Transazioni
0218 - Helvetia Patria Holding AG
Empfehlung Helvetia Patria Holding AG vom 24. November 2004
Gesuch der Patria Genossenschaft, Basel, der Vontobel Beteiligungen AG, Zürich, und des Schweizer Verbands der Raiffeisenbanken, St. Gallen, um Feststellung des Nichtbestehens einer Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes an die Aktionär
A.
Die Helvetia Patria Holding AG („Helvetia Patria“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in St. Gallen. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 62'930'000, eingeteilt in 6'293'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 10. Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert.
Die Statuten der Helvetia Patria beinhalten eine Opting up-Klausel, wonach die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots erst dann entsteht, wenn ein Aktionär den Grenzwert von 40% der Stimmrechte der Gesellschaft überschreitet.
B.
Helvetia Patria wird gegenwärtig von einem Aktionärspool kontrolliert, der insgesamt 45% der Stimmrechte der Gesellschaft hält. Die Poolmitglieder sind die Patria Genossenschaft („Genossenschaft“), Basel, die Vontobel Beteiligungen AG („Vontobel“), Zürich, sowie der Schweizer Verband der Raiffeisenbanken („Raiffeisen Bank“), St. Gallen (nachfolgend alle zusammen „die Gesuchsteller“). Die Genossenschaft hält 39.7% der Stimmrechte von Helvetia Patria, Vontobel 3.2% und die Raiffeisen Bank 2.1%.
Die Beteiligung des Aktionärspools geht auf das Jahr 1997 zurück. Der Pool hielt damals knapp 51% der Stimmrechte der Helvetia Patria. Mitglieder des Pools waren die Genossenschaft, Vontobel und die Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit („Alte Leipziger“), Oberusel (Deutschland). Letztere hielt 10% der Stimmrechte. Im Hinblick auf den Ausstieg aus dem Aktionärspool, der bis im Jahr 2002 abgeschlossen wurde, verkaufte die Alte Leipziger im Sommer 2001 von ihrem Aktienpaket 2% an Vontobel sowie 1% an die Raiffeisen Bank, die damit neu in den Aktionärspools aufgenommen wurde. Danach veräusserte die Alte Leipziger bis im Jahr 2002 sukzessive ihre restlichen Helvetia Patria Aktien an Dritte und schied aus dem Aktionärspool aus (vgl. Empfehlung vom 2. April 2001 in Sachen Helvetia Patria Holding AG).
C.
Weitere bedeutende Aktionäre von Helvetia Patria sind die Pensionskasse der Helvetia Patria Versicherungen, St. Gallen („Pensionskasse“), die 4.3% der Stimmrechte hält, sowie die Münchner Rückversicherungsgesellschaft, München, in deren Besitz sich 10.5% der Stimmrechte befinden.
D.
Der Verwaltungsrat von Helvetia Patria wird am 24. November 2004 beschliessen, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Im Rahmen einer öffentlichen Aktienplatzierung sollen am Kapitalmarkt rund CHF 300 Mio. aufgenommen werden. Zu diesem Zweck soll das Aktienkapital der Gesellschaft um 30 – 40% erhöht werden. Der genaue Umfang und die wirtschaftlichen Elemente der Transaktion werden von der Helvetia Patria und einem Bankenkonsortium (vgl. dazu sogleich lit. E.) aufgrund des genauen Kapitalbedarfs der Gesellschaft sowie der herrschenden Marktverhältnisse festgelegt.
E.
Ebenfalls am 24. November 2004 wird Helvetia Patria mit einem Bankenkonsortium, bestehend aus der Credit Suisse First Boston („CSFB“), Zürich, der Bank Vontobel AG („Bank Vontobel“), Zürich und der Raiffeisen Bank ein „Subscription and Underwriting Agreement“ unterzeichnen. Darin verpflichtet sich das Konsortium, zu marktüblichen Bedingungen jene neu auszugebenden Namenaktien der Helvetia Patria fest zu übernehmen, welche bis zum Ende der Zeichnungsfrist weder von bestehenden Aktionären noch von Erwerbern von Bezugsrechten gezeichnet werden.
Der voraussichtliche Zeitplan der Kapitalerhöhung sieht wie folgt aus:
24. November 2004
Unterzeichnung des Subscription and Underwriting Agreements
25. November 2004
Öffentliche Ankündigung der Kapitalerhöhung
30. November 2004
Beginn Zeichnungsfrist
Beginn Bezugsrechtshandel und Handel Namenaktien der Helvetia Patria ex-Bezugsrechte an der SWX
7. Dezember 2004
Ende Bezugsrechtshandel
8. Dezember 2004, 12.00 Uhr
Ende Zeichnungsfrist
9. Dezember 2004
Erster Handelstag der Anrechte (vgl. dazu sogleich lit. F.) auf einer „if and when issued“-Basis an der SWX
13. Dezember 2004
Ende Handel der Anrechte auf einer „if and when issued“-Basis an der SWX
Vollzug der Transaktion mit Zahlung des Angebotspreises gegen Auslieferung der Anrechte auf einer „if and when issued“-Basis an der SWX
Feststellungsbeschluss des Verwaltungsrats und Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister
Umwandlung der Anrechte auf einer „if and when issued“-Basis in die neu auszugebenden Aktien
14. Dezember 2004
Erster Handelstag der neu auszugebenden Namenaktien an der SWX Swiss Exchange
F.
Bezugsrechte, die bis am 8. Dezember 2004, 12.00 Uhr, nicht ausgeübt werden, übernimmt das Bankenkonsortium, das sie ausüben wird. Sämtliche ausgeübten Bezugsrechte berechtigen zum Bezug eines Anrechts auf noch auszugebende Aktien („Anrechte“; entitlement to shares „if and when issued“, Näheres dazu im Kapitalerhöhungsprospekt, der voraussichtlich ab Beginn der Zeichnungsfrist vorliegen wird). Am 13. Dezember 2004 soll das Kapital der Helvetia Patria erhöht werden und die dadurch geschaffenen Aktien gegen Bezahlung des Angebotspreises sowie einer gewissen Anzahl Anrechte getauscht werden. Das Bankenkonsortium wird dabei sowohl für die Aktionäre und Erwerber von Bezugsrechten, welche diese ausüben, als auch für die Erwerber bzw. Zeichner von Anrechten in direkter Stellvertretung (im Namen und auf Rechnung von) nach Art. 32 Abs. 1 OR handeln. Das Bankenkonsortium selbst (d.h. im eigenen Namen und auf eigene Rechnung) wird nur Aktien zeichnen, die nicht von Dritten gezeichnet wurden.
G.
Um die Durchführung der Kapitalerhöhung und die Zeichnung bzw. Platzierung der neu geschaffenen Aktien zu sichern, hat sich das Bankenkonsortium ausbedungen, dass
(i) alle Poolmitglieder sich gegenüber dem Konsortium zur Zeichnung der nachfolgend in lit. H. erwähnten Anzahl neuer Aktien verpflichten,
(ii) die Pensionskasse sich gegenüber dem Konsortium zur Ausübung aller Bezugsrechte verpflichtet, die ihr im Rahmen der Kapitalerhöhung aufgrund der von ihr gehaltenen Aktien zustehen, und
(iii) alle Poolmitglieder und die Pensionskasse sich verpflichten, ihre durch die Ausübung der Bezugsrechte erhaltenen Anrechte nicht zu veräussern und während 180 Tagen seit dem ersten Handelstag der neuen Namensaktien über diese ohne vorgängige schriftliche Zustimmung der CSFB weder direkt noch indirekt zu verfügen („Lock up Agreement“).
Auch Helvetia Patria hat sich gegenüber dem Bankenkonsortium verpflichtet
(i) sämtliche Bezugsrechte, die auf direkt oder indirekt gehaltene (eigene) Aktien anfallen, auszuüben,
(ii) ihre durch die Ausübung der Bezugsrechte direkt oder indirekt erhaltenen Anrechte nicht zu veräussern, und
(iii) per Unterzeichnung des Subscription and Underwriting Agreement einen „lock up“ von 90 Tagen für im Zusammenhang mit der im Jahre 2000 ausgegebenen Wandelanleihe gehaltenen eigenen Aktien und für die übrigen eigenen Aktien einen solchen von 180 Tagen einzugehen, mit Wirkung ab dem ersten Handelstag der neuen Namenaktien.
H.
Die Genossenschaft wird nur so viele Bezugsrechte ausüben, dass ihre Beteiligung an der Helvetia Patria nach Vollzug der Kapitalerhöhung 33 1/3% plus ein Stimmrecht beträgt. Vontobel und die Raiffeisen Bank werden ihre eigenen Bezugsrechte vollumfänglich ausüben und darüber hinaus von der Genossenschaft noch so viele Bezugsrechte erwerben und ausüben, dass Vontobel nach der Transaktion 4% und die Raiffeisen Bank 2.7% der Stimmrechte von Helvetia Patria halten wird. Nach der Kapitalerhöhung werden somit alle Poolmitglieder zusammen über 40% des Kapitals- und der Stimmrechte von Helvetia Patria halten.
I.
Mit Gesuch vom 17. November 2004 beantragen die Gesuchsteller im Wesentlichen, es sei festzustellen, dass die oben beschriebene Kapitalerhöhung für die Poolaktionäre keine Angebotspflicht gemäss Art. 32 Börsengesetz auslöst.
J.
Mit Ergänzung zum Gesuch vom 17. November 2004 beantragen die Gesuchsteller, es sei ihnen eventualiter gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. a und/oder c BEHG eine Ausnahme von der Angebotspflicht zu gewähren, unter Verzicht auf das Einholen einer Stellungnahme des Verwaltungsrats der Helvetia Patria zu einer solchen Ausnahme.
K.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Frau Anne Héritier (Präsidentin des Ausschusses), Frau Claire Huguenin sowie Herrn Henry Peter gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Keine Angebotspflicht der Poolaktionäre aufgrund des Zeichnens neuer Helvetia Patria Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung
1.1 Die Gesuchsteller sind, wie in lit. B. des Sachverhalts ausgeführt, Mitglieder eines Aktionärspools, der (wenn auch in heute geänderter personeller Zusammensetzung) im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote am 1. Januar 1998 mehr als 50% der Stimmrechte von Helvetia Patria hielt. Diese Beteiligung ist seither unter 50% gesunken. Zur Zeit halten die Gesuchsteller im Rahmen des Poolvertrags 45% der Stimmrechte der Helvetia Patria. Es stellt sich nachfolgend die Frage, ob sie im Rahmen der Kapitalerhöhung der Helvetia Patria den Grenzwert von 50% der Stimmrechte – wenn auch eventuell nur vorübergehend – überschreiten und aufgrund von Art. 31 BEHV-EBK angebotspflichtig werden.
1.2 Der für das Auslösen einer Angebotspflicht relevante Grenzwert ist nach Art. 28 Abs. 1 BEHV-EBK gestützt auf die Gesamtzahl der Stimmrechte gemäss dem Eintrag im Handelsregister zu berechnen. Demgegenüber umfasst die für die Frage einer Angebotspflicht massgebliche Beteiligung des Erwerbers gemäss Art. 28 Abs. 2 BEHV-EBK sämtliche in seinem Eigentum stehende oder ihm Stimmrechte vermittelnde Beteiligungspapiere, ungeachtet dessen, ob die Stimmrechte ausübbar sind oder nicht. Diese unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen haben in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Verwaltungsrat eine genehmigte Kapitalerhöhung durchführen will, zur Folge, dass einem Aktionär Stimmrechte aus bereits ausgegebenen, aber noch nicht im Handelsregister eingetragenen Aktien zugerechnet werden (vgl. dazu sogleich die Erw. 1.3 – 1.5).
1.3 Beschliesst der Verwaltungsrat aufgrund einer Ermächtigung der Generalversammlung im Sinne von Art. 651 Abs. 1 OR, das Aktienkapital der Gesellschaft zu erhöhen, so hat er nach der Durchführung der Erhöhung (Zeichnung und Liberierung durch die Aktionäre) in einem Beschluss festzustellen, dass die Erhöhung gültig und entsprechend dem Ermächtigungsbeschluss der Generalversammlung zustandegekommen ist (vgl. zu den Einzelheiten Gaudenz G. Zindel/Peter R. Isler im Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, Art. 530 – 1186 OR, 2. A., Basel u.a. 2002, N 4 zu Art. 652g). Weiter hat der Verwaltungsrat einen Änderungsbeschluss betreffend die Gesellschaftsstatuten zu fällen. Feststellungs- und Statutenänderungsbeschluss sind öffentlich zu beurkunden und vom Verwaltungsrat im Handelsregister zur Eintragung anzumelden (Art. 652h Abs. 1 OR).
1.4 Für den Zeitpunkt des Entstehens der Aktionärsrechte bei einer odentlichen oder genehmigten Kapitalerhöhung (die Verhältnisse bei einer bedingten Kapitalerhöhung werden an dieser Stelle nicht beleuchtet) unterscheidet die Lehre zwischen einem Innen- und einem Aussenverhältnis. Danach entfaltet die Kapitalerhöhung ihre Wirkung im Aussenverhältnis unmittelbar mit ihrer Eintragung im Tagebuch des Handelsregisters. Im Innenverhältnis hingegen entstehen die Aktionärsrechte – und damit auch die Stimmrechte – schon mit dem Feststellungs- und Statutenänderungsbeschluss des Verwaltungsrats gemäss Art. 652g Abs. 1 OR (vgl. dazu Zindel/Isler, a.a.O., N 6; Peter Forstmoser/Arthur Meier-Hayoz/Peter Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, N 12 zu § 44; Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. A., Basel u.a. 2004, vertritt die Meinung, dass auch die Innenwirkung erst mit der Eintragung im Handelsregister eintritt, vgl. dazu N 398 zu § 1; zum Innen- und Aussenverhältnis N 167 und 177 zu §2). Berechnet man die Stimmrechte eines Aktionärs (bzw. einer Gruppe) nun gemäss dem Wortlaut und der bisherigen Praxis der Übernahmekommission zu Art. 28 BEHV-EBK (vgl. die Empfehlung vom 25. Juli 2003 in Sachen Von Roll Holding AG, Erw. 2.1.2 und die Empfehlung vom 8. Juni 2000 in Sachen Calida Holding AG, Erw. 5), so ist davon auszugehen, dass im Prinzip bei einer Kapitalerhöhung wie der vorliegenden auf das Innenverhältnis abzustellen ist.
1.5 Für den konkreten Fall bedeutet dies Folgendes: Der Verwaltungsrat der Helvetia Patria wird aller Voraussicht nach am 13. Dezember 2004 den Statutenänderungs- und Feststellungsbeschluss zur Kapitalerhöhung nach Art. 652g OR fällen und diese Beschlüsse gleichentags beim zuständigen Handelsregisteramt zur Eintragung ins Handelsregister anmelden. Die Gesuchsteller, die ihre Bezugsrechte gemäss den Ausführungen in lit. G. und H. des Sachverhalts ausüben werden, werden folglich voraussichtlich für einige Stunden, nämlich zwischen dem Zeitpunkt des Feststellungsbeschlusses und der gleichentags zu erfolgenden Eintragung der Kapitalerhöhung im Tagebuch des Handelsregisters, den Grenzwert von 50% der Stimmrechte überschreiten, was aufgrund von Art. 31 BEHV-EBK eine Angebotspflicht auslösen würde.
1.6 Die Gesuchsteller kritisieren diese Rechtsfolge der wortlautgetreuen Anwendung von Art. 28 BEHV-EBK und führen mit Verweis auf ein obiter dictum der Übernahmekommission in der Empfehlung vom 25. Juli 2003 in Sachen Von Roll Holding AG, Erw. 2.3, aus, dass es dem Sinn und Zweck der Angebotspflicht widerspreche, wenn diese aufgrund einer rein technischen Betrachtungsweise nur für ein paar Stunden entstehe und ein Aktionär (bzw. eine Gruppe) infolgedessen das für die Ausnahmegewährung vorgesehene Verfahren mit Einsprachemöglichkeit der Minderheitsaktionäre nach Art. 34 Abs. 4 BEHV-EBK durchlaufen müsse. Für den vorliegenden Fall sei zudem zu beachten, dass gemäss Art. 6 Abs. 1 der Statuten der Helvetia Patria gegenüber der Gesellschaft nur als Aktionär gelte und damit stimmberechtigt sei, wer im Aktienregister als Eigentümer oder Nutzniesser eingetragen sei. Die Eintragung im Aktienregister werde dabei erst nach der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister erfolgen. Im Übrigen sei i.c. vorgesehen, dass der Verwaltungsrat in seinem Erhöhungs-/Feststellungsbeschluss festhalte, dass die mit den neuen Aktien verbundene aktienrechtliche Mitgliedschaft erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister entstehe.
1.7 Wie gesehen (Erw. 1.4), entsteht das Stimmrecht eines Aktionärs im Innenverhältnis grundsätzlich mit der Beschlussfassung des Verwaltungsrats nach Art. 652 g OR. Der Verwaltungsrat kann jedoch in seinem Erhöhungsbeschlusses abweichende Regelungen treffen (vgl. Zindel/Isler, N. 6 zu Art. 652 g; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, N 12 zu § 44). Die Gesuchsteller führen denn auch aus, dass der Verwaltungsrat in seinem Erhöhungs-/Feststellungsbeschluss festhalten werde, dass die mit den neuen Aktien verbundene aktienrechtliche Mitgliedschaft erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister entstehe. Folglich werden sämtliche durch die neuen Helvetia Patria Namenaktien vermittelten Aktionärsrechte erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Tagebuch des Handelsregisters entstehen. Damit werden die Gesuchsteller ihre Stimmrechte erst im Moment erwerben, in dem im Handelsregister gleichzeitig die Gesamtzahl der Stimmrechte von Helvetia Patria im Umfang der neu ausgegebenen Aktien bzw. Stimmrechte eingetragen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden die Poolaktionäre auch ihre Stimmrechte erwerben und damit – basierend auf dem nunmehr erhöhten Gesellschaftskapital – den Grenzwert von 50% der Stimmrechte nicht überschreiten.
1.8 Anzumerken bleibt, dass die Gesuchsteller gegenüber der Übernahmekommission dokumentiert und bestätigt haben, dass das zuständige Handelsregisteramt einen derartigen Beschluss des Verwaltungsrats im Handelsregister eintragen wird, womit davon auszugehen ist, dass die Transaktion auch im geplanten Sinne vollzogen werden kann. Somit kann festgehalten werden, dass die Gesuchsteller bei entsprechender (Erhöhungs-)Beschlussfassung des Verwaltungsrats der Helvetia Patria im Rahmen der Kapitalerhöhung keine Pflicht haben werden, den Aktionären der Gesellschaft ein öffentliches Übernahmeangebot zu unterbreiten.
2. Keine Angebotspflicht aufgrund der Änderung der Stimmrechtsverhältnisse im Aktionärspool
2.1 Wie ausgeführt, halten die Gesuchsteller im Moment insgesamt 45% der Stimmrechte der Helvetia Patria. Die Genossenschaft hält 39.7% der Stimmrechte, Vontobel 3.2% und die Raiffeisen Bank 2.1%. Wie in lit. H. des Sachverhalts erwähnt, werden Vontobel und die Raiffeisenbank ihre Beteiligung im Rahmen der Kapitalerhöhung (basierend auf dem nach Kapitalerhöhung eingetragenen Kapital) auf 4% resp. 2.7% erhöhen, die Beteiligung der Genossenschaft wird sich demgegenüber auf 33 1/3 % zuzüglich ein Stimmrecht reduzieren. Der Aktionärspool wird dann nach der Transaktion 40.03% der Stimmrechte halten.
2.2 Die Gesuchsteller führen aus, dass diese Verschiebungen innerhalb des Aktionärspools keine Auswirkungen auf die Beherrschungsverhältnisse der Zielgesellschaft hätten. Insbesondere werde auch weiterhin die Genossenschaft die internen Poolentscheidungen mit 83% der Poolstimmen (bisher 88%) massgeblich beeinflussen. Jegliche Entscheide innerhalb des Pools gegen den Willen der Genossenschaft seien ausgeschlossen. Aus diesen Gründen beantragen die Gesuchsteller, es sei festzustellen, dass die internen Verschiebungen der Stimmrechtsbeteiligungen keine Änderung der Natur der Gruppe zur Folge hätten (vgl. dazu die , Erw. 1.1), die zu einer Angebotspflicht führen würden.
2.3 Aufgrund der Sachlage kann ohne weiteres festgehalten werden, dass die Verschiebungen innerhalb des Pools effektiv zu keinen wesentlichen Änderungen führen. Insbesondere überschreitet keine Partei des Pools aufgrund der internen Verschiebungen der Beteiligungsverhältnisse den Grenzwert von 40%. Folglich besteht aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der zu erwerbenden Namenaktien durch die Poolmitglieder keine Pflicht, den Aktionären von Helvetia Patria ein öffentliches Kaufangebot zu unterbreiten.
3. Zurechnung von durch Bankenkonsortiumsmitglieder ausserhalb des Aktionärspools gehaltenen Helvetia Patria Aktien
3.1 Bank Vontobel und die Raiffeisen Bank sind im vorliegenden Fall Mitglieder des durch die CSFB geführten Bankenkonsortiums, das im Rahmen der Kapitalerhöhung diejenigen Aktien der Helvetia Patria fest übernehmen wird, die nicht von Dritten gezeichnet werden (vgl. Sachverhalt lit. F.). Die Raiffeisen Bank ist also sowohl Konsortialbank als auch Mitglied des Helvetia Patria kontrollierenden Aktionärspools. Dasselbe trifft (bei einer im Übernahmerecht massgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise) auch auf Vontobel zu. Zu beachten ist nämlich, dass sämtliche Aktien der Bank Vontobel, die als Konsortialbank amtet, durch die Vontobel Holding AG gehalten werden, die sich ihrerseits zu 100% im Besitz der Vontobel Beteiligungen AG (Mitglied des Aktionärspools) befindet. Damit besteht letztlich zwischen den beiden Poolaktionären und den beiden Konsortiumsbanken übernahmerechtlich betrachtet Identität.
3.2 Es stellt sich deshalb die Frage, ob die von den beiden Banken als Aktionäre im Rahmen des Pools gehaltenen Stimmrechte von Helvetia Patria einerseits und die von den Banken in ihren Handelsbeständen gehaltenen sowie im Rahmen der Kapitalerhöhung als Konsortialbank zu übernehmenden Aktien der Helvetia Patria andererseits als gesamthaft dem Aktionärspool zuzurechnende Beteiligung zu betrachten sind.
3.3 Die Gesuchsteller führen in diesem Zusammenhang aus, dass die allenfalls fest von der Bank Vontobel und der Bank Raiffeisen übernommenen Aktien dem Aktionärspool nicht zugerechnet werden dürfen, weil diese Aktien nicht dem Poolvertrag unterstehen. Ziff. 2 Abs. 4 des Poolvertrags sehe explizit vor, dass die Handelsbestände der Bank Vontobel und der Raiffeisen Bank vom Poolvertrag ausgeschlossen seien. In dieser Situation sei davon abzusehen, die allenfalls von den beiden Banken im Rahmen der Kapitalerhöhung fest übernommenen Helvetia Patria Aktien dem Aktionärspool zuzurechnen. Zudem sei zu berücksichtigen, so die Gesuchsteller, dass ausgehend von einer Kapitalerhöhung von 40% des Aktienkapitals und vom schlimmstmöglichen Fall, dass abgesehen von den sich zur Zeichnung neuer Aktien verpflichtenden Parteien keine weiteren Aktionäre ihre Bezugsrechte ausüben, die Bank Vontobel auf der Basis des neuen Aktienkapitals nur 3.2% und die Bank Raiffeisen 0.8% der Stimmrechte der Helvetia Patria fest übernehmen würden. Würde man zu den nach der Kapitalerhöhung vom Pool gehaltenen Aktien noch die soeben genannten Beteiligungen aus der Festübernahme hinzurechnen, käme man auf eine durch den Pool gehaltene Beteiligung von 44.03%, womit der Pool auch bei dieser Konstellation den Grenzwert von 50% der Stimmrechte von Helvetia Patria nicht überschreiten würde.
3.4 Grundsätzlich ist gestützt auf Art. 28 Abs. 2 BEHV-EBK davon auszugehen, dass dem Aktionärspool sämtliche im seinem Eigentum (bzw. im Eigentum von Poolmitgliedern) stehenden oder ihm Stimmrechte vermittelnden Aktien der Helvetia Patria zuzurechnen sind. Daran ändert nichts, dass die Handelsbestände der Bank Vontobel und der Raiffeisen Bank gemäss den Vereinbarungen der Poolaktionäre vom Poolvertrag nicht erfasst sind. Während die vom Poolvertrag ausgenommenen Handelsbestände von Bestimmungen über Halte- oder Andienungspflicht des Vertrags unberührt bleiben, scheint es in der Praxis wenig realistisch anzunehmen, dass die beiden Banken ihre Stimmrechte bezüglich derjenigen Aktien, die sie ausserhalb des Pools halten, in denjenigen Fällen, in denen der Pool eine einheitliche Stimmrechtsabgabe in Verfolgung des Poolzwecks verlangt, entgegen einer Poolentscheidung ausüben würden. Folglich sind dem Aktionärspool im Prinzip auch die von den Poolmitgliedern ausserhalb des Pools gehaltenen Aktien zuzurechnen (vgl. zu sog. freien Aktien ausserhalb eines Aktionärspools auch die Empfehlung vom 4. Juni 2004 in Sachen Vontobel Holding AG, Erw. 2.1.2).
3.5 Zu beachten ist jedoch, dass i.c. eine Angebotspflicht erst beim Überschreiten des Grenzwerts von 50% der Stimmrechte aufgrund von Art. 28 (i.V.m. Art. 31 BEHV-EBK) entstehen würde. Angesichts der Tatsache, dass die beiden Banken zur Zeit keine Aktien der Helvetia Patria in ihren Handelsbeständen halten, ist auch bei einem Erwerb von max. 4% aufgrund der Festübernahme nicht von einer Angebotspflicht der Gesuchsteller auszugehen.
3.6 Es steht den Gesuchstellern frei, der Übernahmekommission zur gegebenen Zeit ein entsprechendes Ausnahmegesuch zu unterbreiten, sollte die Frage der Angebotspflicht sich tatsächlich konkretisieren. Im Moment ist die Diskussion von Fragen einer möglichen Ausnahmegewährung, insbesondere angesichts der Tatsache, dass kein Überschreiten des Grenzwerts absehbar ist, nicht angezeigt.
4. Zurechnung eigener Aktien der Zielgesellschaft
4.1 Schliesslich beantragen die Gesuchsteller, es sei festzustellen, dass auch die durch Helvetia Patria gehaltenen eigenen Aktien im Umfang von 4.6% der Stimmrechte nicht dem Aktionärspool zuzurechnen seien. Die Gesellschaft selbst sei nicht Aktionär des Poolvertrags, ausserdem sei die vor und nach der Kapitalerhöhung gehaltene Beteiligung zu Gunsten einer ausstehenden Wandelanleihe der Helvetia Finance Ltd., Jersey, hinterlegt. Schliesslich, so die Gesuchsteller, sei das grundsätzliche Argument vorgebracht, dass von der Zielgesellschaft direkt oder indirekt gehaltene eigene Aktien dem Anbieter im Rahmen der Prüfung einer Angebotspflicht nicht automatisch zuzurechnen seien. Dies selbst dann, wenn die Zielgesellschaft faktisch durch den Anbieter kontrolliert werden könne.
4.2 Helvetia Patria wird unbestrittenermassen durch den Aktionärspool der Gesuchsteller kontrolliert. Damit kann der Pool aus übernahmerechtlicher Sicht im Prinzip auch über die eigenen Aktien der Gesellschaft verfügen, was für eine Zurechnung dieser Titel an den Pool spricht. Die Tatsache, dass die Stimmrechte dieser Titel nicht ausübbar sind (vgl. Art. 659a OR), spielt keine Rolle, ist doch die Ausübbarkeit von Stimmrechten im Übernahmerecht grundsätzlich nicht entscheidend (Art. 32 Abs. 1 BEHG, Art. 28 Abs. 2 BEHV-EBK).
4.3 Die definitive Beantwortung der Frage der Zurechnung eigener Aktien kann jedoch offen bleiben. Dies deshalb, weil den Gesuchstellern auch zusammen mit den nach der Kapitalerhöhung zu haltenden 40.03% der Stimmrechte aus der Festübernahme maximal weitere 4% der Stimmrechte der Helvetia Patria zuzurechnen sein werden (vgl. Erw. 3.3). Selbst wenn zu dieser Beteiligung noch die 4.6% der Stimmrechte der Zielgesellschaft hinzugezählt werden, wird die dem Aktionärspool zuzurechnende Gesamtbeteiligung an der Helvetia Patria den Grenzwert von 50% (vgl. Art. 31 BEHV-EBK) nicht überschreiten.
5. Publikation der Empfehlung
Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG nach ihrer Zustellung an die Gesuchsteller auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
6. Gebühr
In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 20'000 fest. Die Gesuchsteller haften hierfür solidarisch..
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
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Es wird festgestellt, dass die Patria Genossenschaft, Basel, die Vontobel Beteiligungen AG, Zürich und den Schweizer Verband der Raiffeisenbanken, St. Gallen (alle zusammen „Gesuchsteller“), keine Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots an die Aktionäre der Helvetia Patria Holding, St. Gallen, trifft.
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Die Feststellung gemäss Ziffer 1 des Dispositivs steht unter der Bedingung, dass der Verwaltungsrat der Helvetia Patria zusammen mit den Erhöhungs-/Feststellungsbeschlüssen gemäss Art. 652g Abs. 1 OR beschliesst, dass die mit den neuen Namenaktien verbundene aktienrechtliche Mitgliedschaft und somit sämtliche durch die Namenaktien vermittelten Aktionärsrechte erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister entstehen. Der entsprechende Beschluss ist gleichentags beim Handelsregisteramt zur Eintragung anzumelden.
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Diese Empfehlung wird nach ihrer Zustellung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
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Die Gebühr zu Lasten der Gesuchsteller beträgt CHF 20'000, unter solidarischer Haftung.
Die Präsidentin des Ausschusses:
Anne Héritier Lachat
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
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Patria Genossenschaft, Basel, die Vontobel Beteiligungen AG, Zürich und den Schweizer Verband der Raiffeisenbanken, St. Gallen (durch ihren Vertreter)
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die EBK.