Transaktionen
0795 - Roche Holding AG
Verfügung 795/01 vom 4. November 2021
Gesuch von André Hoffmann, Marie-Anne Hoffmann, Vera Michalski, Alexander Hoffmann, Frederic Hoffmann, Isabel Hoffmann, Lucas Hoffmann, Marina Hoffmann, Kasia Barbotin-Larrieu, Tatiana Fabre, Andreas Oeri, Catherine Oeri, Sabine Duschmalé, Jörg Duschmalé, Lukas Duschmalé und der Stiftung Wolf um Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht eventualiter um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht mit Blick auf die Roche Holding AG
A.
Roche Holding AG (Roche) ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Basel (HR-Firmennummer CHE-101.602.521). Zweck von Roche ist u.a. das Halten von Beteiligungen an Unternehmungen, die pharmazeutische und chemische Produkte aller Art fabrizieren und verkaufen.
Das Aktienkapital von Roche besteht aus 160'000'000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 1.00 (Roche-Aktien). Die Roche-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) gemäss dem International Reporting Standard kotiert. Ihre ISIN ist CH0012032048 und ihr Valorensymbol RO. Ausserdem hat Roche 702'562'700 auf den Inhaber lautende Genussscheine ausgegeben, die ebenfalls an der SIX kotiert sind (ISIN CH0012032048, Valorensymbol ROG). Roche hat weder eine Opting out- noch eine Opting up-Klausel in ihren Statuten. Am 1. Oktober 2021 betrug die Börsenkapitalisierung von Roche rund CHF 305 Milliarden.
B.
Gemäss der Datenbank der SIX halten derzeit folgende Personen bedeutende Beteiligungen an Roche:
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Am 10. Dezember 2019 wurde eine Offenlegungsmeldung publiziert, wonach André Hoffmann, Marie-Anne Hoffmann, Vera Michalski, Alexander Hoffmann, Frederic Hoffmann, Isabel Hoffmann, Lucas Hoffmann, Marina Hoffmann, Kasia Barbotin-Larrieu, Tatiana Fabre, Andreas Oeri, Catherine Oeri, Sabine Duschmalé, Jörg Duschmalé, Lukas Duschmalé und die Stiftung Wolf (der Aktionärspool) seit 2011 als wirtschaftlich berechtigte Personen i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 72'018'000 Roche-Aktien halten, die 45.01% der Stimmrechte an Roche entsprechen. |
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Am 26. März 2011 wurde eine Offenlegungsmeldung publiziert, wonach Maja Oeri als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 8'091'900 Roche-Aktien hält, die 5.057% der Stimmrechte an Roche entsprechen. |
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Am 14. Dezember 2007 wurde eine Offenlegungsmeldung publiziert, wonach Novartis Holding AG als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 53'332'863 Roche-Aktien hält, die 33.33% der Stimmrechte an Roche entsprechen. |
C.
Roche wurde 1896 von Fritz Hoffmann-La Roche gegründet. Dessen Nachkommen, heute bestehend aus den Familienstämmen Hoffmann und Oeri, halten seit Jahrzehnten eine wesentliche kontrollierende Beteiligung an Roche. Als das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (aBEHG) in Kraft trat, kontrollierte der Aktionärspool mehr als 50% der Stimmrechte von Roche.
Der Aktionärspool kontrolliert zurzeit 72'018'000 Roche-Aktien, entsprechend 45.01% des Aktienkapitals und der Stimmrechte von Roche. Der Börsenwert dieser Beteiligung betrug am 1. Oktober 2021 rund CHF 27 Milliarden. Der Aktionärspool ist mit zwei Mitgliedern im Verwaltungsrat von Roche vertreten.
D.
Novartis AG ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Basel. Das Aktienkapital der Novartis AG beträgt CHF 1'217'210'460 und ist eingeteilt in 2'434'420'920 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 0.50. Die Aktien der Novartis AG sind an der SIX gemäss dem International Reporting Standard unter der ISIN Nummer CH0O12005267 mit dem Ticker NOVN kotiert. Novartis Holding AG hat ihren Sitz ebenfalls in Basel und ist eine Tochtergesellschaft der Novartis AG.
E.
Im Jahr 2001 erwarb Novartis Holding AG eine Beteiligung von 20% der Roche-Aktien. In den folgenden Jahren baute Novartis Holding AG ihre Beteiligung an Roche sukzessive aus. Heute hält Novartis Holding AG direkt 53'332'863 Roche-Aktien (das Novartis-Paket), eine Beteiligung, die knapp weniger als ein Drittel der Stimmrechte von Roche repräsentiert. Der Marktwert des Novartis-Pakets betrug am 1. Oktober 2021 rund CHF 20 Milliarden (Novartis Holding AG und Novartis AG nachfolgend gemeinsam Novartis).
F.
Am 6. Oktober 2021 gelangte der Aktionärspool mit einem Gesuch (Gesuch; act. 1/1) und folgenden Anträgen an die Übernahmekommission (UEK):
«1. Es sei festzustellen, dass der Rückkauf und die Vernichtung der von Novartis gehaltenen 53'332'863 Roche-Aktien und die damit verbundene Überschreitung der Schwelle von 50 Prozent der Stimmrechte durch den Familien-Pool keine Angebotspflicht für den Familien-Pool auslöst.
2. Eventualiter sei dem Familien-Pool eine Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG ohne Auflagen zu gewähren.
3. Die Verfügung der Übernahmekommission sei erst nach Rücksprache mit den Gesuchstellern, spätestens aber am Tag nach Bekanntgabe der Transaktion durch Roche und Novartis, zu veröffentlichen.»
G.
Der Hintergrund des Gesuches liegt darin, dass die Vertreter des Aktionärspools im Verwaltungsrat von Roche anfangs September 2021 darüber informiert wurden, dass Novartis beabsichtigt, das Novartis-Paket zu verkaufen und Roche daran interessiert ist, dieses zu erwerben. Einigen sich Roche und Novartis, würden die erworbenen Roche-Aktien aus aktienrechtlichen und steuerlichen Gründen im Rahmen einer Kapitalherabsetzung vernichtet. Der Rückkauf des Novartis-Pakets durch Roche würde es Roche und Novartis ermöglichen, die Verzahnung dieser beiden Gesellschaften aufzulösen (der Rückkauf des Novartis-Pakets und die Kapitalherabsetzung nachfolgend gemeinsam die Transaktion; act. 1/1, Rn 9).
H.
Die Transaktion und im Besonderen die Vernichtung des Novartis-Pakets mittels Kapitalherabsetzung hätten zur Folge, dass sich die Beteiligung des Aktionärspools von gegenwärtig knapp über 45% der Stimmrechte auf rund 67.5% erhöhen würde (act. 1/1, Rn 10).
I.
Nachdem Roche am 6. Oktober 2021 aufgefordert wurde, zum Gesuch Stellung zu nehmen (act. 2), ging am 11. Oktober 2021 deren Stellungnahme bei der UEK ein (act. 4/1).
J.
Am 22. Oktober 2021 ging eine ergänzende Stellungnahme von Roche zum Gesuch bei der UEK ein (act. 5/1).
K.
Am 26. Oktober 2021 wurden die am 11. Oktober 2021 und am 22. Oktober 2021 bei der UEK eingereichten Stellungnahmen von Roche dem Aktionärspool zur Kenntnis zugestellt (act. 6).
L.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus dem Präsidenten Thomas A. Müller, Jean-Luc Chenaux, Franca Contratto und Mirjam Eggen gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Schutzwürdiges Interesse für den Erlass einer Verfügung
[1] Für Verfahren vor der UEK gelten unter Vorbehalt der Bestimmungen gemäss Art. 139 Abs. 2 – 5 FinfraG die Normen des VwVG (Art. 139 Abs. 1 FinfraG). Nach Art. 25 Abs. 1 VwVG kann über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten auf Begehren eine Feststellungsverfügung erlassen werden. Einem Begehren um Erlass einer solchen Verfügung ist gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse daran nachweist. Gemäss Praxis ist ein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse gegeben, wenn für den Gesuchsteller eine direkte und aktuelle Unklarheit über die Rechtslage besteht, die mittels einer Feststellungsverfügung geklärt werden kann (Verfügung 794/01 vom 13. Oktober 2021 in Sachen Polyphor AG, Rn 1 m.H.; Verfügung 793/01 vom 10. August 2021 in Sachen Vetropack Holding AG, Rn 1 m.H.). Art. 61 Abs. 1 UEV hält zudem fest, dass die UEK ein Verfahren eröffnet, namentlich wenn ihr ein Gesuch um Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht eingereicht wird.
[2] Würde die Transaktion eine Angebotspflicht für den Aktionärspool nach sich ziehen, müsste er an der Generalversammlung von Roche entweder gegen die Kapitalherabsetzung stimmen oder ein Angebot für alle sich im Publikum befindenden Roche-Aktien und Roche-Genussscheine unterbreiten (act. 1/1, Rn 12).
[3] Im vorliegenden Fall hat somit der Aktionärspool ein schutzwürdiges, direktes und aktuelles Interesse, eine mögliche Unsicherheit über das Auslösen einer Angebotspflicht durch die Transaktion vorgängig mittels Feststellungsverfügung zu klären. Auf das Gesuch wird somit eingetreten.
2. Hauptantrag: Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht
2.1 Aufbau
[4] Im vorliegenden Fall beantragt der Aktionärspool, dass festgestellt wird, dass eine allfällige Überschreitung der Schwelle von 50% der Stimmrechte an Roche durch diesen keine Angebotspflicht für den Aktionärspool auslöst (Sachverhalt lit. F und Gesuch Antrag Ziff. 1).
[5] Im Folgenden werden zunächst die rechtlichen Grundlagen der Angebotspflicht vorgestellt (Ziff. 2.2). Anschliessend werden die Argumente des Aktionärspools und von Roche wiedergegeben (Ziff. 2.3). Abschliessend wird der zu prüfende Sachverhalt rechtlich gewürdigt (Ziff. 2.4).
2.2 Rechtliche Grundlagen der Angebotspflicht
[6] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss derjenige, welcher direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 33 ⅓% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere dieser Gesellschaft unterbreiten.
[7] Gemäss Art. 163 Abs. 1 FinfraG muss ferner derjenige, welcher am 1. Februar 1997 direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten über Beteiligungspapiere verfügte, die ihm die Kontrolle über mehr als 33 ⅓%, aber weniger als 50% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft verliehen, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft unterbreiten, wenn er Beteiligungspapiere erwirbt und damit den Grenzwert von 50% der Stimmrechte überschreitet.
[8] 135 Abs. 4 Satz 1 FinfraG bestimmt, dass die FINMA Bestimmungen über die Angebotspflicht erlässt. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat die FINMA das 6. Kapitel der FinfraV-FINMA betreffend die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots erlassen (Art. 30 – 47 FinfraV-FINMA). Für das vorliegend zu beurteilende Gesuch relevant ist die übergangsrechtliche Regelung von Art. 37 FinfraV-FINMA, wonach eine Person, die eine vor dem 1. Januar 1998 erworbene Beteiligung von 50% oder mehr der Stimmrechte einer Gesellschaft auf einen Anteil von unter 50% reduziert, ein Angebot nach Art. 135 FinfraG unterbreiten muss, wenn sie später den Grenzwert von 50% wieder überschreitet.
2.3 Ausführungen des Aktionärspools und von Roche
[9] Der Aktionärspool bringt folgende Argumente gegen eine Angebotspflicht seinerseits vor: Eine spezielle Regelung für Aktionäre, die vor dem 1. Januar 1998 mehr als 50% der Stimmrechte hielten, sei weder im aBEHG noch im FinfraG enthalten. Für diesen Fall könne eine Angebotspflicht nicht im Nachhinein über eine Verordnungsbestimmung eingeführt werden. Für eine solch bedeutende Rechtsfolge sei eine gesetzliche Bestimmung unerlässlich, insbesondere wenn man berücksichtige, «welch schwerwiegenden Eingriff die Angebotspflicht in die Privatautonomie und in die Eigentumsrechte der betroffenen Aktionäre bedeutet.» Gesetzlich vorgesehen seien ausschliesslich die allgemeine Angebotspflicht nach Art. 32 aBEHG bzw. Art. 135 FinfraG und die übergangsrechtliche Angebotspflicht gemäss Art. 52 aBEHG bzw. Art. 163 FinfraG (act. 1/1, Rn 15). Für eine Angebotspflicht des Aktionärspools bestehe mithin keine gesetzliche Grundlage. Eine solche sei jedoch notwendig (art. 1/1, Rn 18).
[10] Sodann führt der Aktionärspool aus, dass Art. 37 FinfraV-FINMA anders als Art. 135 FinfraG und als Art. 163 FinfraG sich seinem Wortlaut entsprechend klarerweise nur auf eine einzelne Person beziehe (act. 1/1, Rn 20). Den Begriff «eine Person» gemäss Art. 37 FinfraV-FINMA auf mehrere Personen und somit auch auf Aktionärsgruppen auszudehnen, sei unzulässig. Vom eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut einer Norm dürfe nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestünden, dass der scheinbar klare Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergebe. In diesem Fall seien jedoch keine solchen triftigen Gründe erkennbar. Wenn die FINMA gewollt hätte, dass auch Aktionärsgruppen in diesen Fällen angebotspflichtig werden, «hätte sie in Art. 37 FinfraV-FINMA die gleiche Formulierung bzw. den Hinweis auf organisierte Gruppen wie in den anderen Bestimmungen der Verordnung aufgenommen (bspw. Art. 33 FinfraV-FINMA).» 37 FinfraV-FINMA beziehe sich damit «nur auf eine einzige Person», welche vor dem Inkrafttreten des aBEHG mehr als 50% gehalten habe, ihre Beteiligung in der Folge auf unter 50% reduziere und den Grenzwert von 50% erneut überschreite. Vorliegend sei dies beim Aktionärspool, der aus mehreren Personen bestehe und es weiterhin tue, eben gerade nicht der Fall (act. 1/1, Rn 21).
[11] Roche ist mit den Anträgen des Aktionärspools einverstanden und hat sich den diesbezüglichen Begründungen des Gesuches angeschlossen (act. 4/1 und act. 5/1).
2.4 Rechtliche Würdigung
2.4.1 Lehrmeinungen und Praxis zur Gesetzmässigkeit von Art. 37 FinfraV-FINMA
[12] Die in Art. 37 FinfraV-FINMA verankerte, übergangsrechtliche Regelung ist in der Lehre auf Kritik gestossen. So führt etwa von der Crone aus, dass ein Wiederaufleben der Angebotspflicht nicht in den ursprünglich anwendbaren Bestimmungen der Art. 32 und Art. 52 aBEHG, die unter geltendem Recht Art. 135 Abs. 1 und Art. 163 Abs. 1 FinfraG entsprechen, vorgesehen war. Seiner Ansicht nach enthält Art. 31 aBEHV-EBK, der seinerseits dem heute geltenden Art. 37 FinfraV-FINMA entspricht, «nicht etwa Ausführungsbestimmungen zu einer gesetzlich vorgesehenen Angebotspflicht, sondern führt vielmehr eine im Börsengesetz nicht vorgesehene zusätzliche Angebotspflicht neu ein.» Die Verordnungsbestimmung sei somit nicht von der Delegationsnorm gedeckt und entbehre einer gesetzlichen Grundlage. Sie dürfte mithin «weder vom Zivilrichter noch von den Aufsichtsbehörden angewandt werden» (Hans Caspar von der Crone, Angebotspflicht, in: SZW 1997 [Sonderheft], S. 44 ff., S. 57 f.).
[13] Ebenfalls mit Blick auf Art. 31 aBEHV-EBK führt Köpfli aus, dass die EBK «mit dieser Vorschrift den Geltungsbereich der übergangsrechtlichen Bestimmung von BEHG 52 in einer sehr weitgehenden Weise interpretiert» Art. 52 aBEHG sei auf Grossaktionäre anwendbar, welche beim Inkrafttreten des Gesetzes zwischen einem Drittel und der Hälfte der Stimmrechte verfügten. Im Umkehrschluss bedeute dies, «dass Grossaktionäre, die bei Inkrafttreten über mehr als 50 Prozent der Stimmrechte verfügten, von BEHG 52 nicht erfasst werden.» Art. 31 aBEHV-EBK enthalte folglich eine zusätzliche Angebotspflicht, die weder von Art. 32 aBEHG noch von Art. 52 aBEHG vorgesehen sei. Diese Ausweitung der Angebotspflicht sei «von der Verordnungskompetenz in BEHG 32 VI nicht gedeckt und entbehrt dementsprechend einer gesetzlichen Grundlage» (Christian Köpfli, Die Angebotspflicht im schweizerischen Kapitalmarktrecht, Diss., Zürich 2000., S. 150 f.).
[14] Gemäss Hofstetter/Schilter-Heuberger/Brönnimann ist es «höchst fraglich, ob diese Verordnungsbestimmung [gemeint: Art. 37 FinfraV-FINMA] durch die Kompetenz der FINMA zum Erlass von Ausführungsbestimmungen gem. Art. 135 Abs. 4 gedeckt ist und ob ein Aktionär somit zu einem Angebot verpflichtet werden kann, obwohl das Gesetz diesen Fall ausdrücklich nicht vorsieht» (Karl Hofstetter/Evelyn Schilter-Heuberger/Thomas Brönnimann, N 15 zu Art. 163 FinfraG, in: Finanzmarktaufsichtsgesetz Finanzmarktinfrastrukturgesetz, Rolf Watter/Rashid Bahar (Hrsg.), 3. Aufl., Basel 2019).
[15] Für Tschäni/Diem/Gaberthüel ist es mit Blick auf den geltenden Art. 37 FinfraV-FINMA «umstritten, ob diese Bestimmung gesetzmässig ist» (Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem/Tino Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2020, Rn 40 Fn 114 m.w.H.).
[16] Das Bundesgericht hat die Frage in einem obiter dictum offen gelassen, ob der dem Art. 37 FinfraV-FINMA entsprechende Art. 31 aBEHV-EBK gesetzmässig ist, jedoch festgestellt, dass «(d)ie mehrheitliche Lehre (…) die Gesetzmässigkeit dieser Bestimmung in Frage [stellt], weil damit der Inhaber einer vorbestandenen Mehrheitsbeteiligung unter gewissen Umständen doch wieder der Angebotspflicht unterstellt wird» (BGE 130 II 530 ff, 542, E. 5.1.3 m.w.H.).
2.4.2 Anwendbarkeit von Art. 37 FinfraV-FINMA auf eine organisierte Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA
[17] Die deutsche Fassung von Art. 37 FinfraV-FINMA unterstellt ihrem Wortlaut nach explizit nur «eine Person», nicht aber eine in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA handelnde organisierte Gruppe einer Angebotspflicht. Die französische Fassung von Art. 37 FinfraV-FINMA (art. 37 OIMF-FINMA) spricht, wenn die angebotspflichtige Partei bezeichnet wird, von « Quiconque », was mit «jeder, der» oder «irgendjemand» übersetzt werden kann. In seiner italienischen Fassung spricht Art. 37 FinfraV-FINMA (art. 37 OInFi-FINMA) ebenfalls von einer Person (« Se una persona (…)»).
[18] Weder in der Rechtslehre noch in der Praxis wurde bisher die Frage besprochen, ob eine in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA handelnde organisierte Gruppe unter Art. 37 FinfraV-FINMA angebotspflichtig werden kann.
2.4.3 Rechtliche Würdigung im vorliegenden Fall
[19] Auch wenn sowohl in der Rechtslehre als auch in der Praxis zumindest Zweifel daran bestehen, ob Art. 37 FinfraV-FINMA gesetzmässig ist (vgl. Rn [12] - [16] oben), und auch wenn unklar ist, ob eine in gemeinsamer Absprache handelnde organisierte Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA nach dem Wortlaut von Art. 37 FinfraV-FINMA unter dieser Bestimmung überhaupt angebotspflichtig werden kann (vgl. Rn [17] oben), können diese zwei Fragen an dieser Stelle offen gelassen werden, da unter Ziff. 3 nachfolgend dargelegt wird, dass dem Aktionärspool im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt werden kann.
3. Eventualantrag: Ausnahme von der Angebotspflicht
3.1 Aufbau
[20] Vorliegend beantragt der Aktionärspool eventualiter, dass ihm eine Ausnahme von der Angebotspflicht gestützt auf Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG gewährt wird (Sachverhalt lit. F und Gesuch Antrag Ziff. 2).
[21] Im Folgenden wird zunächst das Ausnahmeregime von Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG vorgestellt (Ziff. 3.2). Anschliessend werden die Argumente des Aktionärspools und von Roche wiedergegeben (Ziff. 3.3). Abschliessend wird geprüft, ob der Ausnahmetatbestand gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG vorliegend erfüllt ist (Ziff. 3.4).
3.2 Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG
[22] 136 Abs. 1 FinfraG enthält einen nicht abschliessenden Katalog von berechtigten Fällen, in welchen die UEK eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewähren kann. Namentlich kann die UEK eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewähren, wenn die Überschreitung des Grenzwertes «aus einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte der Gesellschaft resultiert» (Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG).
3.3 Ausführungen des Aktionärspools und von Roche
[23] Der Aktionärspool bringt folgende Argumente für die Gewährung einer Ausnahme gestützt auf Art. 136 Abs. 1 lit b FinfraG vor: Der Grenzwert werde ohne Zutun des Aktionärspools und nur deshalb überschritten, weil die Kapitalherabsetzung zu einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte von Roche führe. Der Aktionärspool sei ferner weder an der Transaktion noch an den Verhandlungen beteiligt. Die Transaktion sei von Novartis initiiert worden und werde gegenwärtig zwischen Novartis und Roche verhandelt. Der Aktionärspool sei in diese Verhandlungen und Gespräche nicht involviert. Die beiden Vertreter des Aktionärspools im Verwaltungsrat von Roche würden sodann bei der Beschlussfassung über die Transaktion in den Ausstand treten «und somit auch in diesem Gremium keinen Einfluss auf die Entscheidfindung und die Transaktion nehmen» (act. 1/1, Rn 27). Das Weiteren stelle die Transaktion kein Umgehungsgeschäft dar und es lägen auch keine anderen besonderen Umstände vor, welche einer Ausnahme entgegenstünden. Insbesondere führe die Transaktion nicht zu einem Kontrollwechsel. Der Aktionärspool kontrolliere Roche de facto schon heute und hätte dies bereits in der Vergangenheit, nämlich auf Grund der Tatsache, dass in den letzten zehn Jahren nie mehr als 86% der Stimmrechte an der Generalversammlung vertreten gewesen wären, auch immer getan. Die Transaktion ändere somit nichts an der Kontrolle der Generalversammlung durch den Aktionärspool (act. 1/1, Rn 29). Schliesslich macht der Aktionärspool geltend, die Gewährung einer Ausnahme sei auch im Interesse der Minderheitsaktionäre von Roche. Sie und die Genussscheininhaber würden durch die Gewinnverdichtung, die aus der Kapitalherabsetzung resultiere, profitieren (act. 1/1, Rn 30).
[24] Roche ist mit den Anträgen des Aktionärspools einverstanden und hat sich der diesbezüglichen Begründung des Gesuches angeschlossen (act. 4/1 und act. 5/1). Laut Roche wären der Rückkauf und die anschliessende Vernichtung des Novartis-Pakets im Interesse von Roche. Ferner würde die Transaktion zur gewünschten Entflechtung von Novartis und Roche führen, die ja auf diversen globalen Märkten in direktem Wettbewerbsverhältnis stünden. Die aus der Transaktion folgende Verdichtung der Beteiligung des Aktionärspools an Roche würde schliesslich nicht zu einem Kontrollwechsel an Roche führen, da der Aktionärspool «seit Jahrzehnten in jeder Generalversammlung der Roche die Mehrheit der vertretenen Stimmrechte vertreten hat» (act. 5/1).
3.4 Rechtliche Würdigung
3.4.1 Aufbau
[25] Nachfolgend wird zunächst die einschlägige Praxis des Bundesgerichts und der FINMA (Ziff. 3.4.2) sowie der UEK (Ziff. 3.4.3) zur Ausnahmegewährung vorgestellt. Anschliessend wird untersucht, ob dem Aktionärspool eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt werden kann (Ziff. 4.4). Abschliessend wird ein Fazit gezogen (Ziff. 3.4.5).
3.4.2 Praxis des Bundesgerichts und der FINMA zur Ausnahmegewährung
[26] Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist ein Aktionär im Falle eines im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Ausnahmetatbestands berechtigt, eine Ausnahme zu erhalten, es sei denn, besondere Umstände im Einzelfall würden dagegen sprechen. Weiter hat das Bundesgericht festgestellt, dass der Ausnahmetatbestand grosszügig auszulegen und die Ausnahme zu gewähren sei, wenn keine Indizien für ein Umgehungsgeschäft vorliegen oder andere Gründe dagegen sprechen. Wörtlich hat das Bundesgericht Folgendes festgehalten (BGE 130 II 530, 563 f., Erw. 7.4.3 und 7.4.4):
«7.4.3 Nach Art. 32 Abs. 2 BEHG kann die Aufsichtsbehörde «in berechtigten Fällen» Ausnahmen gewähren. Die Buchstaben a bis e nennen Situationen, in denen «namentlich» solche möglich sind. Mit dieser nicht abschliessenden Aufzählung, die im Entwurf des Bundesrates noch nicht enthalten war, wollte die Bundesversammlung die wesentlichen Ausnahmefälle regeln und die in der Botschaft vorgesehenen Möglichkeiten erweitern (AB 1995 N 580 f. [Berichterstatter David und Couchepin]); zudem sollte dadurch Klarheit und Sicherheit geschaffen werden (AB 1995 S 352 [Berichterstatter Cottier]). Bei den in Art. 32 Abs. 2 BEHG genannten Tatbeständen wird vermutet, dass sich eine Ausnahme rechtfertigt, es sei denn, besondere Umstände im Einzelfall sprächen dagegen (Köpfli, a.a.O., S. 186 und 189).
7.4.4 (…) Als Korrelat hierzu ist der Ausnahmetatbestand von Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHG grosszügig auszulegen und die Ausnahme zu gewähren, wenn keine Indizien auf ein Umgehungsgeschäft deuten oder andere Gründe dagegen sprechen. Sind die Tatbestandselemente von Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHG erfüllt, darf die Bankenkommission eine Ausnahme nur verweigern, wenn sie solche Gründe dartun kann.»
[27] Die FINMA hat zudem in einem jüngeren Entscheid festgehalten, dass Ausnahmen auf Grund der einschneidenden Rechtsfolgen der Angebotspflicht im Zweifel zu gewähren sind (Verfügung des Übernahme- und Staatshaftungsausschusses der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA vom 6. Dezember 2019 in Sachen SCHMOLZ+BICKENBACH AG, Rn 35).
3.4.3 Praxis der UEK zur Ausnahmegewährung nach Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG
[28] Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme nach Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG gewährt werden kann, würdigt die UEK auf Grund der individuell-konkreten Umstände des Einzelfalls.
[29] In der Empfehlung 27/01 vom 25. Februar 1999 in Sachen Julius Bär Holding AG wurde von der UEK festgestellt, dass die Ausnahme nach Art. 32 Abs. 2 lit. b aBEHG (heute Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG mit gleichem Wortlaut) insbesondere dann gerechtfertigt sei, wenn der Grenzwert (passiv) überschritten wird, nachdem er kurz zuvor (aktiv) unterschritten wurde (Empfehlung 27/01 vom 25. Februar 1999 in Sachen Julius Bär Holding AG, Erw. 5.2).
[30] In der Empfehlung 93/01 vom 2. April 2001 in Sachen Helvetia Patria Holding AG wurde eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt. Diesem Entscheid lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die Zielgesellschaft beabsichtigte, ein Aktienrückkaufprogramm zwecks Vernichtung der zurückgekauften Aktien durchzuführen. Dies hätte dazu führen können, dass die Grossaktionärin Patria Genossenschaft, welche vor dem Rückkaufprogramm eine Beteiligung von 38.9% an der Zielgesellschaft hielt, die statutarische Schwelle der Angebotspflicht von 40% überschritten hätte. Die Grossaktionärin beabsichtigte in jenem Fall, durch den Verkauf von Titeln der Helvetia Patria Holding AG den Grenzwert baldmöglichst wieder zu unterschreiten. Die Befreiung von der Angebotspflicht wurde somit unter der Auflage gewährt, dass die Beteiligung der Grossaktionärin innert dreier Monate nach dem Überschreiten des Grenzwerts wieder unter den Grenzwert abgebaut wurde (Empfehlung 93/01 vom 2. April 2001 in Sachen Helvetia Patria Holding AG, Erw. 1.2 und 3).
[31] In einer unveröffentlichten Verfügung 589/01 vom 11. Februar 2015 hat die UEK den Gesuchstellern eine Ausnahme von der Angebotspflicht nach Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG (damals Art. 32 Abs. 2 lit. b aBEHG) verweigert. In jenem Fall ging es um einen öffentlichen Aktienrückkauf durch die Gesellschaft, an dem die Gruppe des Hauptaktionärs allenfalls nicht teilgenommen hätte. Bei einer Nicht- oder nur teilweisen Teilnahme am Aktienrückkauf hätte der Grenzwert von 33 ⅓% der Stimmrechte durch diese Gruppe überschritten werden können. Die UEK gewährte keine Ausnahme von der Angebotspflicht, weil die Aktionärsgruppe proportional am Rückkauf hätte teilnehmen können und so ihre Beteiligung an der Zielgesellschaft nicht über 33 ⅓% der Stimmrechte der Zielgesellschaft hätte anheben müssen. Eine Teilnahme wäre laut UEK dabei möglich gewesen, ohne dass ein Kursverlust eingetreten wäre. Ausserdem hätte die Gewährung einer Ausnahme infolge Vernichtung der zurückgekauften Aktien der betroffenen Gesellschaft eine «schleichende Übernahme» durch den dann beherrschenden Aktionär bewirken können. Zudem ging die UEK davon aus, dass die durch die Ausnahme allenfalls begünstigte Aktionärsgruppe den Aktienrückkauf initiierte oder zumindest wesentlich auf die entsprechende Beschlussfassung des Verwaltungsrats Einfluss genommen hatte. Namentlich hat die UEK in dieser Verfügung Folgendes festgestellt (nicht publizierte Verfügung 589/01 vom 11. Februar 2015, Rn 8):
«Positiv gewendet soll die Ausnahme grundsätzlich dann gewährt werden, wenn die Überschreitung der Schwelle unfreiwillig erfolgt (« lorsque le franchissement du seuil est involontaire du point de vue de celui qui s’en prévaut », Henry Peter/Pascal Bovey, Droit suisse des OPA, Bern 2013, Rn. 431). Im Ergebnis müssen im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. b BEHG [heute Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG] die Interessen eines bestehenden Grossaktionärs und die Interessen der Minderheitsaktionäre gegeneinander abgewogen werden (vgl. Eggen, a.a.O., S. 68).»
3.4.4 Gewährung einer Ausnahme für den Aktionärspool
3.4.4.1 Überschreitung der Schwelle von 50% der Stimmrechte aus einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte
[32] Gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG kann die UEK eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewähren, wenn die Überschreitung des Grenzwertes aus einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte der Gesellschaft resultiert.
[33] Der Aktionärspool hielt beim Inkrafttreten des aBEHG mehr als 50% der Stimmrechte von Roche und unterschritt diesen Schwellenwert im Jahr 2011 (vgl. Sachverhalt lit. C). Als Folge der Transaktion würde der Aktionärspool den Grenzwert von 50% gemäss Art. 37 FinfraV-FINMA wieder überschreiten.
[34] Die Voraussetzungen von Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG sind in diesem Fall erfüllt, zumal der Aktionärspool den Grenzwert von 50% der Stimmrechte an Roche lediglich deshalb überschreiten wird, weil die Gesamtzahl der Stimmrechte an Roche infolge der Transaktion verringert werden soll. In der Folge wird untersucht, ob Indizien vorliegen, die auf ein Umgehungsgeschäft deuten oder ob andere Gründe gegen die Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht sprechen.
3.4.4.2 Fehlen von Indizien für ein Umgehungsgeschäft
[35] Vorliegend sind keine Indizien für ein Umgehungsgeschäft erkennbar. Der Aktionärspool hat die Transaktion weder initiiert noch mitverhandelt. Er strebt die Erlangung einer weitergehenden Kontrolle über Roche nicht aktiv an. Er hat auch keinen Einfluss auf die Entscheidfindung über die Transaktion im Verwaltungsrat von Roche genommen (vgl. Rn [23] oben). Insofern erfolgt die Überschreitung der Schwelle von 50% der Stimmrechte an Roche durch den Aktionärspool unfreiwillig.
[36] Zu berücksichtigen ist ausserdem, dass der Verwaltungsrat von Roche – ohne Mitwirkung der beiden Vertreter des Aktionärspools – der Transaktion zugestimmt hat und diese als im Interesse von Roche liegend betrachtet (vgl. Rn [24] oben). Gemäss dem Aktionärspool wäre er nach dieser Beurteilung durch den Verwaltungsrat bereit, einer Kapitalherabsetzung zur Vernichtung der zurückgekauften Aktien in einer Generalversammlung von Roche zuzustimmen, damit die aktienrechtlichen Bestimmungen von Art. 659 OR und die steuerlichen Vorgaben eingehalten werden können (act. 1/1, Rn. 27). Insofern wäre der Aktionärspool beim Vollzug der Transaktion, nicht jedoch bei der Entscheidfindung über die Transaktion im Verwaltungsrat von Roche beteiligt, würde sich sonst aber neutral verhalten. Der Umstand, dass der Aktionärspool seine Aktionärsrechte anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung, an welcher über die Kapitalherabsetzung beschlossen werden muss, ausüben wird, ändert nichts an der unfreiwilligen Überschreitung des Grenzwertes von 50% der Stimmrechte an Roche durch den Aktionärspool. Bei diesem Beschluss der Generalversammlung handelt es sich ferner auch um ein gesellschaftsrechtliches Erfordernis im Zusammenhang mit der Transaktion.
[37] Mit Blick auf die Interessen der Minderheitsaktionäre ist sodann zu berücksichtigen, dass sich nach Vollzug der Transaktion die Kontrollverhältnisse an Roche nicht wesentlich ändern würden. Der Aktionärspool beherrscht Roche bereits mit seiner aktuellen Beteiligung de facto (vgl. die Ausführungen des Aktionärspools und von Roche in Rn [23] oben). Faktisch könnte der Aktionärspool den gesamten Verwaltungsrat eigenmächtig bestimmen und mithin auch die strategische Ausrichtung von Roche festlegen. Daran ändert sich durch die Erhöhung der Beteiligung des Aktionärspools auf rund 67% der Stimmrechte nichts Entscheidendes, zumal das Recht der öffentlichen Angebote gemäss Art. 125 ff. FinfraG keine unterschiedlichen Abstufungen der Beherrschung vorsieht. Die Interessen der Minderheitsaktionäre werden des Weiteren durch die Transaktion kaum tangiert. Die Minderheitsaktionäre und die Genussscheininhaber profitieren gar durch die Gewinnverdichtung, die aus der Kapitalherabsetzung resultiert.
3.4.5 Fazit: Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht nach Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG
[38] Nachdem im konkreten Fall der von Gesetzes wegen vorgesehene Ausnahmetatbestand von Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG gegeben ist (Rn [32] – [34]) und keine Indizien auf das Vorliegen eines Umgehungstatbestands hindeuten (Rn [35] – [37]), ist dem Aktionärspool eine Ausnahme von der Angebotspflicht zu gewähren.
4. Stellungnahme des Verwaltungsrates
[39] Der Verwaltungsrat einer Zielgesellschaft hat im Verfahren betreffend Angebotspflicht eine Stellungnahme abzugeben (vgl. Art. 61 Abs. 1 UEV).
[40] Roche hat vorliegend eine Stellungnahme abgegeben, ist mit den Anträgen des Aktionärspools einverstanden und schliesst sich der diesbezüglichen Begründung des Gesuches an (vgl. act. 4/1 und act. 5/1).
5. Publikation
[41] Gemäss Art. 61 Abs. 3 UEV ist eine Zielgesellschaft, sofern der UEK ein Gesuch auf Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht eingereicht wurde (vgl. Art. 61 Abs. 1 UEV), verpflichtet, Folgendes zu veröffentlichen: (i) eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrates, (ii) das Dispositiv der Verfügung der UEK und (iii) den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der UEK erheben kann. Art. 6 f. UEV sind auf diese Veröffentlichung anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).
[42] Kommt die Transaktion zu Stande, werden sowohl Roche als auch Novartis die Transaktion gemäss den Regeln über die Ad hoc-Publizität der SIX veröffentlichen. Entsprechend beantragt die Aktionärsgruppe, dass die Verfügung erst nach Rücksprache mit ihr, spätestens aber am Tag nach der Ankündigung der Transaktion durch Roche und Novartis veröffentlicht wird (Gesuch, Antrag 3; act. 1/1, Rn 34).
[43] Die vorliegende Verfügung wird antragsgemäss gestützt auf Art. 61 Abs. 2 UEV erst nach Rücksprache mit dem Aktionärspool, spätestens aber am Tag nach der Bekanntgabe der Transaktion durch Roche und Novartis, auf der Webseite der UEK veröffentlicht.
6. Gebühr
[44] Gemäss 118 Abs. 1 Satz 1 FinfraV erhebt die UEK für die Prüfung von Gesuchen betreffend das Bestehen einer Angebotspflicht eine Gebühr. Diese Gebühr beträgt je nach Umfang und Schwierigkeit des Falles bis zu CHF 50'000 (Art. 118 Abs. 2 FinfraV).
[45] Angesichts von Komplexität und Umfang der vorliegend zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen beträgt die Gebühr zu Lasten des Aktionärspools CHF 50'000.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. | André Hoffmann, Marie-Anne Hoffmann, Vera Michalski, Alexander Hoffmann, Frederic Hoffmann, Isabel Hoffmann, Lucas Hoffmann, Marina Hoffmann, Kasia Barbotin-Larrieu, Tatiana Fabre, Andreas Oeri, Catherine Oeri, Sabine Duschmalé, Jörg Duschmalé, Lukas Duschmalé und der Stiftung Wolf wird eine Ausnahme von der Angebotspflicht im Zusammenhang mit der vorliegenden Transaktion mit Blick auf die Roche Holding AG gestützt auf Art. 136 Abs. 1 lit. b FinfraG gewährt. |
2. | Die vorliegende Verfügung wird nach Rücksprache mit André Hoffmann, Marie-Anne Hoffmann, Vera Michalski, Alexander Hoffmann, Frederic Hoffmann, Isabel Hoffmann, Lucas Hoffmann, Marina Hoffmann, Kasia Barbotin-Larrieu, Tatiana Fabre, Andreas Oeri, Catherine Oeri, Sabine Duschmalé, Jörg Duschmalé, Lukas Duschmalé und der Stiftung Wolf, spätestens aber am Tag nach der Bekanntgabe der Transaktion durch Roche Holding AG und Novartis AG, auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht. |
3. |
Die Gebühr zu Lasten von André Hoffmann, Marie-Anne Hoffmann, Vera Michalski, Alexander Hoffmann, Frederic Hoffmann, Isabel Hoffmann, Lucas Hoffmann, Marina Hoffmann, Kasia Barbotin-Larrieu, Tatiana Fabre, Andreas Oeri, Catherine Oeri, Sabine Duschmalé, Jörg Duschmalé, Lukas Duschmalé und der Stiftung Wolf beträgt unter solidarischer Haftung CHF 50'000. |
Der Präsident:
Thomas A. Müller
Diese Verfügung geht an die Partei:
- | André Hoffmann, Marie-Anne Hoffmann, Vera Michalski, Alexander Hoffmann, Frederic Hoffmann, Isabel Hoffmann, Lucas Hoffmann, Marina Hoffmann, Kasia Barbotin-Larrieu, Tatiana Fabre, Andreas Oeri, Catherine Oeri, Sabine Duschmalé, Jörg Duschmalé, Lukas Duschmalé und die Stiftung Wolf, vertreten durch Dr. Rudolf Tschäni, Tino Gaberthüel und Simone Ehrsam, Lenz & Staehelin, Zürich; |
- | Roche Holding AG, vertreten durch Dr. Heinz Schärer, Dr. David Oser und Micha Fankhauser, Homburger AG, Zürich. |
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):
Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 3 UEV).