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0757 - Vetropack Holding AG
Verfügung 757/01 vom 25. Februar 2020
Gesuche betreffend die Vetropack Holding AG um Feststellung der Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des 4. Kapitels des FinfraG auf die Umwandlung von Namenaktien mit einem Nominalwert von CHF 10 in Inhaberaktien mit einem Nominalwert von CHF 50 und um Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht, eventualiter um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht
Sachverhalt:
A.
Vetropack Holding AG (Vetropack) ist eine Schweizerische Aktiengesellschaft mit Sitz in Saint-Prex. Das Aktienkapital der Gesellschaft besteht aus 220'480 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 50 (Inhaberaktien) und 880'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 10 (Stimmrechtsaktien; Stimmrechtsaktien und Inhaberaktien zusammen Vetropack-Aktien). Die Inhaberaktien sind an der SIX Swiss Exchange AG (SIX) gemäss Swiss Reporting Standard kotiert (Valorensymbol VET; Valorennummer 622'761; ISIN CH0006227612). Die Namenaktien sind nicht kotiert und werden auch nicht ausserbörslich gehandelt. Gemäss Art. 12 der Statuten von Vetropack hat jede Vetropack-Aktie eine Stimme. Die Namenaktien sind demnach Stimmrechtsaktien, die Inhaberaktien sind Stammaktien. Die Statuten der Vetropack enthalten keine Opting out-Klausel.
B.
Folgende Aktionäre halten eine Beteiligung von mehr als 3% der Stimmrechte an Vetropack:
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Cornaz AG-Holding (Coho) mit Sitz in Oberrieden hielt per 6. Dezember 2019 742'086 Stimmrechtsaktien und 14'179 Inhaberaktien, entsprechend 67.2% der Stimmrechte an Vetropack. Das Aktionariat der Coho besteht aus 15 Mitgliedern der Familie Cornaz, von denen keines eine beherrschende Stellung hat. Zwischen diesen 15 Mitgliedern der Familie Cornaz besteht in Bezug auf Coho ein Aktionärsbindungsvertrag. |
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Elisabeth Leon-Cornaz hält 56'867 Stimmrechtsaktien, entsprechend 5.2% der Stimmrechte an Vetropack. |
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La Licorne Holding SA (Licorne) mit Sitz in Martigny hält 50'722 Stimmrechtsaktien, entsprechend 4.6% der Stimmrechte an Vetropack. Die beiden einzigen Aktionäre der Licorne sind Pascal Cornaz und Carole D’Orazio-Cornaz, welche die Aktien der Licorne je zur Hälfte halten. |
C.
Zwischen Coho, Elisabeth Leon-Cornaz, Licorne sowie Pascal Cornaz und Pierre-André Cornaz besteht ein Aktionärsbindungsvertrag in Bezug auf Vetropack (ABV; alle Mitglieder des ABV zusammen die Cornaz-Gruppe). Die Cornaz-Gruppe hält insgesamt 858'676 Stimmrechtsaktien und 14'179 Inhaberaktien, entsprechend insgesamt 79.3% der Stimmrechte an Vetropack (vgl. Offenlegungsmeldung der SIX vom 10. Dezember 2019).
D.
Der ABV besteht seit 1966. Eine generelle Revision erfolgte letztmals im Jahr 2004, gefolgt von neun Nachträgen. Als Vorschrift über das Abstimmungsverhalten sieht der ABV vor, dass sich die Cornaz-Gruppe vor einer Generalversammlung der Vetropack trifft und ihr diesbezügliches Abstimmungsverhalten verbindlich festlegt (Art. 3 Abs. 1 ABV und Art. 4 Abs. 1 ABV). Dieser Beschluss erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip (Art. 4 Abs. 4 ABV), wobei jedes Mitglied der Cornaz-Gruppe so viele Stimmen hat, wie es Vetropack-Aktien hält (Art. 2 ABV). Vetorechte bestehen keine.
E.
Vetropack plant, eine Diskussion mit den Inhabern der Stimmrechtsaktien (Stimmrechtsaktionäre) über eine mögliche Umwandlung ihrer Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien im Verhältnis 5:1 aufzunehmen (geplantes Umtauschangebot). Diese Umwandlung eines Teils der Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien müsse von der Generalversammlung beschlossen werden. Der entsprechende Beschluss soll an der nächsten ordentlichen Generalversammlung am 22. April 2020 gefasst werden. Es ist geplant, mit allen Mitgliedern der Familie Cornaz über die Möglichkeit der Umwandlung persönlich zu sprechen, mit jedem interessierten Mitglied oder auch mehreren zusammen einen Vertrag über den Umtausch auszuhandeln und abzuschliessen.
Coho unterstützt das geplante Umtauschangebot, da es den Mitgliedern der Familie Cornaz, die ihre Stimmrechtsaktien umwandeln möchten, eine verbesserte Liquidität ihrer Investition gebe. Diese Liquidität könne z.B. bei einer Erbschaft zwingend notwendig werden, wenn der Erblasser in einem Kanton lebe, in dem auch direkte Verwandte Erbschaftssteuern zahlen müssten, wie z. B. in der Waadt.
F.
Im Rahmen des geplanten Umtauschangebots wird voraussichtlich Elisabeth Leon-Cornaz alle von ihr gehaltenen 56'867 Stimmrechtsaktien (vgl. Sachverhalt lit. B) in Inhaberaktien umtauschen. Von den anderen Mitgliedern der Familie Cornaz wird erwartet, dass sie maximal 26'325 Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien umtauschen werden. Coho beabsichtigt, maximal so viele Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien umzutauschen, dass sie weiterhin die Mehrheit der Stimmrechte an Vetropack hält.
G.
Im Weiteren erwägt Coho gemäss eigenen Angaben, den ABV aufzulösen und damit die Cornaz-Gruppe aufzuheben, wobei dies allerdings noch nicht entschieden sei. Mit der Auflösung des ABV könne erreicht werden, dass den Mitgliedern der Cornaz-Gruppe die Möglichkeit der Liquidität gegeben werde. Diesen nützt die Umwandlung der Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien weniger, wenn sie nach wie vor im ABV gebunden seien, da der ABV die Übertragbarkeit der Vetropack-Aktien in Art. 5 bis 7 ABV beschränke. Damit würde die Auflösung des ABV (ebenfalls) dazu beitragen, die Handelbarkeit der Inhaberaktien zu verbessern.
H.
Am 3. Februar 2020 reichten Vetropack und Coho (zusammen die Gesuchsteller) ein Gesuch ein mit folgenden Anträgen:
1. | Es sei festzustellen, dass der geplante teilweise Umtausch von Namenaktien der Gesellschaft mit einem Nominalwert von gegenwärtig CHF 10 in Inhaberaktien mit einem Nominalwert von gegenwärtig CHF 50 nicht unter das 4. Kapitel des FinfraG (öffentliche Kaufangebote) fällt; |
2. | Es sei festzustellen, dass die infolge des Umtauschs erwartete Umgestaltung der Gruppe von Aktionären der Gesellschaft um die Coho keine Angebotspflicht auslöst, eventualiter sei eine Ausnahme von der Angebotspflicht gem. Art. 136 Abs. l FinfraG zu gewähren; |
3. | Es sei festzustellen, dass auch eine etwaige Auflösung der gegenwärtigen Gruppe von Aktionären der Gesellschaft um die Coho, die mit dem Umtausch allenfalls einhergeht, keine Angebotspflicht auslöst, eventualiter sei eine Ausnahme von der Angebotspflicht gem. Art. 136 Abs. 1 FinfraG zu gewähren; |
4. | Es sei die Veröffentlichung der Verfügung mit der Gesellschaft zu koordinieren, so dass dies gleichzeitig mit der Ankündigung des Umtausches erfolgen kann. |
Auf die Begründung dieser Anträge wird – soweit erforderlich – in den Erwägungen eingegangen.
I.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Thomas A. Müller (Präsident), Franca Contratto und Thomas Vettiger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Keine Öffentlichkeit des geplanten Umtauschangebots (Antrag Ziff. 1)
1.1 Gesetzliche Grundlagen und Praxis der Übernahmekommission
[1] Gemäss Art. 125 Abs. 1 FinfraG gelten die Bestimmungen des 4. Kapitels: Öffentliche Kaufangebote für öffentliche Kaufangebote für Beteiligungspapiere. Damit ein Kaufangebot gemäss FinfraG vorliegt, muss es m.a.W. „öffentlich“ sein. Art. 2 lit. i FinfraG definiert öffentliche Kaufangebote als Angebote zum Kauf oder zum Tausch von Aktien, Partizipations- oder Genusscheinen oder von anderen Beteiligungspapieren (Beteiligungspapiere), die sich öffentlich an die Inhaberinnen und Inhaber von Aktien oder von anderen Beteiligungspapiere von schweizerischen Gesellschaften richten.
[2] Ein Kaufangebot ist a priori als "öffentlich'' zu qualifizieren, wenn es in öffentlich zugänglichen Medien verbreitet wird (BSK FinfraG-Rudolf Tschäni/Jacques Iffland/Hans Jakob Diem, N 8 zu Art. 2 lit. i). Wird ein Angebot indes nur (aber immerhin) einem begrenzten Adressatenkreis unterbreitet, z.B. per Brief, so ist mit Blick auf die Publikumswirkung auf die Grösse des Adressatenkreises sowie auf alle weiteren Umstände des Einzelfalls abzustellen. Inhaltlich richtungsweisend ist dabei stets die Überlegung, dass die Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote bezwecken, das Verhandlungsdefizit des Angebotsempfängers gegenüber dem Anbieter zu kompensieren. Ist der Adressatenkreis eines Angebotes so gross, dass keine Möglichkeit zum individuellen Kontrahieren bzw. zum Koordinieren des Verhaltens mit anderen Adressaten besteht, ist die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Anleger zu bejahen (Urs Schenker, Schweizerisches Übernahmerecht, S. 215 f.), weshalb die Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote zwingend zur Anwendung kommen müssen (Empfehlung 260/03 vom 10. Februar 2006 in Sachen Berna Biotech AG, Erw. 2.4 und Empfehlung in Sachen Intersport PSC Holding AG vom 11. August 2000, Erw. 1.3).
[3] In der Vergangenheit hat sich die Übernahmekommission vereinzelt mit dieser Frage auseinandergesetzt: Im Zusammenhang mit dem öffentlichen Kaufangebot der Fair Play International Sports GmbH, Spreitenbach, für Namenaktien der Intersport PSC Holding AG, entschied die Übernahmekommission, dass ein Schreiben welches an 80 Fachhändler der Intersport PSC Holding AG gesandt wurde, als öffentliches Kaufangebot zu qualifizieren sei. Begründet wurde dies damit, dass es einem Mitglied nicht zugemutet werden könne, sein Verhalten mit Blick auf das Angebot mit den andern 79 angeschriebenen Personen zu koordinieren, selbst wenn ihm deren Adressen bekannt wären. Um den Schutz der Anleger in ausreichendem Masse gewährleisten zu können, müsse das Angebot deshalb als öffentlich qualifiziert werden (Empfehlung 70/03 in Sachen Intersport PSC Holding AG vom 11. August 2000, Erw. 1.4). Im Kontext mit dem öffentlichen Umtauschangebot von Crucell N.V., Leiden, Niederlande, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von Berna Biotech AG, bejahte die Übernahmekommission das Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebots, als 64 bis 87 Optionsberechtigte individuell angeschrieben werden sollten, um mit jedem einzelnen eine separate und vertragliche Einigung über den Erwerb seiner Optionen abzuschliessen. Die Übernahmekommission bejahte ebenfalls die Anwendbarkeit der Bestimmungen über öffentliche Kauf- und Umtauschangebote, da in der konkreten Konstellation keine Möglichkeit zum Koordinieren des Verhaltens mit anderen Angebotsadressaten gegeben sei (Empfehlung 260/03 vom 10. Februar 2006 in Sachen Berna Biotech AG, Erw. 2.4).
[4] Diese Praxis ist insofern zu präzisieren, als zur Beantwortung der entscheidenden Frage, ob sich die Adressaten eines Angebotes untereinander koordinieren können, nicht ausschliesslich auf die Grösse des Adressatenkreises abzustellen ist. Vielmehr ist ebenfalls zu berücksichtigen, in welchem Verhältnis die Adressaten zueinander stehen. Je enger dieses Verhältnis ist, desto eher ist eine Koordination möglich. Hingegen spielt das individuelle Schutzbedürfnis der jeweiligen Adressaten keine Rolle (vgl. Rudolf Tschäni/Hans Jakob Diem/Timo Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl. 2020, Rn 22, welche darauf hinweisen, dass es auf die individuelle Qualität der Adressaten nicht ankomme, beispielsweise sei unerheblich, ob es sich bei den Adressaten um institutionelle Anleger handle).
1.2 Kontrahierungsmacht und Koordinationsmöglichkeit der Stimmrechtsaktionäre
[5] Das geplante Umtauschangebot soll sich an die Stimmrechtsaktionäre von Vetropack richten. Vorliegend werden sämtliche Stimmrechtsaktien von lediglich 31 Stimmrechtsaktionären gehalten; konkret handelt es sich um 29 natürliche und zwei juristische Personen (Coho und Licorne). Darüber hinaus ist von Relevanz, dass es sich bei den Stimmrechtsaktionären ausschliesslich um Mitglieder der Familie Cornaz bzw. im Fall von Coho und Licorne um Gesellschaften handelt, an denen ausschliesslich Mitglieder der Familie Cornaz beteiligt sind.
[6] Vor dem Hintergrund, dass sich die Stimmrechtsaktien auf lediglich 31 Stimmrechtsaktionäre verteilen, die zudem untereinander dadurch verbunden sind, dass sie allesamt Mitglieder der Familie Cornaz sind, wobei die Mehrzahl von ihnen zusätzlich Gesellschafter von Coho oder Licorne oder direkt Mitglieder der Cornaz-Gruppe sind, haben die Stimmrechtsaktionäre die Möglichkeit, einzeln oder in Gruppen mit Vetropack oder untereinander zu verhandeln. Gemäss Angaben der Gesuchsteller kennen sich die Mitglieder der Familie Cornaz persönlich, weshalb sie sich problemlos untereinander koordinieren können, um eine Lösung zu finden, die ihren Interessen entspricht. Ein zusätzliches Schutzbedürfnis, welches die Anwendung der Bestimmungen über öffentliche Kauf- und Umtauschangebote als erforderlich erscheinen lassen würde, ist in der vorliegend zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation nicht erkennbar.
1.3 Fazit
[7] Demnach ist antragsgemäss festzustellen, dass das geplante Umtauschangebot nicht unter das 4. Kapitel des FinfraG (öffentliche Kaufangebote) fällt.
2. Umgestaltung bzw. Auflösung der beherrschenden Aktionärsgruppe
2.1 Gesetzliche Grundlagen und Praxis der Übernahmekommission
[8] Gemäss Art. 135 Abs. 1 FinfraG muss ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreiten, wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 331/3% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet.
[9] Eine Angebotspflicht entsteht auch, wenn es innerhalb einer beherrschenden Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA zu wesentlichen Veränderungen kommt, sei es durch den Eintritt von neuen Aktionären, durch das Ausscheiden von Gruppenmitgliedern oder durch Verschiebungen innerhalb der Gruppe, sei es durch Modifikationen am der Gruppe zugrundeliegenden (Aktionärsbindungs-)Vertrag, welche eine Änderung der Kontrollverhältnisse mit Blick auf die Zielgesellschaft zur Folge haben (BGE 130 II 530, Erw. 5.3.1; Verfügung 645/01 vom 18. November 2016 in Sachen Vontobel Holding AG, Erw. 2.3; Verfügung 521/01 vom 13. November 2012 in Sachen Repower AG, Erw. 1.1; Verfügung 493/1 vom 11. Oktober 2011 in Sachen Absolute Private Equity AG, Erw. 1; Verfügung 471/01 vom 14. März 2011 in Sachen Schmolz + Bickenbach AG, Erw. 2.3; Empfehlung 256/01 vom 11. November 2005 in Sachen Rätia Energie AG, Erw. 2.1). In diesem Fall muss den Minderheitsaktionären die Option gewährt werden, durch ein Pflichtangebot aus der Gesellschaft austreten zu können, da dies einem Kontrollwechsel gleichkommen kann (vgl. Verfügung 521/01 vom 13. November 2012 in Sachen Repower AG Erw. 1.1; Empfehlung 256/01 vom 11. November 2005 in Sachen Rätia Energie AG, Erw. 2.1).
3. Keine Angebotspflicht infolge des geplanten Umtauschangebots und/oder der Auflösung des Aktionärsbindungsvertrages
[10] Coho hält zurzeit 67.2% der Stimmrechte an Vetropack, wobei das Aktionariat der Coho aus 15 Mitgliedern der Familie Cornaz besteht, von denen keines eine beherrschende Stellung hat (vgl. Sachverhalt lit. B). Coho ist damit der mit Abstand grösste Aktionär der Cornaz-Gruppe, welche insgesamt 79.3% der Stimmenrechte an Vetropack hält. Innerhalb der Cornaz-Gruppe hält Coho mehr als 80% der Gruppenstimmen.
[11] Der ABV sieht vor, dass die Mitglieder der Cornaz-Gruppe ihr Abstimmungsverhalten in Bezug auf die Generalversammlung der Vetropack verbindlich beschliessen, wobei dieser Beschluss nach dem Mehrheitsprinzip erfolgt und jedes Mitglied der Cornaz-Gruppe so viele Stimmen hat, wie es Vetropack-Aktien hält (vgl. Sachverhalt lit. D). Diese Regelung hat zur Folge, dass Coho im Ergebnis die Cornaz-Gruppe beherrscht, weil Coho innerhalb der Cornaz-Gruppe über die Mehrheit der Gruppenstimmen verfügt und daher das Abstimmungsverhalten der Cornaz-Gruppe festlegen kann. Kommt hinzu, dass gemäss Art. 10 Abs. 2 des ABV das Begehren von zwei Dritteln der Stimmen der Cornaz-Gruppe genügt, um den ABV aufzulösen. Damit kann Coho bei den aktuellen Beteiligungsverhältnissen auch über die Auflösung des ABV alleine entscheiden.
3.1 Keine Änderung der Beherrschungsverhältnisse infolge des geplanten Umtauschangebots (Antrag Ziff. 2)
[12] Wie erwähnt wird Elisabeth Leon-Cornaz im Rahmen des geplanten Umtauschangebots voraussichtlich ihre 56'867 Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien umtauschen; zudem wird erwartet, dass von den anderen Mitgliedern der Familie Cornaz maximal 26'325 Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien umgetauscht werden.
[13] Das geplante Umtauschangebot hat zur Folge, dass diejenigen Stimmrechtsaktionäre, die daran teilnehmen, an Stimmkraft verlieren. Da Coho beabsichtigt, maximal so viele Stimmrechtsaktien in Inhaberaktien umzutauschen, dass sie nach wie vor die Mehrheit der Stimmrechte an Vetropack hält, ändert das geplante Umtauschangebot an den Beherrschungsverhältnissen in Bezug auf Vetropack nichts: Coho verfügt innerhalb der Cornaz-Gruppe nach wie vor über die Mehrheit der Gruppenstimmen und kann daher das Abstimmungsverhalten der Cornaz-Gruppe festlegen und damit Vetropack beherrschen. Aus Sicht der Minderheitsaktionäre ändert sich an den Kontrollverhältnissen über Vetropack nichts.
3.2 Keine Änderung der Beherrschungsverhältnisse infolge Auflösung des ABV (Antrag Ziff. 3)
[14] Coho erwägt, den ABV aufzuheben und damit die Cornaz-Gruppe aufzulösen (vgl. Sachverhalt lit. G)
[15] Eine etwaige Aufhebung des ABV hätte zwar zur Folge, dass formell nicht mehr die Cornaz-Gruppe, sondern Coho alleine Vetropack im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG kontrollieren würde. An den tatsächlichen Beherrschungsverhältnissen würde dies jedoch nichts ändern: Wie erwähnt kann Coho unter dem geltenden ABV die Cornaz-Gruppe beherrschen, weil Coho innerhalb der Cornaz-Gruppe über die Mehrheit der Gruppenstimmen verfügt und damit das Abstimmungsverhalten der Cornaz-Gruppe festlegen kann. Kommt hinzu, dass der ABV für die übrigen Mitglieder der Cornaz-Gruppe keine Vetorechte vorsieht, welche die dominierende Stellung von Coho innerhalb der Cornaz-Gruppe einschränken. Vor diesem Hintergrund würde das Ausscheiden einzelner Gruppenmitglieder oder die Aufhebung der ganzen Cornaz-Gruppe nichts an der beherrschenden Stellung von Coho ändern, welche Vetropack in beiden Fällen nach wie vor kontrollieren würde.
3.3 Fazit
[16] Nach Gesagtem kann antragsgemäss festgestellt werden, dass weder das geplante Umtauschangebot noch eine allfällige Auflösung der Cornaz-Gruppe für Coho eine Angebotspflicht i.S.v. Art. 135 FinfraG in Bezug auf Vetropack auslösen.
4. Publikation (Antrag Ziff. 4)
[17] Nach Art. 61 Abs. 3 UEV veröffentlicht die Zielgesellschaft die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrates (lit. a) und das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission (lit. b). Zudem veröffentlicht die Zielgesellschaft den Hinweis, innert welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der Übernahmekommission erheben kann (Art. 61 Abs. 3 lit. c UEV). Art. 6 und 7 UEV sind auf diese Veröffentlichung anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).
[18] Im vorliegenden Fall beantragen die Gesuchsteller, dass die Publikation der Verfügung mit Vetropack derart zu koordinieren ist, dass sie gleichzeitig mit der Bekanntgabe des geplanten Umtauschangebotes erfolgen kann.
[19] Auf Grund der berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Gesuchsteller bewilligt die Übernahmekommission, dass die Publikation der vorliegenden Verfügung bis zur Bekanntgabe des geplanten Umtauschangebotes aufgeschoben wird.
[20] Vetropack wird verpflichtet, das Dispositiv dieser Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, innerhalb von spätestens zwei Börsentagen nach der Bekanntgabe des geplanten Umtauschangebotes in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV zu veröffentlichen.
[21] Diese Verfügung wird gemäss Art. 61 Abs. 2 UEV unmittelbar nach der Veröffentlichung gemäss Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV durch Vetropack auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht.
5. Gebühr
[22] Nach Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 Abs. 1 FinfraV erhebt die Übernahmekommission eine Gebühr, wenn sie in anderen Übernahmesachen entscheidet, insbesondere über das Bestehen einer Angebotspflicht. Die Gebühr beträgt je nach Schwierigkeit und Umfang des Falles bis zu CHF 50'000 (Art. 118 Abs. 2 FinfraV).
[23] Unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit der vorliegenden Gesuche von Vetropack und Coho setzt der Ausschuss die Gebühr auf insgesamt CHF 20'000 fest, je hälftig zu Lasten von Vetropack und Coho.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. | Es wird festgestellt, dass der geplante Umtausch von Namenaktien der Vetropack Holding AG mit einem Nominalwert von CHF 10 in Inhaberaktien der Vetropack Holding AG mit einem Nominalwert von CHF 50 im Verhältnis 5:1 nicht unter das 4. Kapitel des FinfraG (öffentliche Kaufangebote) fällt. |
2. | Es wird festgestellt, dass weder die als Folge des geplanten Umtausches erwartete Umgestaltung noch eine mögliche Auflösung der Gruppe von Aktionären um die Cornaz AG-Holding eine Angebotspflicht in Bezug auf Vetropack Holding AG auslösen. |
3. | Vetropack Holding AG wird verpflichtet, das Dispositiv dieser Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, innerhalb von spätestens zwei Börsentagen nach der Bekanntgabe des geplanten Umtauschs zu veröffentlichen. |
4. | Die vorliegende Verfügung wird im Anschluss an die Veröffentlichung durch Vetropack Holding AGgemäss Ziff. 3 des Dispositivs hiervor auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht. |
5. | Die Gebühr zu Lasten von Vetropack Holding AG beträgt CHF 10'000. |
6. | Die Gebühr zu Lasten von Cornaz AG-Holding beträgt CHF 10'000. |
Der Präsident:
Thomas A. Müller
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- | Vetropack Holding AG, vertreten durch Dr. iur. Matthias Courvoisier, Baker McKenzie Zürich, Holbeinstrasse 30, 8034 Zürich; |
- | Cornaz AG-Holding, vertreten durch Dr. iur. Matthias Courvoisier, Baker McKenzie Zürich, Holbeinstrasse 30, 8034 Zürich. |
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):
Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 4 UEV).