Transactions
0573 - Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft AG
Verfügung 573/01 vom 8. August 2014
Öffentliches Kauf- und Tauschangebot von Helvetia Holding AG an die Aktionäre von Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG – Angebotsprospekt und Verwaltungsratsbericht
Sachverhalt:
A.
Die Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft AG (Nationale Suisse oder Zielgesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. Nationale Suisse ist eine international tätige und unabhängige Schweizer Versicherungsgruppe. Sie ist in den Bereichen Leben und Nichtleben am Markt präsent. Die Bruttoprämien beliefen sich im Geschäftsjahr 2013 konsolidiert auf CHF 1.5 Milliarden. Die Gruppe umfasst das Stammhaus und rund 20 Tochtergesellschaften und Niederlassungen, die tätig sind in den Versicherungsmärkten Schweiz, Italien, Spanien, Deutschland, Belgien, Liechtenstein, Türkei, Asien und Lateinamerika. Nationale Suisse verfügt über ein voll einbezahltes Aktienkapital von CHF 8'820'000, eingeteilt in 22'050'000 Namenaktien von je CHF 0.40 Nennwert (Nationale Suisse-Aktien). Der Verwaltungsrat der Nationale Suisse ist zudem ermächtigt, das Aktienkapital bis zum 19. Mai 2016 jederzeit um höchstens CHF 2'800'000 durch Ausgabe von höchstens 7'000'000 voll zu liberierenden Nationale Suisse-Aktien zu erhöhen. Die Nationale Suisse-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange AG (SIX) gemäss Main Standard kotiert (SIX: NATN).
B.
Wichtige Aktionäre von Nationale Suisse sind u.a. die Helvetia Beteiligungen AG, eine 100 % Tochtergesellschaft von Helvetia Holding AG, St. Gallen (Helvetia oder Anbieterin; vgl. dazu unten Sachverhalt lit. C) sowie Patria Genossenschaft, Basel (Patria), welche mit Helvetia Beteiligungen AG durch eine Absprache verbunden ist und gemeinsam mit dieser eine Beteiligung von 18.70 % an Nationale Suisse hält. Patria beteiligt sich gemäss ihrem statutarischen Zweck an Helvetia, fördert deren Entwicklung und stärkt deren wirtschaftliche Selbständigkeit. Patria kann Investitionen tätigen, sich an Unternehmen ausserhalb der Helvetia Gruppe beteiligen und Fremdkapital aufnehmen. Ein weiterer Grossaktionär von Nationale Suisse ist schliesslich die Schweizerische Mobiliar Holding AG, Bern (Mobiliar), welche eine Beteiligung von 19.20 % an Nationale Suisse hält.
C.
Helvetia ist eine Finanzholding und übt selber keine operative Tätigkeit aus. Zweck der Gesellschaft ist die Beteiligung an in- und ausländischen Versicherungs-, Finanz-, Dienstleistungs- und anderen Unternehmen. Das Aktienkapital von Helvetia beträgt CHF 865'287.50 und ist eingeteilt in 8'652'875 voll liberierte Namenaktien mit Nennwert von je CHF 0.10 (Helvetia-Aktien). Zudem besteht ein bedingtes Kapital im Umfang von CHF 129'793.20, welches zur Ausgabe von maximal 1'297'932 voll zu liberierenden Helvetia-Aktien berechtigt. Die Helvetia-Aktien sind gemäss Main Standard der SIX kotiert (SIX: HELN). Die Statuten von Helvetia enthalten eine Opting up-Klausel, wonach die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots erst bei einer Überschreitung des Grenzwertes von 40 % der Stimmrechte entsteht.
D.
Zu den Aktionären mit mehr als 3 % an Helvetia gehört eine Gruppe bestehend aus Patria, Vontobel Beteiligungen AG, Zürich (Vontobel) sowie Raiffeisen Schweiz Genossenschaft, St. Gallen (Raiffeisen), welche als strategisch wichtige Kooperationspartner der Helvetia Gruppe durch einen Aktionärsbindungsvertrag verbunden sind (Poolvertrag; Patria, Vontobel und Raiffeisen zusammen: die Poolmitglieder; vgl. zum Poolvertrag Empfehlung 393/01 in Sachen Helvetia Holding AG vom 8. Dezember 2008). Der Poolvertrag bezieht sich unter anderem auf die Ausübung der von den Poolmitgliedern gehaltenen Stimmrechte an Helvetia. Patria und Vontobel sind seit dem Jahr 1997, Raiffeisen seit dem Jahr 2001 Parteien des Poolvertrags. Zurzeit hält Patria 30.1 %, Vontobel und Raiffeisen je 4 % an Helvetia. Patria ist mit zwei, Vontobel und Raiffeisen mit je einem Vertreter im Verwaltungsrat von Helvetia vertreten, welcher insgesamt 9 Mitglieder umfasst. Ein weiterer Aktionär mit mehr als 3 % an Helvetia ist UBS Fund Management (Switzerland) AG, Basel, mit einer Beteiligung von 3.02 % an Helvetia.
E.
Am 17. April 2014 schlossen Helvetia und Nationale Suisse eine Vertraulichkeitsvereinbarung und am 6. Juli 2014 eine Transaktionsvereinbarung (mit einer Zusatzvereinbarung hierzu am 30. Juni 2014; zusammen die Transaktionsvereinbarung), in welcher sich Helvetia verpflichtet, das vorliegende öffentliche Kauf- und Tauschangebot (Angebot von Helvetia) zu unterbreiten, und sich der Verwaltungsrat von Nationale Suisse verpflichtet, den Aktionären von Nationale Suisse das Angebot von Helvetia zur Annahme zu empfehlen. Zudem regelt die Transaktionsvereinbarung die Ausgestaltung und Durchführung des Angebots von Helvetia eingehend (vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt E Ziff. 5).
F.
Am 7. Juli 2014 vor Börsenbeginn erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung des Angebots von Helvetia für alle sich im Publikum befindenden Nationale Suisse-Aktien in den elektronischen Medien und am 9. Juli 2014 in den Zeitungen in deutscher und französischer Sprache (Voranmeldung).
G.
Ebenfalls am 7. Juli 2014 schaltete Helvetia auf ihrer Homepage eine Medienpräsentation (Medienpräsentation) auf, mit dem Titel "Schulterschluss mit Nationale Suisse", welche über das Angebot von Helvetia und dessen Auswirkungen informierte. Auf S. 25 dieser Medienpräsentation werden unter der Marginalie "Stabiles Kernaktionariat" folgende Aussagen gemacht: "Kernaktionäre Patria Genossenschaft, Raiffeisen Schweiz und Vontobel unterstützen das Angebot" … "Beabsichtigen Verwässerung der Beteiligung durch Zukäufe auszugleichen“. In einer Medienmitteilung von Helvetia (Medienmitteilung), ebenfalls vom 7. Juli 2014, findet sich unter dem Titel: “Attraktive Angebotsstruktur, gesicherte Akquisitionsfinanzierung und starke Bilanzkennzahlen“ folgende Aussage: „Das starke Kernaktionariat der Helvetia Gruppe, bestehend aus der Patria Genossenschaft (30.1 Prozent), Raiffeisen Schweiz (4.0 Prozent) und Vontobel (4.0 Prozent), beabsichtigt, das Angebot von Helvetia für Nationale Suisse sowie die geplante Kapitalerhöhung zu unterstützen. Die Parteien dieses Aktionärspools beabsichtigen zudem, die Verwässerung ihrer Beteiligung an Helvetia infolge des öffentlichen Kauf- und Tauschangebots in Übereinstimmung mit dem Poolvertrag mittels Zukäufen im Markt auszugleichen".
H.
Mit Eingabe vom 8. Juli 2014 reichte Mobiliar ein Gesuch um Erteilung der Parteistellung ein.
I.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 9. Juli 2014 räumte die Übernahmekommission der Mobiliar auf den Zeitpunkt der Publikation des Angebotsprospekts, oder sofern eine erste Verfügung der Übernahmekommission zum Angebot vor dem Angebotsprospekt veröffentlicht wird, auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dispositivs der Verfügung in den Zeitungen, Parteistellung und Akteneinsicht ein.
J.
Mit Eingabe vom 24. Juli 2014 machte Mobiliar Ausführungen im Zusammenhang mit einem möglichen Handeln in gemeinsamer Absprache von Vontobel und Raiffeisen mit Blick auf das Angebot von Helvetia.
K.
Mit Eingabe vom 28. Juli 2014 stellte sich Helvetia auf den Standpunkt, die Eingabe von Mobiliar vom 24. Juli 2014 sei unbeachtlich, da Mobiliar gemäss verfahrensleitender Verfügung vom 9. Juli 2014 noch keine Parteistellung zukomme (vgl. Sachverhalt lit. I).
L.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 31. Juli 2014 stellte die Übernahmekommission Patria, Vontobel und Raiffeisen verschiedene Fragen im Zusammenhang mit dem Poolvertrag, ihrer gemeinsamen Beteiligung an Helvetia sowie ihrem Verhalten bezüglich des Angebotes von Helvetia, welche die Poolaktionäre in der Folge mit Eingaben jeweils vom 5. August 2014 beantworteten.
M.
Mit Eingabe vom 4. August 2014 machte Helvetia Ausführungen zur Frage eines möglichen Handelns in gemeinsamer Absprache von Vontobel und Raiffeisen mit Blick auf das Angebot von Helvetia und beantragt, es sei festzustellen, dass die Poolaktionäre im Hinblick auf das Angebot von Helvetia nicht in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe mit der Helvetia handeln. Auf die Begründung dieses Antrags wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
N.
Mit Eingabe vom 6. August 2014 nahm Helvetia zu den Antworten der Poolaktionäre (vgl. Sachverhalt lit. L) Stellung. Nationale Suisse verzichtete auf eine Stellungnahme. Helvetia beantragt, es sei festzustellen, dass Patria, Vontobel und Raiffeisen im Hinblick auf das Angebot nicht in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe mit der Helvetia im Sinne von Art. 11 Abs.1 UEV handeln und stellt zwei weitere Eventualanträge. Auf die Stellungnahme und Begründung dieser Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
O.
Am 8. August 2014 wird voraussichtlich die landesweite Verbreitung des Angebots von Helvetia erfolgen. Als Preis des Angebots sind pro Nationale Suisse-Aktie CHF 52 in bar zuzüglich 0.0680 Helvetia-Aktien vorgesehen. Das Angebot steht unter mehreren Bedingungen (vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt A Ziff. 7).
P.
Der Angebotsprospekt, das Angebotsinserat, der Verwaltungsratsbericht und die Fairness Opinion wurden der Übernahmekommission vor der Publikation zur Prüfung unterbreitet.
Q.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Luc Thévenoz (Präsident), Susanne Haury von Siebenthal und Beat Fellmann gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Voranmeldung
[1] Eine Anbieterin kann gemäss Art. 5 Abs. 1 UEV ein Angebot vor der Veröffentlichung des Angebotsprospekts voranmelden. Die daran anknüpfenden Rechtswirkungen ergeben sich aus Art. 7 UEV.
[2] Im vorliegenden Fall enthielt die am 7. Juli 2014 in den elektronischen Medien publizierte Voranmeldung sämtliche gemäss Art. 5 Abs. 2 UEV geforderten Angaben. Die Publikation in den Zeitungen erfolgte rechtzeitig innerhalb von drei Börsentagen am 9. Juli 2014. Gemäss Art. 8 Abs. 2 UEV entfaltet die Voranmeldung ihre Rechtswirkungen somit auf den 7. Juli 2014.
2. Gegenstand des Angebots
[3] Das Angebot von Helvetia erstreckt sich auf alle 17'901'363 ausgegebenen und sich am Datum der Voranmeldung am 7. Juli 2014 im Publikum befindenden Nationale Suisse-Aktien. Das Angebot bezieht sich nicht auf die von Helvetia und den mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen bereits gehaltenen Nationale Suisse-Aktien, nämlich per 7. Juli 2014 (Datum der Voranmeldung): (i) die 23'395 von Nationale Suisse und ihren direkten und indirekten Tochtergesellschaften gehaltenen Nationale Suisse-Aktien sowie (ii) die 4'125'242 von Helvetia, ihren direkten und indirekten Tochtergesellschaften und von Patria gehaltenen Nationale Suisse-Aktien. Die Anbieterin erfüllt damit die Anforderungen gemäss Art. 9 Abs. 2 und 4 UEV.
[4] Das vorliegende Angebot umfasst für jede Nationale Suisse-Aktie eine feste Barkomponente von CHF 52 sowie eine Tauschkomponente von 0.0680 Helvetia-Aktien, womit ein gemischtes Angebot vorliegt.
3. Handeln in gemeinsamer Absprache mit Helvetia
[5] Für Personen, die im Hinblick auf ein Angebot in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe mit der Anbieterin handeln, gilt Art. 10 Abs. 1 und 2 BEHV-FINMA sinngemäss (Art. 11 Abs. 1 UEV). Sie haben die Pflichten nach Art. 12 UEV einzuhalten, was von der Prüfstelle zu überprüfen ist.
[6] Nach Art. 10 Abs. 1 BEHV-FINMA handelt in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe, wer seine Verhaltensweise im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräusserung von Beteiligungspapieren oder die Ausübung von Stimmrechten mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren abstimmt.
3.1 Tochtergesellschaften von Helvetia, Zielgesellschaft und Patria
[7] Gemäss Abschnitt C Ziff. 7 des Angebotsprospekts handeln in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin: alle durch Helvetia direkt und indirekt kontrollierten Gesellschaften, ab dem 6. Juli 2014 (Datum der Transaktionsvereinbarung; vgl. Sachverhalt lit. E) die Zielgesellschaft und alle durch sie direkt und indirekt kontrollierten Gesellschaften sowie schliesslich Patria.
[8] In Bezug auf diese in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin handelnden Personen entspricht der Angebotsprospekt den gesetzlichen Anforderungen. Patria handelt mit der Anbieterin in gemeinsamer Absprache aufgrund ihrer bereits vor der Lancierung des Angebots von Helvetia bestehenden, gemeinsamen Absprache mit der Helvetia Beteiligungen AG in Bezug auf ihre Beteiligungen an Nationale Suisse (vgl. Sachverhalt lit. B). Kommt hinzu, dass Patria gemäss statutarischen Zweck dazu verpflichtet ist, Helvetia zu unterstützen (vgl. Sachverhalt lit. B), was grundsätzlich auf eine Abstimmung der Verhaltensweise schliessen lässt.
3.2 Kein Handeln in gemeinsamer Absprache von Vontobel und Raiffeisen
[9] Es stellt sich die Frage, ob zusätzlich zu den im Abschnitt C Ziff. 7 des Angebotsprospekts genannten Personen auch Vontobel und Raiffeisen (sowie alle durch diese direkt und indirekt kontrollierten Gesellschaften) in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin handeln.
3.2.1 Eingabe von Mobiliar vom 24. Juli 2014
[10] Helvetia ist der Ansicht, die Eingabe von Mobiliar vom 24. Juli 2014 sei unbeachtlich, da Mobiliar gemäss verfahrensleitender Verfügung vom 9. Juli 2014 (vgl. Sachverhalt lit. I) noch keine Parteistellung zukomme.
[11] Es trifft zu, dass Mobiliar erst zum Zeitpunkt der Publikation des Angebotsprospekts, oder sofern eine erste Verfügung der Übernahmekommission zum Angebot vor dem Angebotsprospekt veröffentlicht wird, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dispositivs der Verfügung in den Zeitungen, Parteistellung und Akteneinsicht erhält. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Eingabe der Mobiliar vom 24. Juli 2014 unbeachtlich wäre. Vielmehr ist diese Eingabe nur (aber immerhin) als Anzeige im Sinn von Art. 62 UEV entgegenzunehmen. Die Frage des Handelns in gemeinsamer Absprache von Vontobel und Raiffeisen mit Helvetia ist ohnehin von Amtes wegen zu prüfen.
3.2.2 Keine Abstimmung der Verhaltensweise
[12] Gemäss Praxis der Übernahmekommission zu Art. 11 Abs. 1 UEV handeln Personen im Hinblick auf ein Angebot in gemeinsamer Absprache mit dem Anbieter, die hinsichtlich des Unterbreitens eines öffentlichen Kauf- bzw. Tauschangebots und dessen Bedingungen ihr Verhalten koordiniert bzw. sich über das Angebot und dessen Bedingungen geeinigt haben (statt vieler Verfügung 428/01 vom 12. Oktober 2009 in Sachen Athris Holding AG, Erw. 6). Das Handeln in gemeinsamer Absprache als Zurechnungstatbestand ist vom blossen Parallelverhalten abzugrenzen, welches sich aus gleichgerichteten Interessen ergibt (vgl. hierzu BGE 130 II 530, Erw. 6.4.1 mit Nachweisen: „In der Doktrin besteht Einigkeit darüber, dass ein blosses Parallelverhalten noch keine gemeinsame Absprache darstellt, sondern dass es hierfür einer qualifizierten Intensität und einer minimalen Organisation des Zusammenwirkens bedarf“).
[13] Gemäss Medienpräsentation und Medienmitteilung vom 7. Juli 2014 unterstützen Raiffeisen und Vontobel (sowie Patria) das Angebot von Helvetia und beabsichtigen, die Verwässerung ihrer jeweiligen Beteiligungen an Helvetia durch Zukäufe auszugleichen (vgl. Sachverhalt lit. G).
[14] Raiffeisen und Vontobel erklären hierzu Folgendes: Anlässlich der Verwaltungsratssitzungen der Helvetia vom 2. Juni 2014 und vom 25./26. Juni 2014 hätten ihre Vertreter ausschliesslich in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsräte von Helvetia und nicht als Vertreter der Poolaktionäre über das Angebot gesprochen. An der zweiten Sitzung sei auch die Frage thematisiert worden, ob die Mitglieder des Verwaltungsrates, welche einen Poolaktionär vertreten [Anm.: also Pierin Vincenz als Vertreter von Raiffeisen, Herbert J. Scheidt als Vertreter von Vontobel sowie Doris Russi Schurter und Jean-René Fournier als Vertreter von Patria], bereit wären, beim jeweiligen Poolaktionär darauf hinzuwirken, dass dieser seine Beteiligung, welche nach der Kapitalerhöhung verwässert würde, wieder auf das ursprüngliche Beteiligungsniveau anhebe.
[15] Raiffeisen habe in der Folge erstmals am 27. Juni 2014 vom Transaktionsvorhaben der Helvetia durch Pierin Vincenz, den Vertreter von Raiffeisen im Verwaltungsrat von Helvetia erfahren. In der Folge sei den Verwaltungsratsmitgliedern von Raiffeisen am 3. Juli 2014 der Zirkulationsbeschluss betreffend den Erhalt der Beteiligungsquote von 4 % an Helvetia und die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen zugestellt worden. Das für die Beschlussfassung notwendige absolute Mehr sei am 9. Juli 2014 zustandegekommen. Eine Abmachung zwischen Raiffeisen und einem oder beiden anderen Poolaktionären und/oder mit Helvetia sei nicht getroffen worden, weder mündlich noch schriftlich. Die Medienpräsentation sei von Helvetia ohne Zutun von Raiffeisen erstellt worden. Die darin erwähnte Unterstützung könne sich nach dem Verständnis von Raiffeisen höchstens auf die im Verwaltungsrat der Helvetia diskutierte Bereitschaft der Vertreter der Poolaktionäre beziehen, in ihren jeweiligen Verwaltungsräten darauf hinzuwirken, dass die Beteiligungsquote wieder auf das ursprüngliche Niveau angehoben werde.
[16] Vontobel habe erstmals am 2. Juli 2014 anlässlich einer Verwaltungsratssitzung vom Transaktionsvorhaben der Helvetia durch Herbert J. Scheidt, den Vertreter von Vontobel im Verwaltungsrat von Helvetia, erfahren. An dieser Sitzung sei autonom beschlossen worden das allfällige Angebot von Helvetia zu unterstützen und die Verwässerung der Beteiligung von Vontobel an Helvetia als Folge des allfälligen Angebots zu kompensieren. Anschliessend habe Herbert J. Scheidt den Verwaltungsratspräsidenten von Helvetia, Erich Walser, über diesen Beschluss des Verwaltungsrates von Vontobel informiert. Abreden seien nicht getroffen worden.
[17] Nach Gesagtem ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die jeweiligen Vertreter von Raiffeisen und Vontobel im Verwaltungsrat von Helvetia, Pierin Vincenz und Herbert J. Scheidt, haben die Transaktion währen ihrer Entwicklung begleitet, aber vor Raiffeisen bzw. Vontobel geheim gehalten. Der Verwaltungsrat von Helvetia hat am 25. Juni 2014 über das Angebot entschieden. Die Poolaktionäre Raiffeisen und Vontobel haben erst am 27. Juni 2014 bzw. 2. Juli 2014 von der geplanten Transaktion erfahren und konnten alsdann keinen Einfluss auf den Entscheid der Helvetia betreffend das Angebot ausüben oder sich mit Helvetia über das Angebot und dessen Bedingungen einigen. Die Diskussionen über das Angebot von Helvetia haben nur innerhalb des Verwaltungsrates von Helvetia stattgefunden; die Poolmitglieder haben das Angebot untereinander gemäss eigenen Angaben nicht diskutiert und es gab hierzu auch keine Poolversammlung. In der Folge haben Vontobel und Raiffeisen freiwillig und im eigenen Interesse, nämlich um ihre jeweilige Beteiligungshöhe an Helvetia zu erhalten, beschlossen, eine allfällige Verwässerung der Beteiligung durch Zukäufe auszugleichen. Eine Abrede oder gar Verpflichtung hierzu wurde nicht eingegangen, weder untereinander noch gegenüber Helvetia.
[18] Demnach fehlt es vorliegend an einer gemeinsamen Absprache zwischen Raiffeisen respektive Vontobel und Helvetia. Der Umstand, dass das autonom und im eigenen Interesse beschlossene Verhalten von Vontobel und Raiffeisen Helvetia bzw. deren Angebot zu Gute kommt, vermag das Fehlen einer gemeinsamen Absprache nicht zu ersetzen, sondern ist Ausdruck eines Parallelverhaltens. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Vontobel und Raiffeisen ihr Verhalten Helvetia mitgeteilt haben, und letztere dieses Verhalten in der Medienmitteilung und Medienpräsentation kommunizierte (vgl. hierzu auch Gericke/Wiedmer, Kommentar Übernahmeverordnung (UEV), Rn 16 zu Art. 11-12, wonach eine natürliche, faktische und auch offen kommunizierte Parteinahme für ein Handeln in gemeinsamer Absprache nicht ausreicht, sofern es an einer entsprechenden Absprache fehlt).
[19] Dabei wird nicht übersehen, dass die Poolmitglieder Raiffeisen und Vontobel durch ihre Vertreter im Verwaltungsrat von Helvetia, Pierin Vincenz respektive Herbert J. Scheidt, im Gegensatz zu Aktionären ohne Vertreter, eine besondere Nähe zur Anbieterin aufweisen. Dies vermag jedoch aus einem (späteren) Parallelverhalten keine gemeinsame Absprache mit der Anbieterin zu kreieren. Andernfalls wären Aktionäre mit Vertretern im Verwaltungsrat einer Anbieterin faktisch gezwungen – selbst gegen ihre eigenen Interessen – zu einem Angebot in Opposition zu gehen, um ein Handeln in gemeinsamer Absprache und die damit verbundenen Rechtsfolgen zu vermeiden. Dies kann nicht Sinn und Zweck der übernahmerechtlichen Bestimmungen sein und würde das Konzept der Vertretung von Aktionären in Verwaltungsräten, wie es in Art. 707 Abs. 3 OR vorgesehen ist, in Frage stellen.
[20] In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass Vertreter von Aktionären ihre Funktionen als Verwaltungsräte der Gesellschaft und als Organe der Aktionäre klar trennen müssen. Als Verwaltungsräte sind sie gemäss aktienrechtlichen Vorgaben primär den Interessen der Gesellschaft verpflichtet und unterstehen derselben Sorgfalts- und Treuepflicht wie die übrigen Verwaltungsratsmitglieder. Im Übrigen wären Weisungen der Aktionäre an ihre Vertreter im Verwaltungsrat im Bereich der unentziehbaren und unübertragbaren Aufgaben mit Art. 716a Abs. 1 OR unvereinbar.
3.3 Ergebnis
[21] Die Anbieterin hat nach Art. 19 Abs. 1 lit. d UEV die in gemeinsamer Absprache mit ihr handelnden Personen im Angebotsprospekt offen zu legen. Sie führt diese Gesellschaften und Personen in ihrem Angebotsprospekt unter Abschnitt B Ziff. 13 auf.
4. Einhaltung der Bestimmungen über den Mindestpreis
[22] Da das Angebot von Helvetia alle sich im Publikum befindenden Nationale Suisse-Aktien umfasst, würde deren Erwerb die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots auslösen. Es handelt sich daher um ein Kontrollwechsel-Angebot im Sinne von Art. 9 Abs. 6 UEV und der Preis muss den Bestimmungen über Pflichtangebote entsprechen (Art. 9 Abs. 6 UEV in Verbindung mit Art. 32 Abs. 4 und 5 BEHG sowie Art. 40-45 BEHV-FINMA).
[23] Für die Bestimmung des Wertes von zum Tausch angebotenen Effekten gilt Art.40 Abs. 2-4 BEHV-FINMA sinngemäss (Art. 44 BEHV-FINMA).
[24] Gemäss Art. 32 Abs. 4 BEHG entspricht der Mindestpreis dem Börsenkurs und dem höchsten Preis, den der Anbieter in den zwölf Monaten vor dem Angebot bezahlt hat (Preis des vorausgegangenen Erwerbs).
4.1 Börsenkurs
[25] Der Börsenkurs nach Art. 32 Abs. 4 BEHG entspricht dem volumengewichteten Durchschnittskurs der börslichen Abschlüsse der letzten 60 Börsentage vor Veröffentlichung des Angebots beziehungsweise der Voranmeldung (Art. 40 Abs. 2 BEHV-FINMA). Sind die kotierten Beteiligungspapiere vor der Veröffentlichung des Angebots beziehungsweise der Voranmeldung nicht liquid, so ist auf eine Bewertung einer Prüfstelle abzustellen (Art. 40 Abs. 4 BEHV-FINMA in Verbindung mit UEK-Rundschreiben Nr. 2).
[26] Die Nationale Suisse-Aktie ist liquid im Sinne des UEK-Rundschreibens Nr. 2. Der volumengewichtete Durchschnittskurs (Volume Weighted Average Price; VWAP) der Nationale Suisse-Aktie während der letzten 60 Börsentage vor der Publikation der Voranmeldung am 7. Juli 2014 betrug CHF 60.06 (VWAP vom 7. Juli 2014).
[27] Die Helvetia-Aktie ist ebenfalls liquid im Sinne des UEK-Rundschreibens Nr. 2. Der VWAP der Helvetia-Aktie betrug während 60 Börsentagen vor der Voranmeldung CHF 424.63. Bei einer Barzahlung von CHF 52 zuzüglich 0.0680 Helvetia-Aktien (CHF 424.63) je Nationale Suisse-Aktie ergibt dies in Franken einen Wert des Angebots von CHF 80.87 je Nationale Suisse-Aktie. Dieser Angebotswert liegt über dem Börsenkurs der Nationale Suisse-Aktie von CHF 60.06.
4.2 Preis des vorausgegangenen Erwerbs
[28] Helvetia und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen haben in den 12 Monaten vor der Voranmeldung des Angebots von Helvetia insgesamt 1'467'462 Nationale Suisse-Aktien gekauft. Der höchste pro Nationale Suisse-Aktie bezahlte Preis betrug CHF 64.16. (vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt C Ziff. 8)
4.3 Ergebnis
[29] Der Wert des Angebots von CHF 80.87 liegt über dem Börsenwert von CHF 60.06 und über dem im Rahmen des vorausgegangenen Erwerbs bezahlten Preis für Nationale Suisse-Aktien von CHF 64.16. Somit sind die Bestimmungen über den Mindestpreis gemäss Art. 32 Abs. 4 BEHG eingehalten. Die Prüfstelle hat dies in ihrem Bericht bestätigt.
5. Pflicht zur Baralternative
5.1 Keine Pflicht zur Baralternative infolge vorausgegangenen Erwerbs
[30] Art. 43 Abs. 2 BEHV-FINMA, welcher für Tauschangebote eine Baralternative vorschreibt, ist gemäss Art. 9 Abs. 6 UEV auf Kontrollwechsel-Angebote nicht anwendbar. Allerdings muss bei einem Kontrollwechsel-Angebot, bei welchem der Angebotspreis ganz oder teilweise aus Effekten besteht, der Anbieter den Aktionären eine Baralternative anbieten, falls er in den zwölf Monaten vor der Veröffentlichung des Angebotes Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft gegen bar erworben hat, welche 10 Prozent oder mehr des Aktien- oder Partizipationskapitals der Zielgesellschaft ausmachen ( Art. 9a Abs. 2 UEV).
[31] Beim Angebot von Helvetia handelt es sich um ein Kontrollwechsel-Angebot (vgl. Erw. 4). Helvetia und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen haben in den 12 Monaten vor der Voranmeldung des Angebots von Helvetia insgesamt 1'467'462 Nationale Suisse-Aktien gegen bar gekauft. Dies entspricht weniger als 10 % des Aktenkapitals von Nationale Suisse von insgesamt 22'050'000 Nationale Suisse-Aktien, womit Art. 9a Abs. 2 UEV keine Anwendung findet.
5.2 Barerwerb während dem Angebot
[32] Bei freiwilligen Angeboten, deren Angebotspreis ganz oder teilweise aus Effekten besteht, muss der Anbieter den Aktionären eine vollständige Barzahlung anbieten (Baralternative), falls er in der Zeit zwischen der Veröffentlichung des Angebotes und dessen Vollzug Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft gegen bar erwirbt (Art. 9a Abs. 1 UEV).
[33] Die Prüfstelle hat die Einhaltung von Art. 9a zu bestätigen (Art. 28 Abs. 1 lit. d UEV). Sie hat die Einhaltung dieser Regel bis zum 31. Juli 2014 in ihrem Prüfbericht bestätigt. Zudem hat die Prüfstelle zu gegebener Zeit bezüglich Art. 9a UEV für den Zeitraum bis zum Vollzug dessen Einhaltung zu bestätigen (Art. 28 Abs. 1 lit. d UEV).
6. Best Price Rule
[34] Gemäss Art. 10 Abs. 1 UEV muss ein Anbieter, der von der Veröffentlichung des Angebots bis sechs Monate nach Ablauf der Nachfrist Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem über dem Angebotspreis liegenden Preis erwirbt, diesen Preis allen Empfängern des Angebotes anbieten (Best Price Rule). Die Best Price Rule ist auch auf den Erwerb von Finanzinstrumenten anwendbar (Art. 10 Abs. 2 UEV).
[35] Die Prüfstelle hat die Einhaltung von Art. 10 zu bestätigen (Art. 28 Abs. 1 lit. d UEV). Sie hat die Einhaltung dieser Regel bis zum 31. Juli 2014 in ihrem Prüfbericht bestätigt. Zudem hat die Prüfstelle zu gegebener Zeit bezüglich Art. 10 UEV für den Zeitraum bis sechs Monate nach Ablauf der Nachfrist dessen Einhaltung zu bestätigen (Art. 28 Abs. 1 lit. d UEV).
7. Auswirkungen des Angebots und Absichten bezüglich Nationale Suisse
[36] Gemäss Art. 17 Abs. 1 UEV enthält der Angebotsprospekt alle Informationen, die notwendig sind, damit die Empfängerinnen und Empfänger des Angebotes ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können. Die Informationen müssen wahr und vollständig sein (Art. 24 Abs. 2 BEHG). Gemäss Art. 23 Abs. 1 UEV hat der Angebotsprospekt Angaben zu enthalten über die grundsätzlichen Absichten des Anbieters betreffend die Zielgesellschaft sowie über Vereinbarungen zwischen dem Anbieter und der Zielgesellschaft, deren Organen und Aktionärinnen und Aktionären.
[37] Abschnitt C Ziff. 12 des Angebotsprospektes enthält Angaben zu den Auswirkungen des Angebotes von Helvetia auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie zur Aktionariatsstruktur. Insbesondere werden Ausführungen zu den erwarteten Synergien des Zusammenschlusses von Helvetia und Nationale Suisse gemacht. Abschnitt E Ziff. 3 des Angebotsprospektes beschreibt die Absichten der Helvetia betreffend Nationale Suisse. Helvetia beabsichtigt unter anderem, die fachliche Kompetenz von Helvetia und Nationale Suisse zusammenzufassen. Entsprechend sollen in den obersten Führungsgremien der vergrösserten Helvetia Gruppe Exponenten aus beiden Gesellschaften mitarbeiten. Zu diesem Zweck haben Nationale Suisse und Helvetia ein paritätisch zusammengesetztes Human Resources Committee eingesetzt, das die Erstbesetzung der Geschäftsleitungs- und anderen Positionen mit Mitgliedern der Geschäftsleitung sowie weiteren Schlüsselmitarbeitenden von Nationale Suisse bestimmen soll. Helvetia hat sich verpflichtet, allen bisherigen Geschäftsleitungsmitgliedern (abgesehen vom CEO) sowie den gemeinsam definierten Schlüsselmitarbeitenden von Nationale Suisse eine Beschäftigung anzubieten.
[38] Nach Gesagte enthält der Angebotsprospekt die erforderlichen Angaben.
8. Zusätzliche Angaben im Falle eines öffentlichen Tauschangebots
[39] Gemäss Art. 24 UEV hat der Angebotsprospekt im Falle eines öffentlichen Tauschangebots zusätzliche Angaben zu beinhalten, namentlich eine Beschreibung der Rechte, die mit den zum Tausch angebotenen Effekten verbunden sind (Art. 24 Abs. 1 UEV). Die Anbieterin kommt diesem Erfordernis in ihrem Angebotsprospekt in Abschnitt B Ziff. 4 rechtsgenügend nach.
[40] Sind die zum Tausch angebotenen Effekten an einer Börse kotiert, so enthält der Angebotsprospekt zusätzliche Angaben (Art. 24 Abs. 2 lit. a bis f UEV). Helvetia führt diese zusätzlichen Angaben im Angebotsprospekt unter Abschnitt B Ziff. 4 gesetzeskonform auf.
[41] Angaben zu den drei letzten Jahresberichten der Gesellschaft, deren Titel zum Tausch angeboten werden (Art. 24 Abs. 3 UEV), sind im Angebotsprospekt unter Abschnitt C Ziff. 9 enthalten. Die Anbieterin bestätigt im Einklang mit Art. 24 Abs. 4 UEV, dass keine bedeutenden Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Geschäftsaussichten der Gesellschaften eingetreten sind. Die erwarteten Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beschreibt die Anbieterin im Angebotsprospekt unter Abschnitt C Ziff. 12.
[42] Der Angebotsprospekt enthält die zusätzlichen Angaben gemäss Art. 24 UEV in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 und Art. 28 lit. b BEHG.
9. Bedingungen
[43] Nach Art. 7 Abs. 1 UEV muss die Anbieterin innerhalb von sechs Wochen nach der Voranmeldung einen Angebotsprospekt veröffentlichen, der den Konditionen der Voranmeldung entspricht. Die im Angebotsprospekt enthaltenen Bedingungen sind bereits in der Voranmeldung enthalten. Das Angebot von Helvetia steht unter den Bedingungen (a) bis (k) (vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt B Ziff. 7).
9.1 Bedingung (f)
[44] Das Angebot steht unter der Bedingung (f), dass unter der Voraussetzung, dass alle anderen Bedingungen des Angebots eintreten oder darauf verzichtet wird, die von Nationale Suisse und Helvetia gemeinsam bezeichneten Personen an einer Generalversammlung von Helvetia mit Wirkung ab Vollzug des Angebots zusätzlich in den Verwaltungsrat von Helvetia gewählt worden sind. Helvetia hat sich verpflichtet, auf diese Bedingung nur auf entsprechende Instruktion von Nationale Suisse hin verzichten oder sie geltend machen. Im Vergleich zur Voranmeldung wurde der Satzteil „oder sie geltend zu machen“ ergänzt. Dies dient der Klarstellung und entspricht der ursprüngliche Absicht von Helvetia und Nationale Suisse, wonach es Helvetia nicht gestattet sein soll, sich eigenmächtig auf den Nichteintritt dieser Bedingung zu berufen.
[45] Die Bedingung f) ist (wie auch die übrigen Bedingungen) bereits in der Transaktionsvereinbarung vorgesehen und soll der Zielgesellschaft einen Einfluss auf den Verwaltungsrat der Anbieterin einräumen. Gemäss der Transaktionsvereinbarung muss sich Helvetia nach Kräften darum bemühen, dass der diesbezügliche Beschluss zu Stande kommt.
[46] Soweit ersichtlich hatte die Übernahmekommission in ihrer bisherigen Praxis noch nie eine Bedingung wie die vorliegende zu beurteilen. Bei einem freiwilligen Angebot ist eine Bedingung zulässig wenn der Anbieter ein begründetes Interesse daran hat und die Bedingung nicht potestativer Natur ist (Art. 13 Abs. 1 und 2 UEV). Gemäss Praxis muss die Bedingung zudem genügend klar und sie darf nicht unlauter sein.
[47] Helvetia hat an der Bedingung f) ein begründetes Interesse, da diese Bedingung die mit Nationale Suisse vereinbarte Transaktionsstruktur absichert. Für die Zielgesellschaft ist es in der vorliegenden Transaktion von wesentlicher Bedeutung, dass die von ihr vorgeschlagenen Mitglieder des Verwaltungsrates in den Verwaltungsrat der Anbieterin gewählt werden, um dort nach dem Vollzug der Transaktion die Anliegen der Zielgesellschaft und ihrer Stakeholder einbringen zu können. Die Bedingung ermöglicht, dass „Mergers of Equals“ auch mittels öffentlichen Kaufangeboten durchgeführt werden können.
[48] Im Weiteren ist die Bedingung f) nicht potestativer Natur, da Helvetia den Bedingungseintritt nicht selbständig verhindern kann: Sollte die Generalversammlung von Helvetia die vorgeschlagenen Verwaltungsratsmitglieder (wider Erwarten) nicht wählen, dürfte sich Helvetia nur mit Zustimmung der Zielgesellschaft auf den Nichteintritt der Bedingung berufen.
[49] Schliesslich ist die Bedingung f) auch genügend klar und nicht unlauter. Sie ist nach Gesagtem somit zulässig.
9.2 Bedingung (i)
[50] Sogenannte Material Adverse Change-Klauseln (MAC-Klauseln) sind gemäss Praxis der Übernahmekommission zulässig, wenn die von der Anbieterin genannten Einbussen bei Umsatz (bzw. Erlös) oder Gewinn bzw. Kosten oder Eigenkapital wesentlich sind. Die Einbussen sind dann wesentlich, wenn sie bei EBIT und Eigenkapital mindestens 10 % bzw. beim Umsatz mindestens 5 % (je gemäss konsolidierter Konzernrechnung der Zielgesellschaft) betragen. Mit diesen Untergrenzen soll vermieden werden, dass die Anbieterin aufgrund einer zu tief gewählten Schwelle für eine Einbusse jedes unbedeutende Ereignis zum Anlass nehmen kann, vom Angebot Abstand zu nehmen. Damit würde die Bedingung zu einer unzulässigen Potestativbedingung.
[51] Teilbedingung (i) der Bedingung (i) lautet wie folgt:
(i) Vom Datum der Voranmeldung bis zum Ablauf der (allenfalls verlängerten) Angebotsfrist sind keine Umstände oder Ereignisse eingetreten oder bekannt geworden, welche … eine der folgenden bleibenden Auswirkungen … haben:
(i) eine Reduktion der jährlichen konsolidierten gebuchten Bruttoprämien in der Höhe von CHF 112'127'700 (entsprechend 7.5% der jährlichen konsolidierten gebuchten Bruttoprämien von Nationale Suisse per 31. Dezember 2013);
[52] Teil-Bedingung (i)-(i) stellt im Vergleich zur erwähnten Praxis bezüglich der Reduktion des konsolidierten Umsatzes nicht auf einen solchen, sondern auf eine Reduktion der „jährlichen konsolidierten gebuchten Bruttoprämien“ ab und setzt die Wesentlichkeitsschwelle bei 7,5 % fest.
[53] Bei einem Versicherungsunternehmen ist es zulässig, statt auf den konsolidierten Umsatz auf die konsolidierten gebuchten Bruttoprämien als Bezugsgrösse abzustellen, da letztere typischerweise den ganz wesentlichen Hauptteil des Umsatzes ausmachen. Dies ist auch bei Nationale Suisse der Fall: Dem Finanzbericht 2013 von Nationale Suisse ist zu entnehmen, dass im Jahr 2013 die gebuchten Bruttoprämien mit CHF 1'495'036'000 den Hauptteil des Umsatzes ausmachten, hinzu kam der Nettoertrag aus Kapitalanlagen im Betrag von 159'336'000, womit der gesamte Umsatz 1'654'372'000 betrug.
9.3 Übrige Bedingungen
[54] Die übrigen im Angebotsprospekt genannten Bedingungen sind gemäss Praxis der Übernahmekommission zulässig, weshalb sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen (vgl. zu Bedingung (a): Verfügung 548/01 vom 2. Oktober 2013 in Sachen Acino Holding AG, Erw. 6.1; zu Bedingung (b): Verfügung 410/01 vom 29. Mai 2009 in Sachen Quadrant AG, Erw. 6.2; zu Bedingung (c): Empfehlung 382/01 vom 26. September 2008 in Sachen Ciba Holding AG, Erw. 5.3; zu Bedingung (d): Empfehlung 382/01 vom 26. September 2008 in Sachen Ciba Holding AG, Erw. 5.3; zu Bedingung (e): Verfügung 450/01 vom 20. August 2010 in Sachen Day Software Holding AG, Erw. 6.6; zu Bedingung (g): Verfügung 416/01 vom 13. Juli 2009 in Sachen Jelmoli Holding AG, Erw. 7.9 und Empfehlung II 0269/02 in Sachen Amazys Holding AG vom 23. März 2006, Erw. 5.5; zu Bedingung (h): Verfügung 422/03 vom 8. September 2009 in Sachen LO Holding Lausanne-Ouchy S.A. / JJM Participations SA, Erw. 8.13; zu Bedingung (j): Verfügung 540/01 vom 25. Juli 2013 in Sachen Schmolz + Bickenbach AG, Erw. 7.1. und zu Bedingung (k): Empfehlung 318/04 vom 9. Juni 2007 in Sachen Converium Holding AG, Erw. 11.5.).
10. Bericht des Verwaltungsrats
10.1 Empfehlung / Interessenkonflikte
[55] Nach Art. 29 Abs. 1 BEHG legt der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft einen Bericht vor, in dem er zum Angebot Stellung nimmt. Die darin abgegebenen Informationen müssen wahr und vollständig sein. Der Bericht muss alle Informationen enthalten, die notwendig sind, damit die Angebotsempfänger ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können. Für weitere Einzelheiten sei auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen (Art. 30 ff. UEV).
[56] Der Verwaltungsrat von Nationale Suisse hat in Übereinstimmung mit Art. 29 Abs. 1 BEHG und Art. 30 UEV einen Bericht zum Angebot von Helvetia erstellt. Er hat festgestellt, dass sich keines seiner Mitglieder in einem Interessenkonflikt befindet und unter Bezugnahme auf die von Bank J. Safra Sarasin AG (J. Safra Sarasin oder Expertin) erstellte Fairness Opinion (Fairness Opinion) entschieden, den Aktionären das Angebot von Helvetia zur Annahme zu empfehlen.
10.2 Fairness Opinion
[57] Der Verwaltungsrat von Nationale Suisse hat J. Safra Sarasin beauftragt, die finanzielle Angemessenheit des Angebots von Helvetia zu prüfen. Zusammenfassend gesagt basiert die von J. Safra Sarasin erstellte Bewertung auf Planrechnungen der Nationale Suisse, welche auf ihre Plausibilität und Konsistenz hin geprüft wurden. J. Safra Sarasin ermittelt im Ergebnis für die Nationale Suisse-Aktie eine Bewertungsbandbreite von CHF 70.30 bis CHF 82.40, womit der Angebotspreis von CHF 52.00 in bar und 0.0680 Helvetia-Aktien pro Nationale Suisse-Aktie aus finanzieller Sicht als fair und angemessen zu beurteilen ist.
[58] Die von J. Safra Sarasin für ihre Meinungsbildung verwendeten Informationen und Bewertungsmethoden, die Bewertungsannahmen und die angewendeten Parameter sowie deren Herleitung sind in der Fairness Opinion offengelegt, so dass die Angebotsempfänger die Einschätzung der Expertin nachvollziehen und ihren Entscheid über die Annahme oder Ablehnung des Angebots in Kenntnis der Sachlage treffen können. Die Fairness Opinion ist im Übrigen transparent, plausibel und nachvollziehbar und damit im Sinne von Art. 30 Abs. 5 UEV rechtsgenügend begründet.
10.3 Jahres- oder Zwischenabschluss
[59] Der letzte von Nationale Suisse publizierte Abschluss ist der Geschäftsbericht per 31. Dezember 2013. Nationale Suisse wird am 3. September 2014 den konsolidierte Halbjahresbericht per 30. Juni 2014 veröffentlichen, welcher im Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist nicht mehr als sechs Monate zurück liegen wird.
[60] In Bezug auf die Angaben über wesentliche Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Geschäftsaussichten von Nationale Suisse entspricht der Bericht den Anforderungen gemäss Praxis der Übernahmekommission (vgl. u.a. Verfügung 464/01 vom 18. Januar 2011 in Sachen Datacolor AG, Erw. 8.3).
10.4 Übrige Informationen
[61] In Bezug auf die Offenlegung weiterer Informationen entspricht der Bericht des Verwaltungsrats den gesetzlichen Anforderungen.
11. Publikation
[62] Die vorliegende Verfügung wird am Tag der Publikation des Angebotsprospekts auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht (Art. 33a BEHG in Verbindung mit Art. 65 Abs. 1 UEV).
12. Gebühr
[63] Gemäss Art. 69 Abs. 2 UEV wird die Gebühr im Verhältnis zum Wert der Transaktion berechnet. Dies bedeutet, dass hierfür sämtliche vom Angebot erfassten Titel (Beteiligungspapiere und/oder Finanzinstrumente) sowie jene Titel einbezogen werden, welche in den zwölf Monaten vor der Veröffentlichung des Angebots erworben wurden (vgl. Verfügung 549/01 vom 10. Oktober 2013 in Sachen Absolut Invest AG, Erw. 9).
[64] Das Angebot von Helvetia umfasst maximal 17'901'363 Nationale Suisse-Aktien. Helvetia bietet als Angebotspreis CHF 52 in bar und 0.0680 Helvetia-Aktien. Der VWAP der Helvetia-Aktie während der letzten 60 Börsentage vor der Publikation der Voranmeldung am 7. Juli 2014 betrug CHF 424.63 (vgl. Art. 69 Abs. 4 UEV). Pro Nationale Suisse-Aktie wird somit ein Gegenwert von CHF 80.87 geboten.
[65] Helvetia und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen haben in den 12 Monaten vor der Voranmeldung insgesamt 1'467'462 Nationale Suisse-Aktien erworben, wobei der volumengewichtete Durchschnittspreis CHF 59.51 betrug. Der Wert des gesamten Angebots beläuft sich damit auf CHF 1'535'011'890. Daraus ergibt sich die Maximalgebühr von CHF 250'000 zulasten von Helvetia (Art. 69 Abs. 2, 3 und 4 UEV).
Die Übernahmekommission verfügt:
- Das öffentliche Kauf- und Tauschangebot von Helvetia Holding AG an die Aktionäre von Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG entspricht den gesetzlichen Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote.
- Die übrigen Anträge werden abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos sind.
- Diese Verfügung wird am Tag der Publikation des Angebotsprospekts auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr zu Lasten von Helvetia Holding AG beträgt CHF 250'000.
Der Präsident:
Prof. Luc Thévenoz
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- Helvetia Holding AG, vertreten durch Hansjürg Appenzeller, Homburger AG;
- Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG, vertreten durch Hans-Jakob Diem, Lenz & Staehelin.
Diese Verfügung geht zur Kenntnisnahme an:
- KPMG AG (Prüfstelle).
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 33c des Börsengesetzes, SR 954.1):
Gegen diese Verfügung kann innerhalb von fünf Börsentagen Beschwerde bei der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern erhoben werden. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Eröffnung der Verfügung per Telefax oder auf elektronischem Weg zu laufen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 33c Abs. 2 BEHG und Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens 3 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben.
Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission (Selnaustrasse 30, Postfach, CH - 8021 Zürich, counsel@takeover.ch, Telefax: +41 58 499 22 91) innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung des Dispositivs der vorliegenden Verfügung in den Zeitungen einzureichen. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach der Veröffentlichung zu laufen.
Die Einsprache muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 UEV enthalten.