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0293 - Saurer AG

Empfehlung in Sachen Saurer AG vom 13. Oktober 2006 - Abwehrmassnahmen

Öffentliches Kaufangebot der OC Oerlikon Corporation AG, Pfäffikon, mit Sitz in Frei-enbach (vormals Unaxis Holding AG), für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Saurer AG mit Sitz in Arbon – Abwehrmassnahme

A.
Die Saurer AG („Zielgesellschaft“oder „Saurer“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Arbon (TG). Ihr Aktienkapital beträgt CHF 112'019'600 und ist aufgeteilt in 14'548'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 7.70. Die Namenaktien der Saurer sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert.

B.
Die OC Oerlikon Corporation AG, Pfäffikon („Anbieterin“ oder „Oerlikon“, vormals Unaxis Holding AG) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Freienbach (SZ). Ihr Aktienkapital beträgt CHF 282'848'740 und ist aufgeteilt in 14'142'437 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 20. Die Namenaktien der Oerlikon sind an der SWX kotiert.

C.
Zur Finanzierung der Akquisitionen von Fairfield Manufacturing Company, Inc., Lafayette/USA und Jinsheng Manufacturing Site, China, hat Saurer kurzfristiges Fremdkapital in Form von Überbrückungskrediten bei vier Banken (UBS AG, Zürich („UBS“), HSBC Trinkaus & Burkhardt, Stuttgart („HSBC“), Credit Suisse AG, Zürich („CS“) und Deutsche Bank AG, Konstanz („Deutsche Bank“)) in Höhe von insgesamt USD 280 Mio. aufgenommen („Überbrückungskredite“). Gemäss Geschäftsbericht 2005 sollten d iese kurzfristigen Passiven bis Mitte 2006 ersetzt werden (vgl. Geschäftsbericht 2005, S. 39).

D.
Am 12. Juli 2006 unterzeichnete die Saurer mit der Deutschen Bank einen Mandatsvertrag inkl. Termsheet betreffend den Abschluss eines Kreditvertrags – bezeichnet als „Syndicated Multi-Currency Revolving Credit Facility Agreement“ (nachfolgend „Kreditvertrag“) – mit verschiedenen Banken, mit welchem die Deutsche Bank als „Mandated Lead Arranger“ fungieren soll. Der Abschluss des genannten Kreditvertrags würde der Saurer einen Kredit von maximal USD 250 Mio. sowie eine zusätzliche Erhöhungsoption von USD 100 Mio. einräumen („Erhöhungsoption“). Durch die Erhöhungsoption hat die Saurer das Recht – zusätzlich zum Kreditrahmen von USD 250 Mio. – innerhalb eines Jahres seit Abschluss des Kreditvertrags – eine Erhöhung um USD 100 Mio. zu verlangen.

Ende Juli 2006 gab Saurer eine Schweizer Festzinsanleihe in der Höhe von CHF 200 Mio. aus. Damit konnte ein Teil der Überbrückungskredite zurückbezahlt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt weist die Saurer Überbrückungskredite mit einer verlängerten Laufzeit bis Ende Dezember 2006 bzw. Januar 2007 in einer Höhe von insgesamt USD 169.1 Mio. auf. Die Bilanzsumme der Saurer gemäss konsolidierter Bilanz beträgt per 31. Dezember 2005 EUR 1'279.3 Mio. und per 30. Juni 2006 EUR 1'612.8 Mio.

Auf Einzelheiten zum Sachverhalt und zu den verschiedenen Vereinbarungen wird – soweit erforderlich – in den Erwägungen eingegangen.

E.
Am 6. September 2006 kündigte die Oerlikon in den elektronischen Medien an, dass sie ein öffentliches Übernahmeangebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Saurer
(„Saurer-Aktien“) unterbreiten werde („Voranmeldung“).

F.
Am 7. September 2006 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung, indem diese in mehreren Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht wurde. Als Preis des Angebots waren CHF 93.42 je Saurer-Aktie vorgesehen. Mit Medieninformation vom 8. September 2006 kündigte die Anbieterin die Erhöhung des Angebotspreises auf CHF 110 je Saurer-Aktie an. Mit Medienmitteilung vom 11. Oktober 2006 gab die Anbieterin bekannt, dass sie den Angebotspreis auf CHF 116.50 pro Saurer-Aktie erhöht.

G.
Mit Eingabe vom 28. September 2006 reichte die Saurer bei der Übernahmekommission ein Gesuch ein mit folgendem Antrag:

„1. Es sei festzustellen, dass die Unterzeichnung der die Refinanzierung abschliessenden Kreditdokumente, insbesondere des Syndicated Multi-Currency Revolving Credit Facility Agreements zwischen der Saurer AG und verschiedenen Banken (zu welchen unter anderem die Deutsche Bank AG als Mandated Lead Arranger gehört), keine Abwehrmassnahme darstellt.

2. Eventualiter sei festzustellen, dass die Unterzeichnung der die Refinanzierung abschliessenden Kreditdokumente, insbesondere des Syndicated Multi-Currency Revolving Credit Facility Agreements zwischen der Saurer AG und verschiedenen Banken (zu welchen unter anderem die Deutsche Bank AG als Mandated Lead Arranger gehört), in den Kompetenzbereich des Verwaltungsrates fällt, mithin kein Generalversammlungsbeschluss erforderlich ist.

3. Subeventualiter sei der Saurer AG eine Ausnahme im Sinne des Art. 4 UEV-UEK zu gewähren, damit die Saurer AG die die Refinanzierung abschliessenden Kreditdokumente, insbesondere des Syndicated Multi-Currency Revolving Credit Facility Agreements zwischen der Saurer AG und verschiedenen Banken (zu welchen unter anderem die Deutsche Bank AG als Mandated Lead Arranger gehört), unterzeichnen kann.“

Zudem ersuchte die Saurer die Übernahmekommission in ihrem Gesuch unter Berufung auf Geschäftsgeheimnisse sowie bestehender Geheimhaltungsvereinbarungen um Geheimhaltung der für die Beurteilung ihres Gesuchs allenfalls noch zu editierenden Dokumente.

H.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 29. September 2006 setzte die Übernahmekommission der Anbieterin Frist bis am 2. Oktober 2006, um zum Gesuch der Zielgesellschaft Stellung zu nehmen. Gleichentags forderte die Übernahmekommission die Saurer auf, die Kreditdokumentation und damit zusammenhängende Informationen bis am 2. Oktober 2006 einzureichen.

I.
Mit Eingabe vom 2. Oktober 2006 reichte die Saurer innert Frist die mit verfahrensleitender Anordnung vom 29. September 2006 verlangten Dokumente und Informationen zusammen mit dem erneuten Begehren um Geheimhaltung derselben ein. Die Anbieterin reichte am 2. Oktober 2006 ebenfalls innert Frist ihre Eingabe zum Gesuch der Saurer ein. Die Anbieterin verlangte in ihrer Eingabe die Offenlegung der von der Übernahmekommission einverlangten Dokumente sowie eine erneute Fristansetzung zur Stellungnahme nach Übermittlung der entsprechenden Unterlagen.

J.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 2. Oktober 2006 forderte die Übernahmekommission die Saurer auf, die nicht an die Anbieterin offenzulegenden Passagen unter jeweiliger Berufung auf Geheimhaltungsinteressen und detaillierter Begründung zu „schwärzen“ und diese bis spätestens am 4. Oktober 2006 der Übernahmekommission sowie der Anbieterin einzureichen. Gleichzeitig setzte sie der Anbieterin erneut Frist zur Stellungnahme zum Gesuch der Saurer bis 6. Oktober 2006 an.

K.
Mit Eingabe vom 3. Oktober 2006 reichte die Saurer sämtliche Unterlagen – mit Ausnahme eines Dokuments – zur vollständigen Offenlegung gegenüber der Anbieterin ein.

L.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 5. Oktober 2006 wurde der Zielgesellschaft Frist bis zum 6. Oktober 2006 angesetzt, um unter anderem zu den von der Anbieterin in ihrer Eingabe vom 2. Oktober 2006 gestellten Fragen Stellung zu nehmen.

M.
Mit Eingabe vom 6. Oktober 2006 reichte die Anbieterin innert einberaumter Frist ihre Stellungnahme zum Gesuch der Saurer ein. Darin machte sie geltend, dass es sich bei der Unterzeichnung des Kreditvertrages um eine gesetzwidrige Abwehrmassnahme handle, welche die Zustimmung der Generalversammlung erfordere. Sie führte weiter aus, dass ein Vergleich zwischen der bisherigen Finanzierungssituation und der neuen zeige, dass durch den Abschluss des Kreditvertrags eine Übernahme durch die Anbieterin erschwert würde, da der Passivbestand durch diesen Kredit ausgeweitet und die darin enthaltenen Konditionen verschärft worden seien. Gleichentags reichte die Zielgesellschaft innert Frist ihre Antworten zu den von der Anbieterin gestellten Fragen ein.

N.
Am 9. Oktober 2006 reichte die Saurer unaufgefordert eine Eingabe zur Stellungnahme der Anbieterin vom 6. Oktober 2006 ein.

O.
Zur Prüfung der vorliegenden Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Henry Peter (Präsident des Ausschusses), Frau Susan Emmenegger und Herrn Raymund Breu gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Verbot von Abwehrmassnahmen des Verwaltungsrats

1.1 Sachlicher Anwendungsbereich

1.1.1 Art. 29 Abs. 2 BEHG untersagt es dem Verwaltungsrat der Zielgesellschaft, nach der Veröffentlichung des Angebots bzw. dessen Voranmeldung Rechtsgeschäfte zu beschliessen, mit denen der Aktiv- oder Passivbestand der Gesellschaft in bedeutender Weise verändert würde. Damit soll verhindert werden, dass der Verwaltungsrat den Ausgang des Übernahmeangebots präjudiziert und dadurch den Aktionären verunmöglicht, selbst in vollem Umfang über das Zustandekommen oder das Scheitern des Angebots zu entscheiden (vgl. Empfehlung I in Sachen ENR Eastern Natural Resources SA vom 28. September 2001, Erw. 1). Durch die Handlungseinschränkung für den Verwaltungsrat soll der Entscheid über das Zustandekommen des Angebots den Aktionären zugewiesen werden. Deshalb bleibt eine entsprechende Ermächtigung der Generalversammlung vorbehalten.

1.1.2 Art. 35 UEV-UEK, welcher Art. 29 Abs. 2 BEHG konkretisiert, führt in Abs. 1 aus, dass der Aktiv- und Passivbestand der Zielgesellschaft auch die Ausserbilanzpositionen, insbesondere jene aus Verträgen, die wesentliche Risiken oder Verpflichtungen mit sich bringen, erfasst. Art. 35 Abs. 2 lit. a UEV-UEK geht zudem von der Vermutung aus, dass eine Änderung der Aktiven von mehr als 10% der Bilanzsumme eine bedeutende Veränderung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BEHG darstellt. Diese Vermutung, die für die Aktivseite gilt, muss ebenso für die Passivseite gelten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass unter Umständen eine prozentual geringere Veränderung als bedeutende Veränderung erachtet werden könnte, insbesondere wenn diese zu einer wesentlichen „qualitativen“ Verschlechterung der Aktiven oder Passiven führt. Ziel von Art. 29 Abs. 2 BEHG ist es, dem Verwaltungsrat der Zielgesellschaft, der sich im Zuge des Übernahmeangebots in einem potentiellen Interessenkonflikt befindet, die Kompetenz zu entziehen, Abwehrmassnahmen zu ergreifen. Als Abwehrmassnahmen gelten alle Handlungen der zuständigen Organe, die bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, eine unerwünschte Übernahme zu erschweren oder zu verhindern (vgl. auch Empfehlung V in Sachen Saia-Burgess Electronics Holding AG - Abwehrmassnahme vom 23. August 2005, Erw. 1.1.2; Empfehlung III in Sachen Sulzer AG vom 29. März 2001, Erw. 1.2).

1.2 Zeitlicher Anwendungsbereich

Nach seinem Sinn und Zweck erfasst Art. 29 Abs. 2 BEHG Beschlüsse und sonstige Massnahmen des Verwaltungsrats; demzufolge findet die Bestimmung nicht nur auf die eigentliche Beschlussfassung Anwendung, sondern auch auf die Durchführung und den Vollzug von bereits gefassten Beschlüssen, beispielsweise auf den Abschluss von Verträgen. Vom Grundsatz, dass dem Verwaltungsrat auch die Umsetzung von Beschlüssen untersagt ist, die vor Unterbreitung des Angebots gefasst worden sind, kann nur bei Vorliegen von ausserordentlichen Umständen abgewichen werden (vgl. Empfehlung in Sachen Leica Geosystems Holdings AG vom 22. Juni 2005, Erw. 2.5; Empfehlung in Sachen Sarna Kunststoff Holding AG vom 26. September 2005, Erw. 6.3).

Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob die Unterzeichnung des Kreditvertrags eine gesetzwidrige Abwehrmassnahme im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BEHG darstellt.

2. Unterzeichnung des Kreditvertrags als gesetzwidrige Abwehrmassnahme

2.1 Die Zielgesellschaft macht in ihrem Gesuch geltend, dass es sich bei der Aufnahme des oben erwähnten Konsortialkredits im Wesentlichen nicht um eine Neuverschuldung, sondern um eine Refinanzierung von bestehenden Verbindlichkeiten handle. Auch bei Ausnützen des gesamten Kreditrahmens von USD 250 Mio. sowie der eingeräumten Erhöhungsoption von USD 100 Mio. würde lediglich eine reine Neuverschuldung von weniger als 10% der Bilanzsumme per 30. Juni 2006 resultieren.

Im vorliegenden Fall beläuft sich der abzuschliessende Konsortialkredit auf USD 250 Mio. zuzüglich einer Erhöhungsoption über USD 100 Mio. Zur Beurteilung, ob eine bedeutende Veränderung der Passiven vorliegt, ist die Erhöhungsoption von USD 100 Mio. hinzuzurechnen. Die Erhöhungsoption ist nämlich analog einer Ausserbilanzposition bzw. Eingehung einer
Eventualverbindlichkeit zu behandeln und somit als Veränderung der Passiven zu betrachten (Art. 29 Abs. 2 BEHG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 UEV-UEK). Entgegen der Auffassung der Saurer ist nicht nur die reine Neuverschuldung massgebend, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, womit auch die Refinanzierung und somit der gesamte Kreditbetrag von USD 350 Mio. zu berücksichtigen ist. Vom Verbot einer bedeutenden Veränderung des Passivbestandes um 10% oder mehr werden auch solche Massnahmen des Verwaltungsrats erfasst, die zu einer qualitativen Veränderung der Zusammensetzung der Passiven führen, unabhängig davon, ob sie sich auf die Bilanzsumme auswirken. Andernfalls hätte es der Verwaltungsrat in der Hand, durch Veränderung der Finanzierungsbedingungen bzw. Finanzierungsstruktur der Gesellschaft – bei gleichbleibender Bilanzsumme – ihre Attraktivität für einen (potentiellen) Anbieter zu schmälern.

Basierend auf einem Wechselkurs von USD 1 = EUR 0.7962 (Stand per 12. Oktober 2006) beläuft sich der Konsortialkredit auf insgesamt rund EUR 278.7 Mio. Bezogen auf die Bilanzsumme des konsolidierten Zwischenabschlusses per 30. Juni 2006 (EUR 1'612.8 Mio) beträgt die beabsichtigte Verschuldung 17.3%. Selbst bei Betrachtung während eines längeren Zeitraums, d.h. bei Berücksichtigung der Bilanzsumme per 31. Dezember 2005 (EUR 1'279.3 Mio.), resultiert eine geplante Verschuldung von 21.8%. Daraus ergibt sich, dass die Unterzeichnung des Kreditvertrags als bedeutende Veränderung der Passivseite im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BEHG zu qualifizieren ist.

2.2 Die Saurer macht in ihrer Eingabe geltend, dass der Beschluss des Verwaltungsrates zur langfristigen Finanzierung der kurzfristigen Verbindlichkeiten bereits im Frühjahr 2006 erfolgte und der Abschluss der Refinanzierung derselben einzig noch eine formelle Unterzeichnung des Kreditvertrags erfordere. Die Parteien hätten bereits vor der Ankündigung des öffentlichen Kaufangebotes der Anbieterin mit den Verhandlungen zum Kreditvertrag begonnen. Die Refinanzierung stehe in einer absoluten Endphase. Ein Abbruch der Verhandlungen würde Schadenersatzforderungen aus Vertragsverletzung, culpa in contrahendo sowie einen erheblichen Reputationsschaden nach sich ziehen.

Die Saurer macht im Wesentlichen geltend, dass die Unterzeichnung auch in zeitlicher Hinsicht nicht unter Art. 29 Abs. 2 BEHG falle. Wie bereits erörtert, werden von Art. 29 Abs. 2 BEHG nicht nur Beschlüsse, sondern auch deren Durchführung erfasst. Die elektronische Veröffentlichung der Voranmeldung der Anbieterin erfolgte am 6. September 2006. Die Saurer reichte in ihrer Eingabe vom 2. Oktober 2006 einen Zeitablauf ein, aus dem ersichtlich ist, dass die Verhandlungen zwischen der Saurer und den betreffenden Banken zum Zeitpunkt der Publikation der Voranmeldung noch nicht abgeschlossen waren, denn am 26. September 2006 befand sich die Saurer mit den Banken nach wie vor im Gespräch über die Ausgestaltung der „Change of Control-Klausel“ sowie der „Accounting Changes“. Somit hatte im Zeitpunkt der Voranmeldung nicht nur der Vertragsschluss noch nicht stattgefunden, sondern es waren auch noch nicht alle Vertragspunkte des Kreditvertrags verhandelt.

Was den Einwand betreffend eine allfällige Schadenersatzpflicht betrifft, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Saurer bei Abbruch der Verhandlungen schadenersatzpflichtig und ihr dadurch ein erheblicher Reputationsschaden erwachsen würde, da die Banken und die Saurer ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Voranmeldung (6. September 2006) in Kenntnis der dem Verwaltungsrat vom Übernahmerecht auferlegten Kompetenzeinschränkung weiterverhandelt haben. Dies ergibt sich auch daraus, dass nach Angaben der Saurer der Anwalt der Banken vor Abschluss des Kreditvertrags eine Äusserung der Übernahmekommission zu dessen Rechtmässigkeit verlangt hat.

2.3 Vorliegend macht die Saurer geltend, Zweck der geplanten Unterzeichnung des Kreditvertrages zwischen der Saurer und verschiedenen Banken (vgl. Sachverhalt lit. D) in der Höhe von USD 250 Mio. zuzüglich einer Erhöhungsoption von USD 100 Mio. sei die Refinanzierung der kurzfristig gewährten Kredite, welche die Gesellschaft für Akquisitionen und Investitionen benötigt habe und der Abschluss dieses Kreditvertrages sei somit für die Aufrechterhaltung der finanziellen Beweglichkeit der Gesellschaft wesentlich. Durch den Abschluss des Kreditvertrages würde es der Saurer ermöglicht, diese Überbrückungskredite vollständig zurückzuzahlen bzw. zu refinanzieren. Zudem sei der Kreditvertrag jederzeit kündbar. Überdies bringe der Abschluss dieses Kreditvertrags einem Erwerber keine wesentlichen Risiken oder Verpflichtungen, sondern aufgrund der vorteilhaften Konditionen nur Vorteile mit sich. Der Abschluss des Kreditvertrags und damit die Sicherstellung der Finanzierung auch für potentiell schwierige Zeiten sei geradezu ein Gebot der verantwortlichen Geschäftsführung und entspreche auch dem normalen Lauf des Geschäfts. Es handle sich im vorliegenden Fall somit im Wesentlichen nicht um eine Neuverschuldung, sondern einzig um eine Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten. Die Saurer führt dazu aus, dass auch bei Ausnützen der Fazilität von USD 250 Mio. und Gebrauchmachen der Erhöhungsoption von USD 100 Mio. eine Neuverschuldung von weniger als 10% der Bilanzsumme von rund EUR 1.6 Mrd. des Zwischenabschlusses per 30. Juni 2006 vorliegen würde. Die Einräumung einer gewissen Reserve über die zur Refinanzierung benötigten Mittel hinaus sei beim Abschluss eines Kreditvertrags wie der vorliegende üblich. Für die Ausübung der Erhöhungsoption sei zudem die vorgängige Zustimmung der betreffenden Banken erforderlich.

2.4 Die Anbieterin hingegen macht in ihrer Stellungnahme zum Gesuch der Saurer geltend, dass sich durch den Abschluss des Kreditvertrags die Finanzierungssituation im Vergleich zur bestehenden verschlechtern würde. Insbesondere führt sie aus, dass der Saurer neu ein Kreditrahmen von USD 250 Mio. zuzüglich einer Erhöhungsoption von USD 100 Mio. zur Verfügung stehe, was im Gegensatz zur bestehenden Finanzierung zu einer bedeutenden Ausweitung des Passivbestandes und nicht nur zu einer Refinanzierung führe. Zudem sehe der Kreditvertrag eine Verschärfung der Kontrollwechselklausel und die Einschränkung von Umstrukturierungen vor.

2.5 Wie bereits in Erwägung 2.1 dargelegt, ist vorliegend vom gesamten Kreditbetrag von USD 350 Mio. auszugehen. Abgesehen davon beträgt der für die Refinanzierung des kurzfristigen Fremdkapitals erforderliche Kreditrahmen USD 169.1 Mio., womit im Rahmen dieses Vertragsschlusses eine Neuverschuldung von USD 180.9 Mio. vorliegt. Insofern kann nicht von einer „reinen Refinanzierung“ gesprochen werden.

Hinzu kommt, dass gewisse Klauseln des Kreditvertrags, die für einen Anbieter wesentlich sind, im Vergleich zu den bestehenden Verträgen verschärft wurden: Gemäss den der Übernahmekommission vorliegenden Verträgen sehen drei der bestehenden Überbrückungskredite marktübliche Kontrollwechselklauseln vor. Im Kreditvertrag wird im Vergleich dazu ein zusätzlicher Kontrollwechseltatbestand eingeführt, nämlich der Fall, dass eine Person oder eine in gemeinsamer Absprache handelnde Gruppe die Auswechslung der Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder der Saurer vorschlägt und eine solche in der Generalversammlung beschlossen wird. Der Einwand, den die Saurer in ihrer Eingabe vom 9. Oktober 2006 geltend macht, dass diese Bestimmung im Zusammenhang mit dem damaligen Antrag von Laxey Partners Ltd. getroffen wurde, ist vorliegend nicht von Bedeutung. Die Bestimmung, welche im Kreditvertrag weiterhin aufgeführt ist, gilt auch für den Fall, dass die Oerlikon oder eine andere Anbieterin die Saurer übernehmen würde und dabei den Verwaltungsrat anlässlich einer Generalversammlung auswechseln möchte. Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Kreditvertrag bei Eintritt eines Kontrollwechsels der Abruf weiterer Kredittranchen nicht mehr möglich wäre. Im Kreditvertrag verpflichtet sich Saurer im Übrigen neu dazu, keine Veränderungen der Gruppenstruktur („merger or demerger“) ohne vorgängige Zustimmung von mindestens 2/3 der Banken vorzunehmen.

2.6 Der Sub-Eventualantrag der Saurer, ihr sei im Falle der Bejahung einer gesetzwidrigen Abwehrmassnahme bzw. Verneinung der Kompetenz des Verwaltungsrats zur Unterzeichnung des Kreditvertrags aus Gründen der Dringlichkeit und im Interesse der Aufrechterhaltung der operativen Tätigkeit eine Ausnahme von der Einholung der Zustimmung der Generalversammlung zu gewähren, ist abzulehnen, da die Saurer vorliegend den Nachweis nicht erbracht hat, dass die Finanzierung der Gesellschaft durch die Verlängerung der kurzfristigen Kredite oder eine Refinanzierung im Rahmen der bestehenden Bilanzsumme und ohne zusätzlich erschwerende Change of Control-Klauseln nicht möglich ist.

2.7 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von Saurer gestellten Anträge aus folgenden Gründen abzulehnen sind: Die Unterzeichnung des Kreditvertrags ist aufgrund seines Umfangs und der im Kreditvertrag stipulierten Bedingungen insgesamt als gesetzwidrige Abwehrmassnahme zu qualifizieren (Hauptantrag), welche nach Art. 29 Abs. 2 BEHG nicht mehr in die Kompetenz des Verwaltungsrats, sondern in jene der Generalversammlung der Gesellschaft fällt (Eventualantrag). Es liegt nämlich eine wesentliche Veränderung der Passiven vor, welche überdies keine reine Refinanzierung darstellt, sondern eine wesentliche (potentielle) Neuverschuldung mit sich bringt. Zudem werden mit dem Abschluss des Kreditvertrags neue für einen potentiellen Anbieter unattraktive Vertragsklauseln eingeführt. Was den Sub-Eventualantrag betrifft, hat die Saurer den Nachweis nicht erbracht, dass der Abschluss des Kreditvertrags die einzige ihr zur Verfügung stehende Möglichkeit darstellt, die bestehenden Überbrückungskredite zu refinanzieren.

3. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG im Anschluss an ihre Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 3 und 5 UEV-UEK wird eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 30'000 fest.


Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:

  1. Die Unterzeichnung des Kreditvertrags „Syndicated Multi-Currency Revolving Credit Facility Agreement“ durch den Verwaltungsrat der Saurer AG, Arbon, stellt eine gesetzwidrige Abwehrmassnahme dar.
  2. Der Eventualantrag der Saurer AG, Arbon, wird abgewiesen.
  3. Der Sub-Eventualantrag der Saurer AG, Arbon, wird abgewiesen.
  4. Die vorliegende Empfehlung wird im Anschluss an ihre Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
  5. Die Gebühr zu Lasten der Saurer AG , Arbon, beträgt CHF 30'000.


Der Präsident des Ausschusses:

Henry Peter

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

 

Mitteilung an: 

  • Saurer AG , durch ihren Vertreter
  • OC Oerlikon Corporation AG , Pfäffikon, durch ihren Vertreter
  • die Eidgenössische Bankenkommission
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