Transazioni
0467 - Feintool International Holding AG
Verfügung vom 24. Februar 2011
Öffentliches Kaufangebot der Artemis Beteiligungen III AG an die Aktionäre von Feintool International Holding AG - Verwaltungsratsbericht / potenzielles Angebot
Sachverhalt:
A.
Am 17. Januar 2011 (elektronisch) bzw. 19. Januar 2011 (Printmedien) publizierte Artemis Beteiligungen III AG (Artemis oder Anbieterin) die Voranmeldung des öffentlichen Kaufangebots an die Aktionäre von Feintool International Holding AG (Feintool oder Zielgesellschaft). Am 31. Januar 2011 wurde der Angebotsprospekt veröffentlicht. Als Preis des Angebots sind CHF 350 netto in bar je Feintool-Aktie vorgesehen. Mit Verfügung 467/01 vom 28. Januar 2011 stellte die Übernahmekommission die Gesetzmässigkeit des öffentlichen Kaufangebots fest. Zugleich wurde Feintool aufgefordert, den Bericht des Verwaltungsrats spätestens am 15. Börsentag nach Veröffentlichung des Angebots zu publizieren. Die Angebotsfrist läuft bis zum 14. März 2011.
B.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2011 beantragte Fritz Bösch als qualifizierter Aktionär Parteistellung, welche ihm von der Übernahmekommission gleichentags gewährt wurde.
C.
Am 16. Februar 2011 vor Börsenbeginn stellte der Verwaltungsrat von Feintool den Bericht zum Kaufangebot von Artemis den elektronischen Medien zu. Die Publikation in den Printmedien erfolgte am 17. Februar 2011.
D.
Fritz Bösch erklärte mit Medienmitteilung vom 19. Januar 2011, dass er das Angebot von Artemis prüfe und sich alle Optionen offen halten werde, und mit Medienmitteilung vom 16. Februar 2011, dass er „weiterhin alle Möglichkeiten einer Gegenofferte zum Angebot" von Artemis prüfe, was auch den Bereich Privat Equity einschliesse. Es gehe darum, eine bessere Lösung im Interesse aller zu finden. Für die Feintool-Aktionäre bestehe „bis auf weiteres kein Handlungsbedarf". In einem Artikel der Zeitung „Sonntag" vom 6. Februar 2011, der am 7. Februar 2011 auch auf der SIX Swiss Exchange Website wiedergegeben wurde, wird Fritz Bösch dahingehend zitiert, dass er sich die Möglichkeit eines Konkurrenzangebots offenhalte. Gemäss einem Artikel von „Finanz und Wirtschaft" vom 9. Februar 2011 erklärte Fritz Bösch, dass derzeit noch keine konkreten Gespräche im Gang seien.
E.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 16. Februar 2011 wurden Artemis und Fritz Bösch aufgefordert, sich zum Verwaltungsratsbericht von Feintool zu äussern. Während Artemis der Auffassung ist, dass der Bericht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, stellt Fritz Bösch hierzu folgende Anträge:
"1. Es sei der Verwaltungsrat der Feintool International Holding AG zu verpflichten, in seinem Bericht die Gründe, weshalb das Angebot der Artemis Beteiligungen III AG für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Feintool International Holding AG nicht anzunehmen sei, respektive die Nachteile des Angebots, anhand konkreter auf die Feintool International Holding AG bezogener Argumente transparent, klar verständlich und nachvollziehbar den Angebotsempfängern darzulegen.
2a. Es sei festzustellen, dass sich Franz Stampfli in Bezug auf das Angebot der Artemis Beteiligungen III AG in keinem Interessenkonflikt befindet.
2b. Eventualiter sei die Feintool International Holding AG zu verpflichten, Franz Stampfli im Rahmen des Berichts des Verwaltungsrats der Feintool International Holding AG Gelegenheit zu geben, darzulegen
i) weshalb er sich entgegen dem Beschluss des Verwaltungsrats der Feintool International Holding AG nach seiner Auffassung in keinem Interessenkonflikt befindet, und
ii) was seine (Minderheits-)Stellungnahme zum Angebot der Artemis Beteiligungen III AG ist.
3. Unter Kostenfolge zu Lasten der Feintool International Holding AG."
Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich zu diesen Anträgen zu äussern. Auf die Stellungnahmen wird - soweit erforderlich - im Rahmen der Erwägungen eingegangen.
F.
Mit Eingabe vom 21. Februar 2011 stellte Artemis folgende Anträge:
„1. Fritz Bösch, Lyss, sei durch die UEK zu verpflichten, innert einer kurzen, von der UEK anzusetzenden Frist ein (Konkurrenz-)Angebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von Feintool zu veröffentlichen oder öffentlich zu erklären, innerhalb von sechs Monaten weder ein Angebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von Feintool zu unterbreiten noch eine die Angebotspflicht auslösende Beteiligungsschwelle zu überschreiten.
2. Es seien durch die UEK (zusammen mit den zuständigen Behörden gemäss Art. 46 BEHV-FINMA), soweit erforderlich, weitere Abklärungen zum börslichen und ausserbörslichen Kursverlauf und Handel samt Volumina der Feintool-Aktien seit 14. Januar 2011 (Vorbörsentag der Voranmeldung des Angebotes von Artemis am 17. Januar 2011) zu erheben.
3. Es seien Fritz Bösch und die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Gesellschaften und Personen durch die UEK gemäss Art. 39 i.V.m. Art. 38 UEV der Meldepflicht im vorliegenden Übernahmeverfahren von Artemis zu unterstellen."
Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich zu diesen Anträgen zu äussern. Auf die Stellungnahmen wird - soweit erforderlich - im Rahmen der Erwägungen eingegangen.
G.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Luc Thévenoz (Präsident), Raymund Breu und Susan Emmenegger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Potenzielles Angebot
[1] Art. 53 UEV regelt das potenzielle Angebot. Nach Art. 53 Abs. 1 UEV kann die Übernahmekommission einer Person, die öffentlich bekannt gibt, dass sie die Möglichkeit in Betracht zieht, ein öffentliches Angebot zu unterbreiten (potenzieller Anbieter), eine Frist ansetzen, innert welcher der potenzielle Anbieter entweder (lit. a) ein Angebot für die Zielgesellschaft veröffentlichen muss oder (lit. b) öffentlich zu erklären hat, dass er innerhalb von sechs Monaten weder ein Angebot unterbreitet noch eine die Angebotspflicht auslösende Beteiligungsschwelle überschreitet.
[2] Als öffentliche Bekanntgabe im Sinn dieser Bestimmung gelten insbesondere Pressemitteilungen, Äusserungen in Interviews und Ähnliches. Inhaltlich reicht es aus, dass die Person die Möglichkeit eines Übernahmeangebots „in Betracht zieht". Es ist demnach nicht notwendig, dass der potenzielle Anbieter die Eckdaten eines möglichen Angebots offenlegt. Es genügt, wenn er öffentlich bekannt gibt, ein Angebot zu erwägen bzw. über die Möglichkeit eines Angebots spekuliert (Schenker, Schweizerisches Übernahmerecht, Bern 2009, S. 344).
[3] Art. 53 UEV ist von Rule 2.4 (b) des City Takeover Code inspiriert. Im Gegensatz zur Regelung in Grossbritannien untersteht in der Schweiz die Zielgesellschaft infolge der Publikation eines potenziellen Angebots indes noch keinen Handlungseinschränkungen, wie sie Art. 29 Abs. 2 BEHG vorsieht. Während die britische Regelung primär bezweckt, die Zielgesellschaft aus den "Fesseln" des Anbieters zu befreien, wird mit der schweizerischen Regelung primär das Ziel verfolgt, eine allfällige Verunsicherung im Markt über ein mögliches Angebot zu beseitigen. Mitteilungen eines potenziellen Anbieters führen dazu, dass das Management der Zielgesellschaft vom Tagesgeschäft abgelenkt wird und verunsichern Arbeitnehmer, Kunden und Lieferanten der Zielgesellschaft. Mit der Ansetzung einer Frist sollen derartige Verunsicherungen behoben und verhindert werden, dass eine potenzieller Übernahmekandidat übermässig lange „in play" ist (vgl. Blaas/Bovey, SZW 3/2009, S. 218 ff.; Thévenoz, GesKR, 1/2009, S. 36; gemäss Schenker, a.a.O., S.342, soll Art. 53 UEV insbesondere auch vermeiden, dass die Börsenkurse durch die Bekanntgabe von Übernahmeabsichten manipuliert werden). Die UEK muss beim Entscheid, ob sie ein Frist ansetzen will, die gesamten Umstände berücksichtigen. Sie hat dabei ein gewisses Ermessen, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass es sich bei Art. 52 Abs. 1 UEV um eine Kann-Vorschrift handelt.
[4] Fritz Bösch hat in der Medienmitteilung vom 16. Februar 2011 geäussert, dass er die Möglichkeit einer Gegenofferte prüfe. Zudem empfahl er den Feintool-Aktionären, ihre Aktien einstweilen nicht anzudienen (vgl. Sachverhalt lit. D), womit er implizit ebenfalls ein mögliches Konkurrenzangebot in Aussicht stellte. Damit hat Fritz Bösch, wie von Art. 53 Abs. 1 UEV vorausgesetzt, öffentlich bekannt gegeben, dass er die Möglichkeit eines Konkurrenzangebots in Betracht ziehe, und er ist potenzieller Anbieter im Sinn von Art. 53 UEV. Es kann offen bleiben, ob sich Fritz Bösch neben der Medienmitteilung vom 16. Februar 2011 noch zusätzlich gegenüber der Presse äusserte (vgl. Sachverhalt lit. D), was teilweise bestritten wird.
[5] Da Fritz Bösch potenzieller Anbieter ist, stellt sich die Frage, ob ihm eine Frist gemäss Art. 52 Abs. 1 UEV anzusetzen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fritz Bösch sein potenzielles Angebot bekannt gab, nachdem das Angebot von Artemis bereits vorangemeldet war. Es handelt sich somit um ein potenzielles Konkurrenzangebot. Die Zielgesellschaft befand bzw. befindet sich bereits ab dem Zeitpunkt der Voranmeldung des Angebots von Artemis in einer Angebotssituation; sie ist m.a.W. „in play". Diese Angebotssituation birgt aufgrund der damit verbundenen Ungewissheit (ebenso wie ein potenzielles Angebot) die Gefahr einer möglichen Ablenkung des Managements und der Verunsicherung von Arbeitnehmern, Kunden und Lieferanten der Zielgesellschaft ohnehin stets in sich. Vor diesem Hintergrund bewirkt ein potenzielles Konkurrenzangebot nur (aber immerhin) eine gewisse zusätzliche Ungewissheit, die allerdings nur von kurzer Dauer ist, da sie durch den Zeitplan des Angebots begrenzt wird: Gemäss Art. 50 Abs. 1 UEV darf ein Konkurrenzangebot spätestens am letzten Börsentag der Angebotsfrist des vorhergehenden Angebots veröffentlicht werden, vorliegend also am 14. März 2011. Spätestens an diesem Tag wird Klarheit darüber bestehen, ob Fritz Bösch ein Konkurrenzangebot lanciert oder nicht. In diesem Zusammenhang ist auch auf Art. 53 Abs. 3 UEV hinzuweisen, wonach die Übernahmekommission einen potenziellen Anbieter von der Pflicht nach Abs. 1 lit. b befreien kann, wenn ein Dritter ein Angebot für die Zielgesellschaft unterbreitet. Dieser Bestimmung liegt ebenfalls der Gedanke zu Grunde, dass die durch ein potenzielles Angebot geschaffene Unsicherheit (und das diesbezügliche Schutzbedürfnis der Zielgesellschaft und des Marktes) vor dem Hintergrund eines tatsächlichen Angebots an Bedeutung verliert (vgl. auch Schenker, a.a.O., S. 345, wonach für den Fall, dass ein Dritter ein Angebot lanciert, eine Fristansetzung nach Art. 53 Abs. 1 UEV nicht mehr sinnvoll sei, da die Aktionäre der Zielgesellschaft von der [potenziellen] Angebotskonkurrenz profitieren würden).
[6] Schliesslich ist auch zu bedenken, dass in der vorliegenden Angebotssituation eine allfällige Frist gemäss Art. 53 Abs. 1 UEV so kurz bemessen sein müsste, dass sie vor dem 14. März 2011 ablaufen würde, denn danach besteht wegen Art. 50 Abs. 1 UEV ohnehin Klarheit über das potenzielle Konkurrenzangebot. Bei der Festlegung einer Frist nach Art. 53 Abs. 1 UEV ist indes zweierlei zu berücksichtigen: Zum einen darf die Frist nicht zu kurz sein, damit der potenzielle Anbieter seinen Entscheid zur Lancierung eines Angebots und gegebenenfalls die entsprechenden Vorbereitungen treffen kann. Zum andern darf die Frist jedoch auch nicht übermässig lange dauern, damit im Markt in absehbarer Zeit Klarheit über ein allfälliges Angebot geschaffen wird. Dabei wird angenommen, dass - analog der Praxis in Grossbritannien - voraussichtlich auch in der Schweiz eine Frist zwischen vier bis acht Wochen opportun sei (vgl. Blaas/Bovey, a.a.O.). Eine Praxis hierzu besteht allerdings nicht. Eine Fristansetzung auf ein Datum vor dem 14. März 2011 wäre jedoch unverhältnismässig kurz und würde Fritz Bösch nicht genügend Zeit einräumen, um sein allfälliges Konkurrenzangebot vorzubereiten. Eine Frist, die nach diesem Datum abliefe, würde - wie erwähnt - keinen Sinn ergeben. Dabei wird nicht übersehen, dass das potenzielle Konkurrenzangebot trotz der relativ kurzen Dauer der damit verbundenen Unsicherheit durchaus Auswirkungen auf die aktuelle Kursentwicklung der Feintool-Aktien hat. Es stellt sich die Frage, ob die diesbezüglichen Äusserungen neben ihrer übernahmerechtlichen Relevanz allenfalls auch den Tatbestand einer Marktmanipulation erfüllen können. Dies zu beurteilen ist jedoch nicht Sache der Übernahmekommission, sondern gegebenenfalls der zuständigen Behörden der Marktüberwachung.
[7] Nach Gesagtem ist als Ergebnis festzuhalten, dass die Übernahmekommission auf die Ansetzung einer Frist gemäss Art. 53 Abs. 1 UEV verzichtet. Da es sich um ein potenzielles Konkurrenzangebot handelt, wird bereits durch die Vorschrift von Art. 50 Abs. 1 UEV sichergestellt, dass im Markt in absehbarer Zeit Klarheit über das allfällige Konkurrenzangebot geschaffen wird.
2. Meldepflicht bedeutender Aktionäre
[8] Artemis beantragt, Fritz Bösch und die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Gesellschaften und Personen seien der Meldepflicht gemäss Art. 39 i.V.m. Art. 38 UEV zu unterstellen.
[9] Nachdem Fritz Bösch mit Schreiben vom 4. Februar 2011 die Parteistellung im vorliegenden Übernahmeverfahren eingeräumt wurde, hat er als Verfahrenspartei ohne weiteres die Pflicht, sämtliche Transaktionen in Beteiligungspapieren und in den sich auf sie beziehenden Finanzinstrumenten zu melden (Art. 38 Abs. 1 UEV). Diese Pflicht gilt selbstredend auch für indirekt von Fritz Bösch erworbene bzw. veräusserte Feintool-Aktien und diesbezügliche Finanzinstrumente. Der Antrag von Artemis ist damit gegenstandslos.
[10] Fritz Bösch bestätigte mit Eingabe vom 22. Februar 2011, dass er sowie die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnde Bösch & Co. AG seit Erlangung der Parteistellung keine solchen Transaktionen getätigt haben.
3. Bericht des Verwaltungsrats von Feintool
3.1 Zeitpunkt der Publikation
[11] Der Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft muss - sofern er nicht bereits im Angebotsprospekt veröffentlicht wird - spätestens am 15. Börsentag nach Veröffentlichung des Angebotsprospektes landesweit bekannt gemacht werden, indem er in mindestens zwei Zeitungen, in denen das Angebot publiziert wurde, auf Deutsch und Französisch veröffentlicht wird (Art. 33 Abs. 2 UEV). Zudem muss er der Übernahmekommission und mindestens zwei Informationsdienstleistern 90 Minuten vor Handelsbeginn oder nach Handelsschluss der Börse, an welcher die Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft kotiert sind, zugestellt werden (Art. 33 Abs. 4 UEV). Aus Art. 33 UEV geht nicht eindeutig hervor, in welcher Reihenfolge die Zustellung an die elektronischen Medien und die Publikation in den Printmedien zu erfolgen hat. Nach der Praxis der Übernahmekommission hat dies indes gleichzeitig zu geschehen (vgl. Verfügung 403/03 vom 30. März 2009 in Sachen Harwanne Compagnie de participations industrielles et financières SA, Erw. 1 m.w.H.).
[12] Feintool stellte den Verwaltungsratsbericht am 16. Februar 2011 den elektronischen Medien zu. Die Publikation in den Printmedien erfolgte dagegen erst am 17. Februar 2011. Damit ist festzuhalten, dass die Publikationen entgegen der Praxis nicht gleichzeitig erfolgten.
3.2 Offenlegung von Interessenkonflikten und Ergreifung von Massnahmen
3.2.1 Interessenkonflikt und Ausschluss von Franz Stampfli
[13] Gemäss Art. 32 Abs. 1 UEV hat der Bericht des Verwaltungsrats auf allfällige Interessenkonflikte von Mitgliedern des Verwaltungsrats oder der obersten Geschäftsleitung hinzuweisen. Falls Interessenkonflikte vorliegen, so ist anzugeben, welche Massnahmen getroffen wurden, um zu vermeiden, dass sich diese Konflikte zum Nachteil der Angebotsempfänger auswirken (Art. 32 Abs. 4 UEV). Der Verwaltungsrat ist m.a.W. verpflichtet, im Fall von Interessenkonflikten taugliche Massnahmen zu ergreifen (vgl. Empfehlung 61/01 vom 15. Mai 2000 in Sachen Loeb Holding AG, Erw. 1; zuletzt Empfehlung 162/01 vom 16. April 2003 in Sachen Centerpulse AG, Erw. 6.2). Die Wahl der Massnahme(n) ist Sache des Verwaltungsrats. In der Praxis sind insbesondere die Bildung eines Ausschusses, der Ausstand einzelner Verwaltungsratsmitglieder oder das Einholen der Meinung eines unabhängigen Sachverständigen (Fairness Opinion) anerkannt (vgl. Empfehlung 162/01 vom 16. April 2003 in Sachen Centerpulse AG, Erw. 6.3).
[14] Falls sich der Verwaltungsrat für die Bildung eines Ausschusses entscheidet, so hat er sicherzustellen, dass Verwaltungsratsmitglieder, die sich in einem Interessenkonflikt befinden, nicht daran teilnehmen. Andernfalls wäre der Ausschuss keine taugliche Massnahme. Der Verwaltungsrat hat damit das Recht (und auch die Pflicht), Verwaltungsratsmitglieder, die sich in einem Interessenkonflikt befinden, von der Teilnahme am Ausschuss auszuschliessen, falls sie nicht von sich aus in den Ausstand treten.
[15] Vorliegend ist Franz Stampfli nicht nur Verwaltungsrat von Feintool, sondern auch Präsident des Verwaltungsrats von Bigla AG, einer Gesellschaft, die mehrheitlich von Fritz Bösch kontrolliert wird, einem potenziellen Konkurrenzanbieter (vgl. vorne Erw. 1). Eine solche Verbindung zu einem potenziellen Konkurrenzanbieter ist aber ebenso wie eine entsprechende Verbindung zu einem Anbieter (vgl. hierzu die Regelung von Art. 32 Abs. 2 lit. d UEV, welche den Fall erfasst, dass ein Mitglied des Verwaltungsrats zugleich Organ des Anbieters ist) geeignet, einen Interessenkonflikt herbeizuführen. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass die Interessen des (potenziellen) (Konkurrenz-)Anbieters in die Beurteilung des Angebots einfliessen können. Franz Stampfli befindet sich daher in einem Interessenkonflikt und sein Ausschluss ist nicht zu beanstanden ist.
3.2.2 Hinweise auf Interessenkonflikte der übrigen Verwaltungsratsmitglieder
[16] Der Bericht enthält in Ziff. 3.2 die erforderlichen Angaben zu den Interessenkonflikten, insbesondere auch in Bezug auf die Verwaltungsräte Michael Soormann und Monica Löffel-Bösch, welche in den Ausstand getreten sind.
[17] Mit Bezug auf die weiteren Angaben gemäss Art. 32 Abs. 1 UEV und Art. 32 Abs. 2 UEV wird lediglich auf das Fehlen von anderen „Verbindungen" von Verwaltungsräten oder Geschäftsleitungsmitgliedern zu Artemis oder zu Michael Pieper bzw. Fritz Bösch hingewiesen sowie festgehalten, dass „keine Vereinbarungen über die Besetzung des Verwaltungsrates und des Managements der Feintool nach dem Angebot" bestehen und besondere „Pläne der Artemis zur Besetzung dieser Organe" dem Verwaltungsrat auch nicht bekannt sind.
[18] Diese Angaben sind vergleichsweise allgemein gehalten. Vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsrat verpflichtet ist, für jedes einzelne Verwaltungsratsmitglied darauf hinzuweisen, ob die in Art. 32 Abs. 2 UEV genannten Umstände vorliegen, sind die betreffenden Passagen in Ziff. 3.2 des Berichts als teilweise implizite Bestätigung aufzufassen, dass - mit Ausnahme der explizit genannten - keine weiteren solchen Umstände vorliegen. Eine diesbezüglich Unklarheit durch allzu offene oder pauschale Formulierungen geht zu Lasten des Verwaltungsrats. Sollten gleichwohl Umstände nach Art. 32 Abs. 2 UEV vorliegen, die im Bericht nicht genannt wurden, wäre dieser entsprechend zu ergänzen.
3.3 Auflistung der Vor- und Nachteile des Angebots
[19] Gemäss Art. 29 Abs. 1 BEHG hat der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft einen Bericht zu veröffentlichen, in dem er zum Angebot Stellung nimmt. Der Bericht muss wahr und vollständig sein und alle Informationen enthalten, die notwendig sind, damit die Empfänger des Angebotes ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können (vgl. Art. 30 Abs. 1 UEV). Der Bericht muss eine klare Begründung enthalten und alle wesentlichen Elemente darlegen, welche die Stellungnahme beeinflusst haben (Art. 30 Abs. 4 UEV; zum Inhalt im Allgemeinen vgl. insbesondere Empfehlung 343/03 vom 20. Dezember 2007 in Sachen Implenia AG, Erw. 1.2.1). Gemäss Art. 30 Abs. 3 UEV kann der Bericht empfehlen, das Angebot anzunehmen oder es zurückzuweisen; er kann aber auch die Vor- und Nachteile des Angebots für die Aktionäre und die Gesellschaft darlegen, ohne eine Empfehlung abzugeben. Der Verwaltungsrat ist diesbezüglich frei.
[20] Vorliegend hat sich der Verwaltungsrat für eine „neutrale" Position entschieden, was nicht zu beanstanden ist. Entsprechend Art. 30 Abs. 3 UEV legt er infolgedessen die Vor- und Nachteile des Angebots dar. Entgegen den Einwänden von Fritz Bösch sind die Vor- und Nachteile klar, verständlich und vollständig dargelegt.
3.4 Fairness Opinion
[21] Der Verwaltungsrat von Feintool hat PricewaterhouseCoopers (PwC) beauftragt, die finanzielle Angemessenheit des öffentlichen Kaufangebots zu prüfen (Fairness Opinion). Stützt sich der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft auf eine unabhängige Beurteilung des Angebotspreises durch eine Expertin, wird das Gutachten Bestandteil des Berichts des Verwaltungsrats. Die Fairness Opinion ist gleichzeitig mit dem Bericht zu veröffentlichen und im selben Umfang zu begründen (vgl. u.a. Empfehlung 249/04 vom 15. August 2005 in Sachen Saia-Burgess Electronics Holding AG, Erw. 1.2.3).
[22] Diese Bedingungen sind vorliegend erfüllt: Die von PwC für ihre Meinungsbildung verwendeten Informationen und Bewertungsmethoden, die Bewertungsannahmen und die angewandten Parameter sowie deren Herleitung sind offengelegt, so dass die Angebotsempfänger die Einschätzung der Expertin nachvollziehen und ihren Entscheid betreffend Annahme oder Ablehnung des Angebots in Kenntnis der Sachlage treffen können. Die Fairness Opinion ist i.S.v. Art. 30 Abs. 5 UEV hinreichend begründet.
3.5 Information über Absichten der Aktionäre mit mehr als 3% der Stimmrechte
[23] Gemäss Art. 31 UEV hat die Zielgesellschaft die Absichten aller Aktionäre darzulegen, die mehr als 3% der Stimmrechte besitzen, sofern diese Absichten dem Verwaltungsrat bekannt sind. Gemäss Praxis der Übernahmekommission hat der Verwaltungsrat die einzelnen Aktionäre mit mehr als 3% der Stimmrechte namentlich und unter Angabe der Höhe ihrer Beteiligung zu nennen und die ihm bekannten Absichten dieser Aktionäre anzugeben (vgl. u.a. Empfehlung 343/03 vom 20. Dezember 2007 in Sachen Implenia AG, Erw. 1.2.5.4).
[24] Der Verwaltungsrat von Feintool führt unter Ziff. 3.6 des Berichts zwar aus, dass ihm die Absichten von Aktionären, die mehr als 3% der Stimmrechte verfügen, nicht bekannt sind, und weist auf die der Presse zu entnehmenden möglichen Absichten von Fritz Bösch hin. Eine namentliche Nennung der Aktionäre mit mehr als 3% der Stimmrechte (samt deren Beteiligung) fehlt hingegen. Die Zielgesellschaft ist daher aufzufordern, die entsprechenden Informationen in einer Ergänzung des Verwaltungsratsberichts anzugeben und diese Ergänzung ist bis spätestens am 28. Februar 2011 gemäss Art. 33 Abs. 2 und 4 UEV zu publizieren.
3.6 Übrige Informationen
[25] In Bezug auf die übrigen Informationen entspricht der Verwaltungsratsbericht den gesetzlichen Anforderungen.
4. Publikation
[26] Die vorliegende Verfügung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht (Art. 33a BEHG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 UEV).
5. Gebühr
[27] Die Gebühr für die vorliegende Verfügung gilt als mit der Gebühr abgegolten, welche für die Prüfung des öffentlichen Kaufangebots erhoben wurde.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. Feintool International Holding AG wird verpflichtet, Ziffer 3.6 des Berichts des Verwaltungsrats bis spätestens am 28. Februar 2011 erneut zu publizieren und dahingehend zu ergänzen, dass die Aktionäre mit mehr als 3% der Stimmrechte samt ihrer Beteiligung namentlich genannt werden. Im Übrigen entspricht der Bericht des Verwaltungsrats von Feintool International Holding AG betreffend das öffentliche Kaufangebot von Artemis Beteiligungen III AG den gesetzlichen Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote.
2. Die übrigen Anträge werden abgewiesen, sofern sie nicht gegenstandslos sind.
3. Diese Verfügung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
Der Präsident:
Luc Thévenoz
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- Feintool International Holding AG, vertreten durch PD Dr. Urs Schenker und Dr. Matthias Courvoisier, Baker & McKenzie;
- Artemis Beteiligungen III AG, vertreten durch Dr. Jürg E. Hartmann und Dr. Beat Spörri, Hartmann Müller Partner, Rechtsanwälte;
- Fritz Bösch, vertreten durch Prof. Dr. Rolf Watter und Dr. Dieter Dubs, Bär & Karrer Rechtsanwälte.
Diese Verfügung geht zur Kenntnisnahme an:
- BDO AG (Prüfstelle).
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 33c des Börsengesetzes, SR 954.1):
Gegen diese Verfügung kann innerhalb von fünf Börsentagen Beschwerde bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA), Einsteinstrasse 2, CH - 3003 Bern erhoben werden. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Eröffnung der Verfügung per Telefax oder auf elektronischem Weg zu laufen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 33c Abs. 2 BEHG und Art. 52 VwVG zu genügen.