Transazioni
0292 - SCHMOLZ + BICKENBACH AG
Empfehlung IV in Sachen SCHMOLZ + BICKENBACH AG vom 20. April 2007
Gesuch der SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG (Wil/SG), der SCHMOLZ + BICKENBACH KG (Düsseldorf/DE), und der Gebuka AG (Neuheim/ZG), um Gewährung einer Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots gemäss Art. 32 BEHG an die Inhaber von Beteiligungspapieren der SCHMOLZ + BICKENBACH AG (Emmen)
A.
Die SCHMOLZ + BICKENBACH AG (vormals Swiss Steel AG; „S+B AG“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Emmen. Sie verfügt über ein Aktienkapital von CHF 300'000'000, eingeteilt in 30'000'000 Namenaktien zu je CHF 10 Nennwert, welche an der SWX Swiss Exchange („SWX“) im Segment SWX Local Caps kotiert sind.
B.
Die SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG („S+B Finanz AG“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Wil/SG. Sie verfügt über ein Aktienkapital von CHF 110'000'000, eingeteilt in 1'100'000 Namenaktien zu je CHF 100 Nennwert. Die S+B Finanz AG wird zu 100% indirekt über die SCHMOLZ + BICKENBACH Stahlcenter AG, Wil/SG („S+B Stahlcenter AG“, vormals Schmolz + Bickenbach AG), von der SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE („S+B KG“), gehalten. Die S+B KG ist eine Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht.
C.
Hauptaktionäre der S+B AG sind die SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG („SBGE“), mit 42.07%, die S+B Finanz AG mit 27.40% und die Schmolz + Bickenbach Beteiligungs GmbH, Deutschland („S+B Beteiligungs GmbH“), mit 5.7%. Die S+B Beteiligungs GmbH wird indirekt über die SCHMOLZ + BICKENBACH Beteiligungs GmbH & Co. KG zu 100% von der S+B KG gehalten. Die gesamte Beteiligung der drei Hauptaktionäre an der S+B AG beträgt 75.17% (Stimm- und Wertrechte).
D.
Die SBGE wird zu 80% indirekt über die S+B Stahlcenter AG von der S+B KG gehalten. Die anderen 20% werden indirekt über die Gebuka AG, Neuheim/ZG („Gebuka“), durch Dr. Gerold Büttiker, Feldbach/ZH, gehalten.
Die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka sind gegenwärtig durch einen Aktionärbindungsvertrag („ABV“) datierend vom 6. Januar 2004 verbunden, welcher durch einen Zusatz vom 13. Mai 2005 abgeändert wurde. Neben gegenseitigen Kaufs- und Vorkaufsrechten regelt der ABV, dass die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka eine ihrem Anteil an der SBGE entsprechende Anzahl Verwaltungsräte für die SBGE und die S+B AG ernennen können, wobei der Gebuka mindestens ein Sitz zukommt und die S+B Stahlcenter AG berechtigt ist, den Präsidenten vorzuschlagen. Der ABV statuiert, das Organisationsreglement der SBGE müsse vorsehen, dass Beschlüsse des Verwaltungsrats der SBGE über die Besetzung des Verwaltungsrates der S+B AG, die Instruktion dieser Verwaltungsratsmitglieder und die Beschlüsse über die Vertretung der Aktienstimmen in der Generalversammlung der S+B AG einstimmig zu treffen sind. Dies wurde im Organisationsreglement der SBGE denn auch gemäss den Vorgaben des ABV festgehalten.
E.
Am 3. Oktober 2006 erliess die Übernahmekommission eine Empfehlung, mit der sie feststellte, dass die S+B KG im Falle einer Durchführung der geplanten Einbringung (mittels Sacheinlage) der SCHMOLZ + BICKENBACH Distributions GmbH durch die S+B KG und der SCHMOLZ + BICKENBACH France S.A.S durch die S+B Finanz AG in die S+B AG gegen Ausgabe von S+B AG Aktien, verpflichtet ist, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der S+B AG zu unterbreiten. Der Antrag der S+B KG und der S+B Finanz AG um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG bzw. Art. 34 Abs. 1 oder Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK wurde abgelehnt. Zudem wurde in der Empfehlung festgehalten, dass den Parteien des ABV im Falle der Uneinigkeit betreffend Stimmrechtsausübung ein „de facto Vetorecht“ zukommt (vgl. Empfehlung vom 3. Oktober 2006 in Sachen Schmolz + Bickenbach AG; nachfolgend „Empfehlung I“) .
F.
Am 10. Oktober 2006 erliess die Übernahmekommission eine Empfehlung, mit der sie das Gesuch der S+B KG und der S+B Finanz AG um Erstreckung der Frist für die Ablehnung der Empfehlung I ab gelehnt hat (vgl. Empfehlung II vom 10. Oktober 2006 in Sachen Schmolz + Bickenbach AG ; nachfolgend „Empfehlung II“). Ebenfalls am 10. Oktober 2006 haben die S+B KG und die S+B Finanz AG die Empfehlung I der Übernahmekommission abgelehnt.
G.
Am 19. Oktober 2006 haben die S+B KG und der S+B Finanz AG bei der EBK die Ablehnung der Empfehlung I zurückgezogen. Mit Schreiben vom 19. Oktober hat die EBK der S+B KG und der S+B Finanz AG mitgeteilt, dass sie infolge Rückzugs der am 10. Oktober 2006 eingereichten Ablehnung das Verfahren in dieser Angelegenheit als erledigt abschreibe.
H.
Mit Empfehlung III vom 14. November 2006 gewährte die Übernahmekommission der S+B KG und der S+B Finanz AG eine Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots aufgrund einer nur kurzfristigen Überschreitung des Grenzwerts von 33 1/3 % der Stimmrechte der S+B AG (vgl. Empfehlung III vom 14. November 2006 in Sachen Schmolz + Bickenbach AG; nachfolgend „Empfehlung III“).
I.
Per 27. März 2007 (Einreichung des vorliegenden Gesuchs; vgl. nachstehend lit. J) können die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse zusammengefasst wie folgt dargestellt werden:
J.
Mit Eingabe vom 27. März 2007 reichten die S+B Finanz AG, die S+B KG sowie die Gebuka (nachfolgend zusammen die „Gesuchstellerinnen“) ein Gesuch bei der Übernahmekommission ein mit folgenden Anträgen:
„1. Es sei den Gesuchstellern im Hinblick auf die in diesem Gesuch bezeichnete Entflechtung eine Ausnahmebewilligung von der Angebotspflicht i.S.v. Art. 32 Abs. 2 BEHG zu erteilen.
2a. Es sei festzustellen, dass ein Verkauf von bis zu 90% der durch SBGE Stahl Holding AG nach Abschluss der Entflechtung gehaltenen Aktien der SCHMOLZ+BICKENBACH AG keine Angebotspflicht auslösen wird.
2b. Eventualiter sei den Gesuchstellern für den Verkauf von bis zu 90% der durch SBGE Stahl Holding AG nach Abschluss der Entflechtung gehaltenen Aktien der SCHMOLZ+BICKENBACH AG eine Ausnahmebewilligung von der Angebotspflicht i.S.v. Art. 32 Abs. 2 BEHG zu erteilen.“
K.
Gemäss ihrem Gesuch (vgl. lit. J) beabsichtigen die Gesuchstellerinnen zur Bereinigung der Beteiligungsstruktur in einem ersten Schritt ein 37.05% Aktienpaket der S+B AG von der SBGE auf die S+B Finanz AG zu übertragen. Der Anteil der SBGE an der S+B AG würde sich dadurch auf 5.02% reduzieren. In einem zweiten Schritt soll die S+B Stahlcenter AG ihre 80%ige Beteiligung an der SBGE auf die SBGE übertragen. Die SBGE ihrerseits soll im Anschluss daran in diesem Umfang eine Kapitalherabsetzung durchführen. Damit würde die Gebuka zur Alleinaktionärin der SBGE werden. Zudem soll der bisherige ABV durch einen neuen ABV („neuer ABV“) ersetzt werden, welcher u.a. weiterhin die ursprüngliche 42.07%-ige Beteiligung an der S+B AG umfassen soll. Ausserhalb der Gruppe würden die S+B Finanz AG 27.4% und die S+B Beteiligungs GmbH 5.7% der S+B AG Aktien halten. Herr Büttiker bzw. Gebuka würden sich zudem vorbehalten, ihre Beteiligung an der SBGE durch Veräusserung auf maximal 10% zu reduzieren und Herr Büttiker behalte sich weiter vor, die Gebuka und die SBGE nach erfolgter Entflechtung zu fusionieren.
L.
Zusammenfassend lassen sich die Beteiligungsverhältnisse nach der beabsichtigten Transaktion wie folgt darstellen:
Vertragsparteien neuer ABV:
- S+B Stahlcenter AG
- S+B Finanz AG
- SBGE
- Gerold Büttiker
- Gebuka
M.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 4. April 2007 wurde der Verwaltungsrat der S+B AG aufgefordert, zum Gesuch der Gesuchstellerinnen vom 27. März 2007 Stellung zu nehmen.
N.
Am 13. April 2007 hat der Verwaltungsrat der S+B AG bei der Übernahmekommission seine Stellungnahme zu den Rechtsbegehren der Gesuchstellerinnen vom 27. März 2007 eingereicht. Darin unterstützt der Verwaltungsrat der S+B AG die Rechtsbegehren der Gesuchstellerinnen im Wesentlichen mit denselben Argumenten wie die Gesuchstellerinnen.
O.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Rudolf Widmer (Präsident), Frau Maja Bauer-Balmelli und Frau Susan Emmenegger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Bestehen einer Angebotspflicht gemäss Art. 32 BEHG
1.1 Die Gesuchstellerinnen bringen in ihrem Gesuch vor, dass die Übertragung des Aktienanteils von 37.05% S+B AG Aktien auf die S+B Finanz AG als innerhalb der Gruppe übertragen gilt. Der bisher geltende ABV passe nicht mehr auf die neue Struktur, da die Gruppenmitglieder ihre S+B AG Beteiligungen in Zukunft nicht mehr indirekt über die SBGE sondern direkt halten würden. Daher sei es auf jeden Fall erforderlich, den ABV anzupassen. Dadurch würden sich aber weder die Kontrollverhältnisse, noch die Zusammensetzung der Gruppe entscheidend ändern. Der neue ABV werde weiterhin die Beteiligung von 42.07% an der S+B AG umfassen. Die Stimmrechtsausübung für die dem ABV unterstellten Aktien werde neu nicht mehr indirekt über das Joint Venture SBGE, sondern direkt durch den jeweiligen Aktionär für den ihm zustehenden Anteil erfolgen. Die bisherigen Regelungen der Stimmrechtsausübung und der Einsitznahme im Verwaltungsrat seien unverändert in den neuen ABV übernommen worden. Im Hinblick auf die Stimmrechtsausübung in der Generalversammlung der S+B AG werde auf die der Übernahmekommission bereits bekannte Stellungnahme der Gruppenmitglieder verwiesen. Darin werde umschrieben, wie der ABV bisher gelebt worden sei. Aus dem heutigen ABV vom 6. Januar 2004, dem Zusatz vom 13. Mai 2005 und der der Übernahmekommission bekannten Stellungnahme der Gruppenmitglieder zur Auslegung des Aktionärbindungsvertrages betreffend Stimmrechtsausübung der Aktien der S+B AG (nachfolgend „Stellungnahme der Gruppenmitglieder“) ergebe sich, dass die Meinungsbildung der Gruppe jeweils innerhalb des S+B AG Verwaltungsrates erfolgt sei und die SBGE ihre Aktienstimmen in der Generalversammlung der S+B AG jeweils im Sinne der Anträge des S+B AG Verwaltungsrates ausgeübt hätten. Für den Fall, dass auf Stufe der Gruppenmitglieder Uneinigkeit über die Ausübung der Stimmrechte bestehe, seien somit die der SBGE zukommenden 42.07% der Stimmrechte daher nicht blockiert worden. Die Gebuka habe somit seit Entstehen der Gruppe nie die Möglichkeit gehabt, Beschlüsse und Wahlen der S+B AG gegen den Willen der S+B KG herbeizuführen oder zu verhindern. Diese Regelung der Stimmrechtsausübung sei auch im neuen ABV vorgesehen.
1.2 Gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft unterbreiten. Gemäss Art. 27 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BEHV-EBK handelt in gemeinsamer Absprache oder als Gruppe, wer im Hinblick auf die Beherrschung einer Zielgesellschaft seine Verhaltensweise mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren abstimmt.
1.3 Die Argumente der Gesuchstellerinnen, durch die vorliegende Transaktion würden sich weder die Kontrollverhältnisse, noch die Zusammensetzung der Gruppe entscheidend ändern, sind unzutreffend. Entscheidend ist vorliegend, dass der heute geltende ABV durch einen neuen ABV ersetzt werden soll. Dies wird im von den Gesuchstellerinnen der Übernahmekommission eingereichten ABV-Entwurf (datierend vom 14. März 2007) in der Präambel auch ausdrücklich so festgehalten: „Dieser Aktionärsbindungsvertrag […] soll den bisher bestehenden Aktionärsbindungsvertrag vom 19. Dezember 2003 / 6. Januar 2004 (mit Zusatzvereinbarung vom 13. Mai 2005) ersetzen.“ Dass sich dadurch die Kontrollverhältnisse und die Gruppe nicht ändern, trifft aus folgenden Gründen nicht zu:
Dass die Parteien des ABV aufgrund des ABV als Gruppe im Sinne von Art. 27 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BEHV-EBK zu qualifizieren sind, ist unbestritten. Wenn es innerhalb einer beherrschenden Gruppe im Sinne von Art. 27 BEHV-EBK zu Modifikationen kommt, sei es durch den Hinzutritt von neuen Aktionären in eine Gruppe, durch Ausscheiden von Gruppenmitgliedern oder durch Verschiebungen innerhalb der Gruppe, sei es durch Modifikationen am der Gruppe zugrundeliegenden (Aktionärbindungs-)Vertrag, muss grundsätzlich festgestellt werden, ob sich die Verhältnisse innerhalb der Gruppe wesentlich ändern und dadurch eine neue Gruppe entsteht. Wenn sich die Verhältnisse innerhalb eines kontrollierenden Aktionärspools entscheidend verändern, soll den Minderheitsaktionären die Option gewährt werden, aus der Gesellschaft auszutreten, da dies einem Kontrollwechsel gleichkommen kann. Demzufolge vermag die Modifikation von Aktionärbindungsverträgen eine Angebotspflicht auszulösen. Dies betrifft sowohl Änderungen hinsichtlich der beteiligten Aktionäre als auch hinsichtlich der materiellen Normen des dem Aktionärspool zugrundeliegenden Aktionärbindungsvertrags (vgl. Empfehlungen in Sachen Compagnie Financière Richemont SA vom 7. Juli 2003, Erw. 1.1 und in Sachen Helvetia Patria Holding AG vom 2. April 2001, Erw. 2.1).
Massgebend für die Beurteilung ist demzufolge der Inhalt des heute geltenden ABV im Vergleich zum neu abzuschliessenden ABV. Dem neuen ABV treten gemäss Entwurf des ABV weitere Parteien hinzu. Währenddem im bisherigen ABV die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka Vertragsparteien sind, werden im neuen ABV die SBGE, Gebuka, Gerold Büttiker einerseits und die S+B Finanz AG sowie die S+B Stahlcenter AG andererseits als Parteien des ABV aufgeführt. Im Weiteren sieht der gegenwärtige ABV in Ziffer 3.4 vor, dass das Organisationsreglement Einstimmigkeit betreffend die Beschlüsse im Verwaltungsrat der SBGE über die Vertretung der Aktienstimmen in der Generalversammlung und auch betreffend die Instruktion des Verwaltungsrats der S+B AG vorsehen muss. Mit Ziffer 2.3.2 des Organisationsreglements vom 24. Juni 2004 der SBGE wurde diese Vorgabe umgesetzt. Die Übernahmekommission hat bereits in Empfehlung I festgehalten, dass die Parteien des ABV dadurch de facto über ein Vetorecht verfügen, mittels welchem jede Partei des ABV die Möglichkeit hat, entscheidenden Einfluss in wichtigen Fragen und Geschäften der S+B AG auszuüben. Kann über eine (wichtige) Frage zwischen der S+B Stahlcenter und der Gebuka und dadurch im Verwaltungsrat der SBGE kein Einvernehmen erzielt werden, ist gemäss ABV und Organisationsreglement der SBGE somit davon auszugehen, dass der Vertreter des SBGE Aktienanteils (sei es nun ein externer Dritter oder ein Verwaltungsrat der SBGE) in der Generalversammlung der S+B AG sich (bzw. die SBGE als Aktionärin) für ein bestimmtes Traktandum als nicht vertreten erklären lassen muss (vgl. Empfehlung I, Erw. 1.2.2.3). Damit wird die S+B AG heute von der S+B Stahlcenter AG und der Gebuka gemeinsam kontrolliert.
Der von den Gesuchstellerinnen eingereichte Entwurf des neuen ABV sieht in Ziffer 2.1 weiterhin – wie im bisherigen ABV – Einstimmigkeit bezüglich der Beschlüsse über die Besetzung des Verwaltungsrates der S+B AG und die Instruktion der Verwaltungsratsmitglieder der S+B AG vor. In Ziffer 2.2 wird nun aber explizit Folgendes festgehalten: „Sofern die Parteien keinen Beschluss nach Ziff. 2.1 fassen bzw. fassen können, werden die diesem ABV unterstellten Stimmrechte wie bisher im Sinne der Anträge des Verwaltungsrats der S+B AG ausgeübt.“ Die Einfügung dieser Bestimmung führt hinsichtlich der Kontrollverhältnisse über die S+B AG zu einer wesentlichen Veränderung. Dadurch wird nämlich das „de facto Vetorecht“, welches die gemeinsame Kontrolle des Aktienpakets an der S+B AG ermöglicht, ausgeschlossen und die Kontrolle wird der S+B Finanz AG bzw. indirekt der S+B KG übertragen.
Der Behauptung der Gesuchstellerinnen, aus dem heutigen ABV vom 6. Januar 2004, dem Zusatz vom 13. Mai 2005 und der der Übernahmekommission bekannten Stellungnahme der Gruppenmitglieder ergebe sich, dass keine wesentliche Änderung der Kontrollverhältnisse vorliege, kann nicht gefolgt werden. Der ABV sieht nämlich im Ergebnis ein Vetorecht vor (vgl. vorstehend). Diese Interpretation des ABV durch die Übernahmekommission wurde in Empfehlung I (Erw. 1.2.2.3) festgehalten und von den damaligen Parteien akzeptiert, zumal diese die Ablehnung der Empfehlung I zurückgezogen haben (vgl. Sachverhalt lit. F und G). Dieselbe Interpretation lag auch der Empfehlung III zugrunde (vgl. Empfehlung III, Erw. 1.2). Diese wurde ebenfalls nicht abgelehnt und damit akzeptiert. In Folge dessen konnte die Übernahmekommission davon ausgehen, dass das in Empfehlung I festgehaltene „de facto Vetorecht“ gilt. Ob die Parteien den ABV tatsächlich gelebt haben oder nicht, kann die Übernahmekommission nicht überprüfen und ist auch nicht massgebend. Massgebend für die Übernahmekommission sind daher weiterhin allein die vertraglichen Bestimmungen des geltenden und des neuen ABV.
1.4 Zwischenergebnis
Zusammenfassend kann basierend auf dem oben Erörterten festgestellt werden, dass die beabsichtigte Transaktion aus folgenden Gründen zu einer Angebotspflicht der S+B KG führt: Durch die Auflösung des ABV und den Abschluss eines neuen ABV wird eine neue Gruppe gebildet, innerhalb welcher die S+B Finanz AG (bzw. indirekt die S+B KG) die Kontrolle über die S+B AG übernimmt. Damit führt die vorliegende Transaktion zu einem Kontrollwechsel, womit die S+B KG bei Durchführung der vorliegenden Transaktion gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG verpflichtet ist, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der S+B AG zu unterbreiten.
2. Keine Ausnahme von der Angebotspflicht
2.1 Die Gesuchstellerinnen bringen unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 130 II 530 ff.) vor, dass selbst bei einer entscheidenden Änderung innerhalb der Gruppe eine Ausnahmebewilligung erteilt werden könnte, weil die Entflechtung und die eventuelle Reduktion der Stimmrechte durch Herrn Büttiker / Gebuka für die Minderheitsaktionäre zu keiner Beeinträchtigung führen würde. Die S+B Gruppe würde nach wie vor direkt und indirekt über die vom ABV erfassten Aktien ihren entscheidenden Einfluss auf die S+B AG geltend machen.
2.2 Gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG kann in berechtigten Fällen eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt werden, namentlich „bei der Übertragung von Stimmrechten innerhalb einer vertraglich oder auf eine andere Weise organisierten Gruppe“, „bei nur vorübergehender Überschreitung des Grenzwertes“ oder „bei Erwerb zu Sanierungszwecken“ (Art. 32 Abs. 2 lit. a, c, e BEHG) sowie wenn sich die Kontrollverhältnisse in Bezug auf die Zielgesellschaft nicht ändern (siehe Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts vom 2. Juli 2001 in Sachen Baumgartner Papiers Holding SA c. Übernahmekammer der Eidgenössischen Bankenkommission u.a., Erw. 5c; Empfehlung vom 26. März 2002 in Sachen Bank Sarasin & Cie, Erw. 2.2; Empfehlung II vom 13. Juli 2001 in Sachen Afipa SA, Erw. 2.3).
2.3 Wie bereits in Erwägung 1.4 ausgeführt, werden durch die geplante Transaktion die Kontrollverhältnisse wesentlich und auf Dauer zugunsten der S+B KG verändert, wodurch eine neue Gruppe entsteht. Das „de facto Vetorecht“ der Vertragsparteien des ABV wird durch die Regelung im neuen ABV betreffend Uneinigkeit bei Beschlüssen (neuer ABV, Ziff. 2.2) aufgehoben.
2.4 Zum Argument, dass die Transaktion für die Minderheitsaktionäre zu keiner Beeinträchtigung führen würde, ist Folgendes festzuhalten: Damit verkennen die Gesuchstellerinnen die ratio legis der Angebotspflicht. Die Angebotspflicht soll den (Minderheits)-Aktionären im Falle des Wechsels der Kontrolle an der Zielgesellschaft eine Ausstiegsmöglichkeit gewähren. In Art. 32 BEHG vermutet das Gesetz bei Überschreitung des massgeblichen Grenzwerts einen Kontrollwechsel , welcher grundsätzlich zu einem Pflichtangebot führt, und zwar auch ohne Nachweis eines zusätzlichen Nachteils oder einer zusätzlichen Beeinträchtigung für die Minderheitsaktionäre. Das Gesetz lässt nur in speziellen Situationen zu, dass trotz Kontrollwechsel kein Pflichtangebot gemacht werden muss, insbesondere in den Fällen von Art. 32 Abs. 2 lit. e BEHG (Sanierung), Art. 32 Abs. 3 BEHG (Schenkung, Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung) und Art. 34 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK (Holdingübernahme).
Das System der Angebotspflicht geht demzufolge davon aus, dass ein Kontrollwechsel per se eine wesentliche Veränderung (Benachteiligung) der Stellung der Minderheitsaktionäre darstellt. Eine zusätzliche Verschlechterung ihrer Position muss nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil, die Einführung eines solchen zusätzlichen Kriteriums würde Sinn und Zweck der Angebotspflicht geradezu widersprechen. Es war keinesfalls die Intention des Gesetzgebers und wäre im Übrigen auch nicht zweckmässig, die (ökonomische) Entscheidung, ob eine zusätzliche Benachteiligung der Minderheitsaktionäre vorliegt, der Übernahmekommission oder einer anderen Behörde zu übertragen. Im Falle eines Kontrollwechsels, ist es einzig Aufgabe der Aktionäre, im Rahmen des Pflichtangebots zu beurteilen, ob sie den Wechsel der Kontrolle und eine allenfalls damit zusammenhängende Transaktion (vorliegend die Übertragung des 37.05% Aktienpakets der S+B AG von der SBGE auf die S+B Finanz AG, die darauffolgende Übertragung der 80%igen Beteiligung der S+B Stahlcenter AG auf die SBGE mit anschliessender Kapitalherabsetzung im gleichen Umfang durch die SBGE sowie die Auflösung des Aktionärbindungsvertrages vom 6. Januar 2004 und Abschluss eines neuen Aktionärbindungsvertrages) als (ökonomisch) vorteilhaft betrachten oder nicht, und demnach, ob sie das Pflichtangebot annehmen wollen oder nicht. Demzufolge ist das von den Gesuchstellerinnen geltend gemachte Argument, es liege keine Beeinträchtigung der Aktionäre vor, unerheblich.
2.5 Es ist vorliegend kein genügender Grund ersichtlich, der die Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG rechtfertigen würde. Der Antrag der Gesuchstellerinnen um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht wird daher abgelehnt.
3. Anträge 2a und 2b der Gesuchstellerinnen
3.1 Die Gesuchstellerinnen beantragen überdies, es sei festzustellen, dass ein Verkauf von bis zu 90% der durch die SBGE nach Abschluss der Entflechtung gehaltenen Aktien der S+B AG keine Angebotspflicht auslösen wird. Eventualiter sei den Gesuchstellerinnen eine Ausnahmebewilligung von der Angebotspflicht i.S.v. Art. 32 Abs. 2 BEHG zu erteilen. Zur Begründung führen die Gesuchstellerinnen im Wesentlichen aus, dass durch die von Herrn Büttiker beabsichtigte Veräusserung eines Teils seiner Beteiligung für die Minderheitsaktionäre keine entscheidende Änderung der bestehenden Gruppe erfolge und keine Beeinträchtigung der Minderheitsaktionäre resultiere. Herr Büttiker würde seine Stimmrechte und seinen Sitz im Verwaltungsrat der S+B AG behalten. Des Weiteren behalte sich Herr Büttiker vor, die Gebuka und die SBGE nach erfolgter Entflechtung zu fusionieren.
3.2 Auf diese Anträge wird mangels aktuellem Feststellungsinteresse nicht eingetreten. Sollte Herr Büttiker bzw. die Gebuka ihre Beteiligung bzw. einen Teil ihrer Beteiligung an der S+B AG veräussern wollen, so steht es den Gesuchstellerinnen frei, der Übernahmekommission ein entsprechendes Gesuch, unter Vorlage des alsdann relevanten Sachverhaltes einzureichen. Die Übernahmekommission wird sich in diesem Fall in Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Beteiligungs- und Gruppenverhältnisse und relevanten Sachverhaltselemente dazu äussern.
4. Publikation
Die vorliegende Empfehlung wird gemäss Art. 23 Abs. 3 BEHG im Anschluss an ihre Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
5. Gebühr
In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Gewährung einer Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 20'000 fest. Die Gesuchstellerinnen haften hierfür solidarisch.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
- Es wird festgestellt, dass die SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE, im Falle der Durchführung der geplanten Transaktion (Übertragung des 37.05% Aktienpakets der S+B AG von der SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG, auf die SCHMOLZ+BICKENBACH Finanz AG, Wil/SG, darauffolgende Übertragung der 80%igen SBGE Stahl Holding AG-Beteiligung der SCHMOLZ+BICKENBACH Stahlcenter AG, Wil/SG, auf die SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG, mit anschliessender Kapitalherabsetzung im gleichen Umfang durch die SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG, sowie Auflösung des Aktionärbindungsvertrages vom 6. Januar 2004 und Abschluss eines neuen Aktionärbindungsvertrages gemäss eingereichtem Entwurf datierend vom 14. März 2007) verpflichtet ist, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der SCHMOLZ + BICKENBACH AG, Emmen, zu unterbreiten.
- Der Antrag um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG wird abgelehnt.
- Auf den Antrag 2a betreffend Feststellung, dass ein Verkauf von bis zu 90% der durch SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG, nach Abschluss der Entflechtung gehaltenen Aktien der SCHMOLZ+BICKENBACH AG, Emmen, keine Angebotspflicht auslösen wird, und auf den Eventualantrag 2b betreffend der Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Angebotspflicht wird nicht eingetreten.
- Die vorliegende Empfehlung wird im Anschluss an ihre Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr zu Lasten der SCHMOLZ + BICKENBACH KG (Düsseldorf/DE), der SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG (Wil/SG) sowie der Gebuka (Neuheim/ZG), beträgt CHF 20'000, unter solidarischer Haftung.
Der Präsident:
Hans Rudolf Widmer
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- SCHMOLZ + BICKENBACH KG (Düsseldorf/DE), durch ihren Vertreter;
- SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG (Wil/SG) , durch ihren Vertreter;
- Gebuka AG, (Neuheim/ZG), durch ihren Vertreter;
- SCHMOLZ + BICKENBACH AG (Emmen), durch ihren Vertreter;
- Eidgenössische Bankenkommission.