Transactions
0146 - swissfirst AG
Empfehlung in Sachen swissfirst AG vom 17. Oktober 2002
Öffentliches Rückkaufsangebot der swissfirst AG, Zug
A.
Die swissfirst AG („swissfirst“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 5'100'000 und ist eingeteilt in 5'100'000 Inhaberaktien zu CHF 1 Nennwert. Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange kotiert. swissfirst hält per 9. Oktober 2002 119'562 eigene Inhaberaktien, was 2.34% des Aktienkapitals und der Stimmrechte ausmacht. Über in-the-money Optionen ist swissfirst ausserdem zum Bezug von 42'000 eigenen Inhaberaktien oder 0.82% des Aktienkapitals bzw. der Stimmrechte berechtigt.
Die zwei Hauptaktionäre der swissfirst sind die Herren Thomas Matter, Herrliberg, der 1'030'000 Inhaberaktien oder 20.2% des Aktienkapitals und der Stimmrechte von swissfirst hält, sowie Rumen Hranow-Bühler, Zollikon, der über 512'005 Inhaberaktien oder 10.0% des Kapitals und der Stimmrechte der Gesellschaft verfügt.
B.
Der Verwaltungsrat der swissfirst beschloss am 29. August 2002, maximal 10% des Kapitals bzw. der Stimmrechte der Gesellschaft zurückzukaufen. Der Rückkauf soll zwecks Kapitalherabsetzung zum Marktpreis über eine zweite Handelslinie erfolgen. Der Verwaltungsrat der swissfirst beabsichtigt, der Generalversammlung vom 10. Mai 2003 die Herabsetzung des Aktienkapitals im Umfang der zurückgekauften Inhaberaktien zu beantragen. Sollte sich zuvor allerdings eine günstige Gelegenheit für einen Weiterverkauf ergeben oder sollten die erworbenen Inhaberaktien als Akquisitionswährung verwendet werden können, so behält sich der Verwaltungsrat indessen eine entsprechende Verwendung vor.
C.
Am 11. September 2002 ersuchte swissfirst die Übernahmekommission um Freistellung ihres Rückkaufsangebots von der Beachtung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote im Meldeverfahren.
D.
Am 13. September 2002 teilte die Übernahmekommission der swissfirst mit, dass aufgrund der von dieser gemachten Ausführungen zu einem möglichen Wiederverkauf von Aktien, die im Rahmen des Rückkaufsprogramms zwecks Kapitalherabsetzung erworben wurden, eine Freistellung im Meldeverfahren nicht möglich sei, und swissfirst wurde zur Einreichung eines begründeten Gesuchs aufgefordert.
E.
Mit begründetem Gesuch vom 26. September/10. Oktober 2002 wiederholte swissfirst ihr Begehren, wonach der beabsichtigte Aktienrückkauf von den Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freizustellen sei. Die Veröffentlichung des Inserats ist per 28. Oktober 2002 vorgesehen. Das Angebot läuft vom 28. Oktober 2002 bis zum 28. März 2003.
F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Hans Caspar von der Crone (Präsident), Ulrich Oppikofer und Peter P. Hügle gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Anwendbarkeit der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote
Öffentliche Angebote einer Gesellschaft zum Rückkauf eigener Aktien stellen "öffentliche Kaufangebote" im Sinn von Art. 2 lit. e BEHG dar. Sie unterstehen damit den Bestimmungen des 5. Abschnitts dieses Gesetzes (siehe Verfügung der EBK vom 4. März 1998 in Sachen Pharma Vision et al., E. 2). Die Übernahmekommission kann dabei den Anbieter von der Beachtung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote befreien, wenn Gleichbehandlung, Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben gewährleistet sind und überdies keine Hinweise auf eine Umgehung des Börsengesetzes oder anderer Gesetzesbestimmungen vorliegen. In ihrer Mitteilung Nr. 1 vom 28. März 2000 (Mitteilung Nr. 1), welche am 1. September 2000 in Kraft trat, legte die Übernahmekommission die Voraussetzungen fest, unter welchen eine solche Freistellung erfolgen kann.
Ob die genannten Grundsätze eingehalten sind, kann aufgrund der von swissfirst gemachten Ausführungen zu einem möglichen Wiederverkauf von Aktien, die im Rahmen des Rückkaufsprogramms zwecks Kapitalherabsetzung erworben wurden, nicht ohne Weiteres beurteilt werden (vgl. dazu nachstehend Ziffer 2). Es liegen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht klare Verhältnisse vor, weshalb eine Freistellung im Meldeverfahren gemäss Ziff. III der erwähnten Mitteilung nicht in Frage kommt. Gestützt auf ein begründetes Gesuch kann die Übernahmekommission aber Rückkaufsangebote dennoch von der Beachtung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freistellen, sofern dies mit den Zielsetzungen des BEHG vereinbar ist (Ziff. IV der Mitteilung Nr. 1). Diese Prüfung wird die Übernahmekommission nachstehend vornehmen.
2. Verhältnis zwischen den Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote und dem Steuerrecht
2.1 Je nach Zweck, zu welchem eine Gesellschaft eigene Aktien zurückkauft, ergeben sich für die andienenden Aktionäre unterschiedliche Steuerfolgen. Zu den steuerrechtlichen Aspekten nimmt die Übernahmekommission insoweit Stellung, als es sich dabei um eine Vorfrage zu einer in ihren Kompetenzbereich fallenden übernahmerechtlichen Frage handelt (vgl. Art. 96 Abs. 3 OG; Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts vom 2. Juli 2001, 2A.394/2000). Dies ist dann der Fall, wenn das Steuerrecht einen Einfluss auf die börsen- bzw. übernahmerechtlich zu beurteilende Frage hat, sei es mit Blick auf die Einhaltung einer konkreten Bestimmung oder im Zusammenhang mit der Einhaltung eines allgemeinen börsenrechtlichen Grundsatzes. Gestützt auf die Tatsache, dass swissfirst die erworbenen Aktien zwecks Kapitalherabsetzung über eine zweite Handelslinie zurückkauft, sich aber gleichzeitig vorbehält, die Titel allenfalls gleichwohl weiterzuveräussern, bleibt zu prüfen, ob sie damit den in Ziffer 1 erwähnten Grundsätzen, insbesondere jenen der Transparenz und der Gleichbehandlung, in genügendem Masse Rechnung trägt.
2.2 Der Rückkauf eigener Aktien zwecks Kapitalherabsetzung über eine zweite Handelslinie stellt sowohl unter dem Aspekt der Verrechnungssteuer als auch unter dem Aspekt der direkten Bundessteuer eine Teilliquidation der rückkaufenden Gesellschaft dar.
2.2.1 Die Verrechnungssteuer wird beim Rückkauf eigener Aktien (zum Marktpreis) über eine spezielle Handelslinie auf der Differenz zwischen Erwerbspreis und Nennwert erhoben. Die Erhebung und Entrichtung der Verrechnungssteuer erfolgt dabei in jedem Fall, auch wenn die erworbenen Aktien zu einem späteren Zeitpunkt wieder verkauft werden bzw. das Kapital nicht im entsprechenden Umfang herabgesetzt wird.
2.2.2 Bezüglich der direkten Bundessteuer hält das von swissfirst in Auftrag gegebene Steuergutachten fest, dass nach Art. 20 Abs. 1 lit. c. DBG i.V.m. Art. 4a VStG die verrechnungssteuerrechtliche Behandlung der Rückgabe von Beteiligungsrechten für die Einkommenssteuer (direkte Bundessteuer und kantonale Steuern) bindend sei. Bei einem Verkauf über eine zweite Handelslinie von swissfirst-Aktien, die durch eine natürliche Person im Privatvermögen gehalten werden, erziele die natürliche Person somit steuerbares Einkommen in der Differenz zwischen dem Rückkaufspreis und dem Nominalwert der Aktien (direkte Bundessteuer und kantonale Einkommenssteuer). Dieselbe Steuerfolge ergäbe sich (aufgrund der erwähnten Bindewirkung) auch dann, wenn die swissfirst-Aktien anstelle der Vernichtung im Rahmen einer Kapitalherabsetzung in einem späteren Zeitpunkt wieder veräussert würden. – Dieser Rechtsauffassung ist grundsätzlich zuzustimmen.
Aktionäre, bei denen es sich um juristische Personen, steuerbefreite Institutionen sowie natürliche Personen mit Aktien im Geschäftsvermögen handelt, nehmen in der Regel an einem Rückkauf mit unmittelbarer Kapitalherabsetzung teil, weil aufgrund des Buchwertprinzips lediglich die Differenz zwischen dem Buchwert und dem Verkaufspreis als Beteiligungsertrag der Ertragssteuer unterliegt. Auch diese Steuerfolge ergibt sich unabhängig vom späteren Verwendungszweck der über eine zweite Handelslinie erworbenen Aktien. Anders verhält es sich in diesem Zusammenhang mit dem Beteiligungsabzug, den juristische Personen gestützt auf Art. 69 DBG geltend machen können. Dieser Abzug kann allenfalls nur dann beansprucht werden, wenn das Kapital effektiv im entsprechenden Umfang herabgesetzt wird.
2.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass anlässlich des vorliegenden Rückkaufsprogramms zwecks Kapitalherabsetzung über eine zweite Handelslinie die entsprechenden Steuerfolgen für die einzelnen Aktionäre grundsätzlich unabhängig von der späteren Verwendung der angedienten Aktien durch swissfirst anfallen. Einzig der Beteiligungsabzug kann allenfalls nur dann in Anspruch genommen werden, wenn das Aktienkapital wie angekündigt tatsächlich herabgesetzt wird. Auf diese steuerliche Problematik weist swissfirst im Angebotstext ausdrücklich hin, wodurch die Transparenz des vorliegenden Rückkaufprogramms gewahrt bleibt. Die unterschiedliche Steuerpflicht von natürlichen Personen mit Aktien im Privatvermögen und solchen mit Aktien im Geschäftsvermögen bzw. von juristischen Personen beruht auf dem Schweizer Steuersystem, das zwischen dem Nennwert- und dem Buchwertprinzip unterscheidet. Die Ungleichbehandlung von privaten Anlegern und anderen Aktionären ist damit gesetzlich bedingt und ausserhalb des Einflussgebiets eines Anbieters. Anders wäre dann zu entscheiden, wenn ein Anbieter eigene Aktien zwecks Kapitalherabsetzung unter einem wie hier gemachten Vorbehalt zurückkauft, obwohl er von vornherein weiss, dass er die angedienten Titel im Eigenbesitz behalten oder diese weiterveräussern wird. In einem solchen Fall müsste davon ausgegangen werden, dass die „steuerliche“ Ungleichbehandlung von Privatanlegern und anderen Aktionären in den Wirkungsbereich des Anbieters fällt, der mit dem angekündigten und in keiner Art und Weise beabsichtigten Verwendungszweck der zurückgekauften Aktien Privatanleger in unzulässiger Weise vom Rückkaufsprogramm ausschliesst. Anhaltspunkte für ein derartiges Vorgehen sind in casu keine gegeben. Das Rückkaufsangebot der swissfirst ist auch nicht auf die im Sachverhalt genannten Hauptaktionäre, die gemäss Angebotstext nicht am vorliegenden Rückkaufsprogramm teilnehmen werden, zugeschnitten. Eine Steuerumgehung seitens der Gesellschaft ist sodann keine auszumachen.
3. Einhaltung der börsenrechtlichen Grundsätze
3.1 swissfirst beabsichtigt, Aktien im Umfang von maximal 510'000 von je CHF 1 Nennwert bzw. 10% des Kapitals und der Stimmrechte zurückzukaufen und plant, das Kapital im entsprechenden Umfang herabzusetzen. Der Verwaltungsrat behält sich wie erwähnt aber vor, die angedienten Titel im Interesse der Gesellschaft allenfalls weiterzuveräussern. Diese verschiedenen Absichten von swissfirst sind im Angebotstext offengelegt. Die Aktionäre können somit ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage fällen. Dem Grundsatz der Transparenz ist auch in diesem Punkt Genüge getan.
3.2 swissfirst bestätigt in ihrem Angebotsinserat, dass sie über keine nicht-öffentlichen Informationen verfügt, welche die Entscheidung der Aktionäre massgeblich beeinflussen könnten.
3.3 Am 25. Oktober 2002 wird swissfirst voraussichtlich eine Pressemitteilung zum Zwischenabschluss per 30. September 2002 erlassen. Wegen der Pflicht des Anbieters, die Rückkäufe während 10 Tagen vor der Mitteilung von Finanzergebnissen zu unterbrechen (vgl. Ziff. III/3.1 der Mittelung Nr. 1), erfolgt die Veröffentlichung des Inserats am 28. Oktober 2002. Auch im Übrigen entspricht der vorliegende Rückkauf den Voraussetzungen von Ziff. III/1 und 3 der Mitteilung Nr. 1, welche hier analog Anwendung finden. Er kann folglich unter den in Ziff. III/1 und 3 der Mitteilung Nr. 1 definierten Auflagen von der Anwendung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote freigestellt werden.
4. Publikation
Diese Empfehlung wird gestützt auf Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation des Rückkaufsangebots, d.h. voraussichtlich am 28. Oktober 2002, auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
5. Gebühr
In Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Beurteilung der vorliegenden Transaktion eine Gebühr von CHF 20'000 erhoben.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
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Das Rückkaufsangebot der swissfirst AG wird von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freigestellt und ist den in Ziff. III/1 und 3 der Mitteilung Nr. 1 vom 28. März 2000 definierten Auflagen unterstellt.
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Diese Empfehlung wird am 28. Oktober 2002 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
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Die Gebühr zu Lasten der swissfirst AG beträgt CHF 20'000.
Der Präsident:
Hans Caspar von der Crone
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- swissfirst AG, durch ihren Vertreter,
- die EBK.