Transactions
0384 - sia Abrasives Holding AG
Empfehlung III sia Abrasives Holding AG vom 18. November 2008
Öffentliches Kaufangebot der Behr Deflandre & Snozzi BDS AG, Buchberg, sowie der Scintilla AG, Solothurn, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der sia Abrasives Holding AG, Frauenfeld - Angebotsprospekt / Verwaltungsratsbericht / Fristerstreckung
A.
Die sia Abrasives Holding AG, Frauenfeld (sia oder Zielgesellschaft), ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Frauenfeld. Sia entwickelt, produziert und vertreibt Schleifsysteme zur Bearbeitung von Oberflächen aller Art. Das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital der sia beträgt CHF 7'500'000, eingeteilt in 750'000 voll liberierte Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 10 (sia-Namenaktie(n)). Zudem verfügt sia über ein bedingtes Kapital in Höhe von CHF 375'000, welches zur Ausgabe von maximal 37'500 sia-Namenaktien berechtigt. Die sia-Namenaktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) im Hauptsegment kotiert (SIX: SIAN).
B.
Die Behr Deflandre & Snozzi BDS AG (BDS oder Anbieterin 1), ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Buchberg. Sie handelt als Vertreterin der Anbietergruppe, bestehend aus der BDS, der Behr Bircher Cellpack BBC Industrie-Holding AG, Villmergen (BBC) und Herrn Prof. Dr. Giorgio Behr, Buchberg (als wirtschaftlich Berechtigter der juristischen Personen der Anbietergruppe). Die BBC ist mit insgesamt 187'415 Namenaktien als Aktionärin im Aktienbuch der sia eingetragen (24.99% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals). Zwischen dem 22. August 2008 und dem 25. August 2008 hat die Anbietergruppe Vereinbarungen abgeschlossen, auf deren Grundlage insgesamt weitere 97'160 sia-Namenaktien am 25. August 2008 erworben wurden. Die Anbieterin 1 und die weiteren Mitglieder der Anbietergruppe verfügten am 26. August 2008 vor Börsenbeginn zusammen somit über insgesamt 284'575 sia-Namenaktien, entsprechend knapp 38% der Stimmrechte (basierend auf dem aktuellen Eintrag im Handelsregister). Damit ist die Anbietergruppe bestehend aus Anbieterin 1, BBC und Prof. Dr. Giorgio Behr zur Unterbreitung eines Pflichtangebots nach Art. 32 BEHG verpflichtet.
C.
Am 26. August 2008 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung in den elektronischen und am 27. August 2008 in den Printmedien (Angebot 1). Darin ist ein Angebotspreis von CHF 385 in bar je sia-Namenaktie vorgesehen.
D.
Die Scintilla AG, Solothurn (Scintilla oder Anbieterin 2), ist eine von der Robert Bosch GmbH, Deutschland, indirekt zu 100% beherrschte Gesellschaft.
E.
Am 1. Oktober 2008 schloss BBC mit Scintilla einen Aktienkaufvertrag zu einem Preis von CHF 516.57 pro sia-Namenaktie ab (CHF 515 zuzüglich eines Betrages von CHF 1.57 als Zinsersatz für die Frist zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Vertrags). Der Aktienkaufvertrag betrifft den Kauf von 298'801 sia-Namenaktien, entsprechend 39.8% des Aktienkapitals und der Stimmrechte der sia. Der Vollzug des Aktienkaufvertrages ist durch Bedingungen aufgeschoben.
F.
Am 2. Oktober 2008 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung der Anbieterin 2 für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der sia in den elektronischen und am 6. Oktober 2008 in den Printmedien (Angebot 2). Darin ist ein Angebotspreis von CHF 435 in bar je sia-Namenaktie vorgesehen.
G.
Mit Empfehlung I vom 3. Oktober 2008 verlängerte die Übernahmekommission auf Gesuch der Anbieterin 1 deren Frist für die Publikation ihres Angebotsprospekts bis zum 13. November 2008.
H.
Mit Empfehlung II vom 7. November 2008 verlängerte die Übernahmekommission darauf die Frist der Anbieterin 1 und der Anbieterin 2 für die Publikationen ihrer Angebotsprospekte je bis zum 21. November 2008.
I.
Am 19. November 2008 wird voraussichtlich die landesweite Verbreitung des öffentlichen Kaufangebots der Scintilla erfolgen. Der Angebotsprospekt der Anbieterin 2 und der Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft sowie die Fairness Opinion der Bank Sal. Oppenheim jr. & Cie. (Schweiz) AG wurden der Übernahmekommission vorab zur Prüfung unterbreitet. Damit zusammenhängend stellte die Anbieterin 2 mit Gesuch vom 24. Oktober 2008 die nachfolgenden Anträge:
Es sei festzustellen, dass der Angebotsprospekt dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. November 1995 (BEHG) entspricht.
Es sei Scintilla von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist von 10 Börsentagen zu befreien (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK).
Es sei die Zustimmung zu den auflösenden Bedingungen des Angebots zu gewähren (Art. 13 Abs. 4 UEV-UEK).
Es sei Scintilla eine Verlängerung der 10-tägigen Nachfrist zur nachträglichen Annahme des öffentlichen Angebots an die Namenaktionäre von sia Abrasives bis zum 15. Januar 2009 zu gewähren (Art. 14 Abs. 5 UEV-UEK).
J.
Die Anbieterin 1 nahm mit Eingabe vom 29. Oktober 2008 und vom 14. November 2008 zum Angebotsprospekt, den Anträgen der Anbieterin 2 und zum Verwaltungsratsbericht der sia Stellung.
K.
Die Angebotsfrist wird voraussichtlich 20 Börsentage betragen. Im Gegensatz zur Voranmeldung ist das Angebot gemäss Angebotsprospekt nur noch an folgende aufschiebende Bedingung geknüpft: „Kein Gericht und keine Behörde hat eine Entscheidung oder Verfügung erlassen, welche die Übernahme durch die Bieterin oder den Vollzug des Angebots untersagt oder als widerrechtlich, ungültig oder nicht vollstreckbar erklärt."
L.
Die Prüfstelle, die Ernst & Young AG, hat ihren Prüfstellenbericht zum Angebot der Anbieterin2 samt den erforderlichen Bestätigungen abgegeben.
M.
Mit Eingabe vom 17. November 2008 hat die Anbieterin 1 ein Gesuch um Widerruf ihres Angebots, eventualiter um erneute Verlängerung ihrer Frist zur Veröffentlichung eines Angebots gestellt. Die Zielgesellschaft und die Anbieterin 2 stimmten dem Gesuch mit Eingabe vom 18. November 2008 zu.
N.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Luc Thévenoz (Präsident), Henry Peter und Thierry de Marignac gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Voranmeldung
1. Die Publikation der Voranmeldung der Anbieterin 2 erfolgte in den elektronischen Medien am 2. Oktober 2008 vor Börsenbeginn und enthielt sämtliche gemäss Art. 7 Abs. 2 UEV-UEK geforderten Angaben. Die Publikation in den Tageszeitungen erfolgte rechtzeitig innerhalb von drei Börsentagen am 6. Oktober 2008, womit die Voranmeldung ihre Wirkungen am 2. Oktober 2008 entfaltet.
2. Pflichtangebot
2. Die Anbieterin 2 hat am 1. Oktober 2008 mit der BBC einen Vertrag über den Kauf von 289'801 sia-Namenaktien abgeschlossen. Mit dem am 17. November 2008 erfolgten Vollzug hat die Anbieterin 2 den Schwellenwert von 33 1/3% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft überschritten und ist demzufolge verpflichtet, ein öffentliches Übernahmeangebot für sämtliche kotierten Beteiligungspapiere der sia zu unterbreiten (Art. 32 Abs. 1 BEHG).
3. Einhaltung der Bestimmungen über Pflichtangebote
3.1 Angebot auf alle Arten von kotierten Beteiligungspapieren
3. Gemäss Art. 29 Abs. 1 BEHV-EBK hat sich ein Pflichtangebot auf alle Arten von kotierten Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft zu erstrecken. Gemäss Art. 10 Abs. 3 UEV-UEK muss sich ein Angebot sodann auch auf Beteiligungspapiere erstrecken, welche aus der Ausübung von Optionsrechten bis zum Ende der Nachfrist stammen.
4. Das vorliegende Angebot bezieht sich auf alle sich im Publikum befindenden kotierten Namenaktien (vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt B.2). Zudem bezieht sich das Angebot auch auf sia-Namenaktien, die bis zum Ende der Nachfrist aus bedingtem Kapital ausgegeben werden. Art. 29 Abs. 1 BEHV-EBK und Art. 10 Abs. 3 UEV-UEK sind somit erfüllt.
3.2 Mindestpreis
3.2.1 Börsenkurs
5. Gemäss Art. 37 Abs. 1 und 2 BEHV-EBK entspricht der massgebliche Börsenkurs dem volumengewichteten Durchschnittskurs (VWAP) der börslichen Abschlüsse der letzten 60 Börsentage vor Veröffentlichung der Voranmeldung. Der entsprechende VWAP der sia-Namenaktie am Mittwoch, 1. Oktober 2008 nach Börsenschluss betrug gemäss Publikation auf der Website der SIX (http://www.six-swiss-exchange.com/marketpulse/shares/trading/download/download_de.html) CHF382.52. Der Angebotspreis beträgt vorliegend CHF 435 und liegt somit über dem berechneten VWAP.
3.2.2 Preis des vorausgegangenen Erwerbs
6. Unter den für den Preis des vorausgegangenen Erwerbs relevanten „zwölf letzten Monaten" i.S.v. Art. 32 Abs. 4 BEHG sind gemäss Art. 38 Abs. 1 BEHV-EBK die zwölf Monate vor Veröffentlichung der Voranmeldung zu verstehen. Nach Art. 32 Abs. 4 BEHG darf der Angebotspreis nicht mehr als 25% unter dem höchsten Preis liegen, den die Anbieterin in den zwölf letzten Monaten vor Veröffentlichung des Angebots für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat.
7. Die Anbieterin 2 und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen haben gemäss Angaben im Angebotsprospekt (vgl. Abschnitt C.7) während der letzten 12 Monate vor der Publikation der Voranmeldung 298'801 sia-Namenaktien gekauft. Der für eine sia-Namenaktie höchstbezahlte Preis betrug CHF 516.57. Der Mindestpreis aufgrund des vorausgegangenen Erwerbs beträgt folglich CHF 387.40. Die Anbieterin und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen haben in den zwölf Monaten vor der Publikation der Voranmeldung keine Options- und Wandelrechte und auch keine anderen Finanzinstrumente für Namenaktien der sia erworben. Die Bedingungen von Art. 32 Abs. 4 BEHG i.V.m. Art. 38 Abs. 2 BEHV-EBK und Art. 41 BEHV-EBK sind somit eingehalten.
8. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass im vorliegenden Angebot die Bestimmungen über den Mindestpreis eingehalten sind.
4. Best Price Rule
9. Gemäss Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. c UEV-UEK dürfen die Anbieterin und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen nach Veröffentlichung des Angebots keine Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem über dem Angebotspreis bzw. dem Wert des Angebots liegenden Preis erwerben, ohne diesen allen Empfängern des Angebots anzubieten (sog. Best Price Rule). Gemäss Praxis der Übernahmekommission gilt diese Regel ab Veröffentlichung der Voranmeldung während der ganzen Dauer des Angebots und während sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist (vgl. u.a. Empfehlung vom 28. November 2005 in Sachen Société Montreux-Palace SA, Erw. 5). Die Prüfstelle hat die Einhaltung dieser Regel zu prüfen.
5. Handeln in gemeinsamer Absprache
10. Die Anbieterin 2 hat nach Art. 19 Abs. 1 lit. d UEV-UEK die in gemeinsamer Absprache mit ihr handelnden Personen offen zu legen. Die Anbieterin 2 führt diese Personen in ihrem Angebotsprospekt in Abschnitt C.6 auf. In Bezug auf die in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin handelnden Personen entspricht der Angebotsprospekt den gesetzlichen Anforderungen. Die in gemeinsamer Absprache mit der Anbieterin 2 handelnden Personen sind den in Art. 12 UEV-UEK statuierten Pflichten unterworfen. Die Prüfstelle hat zu prüfen, ob diese Personen ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen.
6. Bedingung
11. Das Angebot 2 ist an eine Bedingung geknüpft (vgl. Sachverhalt lit. K). Gemäss Praxis der Übernahmekommission ist diese Bedingung sowohl als aufschiebende als auch als auflösende Bedingung zulässig (vgl. Empfehlung II vom 16. Februar 2007 in Sachen Bank Sarasin & Cie AG, Erw. 7.3.3; Empfehlung II vom 31. Oktober 2006 in Sachen Saurer AG, Erw. 7.4). Gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK ist eine solche Bedingung auch im Falle eines Pflichtangebots gestattet. Vorliegend enthält der Angebotsprospekt nur eine aufschiebende Bedingung. Der Antrag der Anbieterin vom 24. Oktober 2008 (vgl. Sachverhalt lit. I), es sei die Zustimmung zu den auflösenden Bedingungen des Angebots zu gewähren, ist somit gegenstandslos.
7. Stellungnahme des Verwaltungsrates
7.1 Jahres- oder Zwischenabschluss
12. Art. 29 Abs. 1 BEHG verpflichtet den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft, die ihm bekannten und nicht veröffentlichten Angaben über den Gang der laufenden Geschäfte offen zu legen. Gemäss Praxis der Übernahmekommission darf der Bilanzstichtag des letzten veröffentlichten Jahres- oder Zwischenberichts der Zielgesellschaft bis zum Ende der Angebotsfrist nicht mehr als sechs Monate zurückliegen, andernfalls ist ein aktueller Zwischenbericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Der Zwischenbericht hat grundsätzlich denselben Rechnungslegungsstandard einzuhalten wie der Jahres- und Halbjahresbericht der Zielgesellschaft (vgl. Empfehlung I vom 3. April 2008 in Sachen Groupe Baumgartner Holding SA, Erw. 8.2; Empfehlung IV vom 9. Juni 2007 in Sachen Converium Holding AG, Erw. 14.2.2.3).
13. Sia hat per 30. Juni 2008 einen konsolidierten Zwischenabschluss erstellt und veröffentlicht. Der Zwischenbericht entspricht demselben Rechnungslegungsstandard (vorliegend IFRS/IAS) wie der Jahres- und Halbjahresbericht.
14. Der Verwaltungsrat führt in seinem Bericht aus, dass seit Bekanntgabe des letzten veröffentlichten Zwischenberichts per 30. Juni 2008 keine bedeutenden Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eingetreten seien. Zu den Geschäftsaussichten hält der Bericht fest, dass die Entwicklungen an den Finanzmärkten und deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft im zweiten Halbjahr 2008 einen generell negativen Einfluss auf die Ergebnisse industriell tätiger, exportorientierter Unternehmen haben könnten. Damit entspricht der Bericht in diesen Punkten den gesetzlichen Anforderungen.
7.2 Interessenkonflikte / Fairness Opinion
15. Gemäss Art. 31 Abs. 1 UEV-UEK hat der Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft auf allfällige Interessenkonflikte von Mitgliedern des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung hinzuweisen. Er muss im Besonderen die finanziellen Folgen des Angebots für die genannten Personen schildern. Der Bericht hat offen zu legen, ob die Mandate der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung zu gleichwertigen Bedingungen weitergeführt werden. Ansonsten sind die neuen Konditionen darzulegen. Verlassen Mitglieder des Verwaltungsrats oder der obersten Geschäftsleitung die Zielgesellschaft, ist anzugeben, ob sie eine Abgangsentschädigung erhalten und wie hoch diese ist. Die Angaben müssen individuell erfolgen (vgl. u.a. Empfehlung II vom 11. Januar 2008 in Sachen MicroValue AG, Erw. 8.2.1).
16. Mit Ausnahme des mit Anbieterin 2 abgeschlossenen Transaktionsvertrags bestehen gemäss Bericht keine vertraglichen oder sonstigen Bindungen zur Anbieterin (zum genauen Wortlaut vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt H.4b). Der Transaktionsvertrag verursacht bei der Zielgesellschaft keinen potentiellen Interessenkonflikt. Der jetzige Verwaltungsratspräsident, Peter A. Schifferle, wird zur Integration der sia in die Bosch-Gruppe als einziges bisheriges Mitglied im Verwaltungsrat der sia verbleiben. Um allfällige, sich daraus ergebende potentielle Interessenkonflikte auszuschliessen, ist Herr Schifferle bei der Beschlussfassung des Verwaltungsrats über das Angebot der Scintilla sowie über den Transaktionsvertrag in den Ausstand getreten. Anderweitige Interessenkonflikte der Verwaltungsratsmitglieder bestehen nicht (vgl. Angebotsprospekt, Abschnitt H.4b).
17. Darüber hinaus hat sia eine Expertin, die Sal. Oppenheim jr. & Cie. (Schweiz) AG beauftragt, die finanzielle Angemessenheit des öffentlichen Kaufangebots zu beurteilen („Fairness Opinion"). Die von Sal. Oppenheim jr. & Cie. (Schweiz) AG konkret für ihre Meinungsbildung verwendeten Informationen und herangezogenen Bewertungsmethoden, die getroffenen Bewertungsannahmen und die angewandten Parameter sowie deren Herleitung sind offengelegt, so dass die Angebotsempfänger die Einschätzung der Expertin nachvollziehen und folglich ihren Entscheid betreffend Annahme oder Ablehnung des Angebots in Kenntnis der Sachlage treffen können (vgl. Art. 29 Abs. 1 UEV-UEK). Die Fairness Opinion ist somit gemäss Art. 29 Abs. 4 UEV-UEK hinreichend begründet.
7.3 Übrige Informationen
18. In Bezug auf die Offenlegung weiterer Informationen entspricht der Verwaltungsratsbericht den gesetzlichen Anforderungen.
7.4 Nachführungspflicht
19. Den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft trifft in Bezug auf seinen Bericht und die Anbieterin2 in Bezug auf den Angebotsprospekt grundsätzlich eine Nachführungspflicht. Erlangt der Verwaltungsrat nach Publikation seines Berichts bzw. die Anbieterin 2 nach Publikation des Angebotsprospekts Kenntnis neuer Informationen bzw. Tatsachen, die für die Entscheidfindung der Empfänger des Angebots wesentlich sind, so müssen solche Informationen in Ergänzung des Berichts des Verwaltungsrats bzw. des Angebotsprospekts in derselben Form publiziert werden.
8. Befreiung von der Karenzfrist
20. Legt eine Anbieterin ein Angebot vor seiner Veröffentlichung samt Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft der Übernahmekommission zur Prüfung vor, und wird das Angebot von der Übernahmekommission als gesetzeskonform anerkannt, kann die Anbieterin von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist befreit werden (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK). Da die Anbieterin 2 diese Voraussetzungen erfüllt hat, wird sie von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist befreit.
9. Verlängerung der Nachfrist
21. Nach Art. 14 Abs. 5 UEV-UEK muss eine Anbieterin während 10 Börsentagen nach der Veröffentlichung des Ergebnisses ein Recht zur nachträglichen Annahme des Angebotes einräumen (Nachfrist).
22. Die Anbieterin 2 beantragt eine Verlängerung der Nachfrist (vgl. Sachverhalt lit. I) um 5 Börsentage, d.h. bis zum 15. Januar 2009. Ohne Verlängerung würde die Nachfrist am 8. Januar 2009 enden. Zur Begründung ihres Gesuchs macht die Anbieterin 2 geltend, dass der Ablauf der Nachfrist genau in die Weihnachts- bzw. Neujahrszeit falle, in der viele Anleger in die Ferien verreisen würden. Durch eine Fristerstreckung um 5 Börsentage bis zum 15. Januar 2009 könne sichergestellt werden, dass möglichst vielen Aktionären die Gelegenheit geboten werde, das Angebot anzunehmen. Eine Verlängerung der Angebotsfrist sei daher primär im Interesse der Aktionäre. Zudem solle bereits nach Ablauf der Hauptangebotsfrist (voraussichtlich am 22. Dezember 2008) ein erster Vollzug des Angebots stattfinden, womit das Interesse der Aktionäre an einem raschen Verkauf ihrer Aktien gewahrt werde. Schliesslich handle es sich bei der beantragten Verlängerung der Nachfrist von 5 Börsentagen um eine den Umständen angemessene moderate Verlängerung.
23. Bei der Frage nach der Verlängerung der Nachfrist ist grundsätzlich das Interesse der Aktionäre an einem raschen Vollzug des Angebots und dasjenige der Anbieterin 2 an einer höheren Andienungsquote aufgrund der verlängerten Nachfrist gegeneinander abzuwägen. Eine Verlängerung der Nachfrist bewirkt, dass diejenigen Aktionäre, welche bis zu diesem Zeitpunkt das Angebot noch nicht angenommen haben, in Kenntnis aller Fakten und in Ruhe entscheiden können, ob sie das Angebot doch noch annehmen wollen (vgl. Empfehlung IV vom 18. Dezember 2006 in Sachen Saurer AG, Erw. 1.3).
24. Dass die Nachfrist in die Weihnachts- bzw. Neujahrszeit fällt, vermag grundsätzlich eine Verlängerung derselben nicht zu rechtfertigen. Massgebend ist aber vorliegend, dass der Vollzug des Angebots voraussichtlich am 21. Januar 2009 und somit trotz Verlängerung um 5 Börsentage in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 6 UEV-UEK innerhalb von 10 Börsentagen nach Ablauf der ordentlichen Nachfrist stattfinden wird. Eine Nachfristverlängerung führt mithin nicht zu einer späteren Abwicklung des Angebots. Das Interesse der Aktionäre an einem raschen Vollzug des Angebots bleibt damit gewahrt.
25. Der Anbieterin 2 ist folglich eine Ausnahme i.S. von Art. 4 UEV-UEK zu gewähren. Die Nachfrist kann um 5 Börsentage, d.h. bis zum 15. Januar 2009, verlängert werden.
10. Rückzug oder weitere Suspendierung des Angebots der BDS
26. Am 17. November 2008 hat BDS ein Gesuch um Widerruf ihres Angebots, eventualiter um erneute Verlängerung ihrer Frist zur Publikation eines Angebots gestellt (vgl. Sachverhalt lit. M).
27. BDS hat am 26. August 2008 ihr Angebot 1 landesweit publiziert (vgl. Sachverhalt lit. C). Das Angebot ist an mehrere Bedingungen geknüpft. Die Frist zur Publikation des Angebots von BDS wurde mehrmals verlängert, vorerst bis zum 21. November 2008 (vgl. Sachverhalt lit. H). BDS bleibt jedoch nach wie vor an ihr Angebot gebunden. Selbst eine allfällige Veräusserung des Aktienpakets (vgl. nachfolgend N 28) entbindet einen Angebotspflichtigen grundsätzlich nicht von seiner Pflicht, ein Angebot zu unterbreiten (vgl. Empfehlung III vom 28. Juni 2007 in Sachen GNI Global Net International AG, Erw. 2.2).
28. Das Angebot 2 offeriert den Angebotsempfängern einen höheren Betrag (CHF 435 gegenüber CHF 385). Das Angebot 2 ist jedoch auch an eine Bedingung geknüpft. BBC hat mit der Anbieterin 2 einen Aktienkaufvertrag abgeschlossen, wonach die Anbieterin 1 alle ihre sia-Namenaktien, welche sie bereits erworben hat, an die Anbieterin 2 veräussern wird (vgl. Sachverhalt lit. E). Der Aktienkaufvertrag enthält überdies eine Bestimmung, wonach die Anbieterin 1 alle im Zusammenhang mit ihrem gegebenenfalls zu publizierenden Kaufangebot erworbenen sia-Namenaktien an die Anbieterin 2 zu veräussern hat (vgl. Angebotsprospekt lit. A).
29. Im Fall von konkurrierenden Angeboten müssen die Aktionäre die verschiedenen Angebote miteinander vergleichen und das ihnen zusagende Angebot grundsätzlich frei wählen können (Art. 30 Abs. 1 BEHG). Dabei können sie sich auch auf nicht rein wirtschaftliche Überlegungen stützen, wie z.B. gewisse Charakteristika einer Anbieterin oder deren Absichten betreffend die Zielgesellschaft (vgl. dazu auch Empfehlung III vom 20. Dezember 2007 in Sachen Implenia AG - Verwaltungsratsbericht / Abwehrmassnahmen, Erw. 1.2.2.5) Ein Widerruf eines der konkurrierenden Angebote steht daher grundsätzlich im Widerspruch zu diesem Wahlrecht. Deshalb erscheint es auch zweifelhaft, ob Art. 51 Abs. 1 UEV-UEK mit Art. 30 Abs. 1 BEHG überhaupt vereinbar ist (vgl. dazu auch Empfehlung II vom 11. Juni 2003 in Sachen Centerpulse AG, Erw. 4.4).
30. Vorliegend handelt es sich um zwei Pflichtangebote, sodass den Aktionären grundsätzlich in jedem Fall ein Ausstiegsrecht aus ihrer Beteiligung zu ermöglichen ist. Beide Pflichtangebote sind an Bedingungen geknüpft, weshalb vorab nicht feststellbar ist, ob zumindest eines der beiden Angebote mit Sicherheit vollzogen werden kann und die Minderheitsaktionäre von ihrem Ausstiegsrecht Gebrauch machen können. Die Gewährung der beantragten Fristverlängerung zur Publikation des Angebots 1 (vgl. Sachverhalt lit. M) hat für die Aktionäre daher den Vorteil, dass sie im Fall des ausbleibenden Vollzugs des Angebots 2 nach wie vor eine Ausstiegsmöglichkeit aus ihrer Beteiligung hätten. In Abweichung von Art. 50 Abs. 1 UEV-UEK ist daher das Angebot 1 nicht parallel zum Angebot 2 zu veröffentlichen, sondern es ist der Anbieterin 1 ihre beantragte Fristverlängerung zur Veröffentlichung ihres Angebots bis nach der Abwicklung des Angebots 2 zu gewähren. Sollte das Angebot 2 nicht zustande kommen oder nicht vollzogen werden können, hat die Anbieterin 1 ihr Angebot zu veröffentlichen und den Minderheitsaktionären den ihnen aufgrund des Pflichtangebots zustehenden Ausstieg zu ermöglichen.
31. Wird das Angebot 2 ordnungsgemäss vollzogen, ist über das weitere Schicksal des Angebots1 zu entscheiden. Die Anbieterin 1 hat den Widerruf ihres Angebots beantragt (vgl. Sachverhalt lit. M). Ein Widerruf des Angebots 1 ist daher frühestens dann in Betracht zu ziehen, wenn Klarheit darüber herrscht, dass das Angebot 2 vollzogen worden ist.
32. Ob das Angebot 2 zustande gekommen ist und vollzogen wurde, kann erst nach der Bestätigung der ordnungsgemässen Abwicklung desselben durch die Prüfstelle mit Sicherheit festgestellt werden. Die Prüfstelle der Anbieterin 2 wird daher angewiesen, den ordnungsgemässen Vollzug des Angebots 2 innert zwei Wochen nach dessen Abwicklung gegenüber der Übernahmekommission zu bestätigen.
11. Information der Öffentlichkeit über die Suspendierung des Angebots von BDS
33. Die Anbieterin 1 hat die Öffentlichkeit am Tag der Veröffentlichung des Angebots von Scintilla über die Fristverlängerung für die Publikation ihres Angebotsprospekts bis nach dem Vollzugsdatum des Angebots 2, in analoger Anwendung von Art. 8 UEV-UEK vor Börsenbeginn in mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien zu informieren. Die Information der Öffentlichkeit muss zudem innerhalb von drei Börsentagen in denjenigen Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht werden, in welchen die Voranmeldung sowie die Fristverlängerungen aufgrund der Empfehlungen I und II in Sachen sia publiziert wurden. Die Anbieterin 1 hat in ihrer Information auf die vorliegende Empfehlung und auf deren Veröffentlichung unter www.takeover.ch zu verweisen.
12. Publikation
34. Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation des Angebotsprospekts der Scintilla auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
13. Gebühr
35. Das Angebot der Anbieterin 2 umfasst maximal 326'217 sia-Namenaktien zum Angebotspreis von CHF 435. Der Wert des gesamten Angebots liegt somit bei CHF141'904'395. Gemäss Art.62 Abs.2 i.V.m Art. 62 Abs. 3 UEV-UEK wird folglich eine Gebühr von CHF 70'900 zu Lasten der Anbieterin 2 erhoben.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
- Das öffentliche Kaufangebot der Scintilla AG an die Aktionäre der sia Abrasives Holding AG entspricht dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995.
- Die Übernahmekommission befreit die Scintilla AG von der Pflicht zur Einhaltung der Karenzfrist (Art. 14 Abs. 2 UEV-UEK).
- Die Übernahmekommission verlängert die Nachfrist bis zum 15. Januar 2009 (Art. 14 Abs. 5 UEV-UEK).
- Die Prüfstelle der Scintilla AG wird angewiesen, den ordnungsgemässen Vollzug des Angebots der Scintilla AG innert zwei Wochen nach dessen Abwicklung gegenüber der Übernahmekommission zu bestätigen.
- Die Frist für die Veröffentlichung des Angebots von Behr Deflandre & Snozzi BDS AG für die sia Abrasives Holding AG wird bis nach dem Abwicklungsdatum des Angebots von Scintilla AG verlängert.
- Behr Deflandre & Snozzi BDS AG wird angewiesen, die Öffentlichkeit über diese Fristverlängerung gemäss Erwägung 11 zu informieren.
- Die vorliegende Empfehlung wird am Tag der Publikation des Angebotsprospekts der Scintilla AG auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr zu Lasten der Scintilla AG beträgt CHF 70'900.
Der Präsident:
Luc Thévenoz
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
- sia Abrasives Holding AG (vertreten durch Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte, Dr. Martin Weber);
- Behr Deflandre & Snozzi BDS AG (vertreten durch Bär & Karrer AG, Dr. Dieter Dubs);
- Scintilla AG (vertreten durch Dr. Heinz Schärer, Homburger AG);
- Eidgenössische Bankenkommission;
- Prüfstelle.