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0877 - HOCHDORF Holding AG

Verfügung 877/01 vom 29. Juli 2024

Gesuch um Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht mit Blick auf HOCHDORF Holding AG

 Sachverhalt:

A.
HOCHDORF Holding AG (Hochdorf Holding oder die Zielgesellschaft) ist eine seit dem 18. September 1897 im Handelsregister des Kantons Luzern eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz in Hochdorf (UID: CHE-102.468.656). Zweck von Hochdorf Holding sind der Erwerb, das Halten, die Verwaltung, die Veräusserung und die Finanzierung von Beteiligungen an Gesellschaften, insbesondere im Nahrungsmittel- und Getränkebereich, ebenso wie der Erwerb, die Verwaltung und die Verwertung von Lizenzen, Patenten und Marken und der Erwerb, die Bewirtschaftung und die Veräusserung von Immobilien. Das Aktienkapital von Hochdorf Holding beträgt CHF 21'517'570.00 und ist eingeteilt in 2'151'757 vinkulierte Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 10.00 (die Hochdorf Holding-Aktien).

Die Hochdorf Holding-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) kotiert (Valorensymbol: HOCN; ISIN: CH0024666528; Valorennummer: 2466652). Die Statuten von Hochdorf Holding enthalten weder eine Opting out- noch eine Opting up-Bestimmung.

B.
Gemäss der Datenbank der SIX Exchange Regulation betreffend bedeutende Aktionäre halten per 29. Juli 2024 folgende Aktionäre mehr als 3% der Stimmrechte von Hochdorf Holding:

    • Newlat Group SA, 6900 Paradiso, Schweiz, hält seit dem 3. Mai 2024 als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 209'631 Hochdorf Holding-Aktien, was 9.715% der Stimmrechte von Hochdorf Holding entspricht.

    • Amir Mechria, 1057 – la Marsa – Tunis, Tunesien, hält seit dem 1. Januar 2022 als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 431'000 Hochdorf Holding-Aktien, was 20.03% der Stimmrechte von Hochdorf Holding entspricht.

    • Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP, 6002 Luzern, Schweiz, hält seit dem 14. April 2020 als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 386'328 Hochdorf Holding-Aktien, was 17.95% der Stimmrechte von Hochdorf Holding entspricht.

    • Hochdorf Holding hält seit dem 4. November 2019 als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 29'738 eigene Hochdorf Holding-Aktien, was 2.07% der Stimmrechte von Hochdorf Holding entspricht, und Veräusserungspositionen auf Hochdorf Holding-Aktien, die 27.43% der Hochdorf Holding-Aktien entsprechen.

    • Hardy P. Weiss, Françoise Weiss, Hardy R. Weiss und Raphael F. Weiss, alle 8832 Wollerau, Schweiz, sowie Claudia C. Weiss, 8572 Berg, Schweiz, halten als organisierte Gruppe i.S.v. Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA seit dem 28. März 2017 als wirtschaftlich berechtigte Personen i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 76'707 Hochdorf Holding-Aktien sowie 54'961 Beteiligungsderivate i.S.v. Art. 15 Abs. 2 FinfraV-FINMA, was 9.18% der Stimmrechte von Hochdorf Holding entspricht.

C.
Mit Eingabe vom 16. Juli 2024 gelangte AS Equity Partners Switzerland GmbH (AS Equity oder die Käuferin) an die Übernahmekommission (UEK) und stellte folgende Anträge in deren Gesuch (das Gesuch; act. 1/1):

«1. Es sei festzustellen, dass der Kauf von (i) 100% der Aktien der HOCHDORF Swiss Nutrition AG ("HSN"), (ii) lntercompany-Forderungen von HOCHDORF Holding AG ("Hochdorf Holding") gegenüber HSN in der Höhe von rund CHF 172 Mio. und (iii) Forderungen von Hochdorf Holding gegenüber einer Drittpartei in der Höhe von rund CHF 11 Mio. durch die Gesuchstellerin resp. eine mit ihr verbundene Gesellschaft die Angebotspflicht nach Art. 135 Abs. 1 FinfraG nicht auslöst.

2. Die Verfügung der Übernahmekommission sei frühestens zeitgleich mit der Veröffentlichung der ad hoc-Mitteilung der Hochdorf Holding betreffend Ankündigung der Transaktion gemäss Ziff. 1 oben zu veröffentlichen, d.h. auf eine Veröffentlichung der Verfügung der Übernahmekommission sei zu verzichten, sofern der Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) in Bezug auf die Transaktion gemäss Ziff. 1 oben nicht unterzeichnet wird.»

Auf die Begründung der Anträge des Gesuchs wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

D.
Hochdorf Holding (gemeinsam mit all ihren Tochtergesellschaft die Hochdorf-Gruppe) ist die an der SIX kotierte Dachgesellschaft der Hochdorf-Gruppe und bildet die Schnittstelle zum Kapitalmarkt. Gemäss dem Verwaltungsrat von Hochdorf Holding (der Verwaltungsrat) ist die HOCHDORF Swiss Nutrition AG (HSN) die wichtigste operative Gesellschaft der Hochdorf-Gruppe. HSN war für ca. 99% des Umsatzes der Hochdorf-Gruppe im Geschäftsjahr 2023 verantwortlich. Die übrigen Tochtergesellschaften sind heute gemäss Verwaltungsrat «aus kommerzieller und operativer Sicht wenig bedeutend, zumal sich all diese Gesellschaften in Liquidation befinden oder inaktiv sind» (act. 1/1, Rn 3).

E.
Im Jahr 2017 hat Hochdorf Holding eine an der SIX kotierte (HOC171), nachrangige Anleihe mit einer unendlichen Laufzeit (die Hybrid-Anleihe) im Umfang von CHF 125 Mio. begeben. Bis zum 31. Dezember 2023 sind kumulierte Zinsen im Umfang von ca. CHF 13.9 Mio. aufgelaufen (vgl. act. 1/2), welche aufgrund der Anleihensbedingungen nicht ausbezahlt werden mussten. Aufgrund der angespannten Ertragslage musste Hochdorf Holding gemäss dem Verwaltungsrat regelmässig von ihrem Recht Gebrauch machen, diese Zinsverbindlichkeiten zu passivieren. Dies belastet die Bilanz von Hochdorf Holding zusammen mit dem Nominalbetrag der Anleihe beträchtlich (act. 1/1, Rn 5).

F.
Aus operativer Sicht hat sich die Liquiditätssituation der Hochdorf-Gruppe gemäss dem Verwaltungsrat in den letzten Monaten im Verhältnis zum Geschäftsvolumen der Hochdorf-Gruppe auf tiefem Niveau stabilisiert. Die durch den Verwaltungsrat und das Management von Hochdorf Holding ergriffenen Restrukturierungsmassnahmen haben gemäss dem Verwaltungsrat zu einem positiven Geldfluss aus der operativen Geschäftstätigkeit geführt. Dennoch stehen aus Sicht des Verwaltungsrats – ausgehend von der realistisch erzielbaren Ertragskraft und dem erheblichen, nicht finanzierbaren (aufgestauten) Investitionsbedarf – einer langfristigen finanziellen Gesundung der Hochdorf-Gruppe zu hohe finanzielle Altlasten in der Form der Hybrid-Anleihe entgegen (act. 1/1, Rn 6).

G.
Die Hybrid-Anleihe hat gemäss dem Verwaltungsrat aufgrund ihrer speziellen Bestimmungen die Aktionäre finanziell zurückgesetzt. So dürfen gemäss dem Verwaltungsrat keine Dividenden an Aktionäre ausbezahlt werden, solange die Zinszahlungen für die Hybrid-Anleihe ausgesetzt bleiben. Insbesondere deshalb ist die Hochdorf-Gruppe zum Schluss gekommen, dass die Möglichkeit der Aufnahme neuer Eigenmittel am Kapitalmarkt praktisch aussichtslos ist. Eine vollständige oder teilweise Rückzahlung der Hybrid-Anleihe sei – soweit absehbar – selbst mit einem operativ gesunden Geschäft und anhand der realistisch zu erwartenden Ertragslage aufgrund des erheblichen Investitionsrückstands und der sich laufend erhöhenden und kumulierenden Zinsverpflichtungen nicht realistisch (act. 1/1, Rn 7).

H.
Entsprechend erwartet der Verwaltungsrat von Hochdorf Holding, dass «schon die sich laufend kumulierenden Zinsverpflichtungen aus der Hybrid-Anleihe in der Konsequenz zu einer Überschuldung der Hochdorf Holding führen werden, mit entsprechenden negativen Auswirkungen für die ganze Hochdorf-Gruppe, insbesondere die operative Tochtergesellschaft HSN.» Gestützt darauf hat der Verwaltungsrat verschiedene Handlungsoptionen vertieft geprüft und entschieden, in der aktuellen Situation den Verkauf der HSN zu verfolgen (act. 1/1, Rn 8).

I.
Gemäss den Angaben im Gesuch beabsichtigt nun die Käuferin, von Hochdorf Holding (i) 100% der Aktien der HSN, (ii) Intercompany-Forderungen von Hochdorf Holding gegenüber HSN in der Höhe von rund CHF 172 Mio. und (iii) Forderungen von Hochdorf Holding gegenüber einer Drittpartei in der Höhe von rund CHF 11 Mio. zu erwerben (die Transaktion; act. 1/1, Rn 9).

J.
Hochdorf Holding hat am 5. März 2024 und bei der Bekanntgabe ihrer Jahresresultate am 21. März 2024 der Öffentlichkeit mittels Ad hoc-Mitteilungen mitgeteilt, dass bei den Sanierungsbemühungen der Fokus auf einen möglichen Beteiligungsverkauf oder auf Teilverkäufe gelegt wird. Bei früheren Sondierungen ist dem Verwaltungsrat klar geworden, dass «keine realistische Aussicht besteht, Investoren oder Käufer für die gesamte Hochdorf-Gruppe, insbesondere die hoch verschuldete, börsenkotierte Hochdorf Holding zu finden, die deren Fortbestand sichern würde.» Aus diesem Grund soll nun HSN, in welcher das operative Geschäft zusammengefasst ist, verkauft werden (act. 1/1, Rn 10).

K.
Die Käuferin plant, mit Hochdorf Holding einen Kaufvertrag betreffend den Verkauf der Aktien von HSN und der weiteren zur Transaktion gehörenden Assets abzuschliessen (der Kaufvertrag). Der Kaufvertrag soll im Rahmen einer zunächst stillen, provisorischen Nachlassstundung in Absprache mit dem einzusetzenden Sachwalter und nach Erteilung der Ermächtigung durch das Nachlassgericht (formeller Entscheid betreffend Ermächtigung zum Vollzug des Kaufvertrags gemäss Art. 298 Abs. 2 SchKG) vollzogen werden. Es ist beabsichtigt, mit den Gläubigern von Hochdorf Holding im weiteren Verlauf des Nachlassverfahrens einen Nachlassvertrag abzuschliessen (act. 1/1, Rn 11).

L.
Der Kaufvertrag und die vorliegende Transaktion sollen unter mehreren Vollzugsbedingungen stehen: (i) einer Ermächtigung zum Vollzug des Kaufvertrags durch das Nachlassgericht, (ii) der Genehmigung durch die Generalversammlung von Hochdorf Holding sowie (iii) des Vorliegens einer rechtskräftigen Verfügung der UEK, welche die fehlende Angebotspflicht feststellt (act. 1/1, Rn 12).

M.
Kurz nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags plant Hochdorf Holding ein Gesuch um provisorische Nachlassstundung betreffend Hochdorf Holding beim zuständigen Nachlassgericht, dem Bezirksgericht Hochdorf (LU), einzureichen. Hochdorf Holding plant, um stille provisorische Nachlassstundung zu ersuchen, d.h. dass diesfalls der Entscheid über die provisorische Nachlassstundung vorerst nicht publiziert wird (act. 1/1, Rn 13).

N.
Nach Gewährung der stillen provisorischen Nachlassstundung soll in Absprache mit dem dannzumal eingesetzten Sachwalter um Ermächtigung zum Vollzug des Kaufvertrags durch Entscheid des Nachlassgerichts ersucht werden (act. 1/1, Rn 14).

O.
Gemäss Angaben im Gesuch plant Hochdorf Holding, «zur Wahrung und Erreichung des existentiell wichtigen Sanierungszwecks, die Transaktion bis zum Entscheid des Nachlassgerichts betreffend Ermächtigung zum Vollzug des Kaufvertrages im Rahmen einer provisorischen Nachlassstundung im Einklang mit den SER-Regularien aufzuschieben.» Eine frühere Ad hoc-Mitteilung von Seiten von Hochdorf Holding soll nur veröffentlicht werden, wenn die stille provisorischen Nachlassstundung vom Gericht verweigert würde oder im Falle eines etwaigen Leak (act. 1/1, Rn 15, S. 5).

P.
Sobald das Nachlassgericht über die Ermächtigung zum Vollzug des Kaufvertrags entschieden hat, wird Hochdorf Holding zu einer ausserordentlichen Generalversammlung einladen, um die Transaktion vorab genehmigen zu lassen, da es sich beim Verkauf von HSN um eine faktische Liquidation handelt. Ob dieser Beschluss der Generalversammlung zur Genehmigung der Transaktion als formeller Liquidationsbeschluss gefasst werden soll, ist im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs noch nicht geklärt. Wahrscheinlich ist ferner, dass schon die ausserordentliche Generalversammlung über die Dekotierung der Hochdorf Holding-Aktien beschliessen wird. Sowohl für die Genehmigung der Transaktion als auch für die Dekotierung ist ein qualifiziertes Mehr von 2/3 der vertretenen Aktienstimmen und der Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte notwendig (Art. 704 OR; act. 1/1, Rn 16).

Q.
Sofern die Generalversammlung von Hochdorf Holding die Transaktion genehmigt, wird diese, soweit nicht noch weitere Vollzugsbedingungen zu erfüllen sind, in der Folge vollzogen. Der durch den Verkauf von HSN erzielte Erlös soll dabei vollumfänglich Hochdorf Holding zukommen, wobei zu beachten ist, dass der effektiv an Hochdorf Holding gehende Verkaufserlös aufgrund der substantiellen direkten Bankverschuldung von HSN von rund CHF 67 Mio. beträchtlich verringert sein wird (act. 1/1, Rn 15, S. 6).

R.
Es ist sodann gemäss dem Verwaltungsrat «nicht davon auszugehen, dass der Transaktionserlös ausreichen wird, um die Hybrid-Anleihe in vollem oder signifikantem Umfang zurückzubezahlen». Die Hybrid-Anleihe wird zurzeit in einem volatilen Markt zu ca. 20.9% gehandelt. Die Aktionäre von Hochdorf Holding müssen somit gemäss Verwaltungsrat davon ausgehen, «dass sie keine Dividende erhalten und schliesslich leer ausgehen werden» (act. 1/1, Rn 17).

S.
Sobald wie möglich nach dem Vollzug des Kaufvertrags soll gemäss dem Verwaltungsrat ein Nachlassvertrag betreffend Hochdorf Holding geschlossen werden, um den Gläubigern einen möglichst grossen Teil ihrer Forderungen, insbesondere aus der Hybrid-Anleihe zurückzuzahlen. Der Verwaltungsrat geht nicht davon aus, «dass die Hochdorf Holding danach noch über Eigenkapital verfügen wird und die Aktionäre eine Dividende aus dem Nachlass erhalten werden, da die Forderungen aus der Hybrid-Anleihe den der Hochdorf Holding effektiv zufliessenden Verkaufserlös wohl signifikant übersteigen werden.» Nach dem Closing dürfte der Verwaltungsrat wohl auch um die Dekotierung von Hochdorf Holding von der SIX ersuchen (act. 1/1, Rn 18).

T.
Kann HSN nicht wie beschrieben von der Käuferin erworben werden oder treten die vorgenannten Vollzugsbedingungen, insbesondere die Genehmigung durch die Generalversammlung von Hochdorf Holding, nicht ein, wird «Hochdorf Holding gemäss dem Verwaltungsrat zumindest mittelfristig, im worst case scenario auch unmittelbar nach dem Scheitern der Transaktion, Konkurs anmelden müssen» (act. 1/1, Rn 19). In jedem Fall kann gemäss dem Verwaltungsrat «in keinem realistischen Szenario von einem mittelfristigen Weiterbestehen der Hochdorf Holding ausgegangen werden.» Hochdorf Holding wird liquidiert werden, «entweder kraft Liquidationsbeschlusses ihrer Aktionäre oder in einem Verfahren nach SchKG» (act. 1/1, Rn 20).

U.
Mit E-Mail vom 17. Juli 2024 teilte Hochdorf Holding der UEK mit, dass sie Kenntnis von der Transaktion hat und das Gesuch unterstützt. Der Verwaltungsrat von Hochdorf Holding beabsichtigt zudem keine weitere Stellungnahme zum Gesuch i.S.v. Art. 61 Abs. 1bis UEV und Art. 61 Abs. 3 lit. a UEV abzugeben (act. 5).

V.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus der Präsidentin Mirjam Eggen, Isabelle Chabloz und Mario Rossi gebildet.

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.  Feststellungsinteresse

[1] Für Verfahren vor der UEK gelten unter Vorbehalt der Bestimmungen gemäss Art. 139 Abs. 2 – 5 FinfraG die Normen des VwVG (Art. 139 Abs. 1 FinfraG). Nach Art. 25 Abs. 1 VwVG kann über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten auf Begehren eine Feststellungsverfügung erlassen werden. Einem Begehren um Erlass einer solchen Verfügung ist gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse daran nachweist. Gemäss Praxis ist ein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse gegeben, wenn für den Gesuchsteller eine direkte und aktuelle Unklarheit über die Rechtslage besteht, die mittels einer Feststellungsverfügung geklärt werden kann (Verfügung 858/01 vom 1. November 2023 in Sachen VT5 Acquisition Company AG, Rn 1; Verfügung 849/02 vom 15. August 2023 in Sachen Schaffner Holding AG, Rn 1).

[2] Vorliegend hat die Käuferin ein schutzwürdiges, direktes und aktuelles Interesse an der Klärung der Frage, ob die Transaktion eine Angebotspflicht nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslöst. Auf das Gesuch wird somit eingetreten.

2.  Die Angebotspflicht nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG

2.1 Rechtliche Grundlagen und Praxis

[3] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss derjenige, welcher direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere dieser Gesellschaft unterbreiten.

[4] Als Zielgesellschaft gilt nach Art. 125 Abs. 1 FinfraG namentlich eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz kotiert sind (lit. a), oder eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz hauptkotiert sind (lit. b).

[5] Zweck der Angebotspflicht ist der Schutz der Minderheitsaktionäre vor einem Kontrollwechsel. Im Falle eines Kontrollwechsels sollen die Minderheitsaktionäre eine Ausstiegsmöglichkeit zu einem angemessenen Preis erhalten. Die Regeln über das Pflichtangebot gehen dabei implizit davon aus, dass die Zielgesellschaft, die Gegenstand eines Kontrollwechsels ist, weiter bestehen kann, sobald die im jeweiligen Einzelfall relevante Transaktion durchgeführt worden ist. Vorbehalten bleiben allfällige Fusions- und Umgehungstatbestände.

[6] Nach Praxis der UEK ist das Übernahmerecht ausnahmsweise auch ohne Kotierung anzuwenden, wenn sich ein Kaufangebot auf nicht kotierte Beteiligungspapiere einer neu gegründeten Zielgesellschaft bezieht, die aus der Spaltung einer kotierten Gesellschaft hervorgeht, da es sich in einer solchen Fallkonstellation materiell um ein Kaufangebot auf einen Teil einer kotierten Gesellschaft handelt. Der Zweck des Übernahmerechts, den Prinzipien der Transparenz, der Lauterkeit und der Gleichbehandlung sowie dem Schutz der Minderheitsaktionäre zum Durchbruch zu verhelfen, gebietet es nämlich, die übernahmerechtlichen Bestimmungen auf einen solchen Fall analog anzuwenden, obwohl es (formal) an der Voraussetzung der Kotierung der Aktien der Zielgesellschaft fehlt (Verfügung 566/02 vom 24. Februar 2014 in Sachen Walter Meier AG / WM Technologie AG, Rn 2; Verfügung 406/01 vom 17. März 2009 in Sachen Hammer Retex Holding AG, Rn 2 m.w.H.).

[7] Ferner hat die UEK im Fall der Verfügung 600/01 vom 22. April 2015 in Sachen Kaba Holding AG in Rn 1 festgehalten, dass aufgrund der dort vorgesehenen, komplexen Transaktionsstruktur nicht auszuschliessen ist, dass jene Transaktion «als Implementierung eines Kontrollwechsels bei gleichzeitiger Umgehung der Angebotspflicht qualifiziert werden könnte, was die Frage einer allfälligen Angebotspflicht aufwerfen würde.» In jenem Fall wurde der die Angebotspflicht auslösende Schwellenwert nicht erreicht und der potenzielle Kontrollwechsel ereignete sich nicht auf Stufe der kotierten Kaba Holding AG, sondern auf Stufe der Joint Venture-Gesellschaft, über welche das operative Geschäft der kotierten Kaba Holding AG lief (vgl. Verfügung 600/01 vom 22. April 2015 in Sachen Kaba Holding AG, Sachverhalt lit. C – N zur dieser Transaktionsstruktur).

2.2 Keine Angebotspflicht bei bevorstehender Nachlassstundung der Zielgesellschaft

[8] Gegenstand der Transaktion ist vorliegend u.a. der Erwerb von 100% der Aktien der nicht kotierten HSN (vgl. Sachverhalt lit. l). Mit Blick auf den Wortlaut von Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG löst ein solcher Erwerb die Angebotspflicht grundsätzlich nicht aus, zumal kein Erwerb von Beteiligungspapieren einer Zielgesellschaft i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 125 Abs. 1 FinfraG vorliegt.

[9] Falls eine beabsichtigte Transaktion nicht eine Umgehung der Angebotspflicht bezweckt, rechtfertigt es sich nicht, davon auszugehen, dass die Angebotspflicht anwendbar ist, wenn nicht Beteiligungspapiere von Zielgesellschaften i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Satz 1 1 i.V.m. Art. 125 Abs. 1 FinfraG Gegenstand dieser Transaktion sind. Vorliegend ist weder auf Seiten der Käuferin noch auf Seiten von Hochdorf Holding eine Umgehungsabsicht in Bezug auf die Angebotspflicht erkennbar. Die Tatsache, dass namentlich die Aktien von HSN und nicht die Hochdorf Holding-Aktien verkauft werden sollen, ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass Hochdorf Holding massiv verschuldet ist. Ein Investment auf Stufe von Hochdorf Holding oder ein Kauf der gesamten Hochdorf-Gruppe wird dadurch faktisch verunmöglicht. Deshalb soll lediglich HSN, in welcher das operative Geschäft zusammengefasst ist, verkauft werden (vgl. Sachverhalt lit. H ff.). Dadurch sollen das operative Geschäft und die daran hängenden Arbeitsplätze gerettet werden, während dagegen die Liquidation von Hochdorf Holding, ob aktienrechtlich oder basierend auf einem SchKG-Verfahren, derzeit unausweichlich erscheint.

[10] Wenn die Transaktion nicht vollzogen werden kann, wird Hochdorf Holding gemäss deren Verwaltungsrat mittelfristig oder vielleicht sogar direkt nach dem Scheitern der Transaktion Konkurs anmelden müssen. Es existiert damit nach den Angaben der Käuferin und von Hochdorf Holding kein realistisches Szenario, in welchem auch nur mittelfristig von einem Weiterbestehen von Hochdorf Holding ausgegangen werden kann. Selbst wenn die Transaktion vollzogen werden kann, wird Hochdorf Holding nicht weiterbestehen können.

[11] Da der Verkauf der Aktien von HSN einer faktischen Liquidation von Hochdorf Holding gleichkommen dürfte, muss diesbezüglich gemäss der Käuferin und dem Verwaltungsrat ein Beschluss der Generalversammlung von Hochdorf Holding vorliegen, welcher die Transaktion mit qualifiziertem Mehr genehmigt. Hochdorf Holding wird laut der Käuferin und dem Verwaltungsrat von Hochdorf Holding in der Folge liquidiert werden müssen – entweder im Rahmen eines Verfahrens nach SchKG oder kraft Liquidationsbeschluss ihrer Aktionäre. Würde die Transaktion die Angebotspflicht auslösen, so würde das bedeuteten, dass die Käuferin ein Pflichtangebot für sämtliche Hochdorf Holding-Aktien veröffentlichen müsste, obwohl Hochdorf Holding nicht weiterbestehen können wird. Das widerspricht dem Zweck der Angebotspflicht, den Minderheitsaktionären im Falle eines Kontrollwechsels eine Ausstiegsmöglichkeit zu gewähren. Zumindest stillschweigend gehen die Regeln über die Angebotspflicht nämlich davon aus, dass die Zielgesellschaft, die Gegenstand eines Kontrollwechsels ist, weiterbestehen wird, nachdem die den Kontrollwechsel bewirkende Transaktion durchgeführt wurde.

[12] Vorbehalten bleiben in diesem Zusammenhang allfällige Fusions- und Umgehungstatbestände. In diesem Fall liegt nach dem derzeitigen Wissensstand der UEK jedoch kein Tatbestand einer Fusion oder einer allfälligen Umgehung der Angebotsplicht vor. Auch keiner der in Rn [6] f. erwähnten Fälle ist mit dem vorliegenden geprüften Sachverhalt vergleichbar.

2.3 Fazit

[13] Bei der geschilderten, ausgewiesenen und konkreten Sach- und Zwangslage kann mit Blick auf Hochdorf Holding damit davon ausgegangen werden, dass die Angebotspflicht i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG für die Käuferin im vorliegenden Fall durch die Transaktion nicht ausgelöst wird. Anzeichen für einen allfälligen Umgehungstatbestand liegen momentan gemäss dem Wissenstand der UEK ebenso keine vor.

[14] Im Lichte der obigen Ausführungen kann damit festgestellt werden, dass der Kauf von (i) 100% der Aktien von HSN, (ii) lntercompany-Forderungen von Hochdorf Holding gegenüber HSN in der Höhe von rund CHF 172 Mio. und (iii) Forderungen von Hochdorf Holding gegenüber einer Drittpartei in der Höhe von rund CHF 11 Mio. durch die Käuferin oder eine von ihr kontrollierte oder sie kontrollierende Gesellschaft die Angebotspflicht nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG nicht auslöst.

3.  Publikation

[15] Nach Art. 61 Abs. 3 UEV veröffentlicht die Zielgesellschaft die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrats (lit. a) und das Dispositiv der Verfügung der UEK (lit. b). Zudem veröffentlicht die Zielgesellschaft den Hinweis, innert welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der UEK erheben kann (Art. 61 Abs. 3 lit. c UEV). Art. 6 und 7 UEV sind auf diese Veröffentlichung anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).

[16] Im vorliegenden Fall beantragen die Gesuchsteller in ihrem Antrag Ziff. 2, dass die Verfügung der UEK frühestens zeitgleich mit der Veröffentlichung der Ad hoc-Mitteilung von Hochdorf Holding betreffend Ankündigung der Transaktion zu veröffentlichen ist. Auf eine Veröffentlichung der Verfügung der UEK sei mithin zu verzichten, sofern der Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) in Bezug auf die Transaktion nicht unterzeichnet wird.

[17] Hochdorf Holding wird verpflichtet, die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrats, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV frühestens zeitgleich mit der Veröffentlichung der Ad hoc-Mitteilung von Hochdorf Holding betreffend Ankündigung der Transaktion zu veröffentlichen.

[18] Die vorliegende Verfügung ist ausserdem gemäss Art. 61 Abs. 2 UEV frühestens unmittelbar nach der Veröffentlichung des Dispositivs dieser Verfügung durch Hochdorf Holding auf der Website der UEK zu veröffentlichen. Die vorliegende Verfügung wird nicht veröffentlicht werden, sofern der Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) in Bezug auf die Transaktion nicht unterzeichnet wird.

 

4.  Gebühr

[19] Nach Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 Abs. 1 FinfraV erhebt die UEK eine Gebühr, wenn sie in anderen Übernahmesachen entscheidet, insbesondere über das (Nicht-)Bestehen einer Angebotspflicht. Die Gebühr beträgt je nach Schwierigkeit und Umfang des Falles bis zu CHF 50'000 (Art. 118 Abs. 2 FinfraV).

[20] Entsprechend dem Umfang und der Schwierigkeit des mit der vorliegenden Verfügung behandelten Sachverhalts wird die Gebühr zu Lasten der Käuferin auf CHF 30'000 festgesetzt.

 

Die Übernahmekommission verfügt:

1. Es wird festgestellt, dass der Kauf von (i) 100% der Aktien von HOCHDORF Swiss Nutrition AG, (ii) lntercompany-Forderungen von HOCHDORF Holding AG gegenüber HOCHDORF Swiss Nutrition AG in der Höhe von rund CHF 172 Mio. und (iii) Forderungen von HOCHDORF Holding AG gegenüber einer Drittpartei in der Höhe von rund CHF 11 Mio. durch AS Equity Partners Switzerland GmbH oder eine von ihr kontrollierte oder sie kontrollierende Gesellschaft die Angebotspflicht nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG nicht auslöst.

2. HOCHDORF Holding AG wird verpflichtet, die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrats, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV frühestens zeitgleich mit der Veröffentlichung der Ad hoc-Mitteilung von HOCHDORF Holding AG betreffend Ankündigung der in der vorliegenden Verfügung beschriebenen Transaktion zu veröffentlichen.

3. Die vorliegende Verfügung ist frühestens unmittelbar nach der Veröffentlichung des Dispositivs dieser Verfügung durch HOCHDORF Holding AG auf der Website der Übernahmekommission zu veröffentlichen.

4. Die Gebühr zu Lasten von AS Equity Partners Switzerland GmbH beträgt CHF 30'000.

 

 

Die Präsidentin:

Mirjam Eggen

 

 

Diese Verfügung geht an:

- AS Equity Partners Switzerland GmbH, vertreten durch Dr. Mariel Hoch und Dominic Leu, Bär & Karrer AG;

-

HOCHDORF Holding AG, vertreten durch Dr. Lorenzo Olgiati und Olivia Wipf, Schellenberg Wittmer AG.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):

Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.

Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):

Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 3 UEV).