch um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht oder um Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht eingereicht wird oder wenn sie eine solche Frage von Amtes wegen prüft), so eröffnet sie ein Verfahren und lädt die Parteien zur Abgabe einer Stellungnahme ein (Art. 61 Abs. 1 UEV). Vor der Eröffnung der Verfügung kann die Zielgesellschaft eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrats vorlegen, die sie gleichzeitig mit der Verfügung der Übernahmekommission veröffentlichen möchte (Art. 61 Abs. 1bis UEV).
[15] Die Zielgesellschaft veröffentlicht (a) die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrats (Stellungnahme), (b) das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission und (c) den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen eine qualifizierte Aktionärin oder ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der Übernahmekommission erheben kann (Art. 61 Abs. 3 UEV). Auf diese Veröffentlichung sind die Art. 6 und 7 UEV anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).
[16] Demnach hat die Zielgesellschaft in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung sowie den Hinweis auf das Einspracherecht qualifizierter Aktionäre zu veröffentlichen.
[17] Die vorliegende Verfügung wird in Gutheissung von Antrag Ziff. 3 des Gesuchs frühestens am Tag der Publikation der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung mit einem entsprechenden Wahlantrag auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht (Art. 65 Abs. 1 UEV).
4. Gebühr
[18]In Anwendung von Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 FinfraV wird für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs eine Gebühr erhoben. Unter Berücksichtigung des Aufwands und der Komplexität des vorliegenden Falles setzt der Ausschuss die Gebühr auf CHF 20'000 fest. Die Gesuchsteller haften hierfür solidarisch.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. | Es wird festgestellt, dass weder der Antrag des Verwaltungsrats der dormakaba Holding AG auf Wahl eines Vertreters der SEO Management AG in den Verwaltungsrat noch dessen Wahl durch die Generalversammlung der dormakaba Holding AG die Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG bezüglich dormakaba Holding AG auslöst. |
2. | Es wird festgestellt, dass das künftige Verhalten und Handeln der Vertreter der Mankel/Brecht-Bergen Familie und der Kaba-Familienaktionäre sowie der SEO Management AG im Verwaltungsrat der dormakaba Holding AG in ihrer Funktion als Verwaltungsräte nicht die Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG bezüglich der Gesellschaft auslöst, soweit sie die "Principles of Conduct to Prevent Inadvertent Acting in Concert" einhalten. |
3. | Die vorliegende Verfügung wird frühestens am Tag der Publikation der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung von dormakaba Holding AG mit einem entsprechenden Wahlantrag auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht. dormakaba Holding AG hat das Dispositiv dieser Verfügung zu veröffentlichen. |
4. | Zulasten der dormakaba Holding AG, der Familie Mankel Industriebeteiligungs GmbH + Co. KGaA und der Mankel Family Office GmbH wird eine Gebühr von CHF 20'000 erhoben, unter solidarischer Haftung. |
Die Präsidentin:
Mirjam Eggen
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- | dormakaba Holding AG, Familie Mankel Industriebeteiligungs GmbH + Co. KGaA und Mankel Family Office GmbH, vertreten durch Dr. Dieter Gericke und Dr. Hansjürg Appenzeller, Homburger AG. |
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):
Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung des Dispositivs der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 4 UEV).