Transaktionen
0474 - BKW FMB Energie AG
Verfügung vom 21. April 2011
Öffentliches Umtauschangebot von BKW Projektentwicklung AG an die Aktionäre von BKW FMB Energie AG - Feststellungsgesuch betreffend Handeln in gemeinsamer Absprache
Sachverhalt:
A.
BKW Projektentwicklung AG (BKW Holding oder Anbieterin) plant - wie in Verfügung 474/01 vom 11. April 2011 in Sachen BKW FMB Energie AG (Verfügung 474/01) dargestellt - den Aktionären von BKW FMB Energie AG (BKW oder Zielgesellschaft) ein öffentliches Umtauschangebot zu unterbreiten, um die BKW Gruppe als Holding-Gruppe umzustrukturieren (Holding-Angebot). In der Verfügung 474/01 gewährte die Übernahmekommission eine Ausnahme von der Pflicht, die im Rahmen des Holding-Angebots angebotenen Aktien von BKW Holding zu bewerten. Weiter wurde festgestellt, dass die Vorschriften zum Mindestpreis auf das Holding-Angebot keine Anwendung finden und es wurden BKW und BKW Holding Erleichterungen bezüglich Publikationspflichten gewährt. Schliesslich wurde festgestellt, dass BKW Holding und BKW im Rahmen des Holding-Angebots keine eigenen Aktien (d.h. BKW-Aktien und/oder Holding-Aktien) gegen bar erwerben dürfen. Mit Verfügung 474/02 vom 14. April 2011 (Verfügung 474/02) stellte die Übernahmekommission auf Antrag von BKW Holding und BKW fest, dass die mit Verfügung 474/01, Dispositiv Ziff. 1, gewährte Ausnahme von der Pflicht, die im Rahmen des Umtauschangebots angebotenen Aktien von BKW Holding zu bewerten, auch den Fall erfasst, dass genehmigtes Kapital geschaffen wird, um nach dem Angebotsvollzug über die notwendigen Tauschtitel zu verfügen.
B.
Mit Schreiben vom 14. April 2011 beantragen BKW Holding und BKW (zusammen die Gesuchstellerinnen), es sei festzustellen, dass der Kanton Bern nicht in gemeinsamer Absprache mit den Gesuchstellerinnen handle. Auf ihre Begründung wird im Rahmen der Erwägungen eingegangen.
C.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Luc Thévenoz (Präsident), Henry Peter und Thierry de Marignac gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Handeln in gemeinsamer Absprache des Kantons Bern
[1] Die Gesuchstellerinnen beantragen, es sei festzustellen, dass der Kanton Bern nicht als in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin handelnd zu betrachten sei, da er sich lediglich dazu verpflichte, seine Aktien im Rahmen des Tauschangebots anzudienen, sich aber sonst in keiner Weise mit der BKW oder der BKW Holding abstimme und die Angebotsbedingungen auch nicht anderweitig beeinflusse. Zudem berufen sich die Gesuchstellerinnen auf die bisherige Praxis der Übernahmekommission in Sachen Danzas Holding AG (Empfehlung 23/01 vom 15. Januar 1999, Erw. 3.2) und Bank Linth (Empfehlung 301/03 vom 4. Januar 2007, Erw. 6.6.2), in der das Handeln in gemeinsamer Absprache verneint wurde, weil der betreffende ausländische Staat eine Bestätigung abgab, während der Angebotsfrist keine Aktien zu kaufen und weil der mit der Prüfung der Einhaltung der Best Price Rule verbundene Aufwand als übermässig erachtet wurde. Allenfalls sei analog dazu dem Kanton Bern die Pflicht aufzuerlegen, der Prüfstelle zu bestätigen, dass er während der Angebotsfrist weder börslich noch ausserbörslich Titel der BKW erwerbe.
[2] Für Personen, die im Hinblick auf ein Angebot in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe mit dem Anbieter handeln, gilt Art. 10 Abs. 1 und 2 BEHV-FINMA sinngemäss (Art. 11 Abs. 1 UEV). Nach Art. 10 Abs. 2 lit. c BEHV-FINMA liegt eine abgestimmte Verhaltensweise namentlich dann vor, wenn eine Zusammenfassung von natürlichen oder juristischen Personen durch die Mehrheit von Stimmrechten oder Kapitalanteilen oder durch eine Beherrschung auf andere Weise zu einem Konzern oder einer Unternehmensgruppe gegeben ist. In der Praxis der Übernahmekommission werden Aktionäre, welche die Anbieterin (ganz oder mehrheitlich) beherrschen als in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 11 UEV handelnd betrachtet (vgl. u.a. Empfehlung 243/06 vom 9. August 2005 in Sachen Leica Geosystems Holdings AG, Erw. 4.2.2; Empfehlung 224/01 vom 4. März 2005 in Sachen Pelikan Holding AG, Erw. 3.1;vgl. ferner Urs Schenker, Öffentliche Übernahmeangebote, Bern 2009, S. 354 m.w.H.).
[3] Den Gesuchstellerinnen ist insoweit zuzustimmen, dass die Verpflichtung eines Aktionärs zur Andienung seiner Beteiligung für sich alleine noch nicht zu einem Handeln in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf ein Angebot führt (vgl. Empfehlung 243/06 vom 9. August 2005 in Sachen Leica Geosystems Holdings AG, Erw. 4.2.3). Entscheidend ist hingegen, dass der Kanton Bern mit seiner 52.54%igen Beteiligung BKW und damit auch die Anbieterin als 100%ige Tochtergesellschaft von BKW beherrscht. Eine Zusammenfassung von Personen durch eine „Mehrheit von Stimmrechten" i.S.v. Art. 10 Abs. 2 lit. c BEHV-FINMA ist folglich gegeben. Dazu kommt, dass der Kanton Bern nicht bloss passiver Mehrheitsaktionär von BKW, sondern darüber hinaus mit zwei Regierungsräten im Verwaltungsrat von BKW vertreten ist, womit er aktiv an der Führung der Gesellschaft teilnimmt und öffentliche Interessen bezüglich der Energieversorgung wahrnimmt.
[4] Da das Börsengesetz grundsätzlich nicht zwischen privatrechtlich oder öffentlichrechtlich organisierten Aktionären unterscheidet, fragt sich, ob die in den Fällen Danzas Holding AG (1999) und Bank Linth (2007) entwickelte Praxis gerechtfertigt ist. Die Übernahmekommission betrachtete in den beiden genannten Fällen zwei ausländische Staaten (Deutschland und Liechtenstein) „ausnahmsweise" nicht als in gemeinsamer Absprache handelnd, obwohl diese die Anbieterin mehrheitlich oder gänzlich beherrschten. Trotz Ausnahmegewährung hielten sich die beiden Staaten in materieller Hinsicht an einzelne Pflichten einer in gemeinsamer Absprache handelnden Person (vorausgegangener Erwerb, Best Price Rule).
[5] Unabhängig von der Frage, ob künftig an der genannten Praxis für ausländische Staaten festzuhalten ist, ist sie generell nicht auf öffentlich-rechtliche Anstalten und Körperschaften schweizerischen Rechts auszudehnen. Die Pflichten, welche dem Kanton Bern als in gemeinsamer Absprache handelnden Person auferlegt werden, sind mit Blick auf den damit verfolgten Zweck nicht unverhältnismässig. Jedenfalls würde die Gewährung einer Ausnahme den tatsächlichen Verhältnissen und dem Transparenzgebot nicht gerecht.
[6] Infolgedessen handelt der Kanton Bern in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin im Hinblick auf das geplante Holding-Angebot. Der Antrag der Gesuchstellerinnen ist damit abzuweisen.
2. Publikation
[7] Die vorliegende Verfügung wird wie die zum gleichen Holding-Angebot ergangenen Verfügungen 474/01 und 474/02 am Tag der Publikation des Angebots auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht (Art. 33a BEHG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 UEV).
3. Gebühr
[8] In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 69 Abs. 6 UEV ist für die Behandlung des vorliegenden, ergänzenden Feststellungsgesuchs eine Gebühr von CHF 10'000 zulasten der Gesuchstellerinnen zu erheben. Die Gesuchstellerinnen haften hierfür solidarisch.
[9] Falls BKW Holding, wie beabsichtigt, das Holding-Angebot unterbreitet, wird die Übernahmekommission diese Gebühr von der Gebühr für die Prüfung des Angebots in Abzug bringen (Art. 69 Abs. 6 UEV).
Die Übernahmekommission verfügt:
- Der Antrag von BKW FMB Energie AG und BKW Projektentwicklung AG wird abgewiesen. Demnach wird festgestellt, dass der Kanton Bern mit BKW Projektentwicklung AG im Hinblick auf das Angebot in gemeinsamer Absprache handelt.
- Diese Verfügung wird am Tag der Publikation des Angebots auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr zu Lasten von BKW FMB Energie AG und BKW Projektentwicklung AG beträgt CHF 10'000. BKW FMB Energie AG und BKW Projektentwicklung AG haften hierfür solidarisch.
Der Präsident:
Prof. Luc Thévenoz
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- BKW FMB Energie AG und BKW Projektentwicklung AG, beide vertreten durch Dr. Beat Brechbühl und Dr. Christian Witschi, Kellerhals Anwälte.
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 33c des Börsengesetzes, SR 954.1):
Gegen diese Verfügung kann innerhalb von fünf Börsentagen Beschwerde bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA), Einsteinstrasse 2, CH-3003 Bern erhoben werden. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Eröffnung der Verfügung per Telefax oder auf elektronischem Weg zu laufen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 33c Abs. 2 BEHG und Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens 2 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben.
Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission (Selnaustrasse 30, Postfach, CH - 8021 Zürich,
counsel@takeover.ch, Telefax: +41 58 499 22 91) innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der Verfügung einzureichen. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach der Veröffentlichung zu laufen.
Die Einsprache muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der
Beteiligung gemäss Art. 56 UEV enthalten.