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0880 - Sunrise Communications AG
Verfügung 880/01 vom 23. August 2024
Feststellung der Gültigkeit einer selektiven Opting-up-Klausel
Sachverhalt:
A.
Sunrise Communications AG (Sunrise oder [Ziel-]Gesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in Opfikon, Zürich, eingetragen im Handelsregister des Kantons Zürich unter der Firmennummer CHE-150.756.750 seit dem 3. Mai 2024. Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb, das Halten, die Verwaltung, die Verwertung und die Veräusserung von in- und ausländischen Beteiligungen, ob direkt oder indirekt, insbesondere im Bereich Telekommunikation und verwandten Gebieten. Die Gesellschaft kann alle Geschäfte tätigen, die als geeignet erscheinen, den Zweck der Gesellschaft zu fördern, oder die mit diesem zusammenhängen. Die Gesellschaft kann Grundstücke und Immaterialgüterrechte im In- und Ausland erwerben, halten, verwalten, belasten, verwerten und veräussern sowie andere Gesellschaften finanzieren.
Das Aktienkapital von Sunrise beträgt CHF 100'000 und ist eingeteilt in 1'000'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 0.10 (die aktuellen Sunrise-Aktien). Die aktuellen Sunrise-Aktien sind nicht an einer Börse kotiert.
B.
Alleinige Aktionärin der Sunrise ist derzeit die Liberty Global Ltd. (Liberty Global), eine exempted company limited by shares nach dem Recht von Bermuda mit Sitz in Hamilton, Bermuda. Liberty Global ist die Muttergesellschaft der Liberty Global-Gruppe, einem Unternehmen für Breitband-, Video- und Mobilkommunikation und Investorin in entsprechende Infrastrukturen, Inhalte und Technologieunternehmen.
Liberty Global verfügt über drei Kategorien von Beteiligungspapieren, die allesamt an der U.S.-amerikanischen Technologiebörse Nasdaq kotiert sind:
(i) | Aktien der Kategorie A mit einer Stimme pro Aktie (Tickersymbol: LBTYA; Liberty Global-A-Aktien), |
(ii) | Aktien der Kategorie B mit zehn Stimmen pro Aktie (Tickersymbol: LBTYB; Liberty Global-B-Aktien) und |
(iii) | Aktien der Kategorie C ohne Stimmrecht (Tickersymbol: LBTYK; Liberty Global-C-Aktien). |
Sämtliche Aktien der Liberty Global verfügen über die gleichen Vermögensrechte.
Die nachfolgend genannten Aktionäre bzw. wirtschaftlich berechtigten Personen verfügten per 21. März 2024 über einen Stimmenanteil von mehr als 5 Prozent an Liberty Global:
Aktionär bzw. wirtschaftlich berechtigte Person |
Kapitalanteil |
Stimmanteil |
Personen, Gesellschaften und Vermögenszusammenfassungen (z.B. Trusts), die mit John C. Malone verbunden sind (Malone-Aktionäre [vgl. dazu auch Artikel 7a des Statutenentwurfs in Sachverhalt Bst. l unten]). |
8.3 Prozent |
30.6 Prozent |
Harris Associates L.P. |
4.1 Prozent |
5.1 Prozent |
Personen, Gesellschaften und Vermögenszusammenfassungen (z.B. Trusts), die mit Michael T. Fries (dem designierten VR-Präsidenten von Sunrise) verbunden sind (Fries-Aktionäre [vgl. dazu auch Artikel 7a des Statutenentwurfs in Sachverhalt Bst. l unten])* |
1.7 Prozent |
9.9 Prozent |
*Einschliesslich der Liberty Global-A-Aktien, zu deren Bezug Michael T. Fries aufgrund von Anwartschaften aus Beteiligungsplänen von Liberty Global berechtigt war, deren definitiver Rechtserwerb (Vesting) innerhalb von 60 Tagen nach dem 21. März 2024 erfolgte.
Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre hielten per 21. März 2024 zusammen direkt und indirekt insgesamt 40.5 Prozent der Stimmrechte an Liberty Global. John C. Malone ist VR-Präsident von Liberty Global und Michael T. Fries ist VR-Vizepräsident und langjähriger CEO von Liberty Global. Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre hielten per 21. März 2024 zusammen 89.9 Prozent aller Liberty Global-B-Aktien und daneben eine gewisse Anzahl Liberty Global-A-Aktien.
C.
Im Jahr 2020 führte Liberty Global ein öffentliches Kaufangebot auf 100 Prozent der Aktien der damaligen, an der SIX Swiss Exchange AG (SIX) kotierten Sunrise Communications Group AG (CHE-343.774.206, mittlerweile gelöscht) durch (vgl. zum Ganzen auch die auf der Website der Übernahmekommission abrufbare Verfügung 770/01 vom 26. August 2020 in Sachen Sunrise Communications Group AG). Nach erfolgreichem Abschluss des öffentlichen Kaufangebots führte Liberty Global das operative Geschäft der Sunrise Communications Group AG mit jenem der von Liberty Global gehaltenen UPC Schweiz GmbH zusammen. Dadurch entstand die heutige Telekommunikationsanbieterin und Kabelnetzbetreiberin Sunrise GmbH (CHE-106.848.147).
D.
Am 16. Februar 2024 gab Liberty Global im Rahmen einer Medienmitteilung ihre Absicht bekannt, ihr Schweizer Telekommunikationsgeschäft (Sunrise-Geschäft) im Rahmen eines sogenannten Spin-off (Spin-off) auf die bisherigen Aktionäre der Liberty Global (Liberty Global-Aktionäre) zu übertragen und Sunrise in der Schweiz an die Börse zu bringen (vgl. zum Ganzen auch die unter dem Link https://www.libertyglobal.com/wp-content/uploads/2024/02/02-16-LG-Announce-Intention-to-Spin-Off-100-Percent-of-Sunrise-to-Shareholders.pdf abrufbare Medienmitteilung [zuletzt abgerufen am: 23. August 2024]).
Für den Spin-off, der voraussichtlich im vierten Quartal 2024 vollzogen wird, hat Liberty Global auf vertraulicher Basis Entwürfe des Registration Statements on Form F-4 (Prospekt) bei der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) eingereicht. Liberty Global und Sunrise planen, den finalen Prospekt am 23. August 2024 bei der SEC einzureichen und zu publizieren (initial public filing).
E.
Falls die Generalversammlung von Liberty Global den Spin-off genehmigt, wird Liberty Global das Sunrise-Geschäft und bestimmte Finanzierungsgesellschaften in Sunrise einbringen und Sunrise im Gegenzug neue Aktien an die Liberty Global-Aktionäre ausgeben. Im Gegensatz zu Liberty Global soll Sunrise nur über zwei Aktienkategorien verfügen:
(i) | Stammaktien der Kategorie A mit einem Nennwert von je CHF 0.10 (Sunrise-A-Aktien); und |
(ii) | Stimmrechtsaktien der Kategorie B mit einem Nennwert von je CHF 0.01 (Sunrise-B-Aktien und zusammen mit den Sunrise-A-Aktien, die Sunrise-Aktien). |
Die zurzeit von Liberty Global gehaltenen 1'000'000 aktuellen Sunrise-Aktien werden in Sunrise-A-Aktien umgewandelt und von Sunrise zum Nennwert zurückgekauft, sodass Liberty Global nach dem Spin-off keine Beteiligung mehr an Sunrise halten wird. Sunrise wird diese Sunrise-A-Aktien bis auf weiteres als eigene Aktien halten.
Geplant ist, dass die Liberty Global-Aktionäre:
— | für je fünf Liberty Global-A-Aktien oder Liberty Global-C-Aktien eine Sunrise-A-Aktie; und |
— | für jede Liberty Global-B-Aktie zwei Sunrise-B-Aktien (bzw. für je fünf Liberty Global-B-Aktien zehn Sunrise-B-Aktien) erhalten. |
Aus abwicklungstechnischen Gründen werden die Liberty Global-Aktionäre beim Spin-off Hinterlegungsscheine (American Depositary Shares) auf die entsprechenden Sunrise-Aktien erhalten. Die Hinterlegungsscheine können jederzeit annulliert werden, womit der betreffende Aktionär dann direkt Inhaber der entsprechenden Sunrise-Aktien wird.
Das hiervor beschriebene Umtauschverhältnis trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass Aktien mit Mehrfachstimmrecht, wie dies die Liberty Global-B-Aktien sind, in der Schweiz unzulässig sind und das Stimmrechtsprivileg bei Stimmrechtsaktien stattdessen durch unterschiedliche Nennwerte abgebildet werden muss, womit nach wie vor jede Aktie eine Stimme hat (Art. 693 Abs. 1 OR). Im Ergebnis erhalten Inhaber der Liberty Global-B-Aktien zehnmal so viele Sunrise-B-Aktien wie Inhaber von Liberty Global-A- und Liberty Global-C-Aktien Sunrise-A-Aktien. In Übereinstimmung mit Art. 661 OR bemessen sich die Vermögensrechte nach dem Nennwert, der bei einer Sunrise-B-Aktie ein Zehntel des Nennwerts einer Sunrise-A-Aktie beträgt.
Da die Inhaber von stimmrechtslosen Liberty Global-C-Aktien im Spin-off stimmberechtigte Sunrise-A-Aktien erhalten werden, wird die Stimmkraft der Inhaber von Liberty Global-B-Aktien und Liberty Global-A-Aktien im Spin-off verwässert.
F.
Liberty Global rechnet damit, dass die SEC den Prospekt bei Einreichung und Veröffentlichung am 23. August 2024 (vgl. Sachverhalt Bst. D) im September 2024 für wirksam (effective) erklären wird. Die Liberty Global-Aktionäre werden sodann an einer ausserordentlichen Generalversammlung, die von Liberty Global voraussichtlich im vierten Quartal 2024 durchführen wird, über den Spin-off abstimmen.
G.
Sunrise beabsichtigt, die Kotierung der Sunrise-A-Aktien (nicht aber der Sunrise-B-Aktien) an der SIX zu beantragen und hat zu diesem Zweck das Tickersymbol SUNR reserviert. Der Handel mit den Sunrise-A-Aktien an der SIX wird voraussichtlich nach Vollzug des Spin-off aufgenommen.
Eine Platzierung der entsprechenden Aktien von Sunrise bei Investoren im Rahmen eines öffentlichen Angebots i.S.v. Art. 35 FIDLEG ist nicht vorgesehen. Der nach US-amerikanischen Vorschriften genehmigte Prospekt soll gestützt auf Art. 54 Abs. 2 FIDLEG und Art. 70 Abs. 3 und 4 FIDLEV bei der Prospektprüfstelle der SIX hinterlegt werden, wonach er automatisch als in der Schweiz genehmigt gilt (sog. Passporting).
Zum Ausgleich des Umstands, dass die Sunrise-B-Aktien nicht kotiert und deshalb nicht an der Börse handelbar sein werden, sieht der Statutenentwurf von Sunrise in Artikel 4d vor, dass Inhaber von Sunrise-B-Aktien diese jederzeit in Sunrise-A-Aktien umtauschen können, und zwar im Verhältnis von zehn Sunrise-B-Aktien zu einer Sunrise-A-Aktie. Das Umtauschrecht wird voraussichtlich im Prospekt beschrieben.
H.
Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre halten wie erwähnt (vgl. dazu Sachverhalt Bst. B) derzeit direkt und indirekt rund 30.6 Prozent bzw. 9.9 Prozent, zusammen also rund 40.5 Prozent der Stimmrechte an Liberty Global. Nach dem Spin-off werden die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre aufgrund der oben beschriebenen Verwässerung (vgl. dazu Sachverhalt Bst. E) voraussichtlich rund 23.4 Prozent bzw. 6.9 Prozent, zusammen also rund 30.3 Prozent der Stimmrechte an Sunrise halten.
Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre werden vor oder nach dem Vollzug des Spin-off möglicherweise Sunrise-A-Aktien und Sunrise-B-Aktien im Verhältnis 1 Sunrise-A-Aktie gegen 10 Sunrise-B-Aktien tauschen, und zwar dergestalt, dass die Malone-Aktionäre alle oder einen Teil ihrer Sunrise-B-Aktien mit den Fries-Aktionären in Sunrise-A-Aktien eintauschen, sodass sich der Stimmrechtsanteil der Fries-Aktionäre entsprechend erhöht. Da der Aktientausch nur zwischen den beiden Aktionärsgruppen stattfinden würde, hätte der Aktientausch keine Veränderung der Gesamtbeteiligung der Malone-Aktionäre und der Fries-Aktionäre zur Folge. Es ist möglich, dass die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre andere Vereinbarungen oder Vorkehrungen im Zusammenhang mit der Nachfolge, der Nachlassplanung oder anderen ähnlichen Angelegenheiten treffen, mit denen die Malone-Aktionäre das Eigentum oder die Ausübung von Stimmrechten an Sunrise-Aktien an die Fries-Aktionäre übertragen.
Zwischen Malone LG 2013 Charitable Remainder Unitrust (Malone Trust) und Michael T. Fries besteht zudem zwecks Nachfolgeplanung eine Vereinbarung (sog. Letter Agreement among Michael T. Fries and Malone Trust dated February 13, 2014, regarding Right of First Offer and Proxy regarding 8,677,225 Liberty Global Class B Shares), gemäss welcher der Malone Trust Michael T. Fries ein doppeltes Vorhandrecht (Anmerkung: Ein Vorhandrecht sieht vor, dass ein Aktionär, der beabsichtigt, seine Aktien zu verkaufen, diese zuerst den übrigen Vertragsparteien anbieten muss) an den vom Malone Trust gehaltenen Liberty Global-B-Aktien einräumt. Gemäss dieser Vereinbarung sind analoge Vereinbarungen abzuschliessen in Bezug auf Beteiligungen an Unternehmen, die an die Aktionäre von Liberty Global ausgegliedert werden.
Eine analoge Vereinbarung soll deshalb auch mit Bezug auf die Sunrise-B-Aktien abgeschlossen werden. Die Vereinbarung wird, wie schon die bestehende Vereinbarung bezüglich der von dem Malone Trust gehaltenen Liberty Global-B-Aktien, eine subsidiäre Stimmrechtsvollmacht zugunsten von Michael T. Fries für die betreffenden Kategorie-B-Aktien vorsehen für den Fall, dass der Malone Trust seine Stimmrechte nicht selbst ausübt.
I.
Es ist geplant, dass die Statuten von Sunrise, die auf den Zeitpunkt des Vollzugs des Spin-off in Kraft gesetzt werden sollen, in Artikel 7a ein selektives Opting-up auf 45 Prozent zugunsten der Malone-Aktionäre und der Fries-Aktionäre (die selektive Opting-up-Klausel oder das selektive Opting-up) enthalten, welches des Weiteren auch im Prospekt beschrieben werden wird.
Die selektive Opting-up-Klausel soll folgenden Wortlaut haben:
Artikel 7a (Opting-up)
1 Dieser Artikel 7a findet Anwendung auf Beteiligungspapiere an der Gesellschaft, die direkt oder indirekt gehalten oder erworben werden von John C. Malone, seinen Angehörigen (insbesondere Nachkommen und Ehegatten) oder von Trusts, Stiftungen und ähnlichen Strukturen, die von oder für solche Personen errichtet wurden, einschliesslich deren Rechtsnachfolger (nachfolgend die Malone-Aktionäre). Dieser Artikel 7a findet ferner Anwendung auf Beteiligungspapiere an der Gesellschaft, die direkt oder indirekt gehalten oder erworben werden von Michael T. Fries, seinen Angehörigen (insbesondere Nachkommen und Ehegatten) oder von Trusts, Stiftungen und ähnlichen Strukturen, die von oder für solche Personen errichtet wurden, einschliesslich deren Rechtsnachfolger (nachfolgend die Fries-Aktionäre).
2 Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre sowie mit ihnen in gemeinsamer Absprache handelnde Personen sind von der Pflicht zur Unterbreitung eines Übernahmeangebots gemäss Artikel 135 des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel vom 19. Juni 2015 (FinfraG) befreit, wenn sie untereinander oder anderweitig Beteiligungspapiere an der Gesellschaft erwerben oder veräussern oder anderweitig den Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte der Gesellschaft überschreiten oder in gemeinsamer Absprache handeln, solange die von den Malone-Aktionären und den Fries-Aktionären sowie von in gemeinsamer Absprache mit ihnen handelnden Personen insgesamt direkt oder indirekt gehaltenen Beteiligungspapiere 45 Prozent der Stimmrechte der Gesellschaft nicht überschreiten.
3 Absatz 2 gilt nicht für Personen, die von Malone-Aktionären und/oder Fries-Aktionären und/oder auf andere Weise direkt oder indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwerben und damit zusammen mit Beteiligungspapieren, die sie bereits besitzen, den Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte der Gesellschaft überschreiten.
Das selektive Opting-up soll eingeführt werden, obwohl die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre die Pflichtangebotsschwelle von 33 1/3 Prozent der Stimmrechte im Zeitpunkt des Spin-off nicht überschreiten. Mit rund 30.3 Prozent werden die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre dem Grenzwert jedoch nahekommen. Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre möchten sich gemäss den Angaben der Gesuchsteller (vgl. Sachverhalt Bst. J) die Möglichkeit offen halten, nach dem Spin-off weitere Sunrise-Aktien zu erwerben, sei es von anderen Aktionären, sei es – im Fall von Michael T. Fries, der voraussichtlich Verwaltungsratspräsident von Sunrise wird – als Vergütung für seine Tätigkeit.
Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre möchten gemäss den Angaben der Gesuchsteller (vgl. Sachverhalt Bst. J) auch nicht darauf angewiesen sein, im Falle eines Aktienrückkaufs mit anschliessender Kapitalherabsetzung ein Gesuch auf Ausnahme von der Angebotspflicht nach Art. 136 Abs. 1 lit. a FinfraG stellen zu müssen, oder ein Risiko eingehen, die Pflichtangebotsschwelle von 33 1/3 Prozent unbeabsichtigt zu überschreiten.
Schliesslich ist das selektive Opting-up gemäss den Angaben der Gesuchsteller (vgl. Sachverhalt Bst. J) auch notwendig, um die Governance von Sunrise an die von Liberty Global anzugleichen. Bei Liberty Global hielten die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre per 21. März 2024 zusammen einen Stimmrechtsanteil von rund 40.5 Prozent (einschliesslich der Stimmrechte aus Aktien, die sie innert 60 Tagen nach dem erwähnten Stichtag vom 21. März 2024 zu erwerben berechtigt waren), ohne dass eine Angebotspflicht bestünde. Die Malone-Aktionäre und die Fries-Aktionäre — wie auch die derzeitigen Publikumsaktionäre von Liberty Global — sind nach Ansicht der Gesuchsteller (vgl. Sachverhalt Bst. J) mit dieser Struktur vertraut, weshalb eine ähnliche Struktur auch bei Sunrise angestrebt wird.
J.
Am 7. August 2024 reichten Sunrise, Malone Trust (handelnd für die Malone-Aktionäre) sowie Michael T. Fries (handelnd für die Fries-Aktionäre; Sunrise, Malone Trust und Michael T. Fries nachfolgend alle zusammen die Gesuchsteller) ein Gesuch bei der Übernahmekommission ein (das Gesuch) und stellten darin folgende Anträge:
«1. | Es sei festzustellen, dass das selektive Opting-up gemäss Beilage 1, das die Sunrise Communications AG vor der Kotierung ihrer Beteiligungspapiere in ihre Statuten aufzunehmen beabsichtigt, übernahmerechtlich gültig ist. |
2. | Es sei festzustellen, dass allfällige Übertragungen von Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien zwischen oder unter Malone-Aktionären und Fries-Aktionären (je wie in der Statutenklausel gemäss Beilage 1 definiert), darunter ein allfälliger Tausch, in dem Fries-Aktionäre von Malone-Aktionären allenfalls Sunrise-B-Aktien gegen Hingabe von Sunrise-A-Aktien erwerben, keine Angebotspflicht i.S.v. Art. 135 FinfraG auslöst, solange die Malone-Aktionäre und Fries-Aktionäre sowie mit ihnen in gemeinsamer Absprache handelnde Personen die Schwelle von 45% der Stimmrechte der Sunrise Communications AG nicht überschreiten. |
3. | Es sei festzustellen, dass die von der Sunrise Communications AG oder von ihr kontrollierten Gesellschaften gehaltenen Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien nicht indirekt von Malone-Aktionären und/oder von Fries-Aktionären gehalten werden und dass die Sunrise Communications AG weder mit den Malone-Aktionären noch mit den Fries-Aktionären in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 135 Abs. 1 FinfraG und Art. 33 FinfraV-FINMA handelt. |
4. |
Die Verfügung der Übernahmekommission sei in Absprache mit der Sunrise Communications AG zu veröffentlichen.» (Antrag Ziff. 1, Antrag Ziff. 2, Antrag Ziff. 3 und Antrag Ziff. 4 nachfolgend alle gemeinsam die Anträge). |
Auf die Begründung dieser Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
K.
Im Rahmen des Gesuchs wurde erklärt, dass Sunrise auf eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrates im Sinne von Art. 61 Abs. 1bis UEV verzichtet.
L.
Mit Eingabe vom 13. August 2024 ergänzten die Gesuchsteller ihr Gesuch und reichten der Übernahmekommission eine zusätzliche Begründung betreffend Antrag Ziff. 3 ein.
M.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Mirjam Eggen (Präsidentin), Isabelle Chabloz und Thomas Vettiger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Schutzwürdiges Interesse für den Erlass einer Verfügung
[1] Für Verfahren vor der Übernahmekommission gelten unter Vorbehalt der Bestimmungen gemäss Art. 139 Abs. 2 – 5 FinfraG die Normen des VwVG (Art. 139 Abs. 1 FinfraG). Nach Art. 25 Abs. 1 VwVG kann über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten auf Begehren eine Feststellungsverfügung erlassen werden. Einem Begehren um Erlass einer solchen Verfügung ist gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse daran nachweist. Gemäss Praxis ist ein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse gegeben, wenn für den Gesuchsteller eine direkte und aktuelle Unklarheit über die Rechtslage besteht, die mittels einer Feststellungsverfügung geklärt werden kann (vgl. Verfügung 807/01 vom 11. März 2022 in Sachen Galderma Group AG, Rn 1 ff.; Verfügung 795/01 vom 4. November 2021 in Sachen Roche Holding AG, Rn 1 m.H.; Verfügung 782/01 vom 19. März 2021 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 1 m.H.; Verfügung 765/01 vom 13. Juli 2020 in Sachen MCH Group AG, Rn 2 ff.).
[2] Angesichts der weitreichenden Konsequenzen, die eine allfällige Angebotspflicht auf die betroffenen Aktionäre hätte, haben die Gesuchsteller im vorliegenden Fall ein konkretes, schutzwürdiges und aktuelles Interesse, mögliche Unsicherheiten über die übernahmerechtliche Gültigkeit und Wirksamkeit der beabsichtigten selektiven Opting-up-Klausel sowie damit zusammenhängende Fragen vor der Publikation des Prospektes (vgl. Sachverhalt Bst. l und J) zu klären. Auf das Gesuch wird somit eingetreten.
2. Gültigkeit der selektiven Opting-up-Klausel (Antrag Ziff. 1)
2.1 Antrag und Rechtliches
[3] Im Rahmen ihres Antrags Ziff. 1 ersuchen die Gesuchsteller die Übernahmekommission um Feststellung, dass die selektive Opting-up-Klausel (vgl. Sachverhalt Bst. l), die Sunrise vor der Kotierung ihrer Beteiligungspapiere in ihre Statuten aufzunehmen beabsichtigt, übernahmerechtlich gültig ist (vgl. Sachverhalt Bst. J).
[4] Gemäss Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ob ausübbar oder nicht, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft unterbreiten (Angebotspflicht).
[5] Den in Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG erwähnten Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte für ein Pflichtangebot können die Zielgesellschaften gemäss Art. 135 Abs. 1 Satz 2 FinfraG in ihren Statuten bis auf 49 Prozent der Stimmrechte anheben (sog. Opting-up).
[6] Hauptzweck der Angebotspflicht gemäss Art. 135 FinfraG ist der Schutz der Minderheitsaktionäre. Diese sollen im Falle veränderter Kontrollverhältnisse, d.h. im Falle der Übernahme der Kontrolle der Gesellschaft durch einen (neuen) Mehrheitsaktionär oder eine Aktionärsgruppe, die Möglichkeit erhalten, aus ihrer Investition auszusteigen (sog. Ausstiegsrecht; Verfügung 807/01 vom 11. März 2022 in Sachen Galderma Group AG, Rn 5; Verfügung 782/01 vom 19. März 2021 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 79 m.H.).
[7] Nach Art. 125 Abs. 3 FinfraG können Gesellschaften vor der Kotierung ihrer Beteiligungspapiere an einer Börse in der Schweiz in einer entsprechenden Statutenklausel festlegen, dass (i) ein Übernehmer bzw. ein wesentlicher Beteiligungsinhaber nicht zu einem öffentlichen Kaufangebot nach den Art. 135 FinfraG verpflichtet ist (sog. ursprüngliches Opting-out; Verfügung 782/01 vom 19. März 2021 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 81 m.H.) bzw. (ii) der für die Entstehung der Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG massgebliche Grenzwert bis auf maximal 49 Prozent der Stimmrechte angehoben wird (sog. ursprüngliches Opting-up). Entschliessen sich die Aktionäre für eine dieser Varianten, so verzichten sie in entsprechendem Umfang auf die Anwendung der gesetzlich vorgegebenen Schutzbestimmungen betreffend die Angebotspflicht nach Art. 135 FinfraG (vgl. Verfügung 782/01 vom 19. März 2021 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 80 m.H.; vgl. zum Ganzen auch Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem/Tino Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl. 2020, Rn 74 ff.).
[8] Gemäss Praxis der Übernahmekommission ist auch ein (ursprüngliches) Opting-out oder ein Opting-up zulässig, welches sich nur auf einen bestimmten Kreis von Begünstigten oder auf eine bestimmte Transaktion bezieht (Verfügung 686/01 vom 20. März 2018 in Sachen Addex Therapeutics SA, Rn 12 ff.; Verfügung 600/01 vom 22. April 2015 in Sachen Kaba Holding AG, Rn 9; vgl. zum Ganzen auch Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem/Tino Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl. 2020, Rn 81, Fn 221). Mit einem solchen sog. selektiven Opting-out bzw. selektiven Opting-up verzichten die Aktionäre nur partiell, nämlich mit Bezug auf einen bestimmten Kreis von Begünstigten oder auf eine gewisse Transaktion, auf ihr gesetzliches, von der Angebotspflicht nach Art. 135 FinfraG statuiertes Ausstiegsrecht. Ein selektives Opting-out bzw. ein selektives Opting-up bewirkt einen weniger starken Eingriff in die Aktionärsrechte als ein allgemeines Opting-out bzw. ein allgemeines Opting-up und wird unter dem Aspekt des Anlegerschutzes grundsätzlich als zulässig erachtet (vgl. Verfügung 782/01 vom 19. März 2021 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 82 m.H.; Verfügung 765/01 vom 13. Juli 2020 in Sachen MCH Group AG, Rn 16 ff.; Verfügung 590/01 vom 20. Februar 2015 in Sachen Leclanché SA, Rn 3).
2.2 Würdigung der Übernahmekommission und Fazit
[9] Die beabsichtigte selektive Opting-up-Klausel soll vor dem Börsengang von Sunrise bzw. vor der Kotierung der Sunrise-A-Aktien an der SIX in die Statuten von Sunrise aufgenommen werden. Es handelt sich somit um ein im Sinne von Art. 125 Abs. 3 FinfraG vor der Kotierung eingeführtes, ursprüngliches selektives Opting-up.
[10] Der Kreis der Begünstigten der selektiven Opting-up-Klausel umfasst nach deren Wortlaut (vgl. Sachverhalt Bst. l) die Malone-Aktionäre ( d.h. John C. Malone, seine Angehörigen [insbesondere Nachkommen und Ehegatten] und Trusts, Stiftungen und ähnliche Strukturen, die von oder für solche Personen errichtet wurden, einschliesslich deren Rechtsnachfolger) und die Fries-Aktionäre (d.h. Michael T. Fries, seine Angehörigen [insbesondere Nachkommen und Ehegatten] und Trusts, Stiftungen und ähnliche Strukturen, die von oder für solche Personen errichtet wurden, einschliesslich deren Rechtsnachfolger) sowie mit ihnen in gemeinsamer Absprache handelnde Personen. Es handelt sich somit um einen hinreichend klar bestimmten Kreis von Begünstigten, welche auf Grund der selektiven Opting-up-Klausel von der Angebotspflicht gemäss Art. 135 FinfraG befreit sind, solange die von ihnen insgesamt direkt oder indirekt gehaltenen Beteiligungspapiere 45 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft nicht überschreiten.
[11] Gemäss den Ausführungen der Gesuchsteller soll im Prospekt (sowohl in den Risikofaktoren als auch bei der Beschreibung der Sunrise-Aktien) auf die selektive Opting-up-Klausel und ihre Wirkung hingewiesen werden, womit die zukünftigen Publikumsaktionäre von Sunrise nach Ansicht der Gesuchsteller ihren Investitionsentscheid grundsätzlich in Kenntnis des selektiven Opting-up treffen können.
[12] Schliesslich gibt es vorliegend auch keine Hinweise oder Indizien auf das Vorliegen anderer Gründe, welche der Rechtswirkung und Gültigkeit der selektiven Opting-up-Klausel entgegenstehen würden.
[13] Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen ist festzustellen, dass die beabsichtigte selektive Opting-up-Klausel in den Statuten von Sunrise übernahmerechtlich gültig ist.
[14] Dem Antrag Ziff. 1 der Gesuchsteller wird stattgegeben.
3. Keine Angebotspflicht infolge von Übertragungen von Beteiligungspapieren zwischen den vom selektiven Opting-up begünstigten Personen (Antrag Ziff. 2)
3.1 Antrag
[15] Im Rahmen ihres Antrags Ziff. 2 ersuchen die Gesuchsteller die Übernahmekommission um Feststellung, dass allfällige Übertragungen von Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien zwischen oder unter Malone-Aktionären und Fries-Aktionären (darunter ein allfälliger Aktientausch) keine Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 FinfraG auslöst, solange die Malone-Aktionäre und Fries-Aktionäre sowie mit ihnen in gemeinsamer Absprache handelnde Personen die Schwelle von 45 Prozent der Stimmrechte von Sunrise nicht überschreiten (vgl. Sachverhalt Bst. J).
3.2 Würdigung der Übernahmekommission und Fazit
[16] Vor dem Hintergrund der in Erw. 2.2 festgestellten übernahmerechtlichen Gültigkeit der selektiven Opting-up-Klausel ist festzustellen, dass die in Antrag Ziff. 2 beschriebenen Übertragungen (inklusive eines allfälligen Aktientauschs) zwischen den vom selektiven Opting-up begünstigten Personen (vgl. Erw. 2.2, Rn [10]) keine Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 FinfraG auslösen, solange die genannten Personen die Schwelle von gesamthaft 45 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft nicht überschreiten.
[17] Dem Antrag Ziff. 2 der Gesuchsteller wird stattgegeben.
4. Keine Zurechnung eigener Aktien der Zielgesellschaft und kein Handeln in gemeinsamer Absprache (Antrag Ziff. 3)
4.1 Antrag
[18] Im Rahmen ihres Antrags Ziff. 3 ersuchen die Gesuchsteller die Übernahmekommission um Feststellung, dass die von Sunrise oder von ihr kontrollierten Gesellschaften gehaltenen Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien nicht indirekt von Malone-Aktionären und/oder von Fries-Aktionären gehalten werden und dass Sunrise weder mit den Malone-Aktionären noch mit den Fries-Aktionären in gemeinsamer Absprache im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG und Art. 33 FinfraV-FINMA handelt (vgl. Sachverhalt Bst. J).
4.2 Ausführungen der Gesuchsteller
[19] Den Antrag Ziff. 3 begründen die Gesuchsteller damit, dass der Stimmrechtsanteil der Malone-Aktionäre und der Fries-Aktionäre diesen weder individuell (rund 23.4 sowie 6.9 Prozent) noch gesamthaft (rund 30.3 Prozent) eine kontrollierende Mehrheit (von 50 Prozent der Stimmrechte) an der Generalversammlung von Sunrise verschaffe und eine Beherrschung auch nicht auf andere Weise (wie z.B. Absprachen oder statutarische Regeln zugunsten der Malone-Aktionäre und der Fries-Aktionäre oder dergleichen) ermöglicht werde, womit mangels einer beherrschenden Stellung kein indirektes Halten von Beteiligungspapieren im Sinne von Art. 11 lit. b FinfraV-FINMA vorliege. Des Weiteren erklären die Gesuchsteller unter Verweis auf die entsprechende Praxis der Übernahmekommission (vgl. Empfehlung 393/01 vom 8. Dezember 2008 in Sachen Helvetia Holding AG, Rn 7), dass Beteiligungspapiere, welche die Zielgesellschaft im eigenen Bestand hält, grundsätzlich nicht den Aktionären bzw. Aktionärsgruppen, welche Beteiligungen an der Zielgesellschaft halten, zuzurechnen seien und sich eine Ausnahme von diesem Grundsatz vorliegend mangels Absprachen oder statutarischen Regeln zugunsten der Malone-Aktionäre und der Fries-Aktionäre, die ein Zusammenwirken zwischen Sunrise, den Malone-Aktionären und den Fries-Aktionären begründeten und der Zielgesellschaft in diesem Sinne eine für das Funktionieren der beherrschenden Gruppe wichtige Rolle verschafften, nicht rechtfertige.
4.3 Rechtliches
[20] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Beteiligungspapieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ob ausübbar oder nicht, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft unterbreiten.
[21] Art. 33 FinfraV-FINMA hält fest, dass für Personen, die der Angebotspflicht unterliegende Beteiligungen der Zielgesellschaft im Hinblick auf die Beherrschung der Zielgesellschaft in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe erwerben, Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA gilt. Nach Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA handelt in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe, wer seine Verhaltensweise im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräusserung von Beteiligungspapieren oder die Ausübung von Stimmrechten mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren oder von Gesetzes wegen abstimmt.
[22] Ein Handeln in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA wird nach höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, wenn der gemeinsame Erwerb von Aktien eine Beherrschung objektiv ermöglicht und auf Grund der Umstände darauf zu schliessen ist, dass eine Beherrschung auch angestrebt wird (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.5.7; vgl. des Weiteren auch Verfügung 858/01 vom 1. November 2023 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 5 ff.; Verfügung 825/01 vom 27. Juli 2022 in Sachen MCH Group AG, Rn 6; Verfügung 794/01 vom 13. Oktober 2021 in Sachen Polyphor AG, Rn 7; Verfügung 793/01 vom 10. August 2021 in Sachen Vetropack Holding AG, Rn 8 f.; Verfügung 787/01 vom 7. April 2021 in Sachen com N.V., Rn 12 f.; Verfügung 672/01 vom 26. Januar 2018 in Sachen SHL Telemedicine Ltd., Rn 28). Eine subjektive Beherrschungsabsicht muss nicht im Einzelfall nachgewiesen werden. Die Übernahmekommission hat vielmehr jene Sachverhaltselemente zu beweisen, die zu einer Angebotspflicht führen. Bei der Festlegung des Beweismasses muss jedoch den sachimmanenten Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen werden. Denn oft lässt sich eine subjektive Beherrschungsabsicht nicht dartun, was zu Umgehungen der Angebotspflicht führen könnte (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.5.7).
[23] Gemäss Praxis der Übernahmekommission werden die von der Zielgesellschaft gehaltenen eigenen Aktien bei der Berechnung der Beteiligung im Kontext eines Pflichtangebots grundsätzlich nicht dem Aktionär zugerechnet (Empfehlung 393/01 vom 8. Dezember 2008 in Sachen Helvetia Holding AG, Rn 7; Empfehlung 375/01 vom 20. Juni 2008 in Sachen Helvetia Holding AG, Rn 2), weil deren Stimmrechte ruhen und wirtschaftlich als annulliert angesehen werden können, keine kontinuierliche Transparenz hinsichtlich der Anzahl eigener Aktien besteht und eine Hinzurechnung die Gefahr von Missbräuchen durch den Verwaltungsrat birgt. Ausnahmsweise rechnet die Übernahmekommission die eigenen Aktien dem Aktionär zu, wenn die Zielgesellschaft gemeinsam mit dem Aktionär im Hinblick auf die Beherrschung im Sinne im Sinne von Art. 33 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA zusammenwirkt (vgl. dazu die damals noch auf die Art. 27 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 aBEHV-EBK Bezug nehmende Empfehlung 393/01 vom 8. Dezember 2008 in Sachen Helvetia Holding AG, Rn 8; vgl. zum Ganzen auch Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem/Tino Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl. 2020, Rn 69).
4.4 Würdigung der Übernahmekommission
4.4.1 Keine Zurechnung eigener Aktien der Zielgesellschaft
[24] Nach Gesagtem kann gestützt auf die entsprechende Praxis der Übernahmekommission (vgl. Rn [23] hiervor) antragsgemäss festgestellt werden, dass die von Sunrise direkt oder indirekt gehaltenen eigenen Aktien (deren Stimmrechte gemäss Art. 659a Abs. 1 sowie 659b Abs. 1 OR ruhen) für die Zwecke der Angebotspflicht bzw. des selektiven Opting-up nicht den Beständen der Malone-Aktionäre oder der Fries-Aktionäre zuzurechnen sind und in diesem Sinne von diesen auch nicht indirekt gehalten werden, da es auf Basis der der Übernahmekommission derzeit vorliegenden Akten keine Hinweise oder Indizien für ein Zusammenwirken von Sunrise mit den Malone-Aktionären und den Fries-Aktionären im Hinblick auf die Beherrschung der Zielgesellschaft gibt (vgl. dazu auch die entsprechenden Ausführungen in Rn [26] unten) und die Zielgesellschaft in diesem Sinne keine wichtige Rolle für das Funktionieren einer beherrschenden Gruppe spielt. Eine ausnahmsweise Hinzurechnung der eigenen Aktien rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund auf Basis der vorliegenden Akten somit aktuell nicht.
[25] Die Frage, ob die von Sunrise direkt oder indirekt gehaltenen (eigenen) Beteiligungspapiere den Malone-Aktionären und den Fries-Aktionären auch deshalb nicht zugerechnet werden können, weil diese Aktionäre die Zielgesellschaft gemäss den Ausführungen der Gesuchsteller aufgrund ihrer Beteiligung von unter 50% der Stimmrechte nicht kontrollieren (vgl. Rn [19] oben), kann somit für den vorliegenden Fall offen gelassen werden (vgl. zum Ganzen Thomas Jutzi/Simon Schären, Kommentar zu Art. 120 FinfraG, in: Rolf Sethe/Olivier Favre/Martin Hess/Stefan Kramer/Ansgar Schott [Hrsg.], Kommentar zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz FinfraG, Zürich/Basel/Genf 2017, Rn 173 f. auf S. 1534).
4.4.2 Kein Handeln in gemeinsamer Absprache mit der Zielgesellschaft
[26] Auf Basis der der Übernahmekommission derzeit vorliegenden Akten gibt es keine Hinweise oder Indizien dafür, dass Sunrise ihr Verhalten im Sinne von Art. 33 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren (z.B. Absprachen oder statutarische Regeln oder dergleichen) hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts, der Zusammensetzung ihres Verwaltungsrats oder der Festlegung ihrer Strategie mit den Malone-Aktionären und/oder den Fries-Aktionären abstimmen würde. Sunrise wird somit auch nicht Teil einer entsprechenden Beherrschungsgruppe. Somit sind auch vor diesem Hintergrund auf Basis der vorliegenden Akten die von Sunrise direkt oder indirekt gehaltenen eigenen Aktien für die Zwecke der Angebotspflicht bzw. des selektiven Opting-up nicht den Beständen der Malone-Aktionäre oder der Fries-Aktionäre zuzurechnen.
[27] Angesichts der Ausführungen hiervor kann auch weiterhin offen gelassen werden, ob eine Zielgesellschaft mit Blick auf sich selbst Teil einer angebotspflichtigen Gruppe im Sinne von Art. 33 FinfraV-FINMA sein kann (vgl. Verfügung 876/01 vom 24. Juli 2024 in Sachen Calida Holding AG, Rn 15).
4.4.3 Fazit
[28] Damit ist festzustellen, dass die von Sunrise oder von ihr kontrollierten Gesellschaften gehaltenen Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien nicht indirekt von Malone-Aktionären und/oder von Fries-Aktionären gehalten werden und dass Sunrise auf der Basis der vorliegenden Akten aktuell weder mit den Malone-Aktionären noch mit den Fries-Aktionären in gemeinsamer Absprache im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG und Art. 33 FinfraV-FINMA handelt.
[29] Dem Antrag Ziff. 3 der Gesuchsteller wird stattgegeben.
5. Publikation (Antrag Ziff. 4)
5.1 Antrag und Rechtliches
[30] Mit Antrag Ziff. 4 verlangen die Gesuchsteller, dass die Verfügung der Übernahmekommission in Absprache mit Sunrise zu publizieren sei (vgl. Sachverhalt Bst. J).
[31] Wird der Übernahmekommission ein Gesuch betreffend die sogenannten übrigen Verfahren eingereicht (insbesondere wenn der Übernahmekommission ein Gesuch um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht oder um Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht eingereicht wird oder wenn sie eine solche Frage von Amtes wegen prüft), so eröffnet sie ein Verfahren und lädt die Parteien zur Abgabe einer Stellungnahme ein (Art. 61 Abs. 1 UEV).
[32] Vor der Eröffnung der Verfügung kann die Zielgesellschaft eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrats vorlegen, die sie gleichzeitig mit der Verfügung der Übernahmekommission veröffentlichen möchte (Art. 61 Abs. 1bis UEV).
[33] Die Zielgesellschaft veröffentlicht (a) die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrats (Stellungnahme), (b) das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission und (c) den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen eine qualifizierte Aktionärin oder ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der Übernahmekommission erheben kann (Art. 61 Abs. 3 UEV).
[34] Auf diese Veröffentlichung sind die Art. 6 und 7 UEV anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).
5.2 Ausführungen der Gesuchsteller
[35] Die Gesuchsteller weisen in ihrem Gesuch darauf hin, dass – ungeachtet der Tatsache, dass Liberty Global ihre Absicht eines Spin-off bereits am 16. Februar 2024 öffentlich gemacht hatte –die Details des Spin-off nach wie vor vertraulich seien und (nach US-amerikanischem Recht) auch preissensitive Informationen darstellten. Die Gesuchsteller seien daher darauf angewiesen, dass die Publikation der Verfügung der Übernahmekommission mit Sunrise koordiniert werde.
[36] Ausserdem erklären die Gesuchsteller im Rahmen ihres Gesuchs, dass die Veröffentlichung gemäss Rn [33] oben gemäss den derzeitigen Planungen zeitgleich mit oder kurz nach der Wirksamkeit des Prospekts in den USA (Effective Date of the Registration Statement) erfolgen dürfte.
[37] Schliesslich wurde im Rahmen des Gesuchs auch erklärt, dass Sunrise auf eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrates im Sinne von Art. 61 Abs. 1bis UEV verzichte (vgl. Sachverhalt Bst. K).
5.3 Würdigung der Übernahmekommission und Fazit
[38] Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen hat die Zielgesellschaft in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung sowie den Hinweis auf das Einspracherecht qualifizierter Aktionäre zu veröffentlichen, sobald die in dieser Verfügung beschriebene Transaktion zur Durchführung gelangt.
[39] Die Publikation der vorliegenden Verfügung mittels deren Aufschaltung auf der Website der Übernahmekommission erfolgt im Nachgang zur hiervor erwähnten Veröffentlichung durch die Zielgesellschaft (vgl. zum Ganzen auch die Verfügung 825/01 vom 27. Juli 2022 in Sachen MCH Group AG, Rn 69 ff.).
[40] Die Erwägungen zur (i) Gültigkeit der selektiven Opting-up-Klausel (vgl. Erw. 2 oben), (ii) Frage der Angebotspflicht infolge von Übertragungen von Beteiligungspapieren zwischen den vom selektiven Opting-up begünstigten Personen (vgl. Erw. 3 oben) sowie (iii) Frage der Zurechnung eigener Aktien der Zielgesellschaft und des Handelns in gemeinsamer Absprache (vgl. Erw. 4 oben) erlangen nur im Zusammenhang mit der im Rahmen dieser Verfügung beschriebenen Transaktion Rechtswirkung.
6. Gebühr
[41] Gemäss Art. 126 Abs. 5 FinfraG kann die Übernahmekommission von den Parteien in Verfahren in Übernahmesachen Gebühren erheben.
[42] Nach Art. 118 Abs. 1 FinfraV erhebt die Übernahmekommission eine Gebühr, wenn sie in anderen Übernahmesachen entscheidet, insbesondere über das Bestehen einer Angebotspflicht. Die Gebühr beträgt je nach Umfang und Schwierigkeit des Falles bis zu CHF 50'000 (Art. 118 Abs. 2 FinfraV).
[43] In Anwendung von Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 FinfraV wird für die Behandlung des Gesuchs eine Gebühr von CHF 40'000 zulasten der Gesuchsteller erhoben, wobei diese für die entsprechende Gebühr solidarisch haften.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. | Es wird festgestellt, dass die beabsichtigte selektive Opting-up-Klausel in den Statuten von Sunrise Communications AG übernahmerechtlich gültig ist. |
2. | Es wird festgestellt, dass allfällige Übertragungen von Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien zwischen oder unter Malone-Aktionären und Fries-Aktionären (je wie in der beabsichtigten selektiven Opting-up-Klausel in den Statuten von Sunrise Communications AG definiert), darunter ein allfälliger Tausch, in dem Fries-Aktionäre von Malone-Aktionären allenfalls Sunrise-B-Aktien gegen Hingabe von Sunrise-A-Aktien erwerben, keine Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 FinfraG auslösen, solange die Malone-Aktionäre und Fries-Aktionäre sowie mit ihnen in gemeinsamer Absprache im Sinne der Angebotspflicht handelnde Personen die Schwelle von gesamthaft 45 Prozent der Stimmrechte der Sunrise Communications AG nicht überschreiten. |
3. | Es wird festgestellt, dass die von der Sunrise Communications AG oder von ihr kontrollierten Gesellschaften gehaltenen Sunrise-A-Aktien oder Sunrise-B-Aktien nicht indirekt von Malone-Aktionären und/oder von Fries-Aktionären gehalten werden und dass die Sunrise Communications AG auf der Basis der vorliegenden Akten aktuell weder mit den Malone-Aktionären noch mit den Fries-Aktionären in gemeinsamer Absprache im Sinne der Angebotspflicht handelt. |
4. | Sunrise Communications AG veröffentlicht in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV das Dispositiv der vorliegenden Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, sobald die in dieser Verfügung beschriebene Transaktion zur Durchführung gelangt. |
5. | Die vorliegende Verfügung wird im Nachgang zur Veröffentlichung der Sunrise Communications AG gemäss Dispositiv-Ziff. 4 hiervor auf der Website der Übernahmekommission publiziert. |
6. | Sollte die vorliegende Verfügung nicht veröffentlicht werden, so entfalten die Dispositiv-Ziff. 1 bis und mit 3 ausschliesslich im Zusammenhang mit der in dieser Verfügung beschriebenen Transaktion Rechtswirkung. |
7. |
Die Gebühr zulasten Sunrise Communications AG, Malone LG 2013 Charitable Remainder Unitrust sowie Michael T. Fries beträgt unter solidarischer Haftung CHF 40'000. |
Die Präsidentin:
Mirjam Eggen
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- |
Sunrise Communications AG, Malone LG 2013 Charitable Remainder Unitrust sowie Michael T. Fries, vertreten durch Dr. Daniel Däniker und Prof. Dr. Daniel Häusermann, Homburger AG. |
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):
Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 3 UEV).