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0251 - Aare-Tessin AG für Elektrizität
Empfehlung III Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 19. Januar 2006 - Gesuch um Ausnahme vom Mindestpreis
Gesuch von Electricité de France International, Paris/Frankreich, EOS-Holding, Lausanne, Aziende Industriali di Lugano AG, Lugano, Elektra Birseck, Münchenstein, Elektra Basel-land, Liestal, IBAarau AG, Aarau, des Kantons Solothurn und der Wasserwerke Zug, Zug, sowie von Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, um bindende Auskunft gemäss Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK betreffend Ausnahme nach Art. 43 BEHV-EBK für die Bestimmung des Um-tauschverhältnisses.
A.
Die Aare-Tessin AG für Elektrizität („Atel“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Olten. Sie ist ein europaweit tätiges Energieunternehmen mit einem Aktienkapital von CHF 303'600'000, aufgeteilt in 3'036'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 100 („Atel-Aktien“). Die Namenaktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert.
B.
Motor-Columbus AG („Motor-Columbus“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baden. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 253'000'000, eingeteilt in 506'000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 500 („Motor-Columbus-Aktien“). Die Aktien sind an der SWX kotiert. Die Statuten von Motor-Columbus enthalten eine Opting out-Klausel. Motor-Columbus ist eine reine Finanzholding mit Beteiligungen vor allem im Energiebereich. Als wichtigste Beteiligung hält sie 58.51% aller Namenaktien der operativ tätigen Atel.
C.
UBS AG („UBS“) mit Sitz in Zürich und Basel hielt eine Beteiligung von 55.64% an Motor-Columbus. Bedeutende Aktionäre von Motor-Columbus sind Electricité de France International („ EDFI“), die 20% der Inhaberaktien an Motor-Columbus hält und EOS-Holding („ EOSH“), welche 15.44% der Inhaberaktien an Motor-Columbus hält. Am 29. September 2005 schloss UBS mit EOSH, Aziende Industriali di Lugano AG („AIL“), Elektra Birseck („EBM), Elektra Baselland („EBL“), IBAarau AG („IBA“), dem Kanton Solothurn („KtSO“) und den Wasserwerken Zug („WWZ“) sowie Atel einerseits und mit EDFI andererseits je einen Aktienkaufvertrag ab, worin sich UBS verpflichtete, EOSH, AIL, EBM, EBL, IBA, KtSO, WWZ, EDFI und Atel ihre Beteiligung an Motor-Columbus in der Höhe von 55.64% zu verkaufen (nachfolgend „Aktienkaufverträge“). Der Vollzug der Aktienkaufverträge ist an verschiedene Bedingungen geknüpft.
D.
EOSH, AIL, EBM, EBL, IBA, KtSO, WWZ, EDFI (alle zusammen „Konsortium“ oder „Konsortialmitglieder“) und Atel (zusammen mit den Konsortialmitgliedern „Gesuchsteller“) schlossen zeitgleich eine Konsortialvereinbarung ab und halten insgesamt eine Beteiligung von 32.46% an Atel. Durch die Aktienkaufverträge wird das Konsortium und Atel per Vollzugstag 55.64% der Inhaberaktien der Motor-Columbus erwerben. Das Konsortium und Atel verfolgen die industrielle Absicht, die führende Energiegesellschaft der westlichen Schweiz mit europäischer Ausrichtung und Dimension zu schaffen. Die oben genannte Konsortialvereinbarung legt unter anderem die einzelnen Transaktionsschritte fest, die im Hinblick auf die Realisierung dieser industriellen Absicht umzusetzen sind.
E.
Mit Empfehlung vom 11. August 2005 stellte die Übernahmekommission fest, dass die Konsortialmitglieder Atel mit Unterzeichnung der Konsortialvereinbarung kontrollieren und gegenüber den Aktionären von Atel nach Art. 32 Abs. 1 BEHG angebotspflichtig sind (vgl. Empfehlung in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. August 2005 – Angebotspflicht, Erw. 1.3). Gleichzeitig verlängerte die Übernahmekommission die Frist zur Unterbreitung des Pflichtangebots an die Aktionäre von Atel bis zum Vollzug der Aktienkaufverträge, längstens aber bis Februar 2006 (vgl. Empfehlung in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. August 2005 – Angebotspflicht, Erw. 4.1).
F.
Ebenfalls mit Empfehlung vom 11. August 2005 stellte die Übernahmekommission fest, dass Motor-Columbus das Pflichtangebot an die Aktionäre der Atel gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG im Auftrag des Konsortiums durchführen kann, indem sie im Rahmen eines Umtauschangebots Aktien von Motor-Columbus anbietet (vgl. Empfehlung II in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. August 2005 – Tauschangebot, Erw. 1.1 und 1.2). Entsprechend dieser Empfehlung ist beabsichtigt, dass Motor-Columbus, im Auftrag der Konsortialmitglieder, den Atel-Aktionären unmittelbar nach Vollzug der Aktienkaufverträge ein Pflichtangebot in Form des Tauschs von Atel- gegen Motor-Columbus-Aktien unterbreitet.
G.
Nach Durchführung des Übernahmeangebots an die Atel-Aktionäre sollen Atel sowie Motor-Columbus zusammengeführt und in eine Holding umgeformt werden. Im Zuge der Umformung zu einer Holding soll eine Umfirmierung sowie ein Sitzwechsel erfolgen. Sodann werden die Aktivitäten der Holding mit den betrieblichen Aktivitäten und Aktiven von EOSH sowie gegebenenfalls den schweizerischen Aktivitäten der Electricité de France („EDF“) bzw. Energie Baden-Würtemberg AG zusammengeführt.
H.
Mit Gesuch vom 6. Dezember 2005 stellten die Mitglieder des Konsortiums der Übernahmekommission folgende Anträge:
„1. Es sei ein Ausschuss der Übernahmekommission zu ernennen, der über folgende Rechtsfrage eine bindende Auskunft gemäss Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK erteilt:
Wird dem Konsortium und Atel eine Ausnahme im Sinne von Art. 43 BEHV- EBK gewährt und ihnen gestattet, die Bewertung der zum Tausch angebotenen Inhaberaktien von Motor-Colombus AG, Baden (MC), statt auf Basis der Bestimmungen von Art. 42 BEHV-EBK i.V.m. Art. 37 Abs. 2 BEHV-EBK auf Basis der See-through Bewertung gemäss Anlage 4 hierzu vorzunehmen, unabhängig davon, ob diese See-through Bewertung dem Mindestpreis gemäss Art. 37 BEHV-EBK entspricht?
2. Das Verfahren um bindende Auskunft betreffend Gewährung einer Ausnahme im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK sei im Einvernehmen mit der Bankenkommission zu führen.
3. Es sei die Publikation dieser bindenden Auskunft aufzuschieben bis zur Unterbreitung des Pflichtangebots an die Publikumsaktionäre von Atel.“
I.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Hans Rudolf Widmer (Präsident) und Walter Knabenhans sowie Frau Claire Huguenin gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Angebotspflicht
In ihrer Empfehlung II vom 11. August 2005 hat die Übernahmekommission festgestellt, dass Motor-Columbus das Pflichtangebot an die Aktionäre der Atel gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG im Auftrag des Konsortiums durchführen kann, indem sie im Rahmen eines Umtauschangebots Aktien von Motor-Columbus anbietet (s. oben Sachverhalt lit. F). Motor-Columbus plant nun, im Auftrag des Konsortiums, den Atel-Aktionären unmittelbar nach Vollzug der Aktienkaufverträge ein Pflichtangebot im Form des Tauschs von Atel-Aktien gegen Motor-Columbus-Aktien zu unterbreiten.
2. Mindestpreis
Nach Art. 32 Abs. 4 BEHG muss der Preis des Angebots mindestens dem Börsenkurs entsprechen und darf höchstens 25% unter dem höchsten Preis liegen, den der Anbieter in den letzten zwölf Monaten für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat. Sind die Titel der Zielgesellschaft liquid, entspricht der Börsenkurs nach Art. 32 Abs. 4 BEHG dem Durchschnitt der während der letzten 30 Börsentage vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung (Art. 9 Abs. 3 lit. a UEV-UEK) ermittelten Eröffnungskurse (Art. 37 Abs. 2 BEHV-EBK). Als liquid erachtet die Übernahmekommission einen Titel dann, wenn er wenigstens an 15 der letzten 30 Börsentage vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung gehandelt worden ist (Empfehlung in Sachen Optic – Optical Technology Investments AG vom 22. Oktober 2002, Erw. 3.3).
3. Berechnung des Angebotspreises
3.1 Bei Umtauschangeboten wird für die Berechnung des Angebotspreises Art. 37 Abs. 2 BEHV-EBK analog angewendet (Art. 42 Abs. 1 BEHV-EBK). Somit ergibt sich der zu berücksichtigende Wert der zum Umtausch angebotenen Titel – sofern diese im oben genannten Sinne als liquid zu betrachten sind – ebenfalls aus dem Durchschnitt der während der letzten 30 Börsentage vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung ermittelten Eröffnungskurse der zum Umtausch angebotenen Beteiligungspapiere (vgl. Empfehlung in Sachen Berna Biotech AG vom 13. Dezember 2005, Erw. 3.3.2; Empfehlung in Sachen Gornergrat Bahn AG vom 28. Juni 2005, Erw. 4.2.1; Empfehlung in Sachen Optic – Optical Technology Investments AG vom 22. Oktober 2002, Erw. 3.3).
3.2 Zusammengefasst errechnet sich demzufolge das Umtauschverhältnis bei liquiden Titeln auf der Basis der jeweiligen Börsenkurse der Aktien der Zielgesellschaft (s. Erw. 2) und der zum Tausch angebotenen Aktien (s. Erw. 3.1), wobei als Börsenkurs jeweils der Durchschnitt der während der letzten 30 Börsentage vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung ermittelten Eröffnungskurse des jeweiligen Titels gilt.
4. Gewährung einer Ausnahme im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK
4.1. Grundsatz
4.1.1 Gemäss Art. 43 BEHV-EBK kann die Übernahmekommission im Einvernehmen mit der Bankenkommission („EBK“) aus wichtigen Gründen einem Anbieter in Einzelfällen Ausnahmen von den Regelungen der Art. 37-42 BEHV-EBK gewähren. Wird einem Anbieter keine Ausnahme gewährt, dann wird das Verfahren nicht im Einvernehmen mit der EBK geführt, sondern eine Empfehlung erlassen, die gemäss Art. 23 Abs. 4 BEHG i.V.m. Art. 5 UEV-UEK innert fünf Börsentagen abgelehnt werden kann. Diesfalls überweist die Übernahmekommission die Sache an die EBK.
4.1.2 Als wichtige Gründe im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK gelten ausserordentliche Umstände wie Börsencrashs, die geradezu zu offensichtlich unangemessenen bzw. unhaltbaren Angebotspreisen führen würden. Hingegen bietet Art. 43 BEHV-EBK kein Korrektiv für abweichende Ansichten über die „Fairness“ des Preises, der in Anwendung der in Art. 37-42 BEHV-EBK festgelegten Berechnungsregeln ermittelt wird. Kommt also beispielsweise eine Fundamentalanalyse aufgrund des angewandten Bewertungsmodells zur Ermittlung eines theoretischen Preises zum Schluss, dass der aktuelle Marktpreis eines Titels nicht dem „fairen“ Preis entspricht, ist dies kein wichtiger Grund, um von der Mindestpreisberechnung gemäss Art. 37ff. BEHV-EBK abzuweichen, sofern die Titel der Zielgesellschaft bzw. die zum Umtausch angebotenen Titel liquid sind und keine ausserordentlichen Umstände vorliegen, die eine Ausnahme rechtfertigen würden.
4.1.3 Was die Motor-Columbus-Aktie anbelangt, weist diese zwar einen verhältnismässig geringen Streubesitz und bescheidene Handelsvolumina auf. Dennoch wurde der Titel in den letzten Monaten regelmässig gehandelt. Der Handel ist folglich zur Zeit als liquid zu bezeichnen (zur Liquidität s. oben Erw. 2). Auch wenn heute nicht feststellbar ist, ob dieses Kriterium im Zeitpunkt des Umtauschangebots tatsächlich erfüllt sein wird, gibt es im Augenblick keinen Grund, die Liquidität des Titels in Frage zu stellen.
Es stellt sich im Folgenden somit die Frage, ob wichtige Gründe im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK vorliegen, die eine Ausnahme von den Regelungen der Art. 37-42 BEHV-EBK rechtfertigen.
4.2 Antrag der Gesuchsteller
4.2.1 Die Gesuchsteller sind der Auffassung, dass vorliegend wichtige Gründe im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK vorliegen, die eine Ausnahme von den oben erörterten Grundsätzen über die Festsetzung des Angebotspreises der zum Tausch an die Aktionäre von Atel angebotenen Motor-Columbus-Aktien gebieten. Als Basis für die Bewertung der Motor-Columbus-Aktien müsse nicht der Durchschnitt der während der letzten 30 Börsentagen vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung ermittelten Eröffnungskurse der Motor-Columbus-Aktien, sondern alternativ der gewichtete Börseneröffnungskurs der Atel-Aktien gemäss BEHV-EBK dienen, um darauf aufbauend den sog. see-through-Wert von Motor-Columbus zu berechnen (gemäss see-through-Methode entspricht der Unternehmenswert von Motor-Columbus der Beteiligung von Motor-Columbus am Eigenkapital von Atel). Die Nichtanwendbarkeit der auf dem Börsenkurs basierenden Methode gemäss Art. 42 BEHV-EBK i.V.m. Art. 37 BEHV-EBK bzw. die Anwendbarkeit der see-trough-Bewertungsmethode zur Bestimmung des Austauschverhältnisses begründen die Gesuchsteller im Wesentlichen mit den folgenden Argumenten:
4.2.1.1 Wirtschaftlich reflektiere die see-through-Bewertung die Tatsache, dass Motor-Columbus faktisch eine Finanzholding sei, deren Beteiligung an Atel per 31. Dezember 2004 98.5% ihrer Aktiva ausmache. Bei Annahme eines effizienten Marktes müsste sich – nach Ansicht der Gesuchsteller – die von ihnen befürwortete Betrachtungsweise jeweils im Börsenkurs von Motor-Columbus widerspiegeln. Die Prämisse der sog. Efficient Market Hypothesis stimme in Bezug auf Atel und Motor-Columbus allerdings nur beschränkt. Die Handelsvolumina in den Aktien von Motor-Columbus und von Atel und deren Streubesitz seien gering, mit der Konsequenz, dass die relativen Kursschwankungen der Atel- und Motor-Columbus-Aktien zueinander nur mit Zufälligkeiten – ohne systematische Ursache – zu erklären seien. Damit die Aktionäre der Zielgesellschaft in Anwendung des Transparenzgedankens sich darauf verlassen könnten, dass der ihnen als Gegenleistung angebotene Titel den Wert der Zielgesellschaft fair wiedergebe und nicht durch Zufälligkeiten verfälscht werde, müsse die Bewertung von diesen Zufälligkeiten bereinigt und somit die Bewertung der Motor-Columbus-Aktien direkt an den massgebenden Preis der Atel-Aktie gebunden werden.
4.2.1.2 Des Weiteren machen die Gesuchsteller geltend, ein nach dem Massstab des gewichteten durchschnittlichen Börseneröffnungskurses eruierter Angebotspreis der Motor-Columbus-Aktien und damit die Festlegung des Umtauschverhältnisses auf dieser Basis hätte unter Umständen zur Folge, dass aufgrund momentaner, zufälliger Schwankungen in einem der Titel (Motor-Columbus oder Atel) entweder die heute bestehenden Motor-Columbus-Aktionäre in ihrer Beteiligung an der Atel-/Motor-Columbus-Gruppe verwässert bzw. die Atel-Aktionäre bevorzugt würden oder umgekehrt. Eine solche Besser- bzw. Schlechterstellung sei mit dem Gleichbehandlungsgebot, wonach vergleichbare Anleger unter den gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln seien, nicht vereinbar. Hingegen verwirkliche die see-through-Bewertung die Gleichbehandlung der Aktionäre von Atel und von Motor-Columbus bei gleichzeitiger Ausblendung von Marktimperfektionen.
4.2.1.3 Im Übrigen sei in der vorliegenden Konstellation auch der Lauterkeitsgrundsatz tangiert, da es grundsätzlich jedem Angebotsempfänger aufgrund des geringen Handelsvolumens möglich sei, mittels gezielter Transaktionen in den Titeln von Atel bzw. von Motor-Columbus deren Kurs erheblich zu beeinflussen. Nach Ansicht der Gesuchsteller verletzen Spekulationen – etwa eines Aktionärs von Atel, der den Börsenkurs von Atel relativ zu jenem von Motor-Columbus im Hinblick auf das Tauschangebot von Motor-Columbus hochtreiben möchte, um möglichst viele Motor-Columbus-Aktien im Tausch für seine Atel-Aktien zu erhalten – das Lauterkeitsgebot, da sich sowohl der Motor-Columbus- als auch der Atel-Aktionär in seiner Evaluation des Übernahmeangebots darauf müsse verlassen können, dass sich am Wert seiner Investition allein aufgrund der Tatsache des Übernahmeangebots nichts ändere.
4.2.2 Zusammenfassend machen die Gesuchsteller sodann geltend, die Verletzung der Grundprinzipien der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Lauterkeit seien als wichtige Gründe im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK zu betrachten, welche eine Abweichung von der Mindestpreisberechnungsmechanismen gemäss Art. 32 BEHG und der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen rechtfertigten. Aus diesem Grund sei eine see-through-Bewertung vorzunehmen. Die see-trough-Bewertung rechtfertige sich umso mehr, als diese auch Ausfluss einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung sei, welche in der hier vorliegenden Transaktion vorzunehmen sei. Überdies sei dadurch gewährleistet, dass die Atel-Aktionäre bei Tausch ihrer Atel-Aktien gegen Motor-Columbus-Aktien mit wirtschaftlich unveränderter Beteiligung an der neu gebildeten Holdingstruktur beteiligt seien.
4.3 Beurteilung durch die Übernahmekommission
4.3.1 Die von den Gesuchstellern vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Die Tatsache, dass zwischen dem Börsenkurs der Atel-Aktien und jenem der Motor-Columbus-Aktien ein Ecart besteht, muss nicht a priori zum Schluss führen, dass kein effizienter Markt vorliegt. Die Efficient Market Hypothesis geht davon aus, dass in einem effizienten Markt die vorherrschenden Aktienkurse dem jeweils verfügbaren Informationsstand entsprechen. Schlägt sich jegliche preisrelevante Information ohne Verzögerung in den Preisen nieder, so dass zu jedem Zeitpunkt alle im Markt verfügbaren relevanten Informationen vollständig in den Aktienkursen verarbeitet sind, dann geht man von einem effizienten Kapitalmarkt aus ( Eugene F. Fama , Efficient Capital Markets, A Review of Theory and Empirical Work, The Journal of Finance 25, 1970, S. 383). Der Ecart kann somit auch darin begründet sein, dass im Markt verfügbare Informationen – wie z.B. die Tatsache, dass Motor-Columbus im Gegensatz zu Atel ein Opting out in den Statuten aufweist – die Marktteilnehmer veranlassen, Atel und Motor-Columbus, bei denen es sich zum heutigen Zeitpunkt immer noch um zwei getrennte Gesellschaften handelt, unterschiedlich zu bewerten. Abgesehen davon, haben die Motor-Columbus-Aktien – wie die Gesuchsteller in ihrer Eingabe selber belegen – im Zeitraum 2000 bis 2005 gegenüber dem theoretischen see-through-Wert basierend auf dem Kurs der Atel-Aktie einen Ecart zwischen +32% und -22% aufgewiesen, während der Ecart in den letzten 12 Monaten kontinuierlich abgenommen hat und zur Zeit nur noch rund 2-3% beträgt. Dies indiziert doch gerade – entgegen den Behauptungen der Gesuchsteller – dass der Markt die vorhandenen Informationen effizient verarbeitet und im Börsenkurs wiedergibt.
Es ist überdies auch nicht einzusehen, weshalb die Gesuchsteller die Tatsache monieren, dass Kursschwankungen der Atel- und der Motor-Columbus-Titel auf Zufälligkeiten basieren und sie deswegen auf einen ineffizienten Markt schliessen. Es ist einem effizienten Markt inhärent, dass sich Aktienkurse eben gerade auf einem Zufallspfad bewegen: Wenn man davon ausgeht, dass die Preise auf dem Markt jederzeit alle Informationen enthalten, die der Markt zu einem bestimmten Zeitpunkt hat, dann widerspiegeln Preisveränderungen ausschliesslich neue Informationen, also zufällige und unerwartete Ereignisse, da sich der Informationsstand im Allgemeinen zufällig und unvorhersehbar ändert. Weshalb die Gesuchsteller davon ausgehen, dass in einem effizienten Markt bei Kursschwankungen eine systematische Ursache zu erkennen sein müsste, ist nicht ersichtlich. Die These, dass Kapitalmärkte Informationen weitgehend effizient verarbeiten und Veränderungen von Aktienkursen am besten durch einen Zufallsprozess – die Theorie spricht von „Random Walk“ – beschrieben werden können, ist ein anerkanntes Paradigma der modernen Finanzmarkttheorie ( Burton G. Malkiel , A Random Walk Down Wall Street, 7.A., New York 1999, S. 24 f., 33 f., 142 f.; Peter Oertmann , Lassen sich Aktienkurse prognostizieren?, in: Bruno Gehrig/Heinz Zimmermann eds., Fit for Finance, 3.A., Zürich 1997, S. 27 f.; Heinz Zimmermann , Aktives Portfoliomanagement, in: ders. ed., Finance compact, Zürich 2003, S. 422).
4.3.2 Des Weitern führt die Tatsache, dass Motor-Columbus faktisch eine Finanzholding ist, nicht – wie von den Gesuchstellern geltend gemacht – automatisch dazu, dass sich der Börsenwert von Atel eins zu eins im Börsenwert von Motor-Columbus widerspiegelt. Auch bei Investmentgesellschaft ist es nichts Ausserordentliches, wenn der Börsenkurs nicht exakt dem Net Asset Value („NAV“) entspricht, sondern je nach Gesellschaft einen Zuschlag oder einen Abschlag zum NAV aufweist.
Bei der Betrachtung der Börsenkurse wird von den Gesuchstellern die Bedeutung, welche Erwartungen der Marktteilnehmer für den Preisbildungsprozess haben, vollkommen ausser Acht gelassen. Preise von Finanzanlagen widerspiegeln neben den verfügbaren Informationen auch Einschätzungen und Erwartungen der Marktteilnehmer in Bezug auf die entsprechende Gesellschaft. Offenbar divergieren die Erwartungen des Marktes in Bezug auf Motor-Columbus und Atel. Aus diesem Grunde ist nicht im vornherein von einer Marktimperfektion auszugehen.
4.3.3 Die Übernahmekommission vermag aus den oben genannten Gründen in der Festlegung des für das Umtauschangebot relevanten Umtauschverhältnisses auf der Basis der jeweiligen Börsenkurse weder – wie von den Gesuchstellern geltend gemacht – eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots noch eine Verletzung der Transparenz zu erkennen. Für die Empfänger des Angebots ist die Festlegung des Angebotspreises gemäss den Regeln der Art. 37-42 BEHV-EBK transparent und nachvollziehbar. Im Übrigen kann aus der Tatsache, dass die Konsortialmitglieder in ihrer Konsortialvereinbarung die see-through-Bewertungsmethode zur Festlegung ihrer jeweiligen Zielbeteiligung an der „konsolidierten“ Motor-Columbus/Atel angewandt haben, keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots abgeleitet werden, wenn im Rahmen des Umtauschangebots nicht dieser Methode, sondern den in Art. 37-42 BEHV-EBK vorgesehenen Berechungsregeln gefolgt wird.
4.3.4 Was die Verletzung des Lauterkeitsgrundsatzes anbelangt, wird von den Gesuchstellern behauptet, es sei davon auszugehen, dass bereits Käufe und Verkäufe durch nicht beteiligte Dritte stattgefunden hätten, mit dem Ziel, den Kurs von Atel hochzutreiben und so von einem hohen Börsenkurs von Atel im Rahmen eines etwaigen Pflichtangebots profitieren zu können. Abgesehen davon, dass Spekulationskäufe durch unbeteiligte Dritte nicht a priori gesetzeswidrig sind, kann die Übernahmekommission nicht beurteilen, ob diese Behauptungen den Tatsachen entsprechen. Unzutreffend ist sodann die Aussage der Gesuchsteller, ein Atel-Aktionär müsse sich darauf verlassen können, dass sich am Wert seiner Investition allein aufgrund der Tatsache des Übernahmeangebots nichts ändere. Ein Übernahmeangebot, dessen Konsequenzen und die infolge des Übernahmeangebots allenfalls an den Markt gelangenden zusätzlichen Informationen können sehr wohl den Wert einer Beteiligung ändern.
4.3.5 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass im vorliegenden Fall keine wichtigen Gründe im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK vorliegen, die eine Ausnahme von den Regelungen der Art. 37-42 BEHV-EBK rechtfertigen. Die Tatsache, dass die Gesuchsteller aufgrund eines Bewertungsmodells – vorliegend die sog. see-through-Methode – einen theoretischen Preis für die Motor-Columbus-Aktie ermittelt haben, der nicht dem Börsenkurs entspricht, ist kein wichtiger Grund im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK. Im vorliegenden Fall sind die zum Umtausch angebotenen Titel liquid, und da keine ausserordentlichen Umstände vorliegen, gibt es keinen Grund, von den in Art. 37-42 BEHV-EBK festgelegten Berechnungsregelungen abzuweichen.
4.4 Infolge Nichtgewährung einer Ausnahme im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK ist Antrag 2 der Gesuchsteller als gegenstandslos zu betrachten.
5. Publikation
Die Publikation der vorliegenden Empfehlung auf der Website der Übernahmekommission in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG wird antragsgemäss aufgeschoben bis zur Unterbreitung des Pflichtangebots an die Publikumsaktionäre von Atel.
6. Gebühren
In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs eine Gebühr von CHF 25'000 erhoben. Bei Unterbreitung des Umtauschangebots wird diese bereits erhobene Gebühr von einer weiteren vorgesehenen Gebühr in Abzug gebracht. Die Gesuchsteller haften solidarisch.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
- Electricité de France International, Paris/Frankreich, EOS-Holding, Lausanne, Aziende Industriali di Lugano AG, Lugano, Elektra Birseck, Münchenstein, Elektra Baselland, Liestal, IBAarau AG, Aarau, dem Kanton Solothurn, Wasserwerke Zug, Zug, sowie Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, wird keine Ausnahme im Sinne von Art. 43 BEHV- EBK gewährt.
- Die vorliegende Empfehlung wird gemäss Art. 23 Abs. 3 BEHG im Zeitpunkt der Unterbreitung des Pflichtangebots an die Aktionäre der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten , auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr für diese Empfehlung zu Lasten von Electricité de France International, Paris/Frankreich, EOS-Holding, Lausanne, Aziende Industriali di Lugano AG, Lugano, Elektra Birseck, Münchenstein, Elektra Baselland, Liestal, IBAarau AG, Aarau, des Kantons Solothurn, der Wasserwerke Zug, Zug, sowie von Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, beträgt CHF 25'000, unter solidarischer Haftung.
Der Präsident:
Hans Rudolf Widmer
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- Electricité de France International; EOS-Holding; Aziende Industriali di Lugano AG; Elektra Birseck; Elektra Baselland; IBAarau AG; Kanton Solothurn; Wasserwerke Zug, sowie Aare-Tessin AG für Elektrizität; durch ihren Vertreter;
- die EBK.