Transaktionen
0068 - Netstal-Maschinen AG
Empfehlung Netstal-Maschinen AG vom 14. Juli 2000
Ausnahme von der Pflicht der Vodafone AirTouch Plc., Newbury, England, zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes an die Aktionäre der Netstal-Maschinen AG, Näfels
A.
Die Netstal-Maschinen AG (Netstal) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Näfels. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 29'041'500.--, eingeteilt in 290'200 Inhaberaktien von je CHF 100.-- Nennwert und 4'300 Inhaberaktien von je CHF 5.-- Nennwert. Beide Aktienkategorien sind an der Schweizer Börse kotiert.
B.
Wichtigster Aktionär der Netstal ist die Atecs Mannesmann Aktiengesellschaft (Atecs) mit Sitz in Düsseldorf, die 260'730 Inhaberaktien von je CHF 100.-- Nennwert und damit 89.8 % des Kapitals und 88.5 % der Stimmrechte der Netstal hält. Die Atecs gehört dem Mannesmann-Konzern an. Sie wurde von der Muttergesellschaft des Mannesmann-Konzerns, der Mannesmann Aktiengesellschaft (Mannesmann) mit Sitz in Düsseldorf, im Oktober 1999 gegründet, um die Unternehmensbereiche Engineering und Automotive zu verselbständigen. Auch die Beteiligung an der Netstal wurde in diese Gesellschaft eingebracht (siehe dazu die Empfehlung vom 1. Dezember 1999 und vom 14. Juli 2000).
Nach Einbringung der Unternehmensbereiche Engineering und Automotive in die Atecs werden 54 % der Atecs-Aktien im Besitz der Mannesmann und 46 % im Besitz der Mannesmann Investment GmbH (Mannesmann Investment), Düsseldorf, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der Mannesmann, sein. Die Mannesmann Investment ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Mannesmann.
C.
Am 23. Dezember 1999 unterbreitete die im Telekommunikationsgeschäft tätige Vodafone AirTouch Plc. (Vodafone), Newbury, England, ein öffentliches Kaufangebot an die Aktionäre der Mannesmann, das zu Stande kam. Gemäss eigenen Angaben beträgt die Beteiligungsquote der Vodafone an der Mannesmann derzeit 98.68 % der Stimmrechte.
D.
Die Vodafone beantragt der Übernahmekommission, ihr eine Ausnahme von der Pflicht zu gewähren, den Aktionären der Netstal ein Angebot zu unterbreiten.
E.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 16. Mai 2000 wurde der Verwaltungsrat der Netstal aufgefordert, im Namen aller Aktionäre zum erwähnten Gesuch Stellung zu nehmen. Innert erstreckter Frist teilte dieser der Übernahmekommission in einer begründeten Stellungnahme mit, dass er das Ausnahmegesuch der Vodafone unterstütze.
F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss, bestehend aus Herrn Ulrich Oppikofer (Präsident), Frau Maja Bauer-Balmelli und Herrn Peter Hügle, gebildet.
Erwägungen:
1. Grund zur Ausnahmegewährung
1.1 Vodafone bestreitet nicht, dass der Erwerb der Beteiligung an der Netstal einen Kontrollwechsel darstellt, der die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG an deren Aktionäre auslöst. Sie ist jedoch der Ansicht, dass ihr auf Grund der marginalen Bedeutung der Netstal innerhalb des Mannesmann-Konzerns eine Ausnahme von der Angebotspflicht im Sinne von Art. 34 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK zu gewähren sei. Gemäss dieser Bestimmung kann ein Erwerber von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots befreit werden, wenn der vorausgegangene Erwerb indirekt im Sinne von Art. 26 i.V.m. Art. 9 Abs. 3 lit. c BEHV-EBK erfolgte, dieser Erwerb nicht zu den Hauptzielen der Transaktion zählt und die Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft gewahrt bleiben.
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass Vodafone über den Erwerb einer Beteiligung von 98 % an der Mannesmann indirekt deren Beteiligung von 88.5 % der Stimmrechte an der Netstal erworben hat. Es bleibt somit noch zu prüfen, ob die Interessen der Minderheitsaktionäre der Netstal gewahrt sind (siehe E. 1.2 unten) und dieser Erwerb nicht zu den Hauptzielen der Transaktion zählt (siehe E. 1.3 unten).
1.2 Weder der Wortlaut von Art. 34 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK noch die Materialien präzisieren, unter welchen Bedingungen die Interessen der Aktionäre der (indirekt) übernommenen Gesellschaft als "gewahrt" betrachten werden können. Die teleologische Auslegung ergibt, dass diese Voraussetzung dann als erfüllt gelten kann, wenn der die Angebotspflicht auslösende Erwerb die Geschäftspolitik und den Geschäftsgang der indirekt übernommenen Gesellschaft voraussichtlich nur unwesentlich beeinflusst. Die Angebotspflicht bezweckt, die Minderheitsaktionäre vor den negativen Konsequenzen eines Kontrollwechsels zu schützen, indem sie ihnen im Falle eines Kontrollwechsels eine Ausstiegsmöglichkeit zu einem fairen Preis gibt. Diesem Zweck liegt die Annahme zu Grunde, dass der Erwerber der Gesellschaft Einfluss auf deren Führung ausüben wird. Ist dies nicht der Fall, weil die Zielgesellschaft beispielsweise in einem Konzern integriert ist und der Erwerber der Muttergesellschaft nicht beabsichtigt, diese Konzernstruktur zu ändern, kommt dem Schutz der Minderheitsaktionäre eine geringere Bedeutung zu.
Der Grad der Diversifikation der übernommenen Konzern-Gesellschaften steht für die Beurteilung der Konsequenzen eines Kontrollwechsels auf ein bestimmtes Unternehmen innerhalb dieses Konzerns im Vordergrund. Ein bedeutender Einfluss der indirekten Übernahme auf die Geschäftspolitik und den Geschäftsgang einer einzelnen Gesellschaft erscheint nämlich umso weniger wahrscheinlich, je mehr sich die Tätigkeitsgebiete der erworbenen Gesellschaften unterscheiden.
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Der Unternehmensbereich Engineering besteht aus den Unternehmensgruppen Mannesmann Rexroth, Mannesmann Dematic und Mannesmann Demag Kraus-Maffei. In ihm sind die Aktivitäten des Konzerns im Bereich Maschinenbau zusammengefasst. Die jeweiligen Führungsgesellschaften der Unternehmensgruppen, die Mannesmann Rexroth AG, die Mannesmann Dematic AG und die Mannesmann Demag Krauss-Maffei AG sind hundertprozentige Tochtergesellschaften der Mannesmann. Der Unternehmensbereich Engineering beschäftigte Ende 1999 46‘054 Mitarbeiter. Er trug mit einem Aussenumsatz von Eur 6‘648 Mio. zu 28.6 % zum Konzernumsatz bei. Das Ergebnis belief sich im gleichen Zeitraum auf Eur 312 Mio.
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Die beiden Unternehmensgruppen des Unternehmensbereiches Automotive, Mannesmann VDO und Mannesmann Sachs, umfassen die Aktivitäten des Konzerns im Bereich der Produktion von Systemen und Komponenten für die Automobilindustrie. Führungsgesellschaften sind die Mannesmann VDO AG und die Mannesmann Sachs AG, deren Grundkapital jeweils zu 100 % von Mannesmann gehalten wird. Dieser Unternehmensbereich beschäftigte Ende 1999 43‘778 Mitarbeiter. Der Aussenumsatz betrug 1999 Eur 5‘656 Mio., was 24.3 % des Konzernumsatzes darstellt. Das Ergebnis belief sich 1999 auf Eur 116 Mio.
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Der Unternehmensbereich Telecommunications umfasst die Aktivitäten im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen. Er setzt sich zusammen aus den Unternehmensgruppen Mannesmann Mobilfunk, Mannesmann Arcor, Mannesmann Eurokom, Omnitel und Infostrada. Als Folge des Zusammenschlusses mit Vodafone erfolgt eine Neuordnung dieses Unternehmensbereiches im Sinne einer unter operativen und strategischen Gesichtspunkten optimalen Zusammenführung innerhalb des Gesamtkonzerns Vodafone/Mannesmann. Die Beteiligung an Orange wird aus kartellrechtlichen Gründen als Finanzbeteiligung im Umlaufvermögen geführt. Innerhalb der bisherigen Konzernstruktur der Mannesmann wuchs der Unternehmensbereich Telecommunications auch auf Grund der Schwerpunktbildung bei den Investitionen des Konzerns in diesem Bereich in den vergangenen Jahren deutlich stärker als die übrigen Unternehmensbereiche und vergrösserte seinen Anteil an Umsatz und Ergebnis signifikant. Im Jahr 1999 betrug der Aussenumsatz des Unternehmensbereiches Telecommunications Eur 9.021 Mio. Das macht 38.3 % des Konzernumsatzes aus. Das Ergebnis 1999 lag bei Eur 1‘624 Mio. Im diesem Bereich waren Ende 1999 28‘461 Mitarbeiter angestellt.
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Im Unternehmensbereich Tubes/Übrige Gesellschaften befasst sich die Unternehmensgruppe Tubes, deren Aktivitäten in den letzten Jahren durch Eingehung von Joint Ventures und Veräusserungen erheblich verlagert worden sind, mit der Herstellung von Röhren. Die Übrigen Gesellschaften umfassen neben der Mannesmann die Dienstleistungsgesellschaften. Der Unternehmensbereich Tubes einschliesslich Übrige Gesellschaften beschäftigte Ende 1999 12‘567 Mitarbeiter. Der Aussenumsatz des Unternehmensbereiches einschliesslich Übrige Gesellschaften betrug 1999 noch Eur 1‘940 Mio. Das entspricht 8.3 % des Konzernumsatzes. Im Jahr 1999 resultierte aus diesem Unternehmensbereich ein Verlust von Eur 504 Mio.
Die wesentlichen Kennzahlen des Mannesmann-Konzerns per 31. Dezember 1999 sind im Folgenden aufgeführt:
Werte in Mio. Eur |
Engineering |
Automotive |
Telecommunications |
Tubs / Übrige Gesellschaften |
Aussenumsatz |
6.648 |
5.656 |
9.021 |
1.940 |
Investitionen |
495 |
387 |
15.411 |
192 |
Abschreibungen |
257 |
335 |
1.516 |
130 |
Ergebnis |
312 |
116 |
1.624 |
-504 |
Mitarbeiter |
46.054 |
43.778 |
28.461 |
12.567 |
Die Netstal ihrerseits ist im Bereich der Kunststoff- und Spritzgiesstechnologie tätig. Innerhalb des Mannesmann-Konzerns ist allein die Demag Krauss-Maffei AG, die ihrerseits nur eines von drei Unternehmen im Unternehmensbereich Engineering ist, auch in diesem Gebiet aktiv. Netstal beschäftigte Ende 1999 729 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von Eur 198 Mio., was 3.0 % des Aussenumsatzes des Unternehmensbereiches Engineering und 0.9 % des Aussenumsatzes des ganzen Mannesmann-Konzerns entspricht. Zudem liegt die Haupttätigkeit der Vodafone im Bereich Telekommunikation und unterscheidet sich somit von derjenigen der Netstal. In Anbetracht der Grösse der Netstal, der Diversifikation innerhalb des Mannesmann-Konzerns und der wirtschaftlichen Ausrichtung von Vodafone kann davon ausgegangen werden, dass der Erwerb der Mannesmann durch Vodafone keinen bedeutsamen Einfluss auf die Geschäftspolitik und den Geschäftsgang der Netstal haben wird. Da der Übernahmekommission im Weiteren keine Tatsachen bekannt sind, die eine Gefährdung der Interessen der Minderheitsaktionäre der Netstal zur Folge haben könnten, ist die Voraussetzung von Art. 34 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK in diesem Punkt erfüllt.
1.3 Aus den Ausführungen unter Ziff. 1.2 ist weiter zu schliessen, dass es nicht das Ziel der Vodafone war, durch den Erwerb der Beteiligung an der Mannesmann die Kontrolle über Netstal zu erlangen. Die Voraussetzungen von Art. 34 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK sind folglich erfüllt. Die ersuchte Ausnahme von der Angebotspflicht wird damit gewährt.
2. Auflage
Gemäss Art. 34 Abs. 4 BEHV-EBK wird die Befreiung von der Angebotspflicht am 25. Juli 2000 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert. Nach Praxis der Übernahmekommission muss diese Publikation grundsätzlich von einer Stellungnahme des Verwaltungsrates der Netstal begleitet werden (siehe Empfehlung i.S. Banque cantonale de Genève vom 29. Mai 2000, E. 3).
Eine solche Auflage wäre im vorliegenden Fall unverhältnismässig. Gemäss Kaufvertrag vom 14. April 2000 wurde zwischen Mannesmann und Mannesmann Investment einerseits und der Robert Bosch GmbH (Bosch), Stuttgart, und der Siemens Aktiengesellschaft (Siemens), Berlin/München, andererseits der Erwerb der von Mannesmann Investment gehaltenen Aktien der Atecs Mannesmann Aktiengesellschaft, Düsseldorf, durch Bosch und Siemens je zur Hälfte vereinbart. Dieser Beteiligungserwerb führt seinerseits zur Erteilung einer Ausnahme von der Angebotspflicht (siehe Empfehlung i.S. Bosch/Siemens/Netstal vom 14. Juli 2000). Dadurch wird die Stellungnahme der Netstal zu der im vorliegenden Fall zu beurteilenden (indirekten) Übertragung der Beteiligung an der Netstal auf Vodafone obsolet. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine zusätzliche Stellungnahme des Verwaltungsrates der Netstal zur Befreiung der Vodafone von der Angebotspflicht.
3. Publikation
Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am 18. Juli 2000 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
4. Gebühr
In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Gewährung der vorliegenden Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 10‘000.-- fest.
Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:
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Die Vodafone AirTouch Plc. wird von der Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes an die Aktionäre der Netstal-Maschinen AG befreit.
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Diese Empfehlung wird am 18. Juli 2000 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
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Die Gebühr beträgt CHF 10'000.--.
Der Präsident des Ausschusses:
Ulrich Oppikofer
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
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Vodafone AirTouch Plc., durch ihren Vertreter,
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Netstal-Maschinen AG, durch ihren Vertreter,
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die EBK.