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Transactions

0404 - Athris Holding AG

Empfehlung in Sachen Athris Holding AG vom 26. September 2008

Öffentliches Rückkaufprogramm der Athris Holding AG, Zürich - Gesuch um Freistellung von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote, eventualiter um Feststellung der Zulässigkeit einer Opting-out-Klausel

A.
Die Jelmoli Holding AG (JHAG) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Ihr im Handelsregister eingetragenes Aktienkapital beträgt CHF 38'153'940.-, eingeteilt in 1'321'354 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 10.- (Stimmrechtsaktien) und 498'808 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 50.-. Sowohl die Namenaktien der Jelmoli Holding AG (SIX:JELN) wie auch die Inhaberaktien (SIX:JEL) sind am Hauptsegment der SIX Swiss Exchange (SIX) kotiert. Die JHAG  ist in den Geschäftsfeldern Detailhandel und Immobilien tätig.

B.
Die Athris Holding AG (Athris) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Ihr im Handelsregister eingetragenes Aktienkapital beträgt zur Zeit CHF 100'000.-, eingeteilt in 100'000 Namenaktien zu CHF 1.-. Die ATHRIS ist zur Zeit inaktiv, ihre Aktien sind nicht kotiert und werden zu 100 % von der JHAG gehalten.

C.
Im Rahmen der Umsetzung der vom Verwaltungsrat der Jelmoli Holding AG beschlossenen neuen Unternehmensstrategie wird die JHAG Ende Oktober/Anfangs November 2008 eine ausserordentliche Generalversammlung durchführen. Anlässlich dieser ausserordentlichen Generalversammlung soll über folgende Traktanden/Anträge abgestimmt werden:

a)     Abspaltung einer Investmentgesellschaft von der JHAG. Hierzu sollen Beteiligungen und Barmittel der JHAG im Wert von ca. CHF 1 Milliarde auf die ATHRIS übertragen werden. Die Kapitalstruktur der ATHRIS wird die gegenwärtige Kapitalstruktur der JHAG abbilden. Sodann sollen die Aktien der ATHRIS als Sonderdividende in Form einer Sachdividende an die Aktionäre der JHAG ausgeschüttet werden. Gleichzeitig mit der Ausschüttung der Aktien der ATHRIS sollen diese am Hauptsegment der SIX kotiert werden. Die Kotierung der Namenaktien ist dabei allerdings von einer der SIX beantragten Ausnahmebewilligung abhängig, da der Streubesitz der Namenaktien unter 25 % liegen wird. Der erste Handelstag ist für Januar 2009 geplant. In die Statuten der ATHRIS soll vor der Kotierung eine Opting-out-Klausel mit folgendem Wortlaut aufgenomen werden: "Ein Erwerber von Aktien der Gesellschaft ist nicht zu einem Kaufangebot nach den Art. 32 und 52 des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel verpflichtet".

b)     Rückkauf von eigenen Aktien der ATHRIS bis maximal CHF 400 Millionen bzw. 45 % des Aktienkapitals zum Zweck der Kapitalherabsetzung auf dem Weg der Ausgabe von Put-Optionen gleichzeitig mit der Kotierung. Pro Inhaberaktie der ATHRIS sollen 15 Put-Optionen und pro Namenaktie der ATHRIS sollen 3 Put-Optionen ausgegeben werden, wobei 35 Put-Optionen zum Verkauf einer Inhaberaktie der ATHRIS und 7 Put-Optionen zum Verkauf einer Namenaktie der ATHRIS berechtigen sollen. Der Verkaufswert soll ca. 15 % unter dem Buchwert liegen. Die Festsetzung der genauen Ausgabebedingungen der Put-Optionen obliegt dem (zukünftigen) Verwaltungsrat der ATHRIS. Die Abstimmung anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung der JHAG wird als Konsultativabstimmung der zukünftigen ATHRIS-Aktionäre verstanden.

c)      Schaffung einer JHAG-Einheitsaktie (Abschaffung der Stimmrechtsaktien). Dies führt zu einem Kontrollverlust der Mehrheitsaktionärin Pelham Investments AG (Pelham), wofür diese mit einer Prämie in Höhe von ca. 18 % ihrer gegenwärtigen Kapitalbeteiligung in Form von Bezugsrechten für neue Aktien der JHAG zum Nominalwert aus neuem genehmigten Kapital entschädigt werden soll.

D.
Gemäss Eingabe der JHAG ist davon auszugehen, dass im Falle der Zustimmung zur Aufteilung der JHAG sämtliche weiteren Traktanden/Anträge durch Bedingungen zu einer Gesamttransaktion (Transaktion) verknüpft sein werden und folglich auch gesamthaft angenommen resp. im Falle einer Ablehnung umfassend abgelehnt würden. Vor diesem Hintergrund stellte die JHAG der UEK mit Eingabe vom 19. September 2008 folgenden Antrag:

"Der Rückkauf eigener Aktien der Athris Holding AG zum Zweck der Kapitalherabsetzung durch Ausgabe von handelbaren Put-Optionen sei gemäss Ziffer IV der Mitteilung Nr. 1 der Übernahmekommission vom 28. März 2000 im ordentlichen Verfahren mittels Empfehlung von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote gemäss Art. 22 ff. BEHG zu befreien."

E.
Für den Fall, dass dieses Begehren abgelehnt werden sollte, stellte die JHAG folgenden Eventualantrag:

"1.       Es sei eine Empfehlung zu erlassen, worin die Einführung einer Opting-out-Klausel in den Statuten der Athris Holding AG unter den gegebenen Umständen als zulässige Entbindung von der Pflicht zu einem Kaufangebot nach den Art. 32 und 52 BEHG zu betrachten ist.

 2.        Es sei die Publikation dieser Empfehlung bis zur Kotierung der Aktien der Athris Holding AG aufzuschieben."

F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Walter Knabenhans (Vorsitzender des Ausschusses),  Henry Peter und Thomas Rufer gebildet.

 

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.   Änderung der Kapitalstruktur der JHAG

1.1 Kontrollverlust der Pelham

1. Im Rahmen der Schaffung einer JHAG-Einheitsaktie wird die Pelham die derzeit bestehende Kontrolle über die JHAG verlieren (vgl. oben lit. C, c)). Ein Kontrollerwerb durch Dritte geht damit soweit ersichtlich nicht einher. Auch erfolgt der Kontrollverlust nicht im Zuge eines öffentlichen Kaufangebots. Unter diesen Voraussetzungen hat dieser Teil der geplanten Transaktion, obschon kontrollrelevant, keine übernahmerechtlichen Konsequenzen.

1.2 Prämie für die Pelham

2. Die Pelham soll für den Verlust der Kontrolle über die JHAG mit einer Prämie in Höhe von ca. 18 % ihrer gegenwärtigen Kapitalbeteiligung entschädigt werden (vgl. oben lit. C, c)). Dieser Vorgang wirft aktienrechtliche Fragen auf. So ist insbesondere unklar, wie die Prämie unter dem Aspekt des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsprinzips zu beurteilen ist. Die Übernahmekommission ist für die Klärung dieser Fragen aber nicht zuständig. Es versteht sich jedoch von selbst, dass die JHAG die Einzelheiten der Transaktion so auszugestalten hat, dass die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

2.   Kauf eigener Aktien durch ATHRIS

2.1 Anwendbarkeit der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote auf Aktienrückkäufe

3. Öffentliche Angebote einer Gesellschaft für ihre eigenen Aktien, einschliesslich der Bekanntgabe der Absicht, eigene Beteiligungspapiere an der Börse zurückzukaufen, stellen öffentliche Kaufangebote im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG dar (vgl. Verfügung der EBK vom 4. März 1998 in Sachen Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG und Stillhalter Vision AG, Erw. 2 und Mitteilung Nr. 1). Damit unterstehen diese Transaktionen grundsätzlich den Bestimmungen des 5. Abschnitts des BEHG über öffentliche Kaufangebote.

2.2 Rückkaufvolumen über 10 % von Kapital und Stimmen

4. Die Übernahmekommission kann die Anbieterin von der Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote befreien. Voraussetzungen und Verfahren dieser Freistellung sind in Mitteilung Nr. 1 festgelegt. Danach ist die Bekanntgabe von Rückkäufen eigener Beteiligungspapiere im Umfang von maximal 2 % des Kapitals generell freigestellt (Mitteilung Nr. 1 Ziff. II). Bezieht sich der Rückkauf auf mehr als 2 %, aber weniger als 10 %, so wird die Freistellung im so genannten Meldeverfahren bewilligt, wenn die Voraussetzungen gemäss Mitteilung Nr. 1 Ziff. III erfüllt sind.

5. Das vorliegend in Frage stehende Rückkaufprogramm umfasst bis zu 45 % des Kapitals der ATHRIS. Die Voraussetzung gemäss Mitteilung Nr. 1 Ziff. III. 1.1, wonach sich ein Rückkauf auf ein Volumen von höchstens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte des Anbieters beziehen darf, wird damit nicht eingehalten. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob und unter welchen Auflagen die Freistellung des geplanten Programms dennoch möglich ist.

6. Die Limite von 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte in Mitteilung Nr. 1 Ziff. III. 1.1 bezieht sich auf die Summe maximal zurückzukaufender eigener Aktien während der gesamten Zeitspanne des Rückkaufprogramms. Die Freistellung eines öffentlichen Rückkaufangebots von den Bestimmungen des 5. Abschnittes des BEHG ist bei Überschreitung des Volumens von 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte insbesondere dann problematisch, wenn der Rückkauf zu einer massgeblichen Veränderung der Kontrollverhältnisse führt (vgl. Empfehlung vom 9. November 2007 in Sachen Mach Hitech AG, Erw. 2.4). Ebenso wenig darf der Rückkauf zu einer übermässigen Reduktion des handelbaren Teils der Aktien (Free Float) führen.

2.2.1 Kapitalstruktur und Aktionariat der ATHRIS vor Durchführung des Rückkaufs

7. Kapitalstruktur und Aktionariat der ATHRIS werden jenem der JHAG entsprechen. Gemäss Angaben der JHAG präsentiert sich die Situation derzeit folgendermassen.

8. Das Aktienkapital der JHAG ist wie folgt in Namen- und Inhaberaktien unterteilt:

1'321'354 Namen-/Stimmrechtsaktien zu CHF 10 nominal:        CHF 13'213'540

498'808 Inhaberaktien zu CHF 50 nominal:                             CHF 24'940'400

Total:                                                                                  CHF 38'153'940

 

9. Folgende Aktionäre halten bedeutende Beteiligungen an der JHAG:

Aktionär/Gruppe

 

Papierart

Anzahl

Anteil Stimmrechte (vor Einführung Einheitsaktie)

Anteil Kapital
(vor Einführung Einheitsaktie)

Pelham Investments AG

Namenaktien

 

962'381

 

52.90 %

 

25.2 %

Franklin Mutual Advisers, LLC; Fortelus Special Situations Master Fund Ltd.; Sandelman Partners International LLP; Obrem Capital Management, LCC

 

Inhaberaktien

 

117'514

 

6.46 %

 

15.4 %

Walter Fust

Namenaktien

Inhaberaktien

 

Total Anteil:

 

259'501

1'100

14.24 %

0.06 %

 

14.30 %

6.8 %

0.14 %

 

6.94 %

Jelmoli Holding AG

(eigene Aktien)

Inhaberaktien

56'403

3.1 %

 

7.4 %

Total

 

1'396'899

76.74 %

54.94 %

10. Der Free Float gemessen am Kapital beträgt damit rund 45 %. Auf Namenaktien entfallen dabei 2.6 %. Im Falle, dass die Namenaktie der ATHRIS nicht kotiert werden sollte (vgl. oben lit. C), wird sich der Free Float vor dem Rückkauf also auf 42.4 % belaufen.

11. Im Aktienbuch der JHAG sind 818 Aktionäre mit insgesamt 1'305'458 Aktien eingetragen. Die übrigen rund 1.2 % der ausgegebenen Namenaktien sind Dispoaktien.

12. Im Rahmen der Transaktion wird die JHAG wie eingangs erläutert die Einheitsaktie einführen und zugunsten des Hauptaktionärs das Kapital erhöhen (vgl. oben lit. C c)). Die hier interessierende ATHRIS wird von dieser Änderung der Kapitalstruktur aber nicht erfasst.

2.2.2 Keine massgebliche Änderung der Kontrollverhältnisse durch den Rückkauf

13. Gemäss JHAG wird Pelham im Rahmen des Rückkaufs keine Aktien andienen. Pelham hat dies am 12. September 2008 zuhanden der JHAG und der ATHRIS schriftlich bestätigt. Die im Rahmen des Rückkaufs von der ATHRIS zu erwerbenden Aktien können also nur von der Gruppe Franklin Mutual Advisers et al., von Walter Fust oder von den übrigen Publikumsaktionären stammen.

14. Falls sämtliche aufgrund der Anzahl Put-Optionen möglichen Aktien der ATHRIS angedient werden, werden sich die Kapitalbeteiligung der Pelham nach Abschluss des Rückkaufs und erfolgter Kapitalherabsetzung von 25.2% auf ca. 45% und ihre Stimmrechte - je nach dem Andienungsverhältnis von Namen- und Inhaberaktien - von 52.9% auf zwischen ca. 64% und ca. 79% erhöhen. Die Kontrollmehrheit wird damit in jedem Fall bei Pelham bleiben, womit eine massgebliche Änderung der Kontrollverhältnisse nicht erfolgt.

15. Zu beachten ist allerdings, dass im Rahmen des Rückkaufs die Zielgesellschaft möglicherweise - je nach Verhältnis und Menge von angedienten Namen- und Inhaberaktien - selbst die Schwelle von 33 1/3 % der Stimmrechte überschreiten wird.

16. Die Überschreitung dieser Schwelle führt gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG zur Angebotspflicht. Die praktischen Schwierigkeiten, welche sich im Falle der Überschreitung der Schwelle mit eigenen Aktien ergeben, führen dabei nicht ohne Weiteres zur Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmung (vgl. Empfehlung vom 6. Dezember 2007 i.S. Sulzer AG, Erw. 4.5; Frage offen gelassen in Verfügung der EBK vom 29. Mai 2008 i.S. Sulzer AG, Rz. 69). Auch wird sich die ATHRIS von der Anwendung von Art. 32 Abs. 1 BEHG nicht mittels Berufung auf die Opting-out-Klausel befreien können, welche vor Kotierung der ATHRIS-Aktien eingeführt werden soll (vgl. oben lit. C a)): Zwar ist die Einführung einer Opting-out Klausel vor der Kotierung gestützt auf Art. 22 Abs. 2 BEHG grundsätzlich unproblematisch. Vorliegender Rückkauf ist allerdings mit Blick auf die gesamte Transaktion zu beurteilen, welche ja nur entweder vollständig oder gar nicht durchgeführt wird (vgl. oben lit. D). Das Rückkaufangebot der ATHRIS ist deshalb wie ein Angebot auf einen Teil der kotierten JHAG zu behandeln (vgl. Empfehlung vom 31. März 2004 i.S. Clair Finanz Holding AG, Erw. 1). Beruft sich nun die ATHRIS für die Beurteilung der vorliegenden Transaktion auf eine erst im Rahmen der gleichen Transaktion einzuführende Opting-out-Klausel, so erscheint diese objektiv als konkret für diese Transaktion eingeführt, auch wenn die Klausel generell-abstrakt und zeitlich unbeschränkt gefasst wird. Im Ergebnis gewährt sich die ATHRIS damit selber eine Ausnahme von der Angebotspflicht. Die Gewährung von konkreten Ausnahmen bleibt gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG i.V.m. Art. 34 f. BEHV-EBK aber der UEK bzw. der EBK vorbehalten (vgl. Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 i.S. Esec Holding AG und Unaxis Holding AG, Erw. 3 b)cc)). Entgegen gegenüber der UEK gemachten Vorbringen der JHAG und der ATHRIS liegt damit materiell und mit Blick auf die konkret zu beurteilende Situation durchaus ein unwirksames "selektives" Opting-out vor, nämlich zugunsten der ATHRIS (vgl. zum selektiven Opting-out: Isabelle Chabloz, Les clauses d'opting out sélectives, in: Schweizerisches Übernahmerecht in der Praxis, Schweizerische Übernahmekommission (Hrsg.), Zürich 2005, S. 115 ff.).

17. Bei Gewährung einer Ausnahme gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG kommen den Aktionären der Zielgesellschaft Verfahrensrechte zu (Art. 35 Abs. 2quater BEHV-EBK), welche sie bei der Freistellung eines Rückkaufprogramms gemäss Mitteilung Nr. 1 nicht haben. Die Freistellung kann daher nicht zur Nichtanwendbarkeit von Art. 32 Abs. 2 BEHG führen. Vielmehr ist der vorliegende Antrag um Freistellung (vgl. oben lit. D) implizit auch als Antrag um Gewährung einer Ausnahme aufzufassen.

18. Für die Gewährung einer solchen Ausnahme sprechen folgende in Gesetz und Verordnung explizit vorgesehenen Gründe:

  • Art. 32 Abs. 2 lit. c BEHG: Der Aktienrückkauf erfolgt zum Zweck der Kapitalherabsetzung (vgl. oben lit. C). Damit ist eine Überschreitung des Grenzwertes nur vorübergehend zu erwarten.
  • Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK bzw.  Art. 34 Abs. 2 lit. b BEHV-EBK: Pelham verfügt auch nach dem Rückkauf (und vor der Kapitalherabsetzung) über einen höheren Stimmenanteil als ATHRIS, bzw. ist ATHRIS aufgrund der Kontrolle durch Pelham ein Mitglied einer organisierten Gruppe gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHG i.V.m Art. 27 und Art. 15 Abs. 1 und 2 BEHV-EBK, welches einzeln den Grenzwert überschreitet, nachdem die Gruppe diesen bereits überschritten hat.

19. Für den Fall der Überschreitung der Schwelle von 33 1/3 % der Stimmrechte im Verlaufe der Durchführung des Rückkaufs kann der ATHRIS daher eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt werden.

20. Der Verwaltungsrat einer (potentiellen) Zielgesellschaft hat bei Feststellungen der Übernahmekommission, dass eine besondere Ausnahme zu gewähren ist, eine Stellungnahme abzugeben und diese zu veröffentlichen (Art. 35 Abs. 2 und 2bis BEHV-EBK).

21. Der Übernahmekommission liegt diese Stellungnahme des Verwaltungsrats der ATHRIS noch nicht vor. Der Verwaltungsrat der ATHRIS wird daher angewiesen, den Entwurf der Stellungnahme bis spätestens am 20. November 2008 bei der Übernahmekommission zur Vorprüfung einzureichen.

2.2.3 Keine übermässige Reduktion des Free Float - Aufrechterhaltung eines liquiden Marktes

22. Wie bereits ausgeführt, beläuft sich der Free Float gemessen am Kapital derzeit auf rund 45 % (vgl. oben Rz. 8). Da Pelham ihre Put-Optionen nicht selbst ausübt, würden sich - falls Pelham ihre Put-Optionen verkauft und sämtliche Put-Optionen ausgeübt werden - die Kapitalbeteiligungen sämtlicher Aktionäre ausser Pelham um rund 60% reduzieren, wobei aber unmittelbar danach auch das Gesamtkapital um 45 % reduziert wird (vgl. oben lit. C b)). Falls die auf Pelham entfallenden Put-Optionen gleichmässig von den übrigen Grossaktionären sowie den Publikumsaktionären aufgekauft und ausgeübt werden, würde sich damit auch der Free Float um 60 % von 45 % auf 18 % reduzieren. Nach der Kapitalherabsetzung sinkt damit das Verhältnis Free Float : Kapital von 45 : 100 auf 18 : 55. Der Free Float würde damit also noch rund 33 % des Kapitals betragen. Sollten die Namenaktien nicht kotiert werden (vgl. oben Rz. 8), so würde eine Reduktion von 42.4 % auf rund 31% des Kapitals erfolgen.

23. Dies sind freilich Hypothesen. Mit Ausnahme von Pelham ist nicht bekannt, wie sich die Aktionäre verhalten werden. Je nachdem, könnte sich der Free Float nach der Kapitalherabsetzung auch stark über oder stark unter diesen Zahlen bewegen. Vor diesem Hintergrund hat sich die ATHRIS in ihrem Gesuch dazu verpflichtet, dauernd eine Bank als Market Maker für alle kotierten Beteiligungspapiere zu mandatieren, welche sicherstellen wird, dass in den Aktien der ATHRIS eine ausreichende Liquidität besteht, indem die Bank die entsprechenden Liquiditätsförderungsmassnahmen ergreift und koordiniert.

24. Mit dieser Massnahme wird gewährleistet, dass der Markt in ATHRIS-Aktien auch nach Durchführung des Rückkaufprogramms liquid bleibt. Die Reduktion des Free Float steht einer Freistellung des vorliegenden Rückkaufprogramms daher nicht im Weg.

2.2.4 Keine Dekotierung

25. Ziff. III. 1.2 der Mitteilung Nr. 1 verlangt, dass der Rückkauf nicht zur Dekotierung eines der betroffenen Titel führt. Beim vorliegenden Rückkaufvolumen von 45 % des Kapitals ist aber denkbar, dass im Rahmen des Rückkaufs sämtliche Namenaktien, welche sich nicht bei Pelham befinden, zurückgekauft werden. Es sind dies nämlich lediglich 358'973 Namenaktien (davon 259'901 bei Walter Fust), entsprechend rund 9.4 % des Kapitals. Faktisch wäre die Situation dann identisch mit jener, in der die Aktie gar nicht mehr kotiert ist.

26. Von der Anwendung der genannten Bestimmung kann im vorliegenden Fall aber abgesehen werden. Dies, weil die ATHRIS ja an sich darauf verzichten könnte, die Namenaktie überhaupt zu kotieren. Es wäre daher nicht im Interesse der betroffenen Aktionäre, wenn ihr die Freistellung des geplanten Rückkaufs aufgrund von Ziff. III 1.2 der Mitteilung Nr. 1 verweigert würde.

2.3 Fazit: Freistellung des Rückkaufangebots

27. Nach dem Gesagten kann das geplante Rückkaufangebot in Gutheissung des Hauptbegehrens trotz des hohen Volumens grundsätzlich von den Bestimmungen des 5. Abschnitts des BEHG freigestellt werden, sofern die vorliegend nicht geprüften Voraussetzungen der Mitteilung Nr. 1 beachtet werden.

28. Zu beachten ist, dass Art. 659 Abs. 1 OR den Erwerb eigener Aktien auf maximal 10 % des Aktienkapitals beschränkt. Die Schwelle von Art. 659 Abs. 1 OR ist jedoch vom in der Mitteilung Nr. 1 Ziff. III. 1.1 festgelegten übernahmerechtlich relevanten Volumen von 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte zu unterscheiden. Die Freistellung durch die Übernahmekommission bezieht sich auf das Volumen gemäss Mitteilung Nr. 1 Ziff. III. 1.1, nicht auf die Schwelle von Art. 659 Abs. 1 OR. Die ATHRIS hat ihre Rückkäufe demnach unabhängig von der vorliegenden Freistellung so auszugestalten, dass die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten sind (vgl. Empfehlung vom 25. Februar 2008 in Sachen Swiss Re, Erw. 2.3).

29. Der UEK liegen derzeit das Rückkaufinserat und das auch im ordentlichen Verfahren einzureichende "Formular für Gesuch um Freistellung durch Meldeverfahren" noch nicht vor. Aufgrund des Gesuchs der JHAG kann aber davon ausgegangen werden, dass mit Ausnahme des Rückkaufvolumens sämtliche Voraussetzungen für eine Freistellung durch Meldeverfahren gemäss Ziff. III eingehalten sein werden. Eine Prüfung des definitiven Freistellungsgesuchs der ATHRIS im ordentlichen Verfahren erscheint daher nicht erforderlich. Der ATHRIS ist deshalb zu gestatten, ihr definitives Freistellungsgesuch im Meldeverfahren zu stellen.

3. Publikation

30. Die ATHRIS wird angewiesen, spätestens 15 Börsentage vor der Publikation des Rückkaufin-serats in Anwendung von Art. 35 Abs. 2ter BEHV-EBK eine Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vorzunehmen, mit welcher über die Feststellung der Übernahmekommission hinsichtlich der Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht sowie die Möglichkeit der an der Zielgesellschaft Beteiligten, innert zehn Börsentagen bei der EBK den Erlass einer anfechtbaren Verfügung zu verlangen (Art. 35 Abs. 2quater BEHV-EBK), informiert wird (vgl. oben Rz. 16).

31. Zeitgleich mit der Publikation im SHAB hat die ATHRIS die Stellungnahme des Verwaltungsrats (vgl. oben Rz. 20) zumindest in einer deutsch- und einer französischsprachigen Zeitung mit nationaler Verbreitung zu publizieren und mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien, welche Börseninformationen verbreiten, zuzustellen (Art. 35 Abs. 2bis BEHV-EBK i.V.m. Art. 32 UEV-UEK analog). Der Verwaltungsrat hat in seiner Stellungnahme auf die vorliegende Empfehlung hinzuweisen und den Wortlaut von Art. 35 Abs. 2quater BEHV-EBK wiederzugeben.

32. Die vorliegende Empfehlung wird gemäss Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation im SHAB gem. Rz. 30 hievor auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

33. In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK ist eine Gebühr zu erheben. Der JHAG und der ATHRIS wird dementsprechend eine Gebühr von CHF 30'000 auferlegt, unter solidarischer Haftung.



Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Der Athris Holding AG wird eine vorübergehende Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG gewährt, unter der Auflage, dass die geplante Kapitalherabsetzung tatsächlich stattfindet.

  2. Die Athris Holding AG wird angewiesen, spätestens 15 Börsentage vor der Publikation des Rückkaufinserats die Feststellung der Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht durch die Übernahmekommission sowie die Stellungnahme ihres Verwaltungsrats entsprechend der Erwägung 3 zu veröffentlichen.

  3. Die Athris Holding AG wird angewiesen, den Entwurf der Stellungnahme gemäss Erwägung 2.2.2, Rz. 21, bis spätestens am 20. November 2008 bei der Übernahmekommission zur Vorprüfung einzureichen.

  4. Der Athris Holding AG wird in Abweichung von Ziff. III. 1.1 (und 1.2 betreffend die Namenaktie gemäss Erw. 2.2.4) der Mitteilung Nr. 1 gestattet, eigene Aktien im Umfang von maximal 45 % des Aktienkapitals zum Zwecke der Kapitalherabsetzung zurückzukaufen, sofern die übrigen in der Mitteilung Nr. 1 der Übernahmekommission vom 28. März 2000 in Ziffern III. 1 und 3 definierten Regeln eingehalten werden. Diese Genehmigung erfolgt unter der Auflage, dass ein wirksames Market-Making-Mandat gemäss Erwägung 2.2.3 abgeschlossen wird.

  5. Die Athris Holding AG hat für die definitive Freistellung des geplanten Rückkaufangebots ein Gesuch samt Entwurf des Angebotsinserats für die Freistellung im Meldeverfahren einzureichen.

  6. Die vorliegende Empfehlung wird am Tag der Publikation im SHAB gemäss Dispositiv-Ziffer 2 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

  7. Die Gebühr zu Lasten Jelmoli Holding AG und der Athris Holding AG beträgt CHF 30'000, unter solidarischer Haftung.

 

Der Vorsitzende des Ausschusses:

Walter Knabenhans

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

Gemäss Art. 35 Abs. 2quater BEHV-EBK können die an der Zielgesellschaft Beteiligten bezüglich Dispositiv-Ziffer 1 innert zehn Börsentagen bei der EBK den Erlass einer anfechtbaren Verfügung verlangen. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu laufen.

Mitteilung an:

  • Jelmoli Holding AG und ATHRIS Holding AG (beide vertreten durch Niederer Kraft & Frey,
    Dr. Andreas Casutt und Dr. Patrik Peyer);
  • Eidgenössische Bankenkommission.