Transazioni
0015 - Disetronic Holding AG
Empfehlung Disetronic Holding AG vom 20. Januar 2003
Nachträgliche Beurteilung des öffentlichen Rückkaufs eigener Aktien der Disetronic Holding AG, Burgdorf
A.
Die Disetronic Holding AG („Disetronic“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Burgdorf. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 9'694’000, eingeteilt in 1'938'800 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 5. Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert.
B.
Mit Pressemitteilung vom 13. Februar 2002 teilte Disetronic der Öffentlichkeit unter dem Titel „Disetronic beschliesst Aktienrückkauf“ mit, dass ein Teil der flüssigen Mittel der Gesellschaft für den Erwerb eigener Aktien eingesetzt werden sollen. In der Folge beauftragte Disetronic zwei Banken mit dem Kauf von eigenen Aktien über die ordentliche Handelslinie an der SWX.
C.
Die Aktienrückkäufe wurden in zwei weiteren Medienmitteilungen vom 14. Juni 2002 und vom 8. August 2002 erwähnt.
D.
Nach telefonischer Vorankündigung teilte Disetronic der Übernahmekommission mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 mit, dass sie es unterlassen hatte, den am 13. Februar 2002 öffentlich bekannt gegebenen Rückkauf eigener Aktien entsprechend der Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000 („Mitteilung Nr. 1“) durch die Kommission von der Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote freistellen zu lassen. Die Gesellschaft stehe vor dem Überschreiten des nach Art. 20 Abs. 1 BEHG meldepflichtigen Grenzwerts von 5%.
E.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 forderte die Übernahmekommission die Gesellschaft zwecks Abklärung des Sachverhalts auf – obwohl das Rückkaufsprogramm nicht von der Übernahmekommission freigestellt worden war – von den mit den Aktienkäufen beauftragten Banken eine Bestätigung betreffend die Einhaltung verschiedener Bestimmungen der Mitteilung Nr. 1 beizubringen. Disetronic wurde zudem gebeten, gegenüber der Übernahmekommission zu bestätigten, dass während des Rückkaufsprogramms Ziff. III/3.1 der Mitteilung Nr. 1 eingehalten wurde.
F.
Am 17. Oktober 2002 erfolgte die Publikation des Überschreitens des Grenzwerts von 5% der Stimmrechte im Schweizerischen Handelsamtsblatt.
G.
Am 6. und 7. November 2002 reichte Disetronic diverse Unterlagen der beiden in die Rückkäufeinvolvierten Banken ein. Dabei zeigte sich, dass während des Rückkaufs die folgenden Bedingungen der Mitteilung Nr. 1 nicht eingehalten worden waren:
- Ziff. III/3.1 zweiter Punkt (Unterbruch der Rückkäufe zehn Börsentage vor Veröffentlichung von Finanzergebnissen an die Medien)
- Ziff. III/3.3 (maximal zulässiges tägliches Rückkaufsvolumen)
- Ziff. III/3.6 (regelmässige Publikation der getätigten Rückkäufe)
H.
Ob Ziff. III/3.4 (Anbieter darf bei Eröffnungs- und ähnlichen Auktionen keine Kaufaufträge eingeben) eingehalten wurde, kann gemäss den Banken, welche die Rückkäufe ausführten, nicht mehr festgestellt werden.
I.
Am 15. November 2002 bestätigte Disetronic gegenüber der Übernahmekommission, dass während des Rückkaufs keine Bekanntmachungen im Sinne von Art. 72 des Kotierungsreglements der SWX („KR“) aufgeschoben oder später publiziert worden seien. Mit gleichentags veröffentlichter Medienmitteilung teilte die Gesellschaft der Öffentlichkeit den Abschluss des Rückkaufsprogramms mit.
K.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Ulrich Oppikofer (Präsident) und Thierry de Marignac sowie Frau Claire Huguenin gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Öffentliche Käufe von eigenen Beteiligungspapieren kotierter Gesellschaften
1.1 Öffentliche Angebote einer Gesellschaft für ihre eigenen Aktien, einschliesslich der Bekanntgabe der Absicht, eigene Beteiligungspapiere an der Börse zurückzukaufen, stellen öffentliche Kaufangebote im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG dar (vgl. Empfehlung der Übernahmekommission vom 17. Februar 1998 sowie Verfügung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 4. März 1998 in Sachen Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG und Stillhalter Vision AG). Damit unterstehen diese Transaktionen grundsätzlich den Bestimmungen des 5. Abschnitts des BEHG über öffentliche Kaufangebote.
1.2 Die Übernahmekommission kann den Anbieter im Einzelfall unter gewissen Voraussetzungen von der Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote befreien. In der Praxis werden öffentliche Rückkäufe von Gesellschaften, die sich auf mehr als zwei und weniger als 10% des Kapitals oder der Stimmen beziehen, im sogenannten Meldeverfahren bewilligt (vgl. Mitteilung Nr. 1, Ziff. III.). Voraussetzung dazu ist einerseits, dass der Anbieter landesweit ein Angebotsinserat veröffentlicht (vgl. Art. 18 Abs. 1 und 2 UEV-UEK), dessen Mindestinhalt im „Formular für Gesuch um Freistellung durch Meldeverfahren“ der Übernahmekommission festgehalten ist. Zudem hat der Rückkauf den Bestimmungen gemäss Ziff. III. der Mitteilung Nr. 1 zu entsprechen. Im Falle eines Rückkaufs zum Marktpreis hat der mit dem Rückkauf beauftragte Börsenteilnehmer nach Abschluss der Transaktion mit seiner Unterschrift zu bestätigen, dass während des Rückkaufs die Ziff. III/3.2 bis 3.6 eingehalten wurden (vgl. Formular „Bestätigung Nr. 2“ der Übernahmekommission)
2. Die verschiedenen Bestimmungen der Mitteilung Nr. 1, die bei einem öffentlichen Rückkauf im Meldeverfahren einzuhalten sind, sollen sicherstellen, dass die börsenrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung der Marktteilnehmer, der Transparenz, der Lauterkeit sowie Treu und Glauben eingehalten werden. Wie vorne erwähnt (vgl. lit. G.), wurden im vorliegenden Fall die Ziff. III/3.1, 3.3 und 3.6 verletzt und kann die Einhaltung der Bedingung gemäss Ziff. III/3.4 nicht mehr festgestellt werden.
2.1 Mit den Regeln gemäss Ziff. III/3.1, wonach Rückkäufe zum Marktpreis während zehn Börsentagen vor der Veröffentlichung von Finanzergebnissen zu unterbrechen sind, soll verhindert werden, dass die eigene Aktien zurückkaufende Gesellschaft einen Informationsvorsprung gegenüber andern Marktteilnehmern zu ihren Gunsten ausnützt. Der Begriff „Finanzergebnisse“ gemäss Ziff. III.3/1 ist insofern weit auszulegen, als darunter nicht nur Halbjahreszahlen und der geprüfte Jahresabschluss einer Gesellschaft zu verstehen sind, sondern alle Medienmitteilungen, in denen Umsätze oder Ergebnisse der Gesellschaft bekannt gegeben werden. Dies deshalb, weil solche Informationen für die Einschätzung des Unternehmens von vergleichbarer Bedeutung sein können wie die erwähnten vollständigen Abschlüsse.
Im vorliegenden Fall ist erstellt, dass Disetronic ihre Aktienrückkäufe im Vorfeld der Publikation von Medienmitteilungen, in denen Finanzzahlen im obigen Sinne veröffentlicht wurden, nicht rechtzeitig unterbrochen hat. Der Börsenkurs der Disetronic Namenaktie reagierte dabei teilweise mit einem Plus von bis zu 3% auf die Publikation der Medienmitteilungen (vgl. bspw. Medienmitteilung vom 19. April 2002). Diese Kurssprünge sind jedoch einerseits vor dem Hintergrund des allgemein sehr volatilen Marktes im Jahre 2002 zu sehen.
Ausserdem handelte es sich gemäss Disetronic stets um Bekanntmachungen, die nicht im Sinne von Art. 72 KR aufgeschoben wurden. Disetronic hat zudem gegenüber der Kommission bestätigt, dass die Gesellschaft während des Rückkaufs, mit Ausnahme der Lieferung von Aktien aufgrund von ausgeübten Mitarbeiteroptionen, keine Aktien verkauft hat.
2.2 Die Bestimmung gemäss Ziff. III/3.3, wonach die Gesellschaft bei einem Rückkauf zum Marktpreis auf der ordentlichen Handelslinie pro Börsentag nicht mehr als 25% des durchschnittlichen Tagesvolumens zurückkaufen darf, das der betreffende Titel in den jeweils dreissig vorangegangenen Börsentagen im börslichen Handel auf dieser Linie erzielt hat, soll gewährleisten, dass eine übermässige Nachfrage im betreffenden Titel aufgrund des Rückkaufsprogramms zu keiner Destabilisierung des Marktes und zu zufälligen Kursen führt.
Die täglichen Rückkäufe von Disetronic haben im hier interessierenden Zeitraum (13. Februar 2002 bis 10. Oktober 2002) an 19 von insgesamt 57 Tagen, an denen Käufe getätigt wurden, das zulässige Volumen überschritten. Unverständlich ist dabei insbesondere, dass die Gesellschaft – namentlich in den Tagen vor dem Abschluss des Rückkaufs am 10. Oktober 2002, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem man schon bemerkt hatte, dass der Rückkauf den Bestimmungen der Mitteilung Nr. 1 unterliegt – noch Käufe in unzulässigem Ausmass tätigte. Ihren Angaben zufolge gab Disetronic den mit den Käufen beauftragten Banken jeweilen die Stückzahl bekannt, die zu kaufen seien, jedoch keinen Kaufpreis. Betrachtet man die Volumen in Disetronic Aktien und die insgesamt getätigten Rückkäufe, so ist nicht auszuschliessen, dass diese eine gewisse Kursstützung bewirkten. Anzeichen für eine wesentliche Beeinflussung des Kurses sind aber gestützt auf dessen Verlauf selbst an den insgesamt 19 Handelstagen mit überschrittenen zulässigen Volumen nicht zu erkennen.
2.3 Das Verbot der Eingabe von Kaufaufträgen während der Eröffnungs- sowie Schlussauktion sowie der anschliessend an ein „Stop Trading“ erfolgenden Auktion hat folgenden Hintergrund: Die aufgrund einer solchen Auktion zustandegekommenen Kurse werden von den Marktteilnehmern als besonders repräsentativ und aussagekräftig betrachtet. Deshalb soll eine eigene Aktien zurückkaufende Gesellschaft keinen Einfluss auf eine solche Auktion nehmen können.
Gemäss den beiden in die Rückkäufe involvierten Banken lässt sich heute nicht mehr feststellen, ob die Bestimmung gemäss Ziff. III/3.4 eingehalten wurde.
2.4 Die regelmässige Veröffentlichung der getätigten Rückkäufe gemäss Ziff. III/3.6 dient der Information der Marktteilnehmer und damit letztlich deren Gleichbehandlung sowie der Markttransparenz.
Die notwendigen regelmässigen Informationen der Marktteilnehmer erfolgten im vorliegenden Fall nicht. Zwar informierte Disetronic am 14. Juni und am 8. August 2002 die Öffentlichkeit über den laufenden Rückkauf, gesamthaft betrachtet muss jedoch festgehalten werden, dass Transparenz und die Information der Marktteilnehmer über die getätigten Transaktionen während des Rückkaufs ungenügend waren.
3. Fazit: Verletzung mehrerer Bestimmungen der Mitteilung Nr. 1 während des Rückkaufs
Im vorliegenden Fall ist erstellt, dass Disetronic in der Zeit vom 13. Februar 2002 bis 10. Oktober 2002 im Rahmen eines öffentlich angekündigten Aktienrückkaufs eigene Aktien über die ordentliche Handelslinie erworben hat und nach Abschluss dieses Rückkaufs per 10. Oktober 2002 99'528 (entsprechend 5.13% der Stimmrechte) eigene Titel hielt. Wie ausgeführt, wurde der Rückkauf vor dessen Start nicht von der Übernahmekommission von der Einhaltung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freigestellt, und während des Rückkaufs wurden verschiedene Bestimmungen, die der Sicherstellung eines fairen Handels unter Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung der Marktteilnehmer, der Transparenz, der Lauterkeit sowie Treu und Glauben dienen, nicht eingehalten. Aus heutiger Sicht sind jedoch keine Anzeichen erkennbar, dass Aktionäre geschädigt wurden, und aus Verhältnismässigkeits- und Praktikabilitätsgründen ist auf die nachträgliche Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften zu verzichten. Die allfällige Einleitung von weitergehenden Abklärungen ist Sache der Aufsichtsbehörde (vgl. dazu Art. 6 BEHG), an die sich selbstverständlich auch jeder Aktionär wenden kann.
4. Publikation
Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG nach Eröffnung an die Gesuchsteller am 22. Januar 2003 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
5. Gebühr
Gestützt Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für den Erlass der vorliegenden Empfehlung eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf die Mindesthöhe von CHF 20'000 fest.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
-
Im Sinne der Erwägungen Ziff. 1 – 3 wird festgestellt, dass während den durch Disetronic Holding AG, Burgdorf, in der Zeit vom 13. Februar 2002 bis am 10. Oktober 2002 getätigten Rückkäufen eigener Aktien die Ziff. III/3.1 (teilweise), Ziff. III/3.3 und Ziff. III/3.6 der Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000 nicht eingehalten wurden. Ob die Ziff. III/3.4 der Mitteilung eingehalten wurde, kann nicht festgestellt werden.
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Die vorliegende Empfehlung wird am 22. Januar 2003 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
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Die Gebühr zu Lasten der Disetronic beträgt CHF 20'000.
Der Präsident des Ausschusses:
Ulrich Oppikofer
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- Disetronic Holding AG, Burgdorf
- Die Eidgenössische Bankenkommission