Transaktionen
0292 - SCHMOLZ + BICKENBACH AG
Empfehlung VI in Sachen Schmolz + Bickenbach AG vom 15. Mai 2008
Gesuch von SCHMOLZ + BICKENBACH Stahlcenter AG, SCHMOLZ + BICKENBACH Holding AG in Gründung, SCHMOLZ + BICKENBACH KG, SBGE Stahl Holding AG sowie Gebuka AG und Dr. Gerold Büttiker betreffend Gewährung einer Ausnahme von der Ange-botspflicht bzw. Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht nach Art. 32 BEHG betreffend die SCHMOLZ + BICKENBACH AG
A.
Die SCHMOLZ + BICKENBACH AG (vormals Swiss Steel AG; „S+B AG“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Emmen. Sie verfügt über ein Aktienkapital von CHF 300'000'000, eingeteilt in 30'000'000 Namenaktien zu je CHF 10 Nennwert, welche an der SWX Swiss Exchange („SWX“) im Segment SWX Local Caps kotiert sind (SWX: STLN).
B.
Die SCHMOLZ + BICKENBACH Holding AG („S+B Holding AG“) ist eine sich in Gründung befindliche Aktiengesellschaft, welche ihren Sitz in Wil/SG haben wird. Die S+B Holding AG wird zu 100% von der S+B Stahlcenter AG („S+B Stahlcenter AG“, vormals Schmolz + Bickenbach AG) und damit indirekt über die SCHMOLZ + BICKENBACH Beteiligungs GmbH („S+B Beteiligungs GmbH“) und die SCHMOLZ + BICKENBACH Beteiligungs GmbH & Co. KG, von der SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE („S+B KG“), gehalten. Die S+B KG ist eine Kommanditgesellschaft nach deutschem Recht.
C.
Hauptaktionäre der S+B AG sind die SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG („SBGE“), mit 42.07%, die SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG, Wil/SG („S+B Finanz AG“), mit 27.40% und die Schmolz + Bickenbach Beteiligungs GmbH, Deutschland, mit 5.7%. Die S+B Beteiligungs GmbH wird indirekt über die SCHMOLZ + BICKENBACH Beteiligungs GmbH & Co. KG zu 100% von der S+B KG gehalten. Die gesamte Beteiligung der drei Hauptaktionäre an der S+B AG beträgt 75.17% (Stimm- und Wertrechte).
D.
Die SBGE wird zu 80% indirekt über die S+B Stahlcenter AG von der S+B KG gehalten. Die anderen 20% werden indirekt über die Gebuka AG, Neuheim/ZG („Gebuka“), durch Dr. Gerold Büttiker, Feldbach/ZH, gehalten.
E.
Die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka sind gegenwärtig durch einen Aktionärbindungsvertrag („ABV I“) datierend vom 5. Januar 2004 verbunden, welcher durch einen Zusatz vom 13. Mai 2005 abgeändert wurde. Neben gegenseitigen Kaufs-, Verkaufs- und Vorkaufsrechten regelt der ABV I, dass die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka eine ihrem Anteil an der SBGE entsprechende Anzahl Verwaltungsräte für die SBGE und die S+B AG ernennen können, wobei der Gebuka mindestens ein Sitz zukommt und die S+B Stahlcenter AG berechtigt ist, den Präsidenten vorzuschlagen. Der ABV I statuiert, das Organisationsreglement der SBGE müsse vorsehen, dass Beschlüsse des Verwaltungsrats der SBGE über die Besetzung des Verwaltungsrates der S+B AG, die Instruktion dieser Verwaltungsratsmitglieder und die Beschlüsse über die Vertretung der Aktienstimmen in der Generalversammlung der S+B AG einstimmig zu treffen sind. Dies wurde im Organisationsreglement der SBGE denn auch gemäss den Vorgaben des ABV I festgehalten.
F.
Im Rahmen anderer (durchgeführter oder geplanter) Transaktionen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des SCHMOLZ + BICKENBACH-Konzerns sind bisher folgende Empfehlungen der Übernahmekommission in Sachen SCHMOLZ + BICKENBACH AG ergangen: Empfehlung I vom 3. Oktober 2006, Empfehlung II vom 10. Oktober 2006, Empfehlung III vom 14. November 2006, Empfehlung IV vom 20. April 2007, Empfehlung V vom 27. April 2007.
G.
Gegenwärtig können die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse zusammengefasst wie folgt dargestellt werden:
H. Mit Gesuch vom 29. April 2008 stellten die S+B Stahlcenter AG, S + B Holding AG, S+B KG und SBGE folgende Anträge:
„1. Es sei den Gesuchstellern für die Durchführung der in diesem Gesuch bezeichneten Entflechtung eine Ausnahmebewilligung von der Angebotspflicht i.S.v. Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHG zu erteilen.
2. Es sei festzustellen, dass die unmittelbar nach erfolgter Entflechtung durchzuführende Übertragung der von der SBGE Stahl Holding AG gehaltenen Aktien an der SCHMOLZ + BICKENBACH AG an die Gebuka AG keine Angebotspflicht auslöst.
3. Es sei festzustellen, dass der nach erfolgter Entflechtung beginnende Verkauf von 904'996 der durch SBGE Stahl Holding AG oder Gebuka AG nach Abschluss der Entflechtung gehaltenen Aktien der SCHMOLZ + BICKENBACH AG keine Angebotspflicht auslöst.
4. Es sei festzustellen, dass die per 31.12.2008 beabsichtigte Absorption der SBGE Stahl Holding AG durch Gebuka AG keine Angebotspflicht auslöst.
5. Bei einer etwaigen Ablehnung eines Antrags gemäss Ziffer 1, 2, 3 und/oder 4 sei die Empfehlung der Übernahmekommission nicht zu veröffentlichen.“
I.
Mit Eingabe ebenfalls vom 29. April 2008 schlossen sich die Gebuka und Dr. Büttiker diesen Anträgen und der im Gesuch vorgebrachten Begründung vollumfänglich an (S+B Stahlcenter AG, S+B Holding AG, S+B KG, SBGE sowie Gebuka und Dr. Büttiker werden nachfolgend gemeinsam als „Gesuchsteller“ bezeichnet).
J.
Die vom 5. Mai 2008 datierende Stellungnahme des Verwaltungsrates der S+B AG, erstattet durch die unabhängigen Verwaltungsratsmitglieder Hans-Peter Zehnder und Benoît D. Ludwig, ging am 7. Mai 2008 bei der Übernahmekommission ein. Der Verwaltungsrat ist der Ansicht, das Gesuch sei zu genehmigen.
K.
Die Gesuchsteller beabsichtigen, die Struktur ihrer Beteiligungen an der S+B AG zu entflechten, ohne dass dadurch eine wesentliche Veränderung der Kontrolle an der S+B AG bewirkt und eine Angebotspflicht ausgelöst wird. Die einzelnen Entflechtungsschritte sollen wie folgt ausgestaltet sein:
1. Die S+B Stahlcenter AG überträgt ihre 80%ige Beteiligung an der SBGE sowie den heute bestehenden ABV I auf die noch zu gründende S+B Holding AG. Die S+B Holding AG wird indirekt zu 100% von der S+B KG gehalten werden. Dr. Büttiker wird indirekt über die Gebuka weiterhin mit 20% an der SBGE beteiligt sein.
2. a) Die SBGE führt eine von der Generalversammlung beschlossene Kapitalherabsetzung um CHF 12'000'000, d.h. von CHF 15'000'000 auf CHF 3'000'000 durch. Im Rahmen dieser Kapitalherabsetzung werden die von der S+B Holding AG gehaltenen 80% der Aktien der SBGE vernichtet. Die S+B Holding AG wird dafür mit der Ausschüttung von 11'060'430 Aktien der S+B AG (sowie CHF 88.65 in bar) abgegolten.
2. b) Gleichzeitig mit der Kapitalherabsetzung wird die S+B Holding AG weitere 55’600 Aktien der S+B AG (sowie einen Differenzbetrag) als Abgeltung für die Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten unter dem ABV I, insbesondere der im ABV I vorgesehenen Call-Option auf 20% der Aktien der SBGE, erhalten.
Die S+B Holding AG wird nach durchgeführter Transaktion insgesamt 11'116'030 Aktien, entsprechend 37.05% der Stimmrechte an der S+B AG halten. Die SBGE, bei welcher 5.02% der S+B AG verbleiben, wird nach der Kapitalherabsetzung zu 100% von der Gebuka gehalten.
3. Der bisherige ABV I wird aufgelöst und ein neuer ABV II wird zwischen der SBGE und der S+B Holding AG abgeschlossen. Auf den gleichen Zeitpunkt treten auch die Vertreter der S+B Gruppe aus dem Verwaltungsrat der SBGE zurück.
L.
Zusammenfassend kann gemäss Gesuch die Situation nach der vorliegend geplanten Entflechtung wie folgt dargestellt werden:
M.
Die SBGE überträgt unmittelbar nach erfolgter Entflechtung die von ihr gehaltenen Aktien der S+B AG auf die Gebuka, welche gleichzeitig dem ABV II als Partei beitreten wird. Schliesslich wird die Gebuka die SBGE per 31. Dezember 2008 absorbieren.
N.
Nach erfolgter Entflechtung ist zudem geplant, mit dem Verkauf der von der SBGE bzw. der Gebuka gehaltenen 904'996 (entsprechend 3.01% der Stimmrechte) S+B AG-Aktien, welche nicht dem ABV II unterstellt sind, an Dritte zu beginnen.
O.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Luc Thévenoz (Präsident), Herrn Raymund Breu und Frau Susan Emmenegger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Befreiung von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots
1.1 Ausgangslage und erster Schritt der Transaktion
1. Gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft unterbreiten.
2. Die S+B KG und Dr. Büttiker bilden aufgrund des zwischen S+B Stahlcenter AG und Gebuka betreffend die SBGE bestehenden ABV I eine Gruppe im Sinne von Art. 27 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BEHV-EBK, die mehr als 33 1/3% der Aktien der S+B AG hält. Sie übersteigen damit gemeinsam den Kontrollschwellenwert gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG (vgl. Empfehlung I, Erw. 1; Empfehlung IV, Erw. 1.3).
3. Mit dem ersten von den Gesuchstellern geplanten Transaktionsschritt – Einschub der S+B Holding AG zwischen die S+B KG und die SBGE (vgl. oben lit. K Ziff. 1) – ändern sich zwar die unmittelbar am ABV I Beteiligten, aber es geht damit keine Überschreitung der Schwelle von Art. 32 Abs. 1 BEHG einher und bezüglich der Kontrolle der S+B AG ändert sich nichts. Eine Angebotspflicht entsteht nicht.
1.2 Zweiter Schritt der Transaktion: Entstehen einer Angebotspflicht
4. Die von den Gesuchstellern geplante Transaktion (vgl. oben lit. K Ziff. 2) löst in ihrem weiteren Verlauf aber schon deshalb eine Angebotspflicht aus, weil die S+B Holding AG durch den Erwerb von 37.05% der S+B AG-Aktien von der SBGE alleine die Schwelle von 33 1/3% überschreitet.
5. Eine Angebotspflicht der S+B KG würde zudem auch dann ausgelöst, wenn die S+B Holding AG nach der Transaktion zwar weniger als 33 1/3%, aber mehr als 0.23% der Aktien der S+B AG hielte. Dies aus folgendem Grund: Die bisher von der SBGE gehaltene Beteiligung an der S+B AG war ausschliesslich der SBGE zuzurechnen; eine anteilsmässige Aufteilung zwischen den SBGE-Aktionären erfolgte nicht (vgl. dazu Empfehlung I, Erw. 1.2.2.3). Mit der nun vorgesehenen Transaktion wird die Beteiligung der SBGE an der S+B AG („SBGE-Paket“) aber in zwei Pakete aufgeteilt. Das eine dieser Pakete verbleibt zwar bei der SBGE. Da diese aber nach der Transaktion zu 100 % von der Gebuka gehalten wird, muss das Paket dem Gebuka-Alleinaktionär Dr. Büttiker zugerechnet werden („Paket Büttiker“). Das andere Paket wird nach der Transaktion von der S+B Holding AG gehalten und ist dadurch deren Konzernmutter S+B KG zuzurechnen („S+B-Paket“). Da die S+B KG vor der Transaktion über eine Beteiligung von 33.1% (S+B Finanz AG 27.4%, S+B Beteiligungs GmbH 5.7%) an der S+B AG verfügt, würde sie schon mit einem zusätzlichen Paket von mehr als 0.23 % der S+B AG-Aktien die Schwelle von 33 1/3 % überschreiten.
1.3 Ausnahme von der Angebotspflicht
6. Gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG und Art. 34 Abs. 1 BEHV-EBK kann in berechtigten Fällen eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt werden. Dies ist dann möglich, wenn sich die Kontrollverhältnisse in Bezug auf die Zielgesellschaft materiell nicht wesentlich ändern (vgl. Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 2A.394/2000 vom 2. Juli 2001 [Baumgartner Papiers Holding SA], Erw. 5c; Empfehlung vom 26. März 2002 in Sachen Bank Sarasin & Cie, Erw. 2.2; Empfehlung II vom 13. Juli 2001 in Sachen Afipa SA, Erw. 2.3). Eine Ausnahme ist in der Regel zu gewähren, wenn die Überschreitung der Schwelle von 33 1/3% innerhalb einer vertraglich oder auf eine andere Weise organisierte Gruppe erfolgt.
7. Zu prüfen ist nach dem Gesagten, ob mit der geplanten Transaktion die gemeinsame Kontrolle durch die S+B KG und Dr. Büttiker beibehalten bzw. nicht wesentlich verändert wird, so dass die Gruppe materiell bestehen bleibt und im Ergebnis kein Kontrollwechsel stattfindet. Ist dies der Fall, so kann die beantragte Ausnahme gewährt werden.
8. Hierzu sind zunächst diejenigen Elemente des ABV I aufzuzeigen, welche die Gruppe konstituieren (Erw. 1.3.1). Sodann ist zu prüfen, ob unter dem ABV II diese Elemente weiterhin vorhanden sind und in gleicher Weise wirken (Erw. 1.3.2). Schliesslich ist zu prüfen, ob der neue ABV II zusätzliche Elemente enthält, welche allenfalls zu wesentlichen Änderungen der gegenwärtig bestehenden Kontrollsituation führen (Erw. 1.3.3).
1.3.1 Die Gruppe konstituierende Elemente des ABV I
9. Warum der ABV I eine Gruppe im Sinne von Art. 27 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BEHV-EBK konstituiert, wurde bereits in Empfehlung I, Erw. 1 und Empfehlung IV, Erw. 1.3 dargestellt:
10. Der ABV I verlangt in Ziffer 3.4, dass das Organisationsreglement der SBGE Einstimmigkeit betreffend die Beschlüsse im Verwaltungsrat der SBGE über die Vertretung der Aktienstimmen in der Generalversammlung der S+B AG und auch betreffend die Instruktion des Verwaltungsrats der S+B AG vorsehen muss. Mit Ziffer 2.3.2 des Organisationsreglements vom 24. Juni 2004 der SBGE wurde diese Vorgabe umgesetzt. Die Parteien des ABV verfügen dadurch de facto über ein Vetorecht, mittels welchem jede Partei des ABV die Möglichkeit hat, entscheidenden Einfluss in wichtigen Fragen und Geschäften der S+B AG auszuüben. Kann über eine (wichtige) Frage zwischen der S+B Stahlcenter und der Gebuka und dadurch im Verwaltungsrat der SBGE kein Einvernehmen erzielt werden, ist gemäss ABV und Organisationsreglement der SBGE somit davon auszugehen, dass der Vertreter des SBGE Aktienanteils (sei es nun ein externer Dritter oder ein Verwaltungsrat der SBGE) in der Generalversammlung der S+B AG sich (bzw. die SBGE als Aktionärin) für ein bestimmtes Traktandum als nicht vertreten erklären lassen muss.
1.3.2 Vergleich zwischen bestehendem ABV I und neuem ABV II
11. Die Gesuchsteller haben der UEK die ABV I und II eingereicht und in einer kommentierten Synopsis deren wichtigsten Bestimmungen miteinander verglichen.
12. Im Gegensatz zum ABV I, der sich auf die Beteiligungen der Parteien an der SBGE bezieht, betrifft der ABV II unmittelbar die Beteiligungen an der S+B AG. Mit Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Kontrollverhältnisse bei der S+B AG entsprechen die im ABV II vorgesehenen Regeln aber trotz dieses Unterschieds den gegenwärtigen Verhältnissen:
13. Insbesondere wird das bisher bestehende „de facto“-Vetorecht (vgl. oben N. 10) übernommen: In ABV II Ziff. 2.3 verpflichten sich die Parteien, „Beschlüsse über die Besetzung des Verwaltungsrates der S+B AG sowie die Instruktionen dieser Verwaltungsratsmitglieder und Beschlüsse über die Vertretung der ABV-Aktien in der Generalversammlung der S+B AG einstimmig zu fassen“.
14. Zudem wird mit ABV II Ziff. 2.1 auch das derzeit bestehende Verhältnis von 4 Verwaltungsratsmitgliedern für die S+B-Seite zu 1 Verwaltungsratsmitglied für die Seite Gebuka/Dr. Büttiker beibehalten und fixiert.
1.3.3 Zusätzliche wesentliche Elemente in ABV II
15. Die Gesuchsteller gehen davon aus, dass die ebenfalls in der kommentierten Synopsis enthaltene ABV II Ziff. 1.2 für die Kontrolle der S+B AG nicht wesentlich ist. Von vornherein unwesentlich erscheint diese jedoch nicht, weshalb sie näher zu betrachten ist.
16. Zur Erinnerung: Die 12'621'026 bisher von der SBGE gehaltenen (und damit mittelbar vom ABV I erfassten) S+B AG-Aktien werden aufgeteilt in ein Paket von 11'116'030 S+B AG-Aktien, das von der S+B Holding AG gehalten wird und indirekt der S+B KG zuzurechnen ist („S+B-Paket“), und in ein Paket von 1'504'996 S+B AG-Aktien, das bei der SBGE verbleibt und nach durchgeführter Transaktion indirekt Dr. Büttiker zuzurechnen ist („Paket Büttiker“, vgl. oben lit. K und L sowie N. 5).
17. ABV II Ziff. 1.2 lautet wie folgt: „Die Parteien vereinbaren, 600'000 der von der SBGE gehaltenen S+B-Aktien sowie sämtliche 11'116'030 von der S+B Holding gehaltenen S+B-Aktien […] vollumfänglich den Bestimmungen dieses Vertrags zu unterwerfen. Die übrigen 904'996 von der SBGE gehaltenen S+B-Aktien […] werden von diesem Vertrag nur insoweit erfasst, als dies ausdrücklich stipuliert wird […].“ Die 904'996 befreiten Aktien des Pakets Büttiker werden insbesondere von der in Ziff. 2.3 vorgesehenen Stimmbindung und dem in Ziff. 3.1 vorgesehenen Übertragungsverbot nicht erfasst.
18. Für den Weiterbestand der gemeinsamen Kontrolle spielt diese „Befreiung“ von Aktien bei rein formeller Betrachtung keine Rolle. Insbesondere könnte das infolge des Einstimmigkeitserfordernisses de facto bestehende Vetorecht (vgl. oben N 10) selbst dann noch ausgeübt werden, wenn Dr. Büttiker nur noch über eine einzige Aktienstimme verfügen würde.
19. Mit dieser streng formellen Betrachtung wird der vorliegenden Situation jedoch nicht genügend Rechnung getragen. Sie würde es den Parteien nämlich erlauben, den ABV II nur pro forma, d.h nur zwecks Aufrechterhaltung der übernahmerechtlichen Aussenwirkung (Verhinderung der Entstehung einer Angebotspflicht) abzuschliessen.
20. Von einem weiterhin ernst gemeinten ABV könnte daher vorliegend nicht ausgegangen werden, wenn nach der Aufteilung des dem ABV I indirekt vollumfänglich unterstellten SBGE-Pakets in ein S+B-Paket und in ein Paket Büttiker nur ein kleiner Bruchteil des Pakets Büttiker vom ABV II erfasst würde.
21. Die Gesuchsteller bringen vor, die in Ziff. 1.2 ABV II vorgesehenen 600'000 vom ABV II erfassten Aktien hätten einen Börsenwert von CHF 54.9 Mio. (gemäss Börsenschlusskurs vom 28. Dezember 2007: CHF 91.50). Folglich könne nicht argumentiert werden, deren Unterstellung unter den ABV II erfolge nur pro forma.
22. Zwar verkörpern die 600'000 dem ABV II unterstellten S+B AG-Aktien tatsächlich einen erheblichen Wert (CHF 54.75 Mio. gemäss Börsenschlusskurs vom 13. Mai 2008: CHF 91.25). Allein daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, die bisherige Aktionärsgruppe bestehe materiell unverändert weiter. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass die 600'000 Aktien nur noch knapp 40% des gesamten Pakets Büttiker entsprechen. Mit der vorgesehenen Transaktion wird damit ein erheblicher Schritt in Richtung Ausstieg von Dr. Büttiker aus seinem Engagement in der S+B AG und in Richtung Auflösung der Aktionärsgruppe getan.
23. Immerhin verbleiben aber seitens Dr. Büttiker mit den 600'000 Aktien 2% aller Stimmrechte an der S+B AG unter dem ABV. Gemäss dem am 1. Januar 2009 in Kraft tretenden Art. 33b Abs. 3 nBEHG werden Aktionäre mit mindestens 2% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft selbständig Parteistellung beanspruchen können. Der Gesetzgeber vermutet damit für jeden Aktionär ab 2% ein besonderes direktes und schützenswertes Interesse an der Zielgesellschaft. In Analogie zu dieser gesetzgeberischen Wertung ist auch das ernsthafte Interesse von Dr. Büttiker an den im ABV II getroffenen Regelungen nachvollziehbar. Die mit der vorliegenden Transaktion einhergehende Veränderung der Kontrollverhältnisse ist damit gerade noch derart, dass eine Beibehaltung der gemeinsamen Kontrolle durch die S+B KG und Dr. Büttiker vorliegt. Würde die Beteiligung von Dr. Büttiker dem ABV noch weiter entzogen, so läge vorliegend jedoch eine Veränderung der Kontrollverhältnisse vor, die materiell als Kontrollwechsel eingestuft werden müsste. Dies selbst dann, wenn der absolute Wert der dem ABV II unterstehenden Beteiligung an sich nicht unerheblich wäre.
24. Die weiteren Bestimmungen von ABV I und ABV II sind für die Beibehaltung der gemeinsamen Kontrolle unerheblich.
1.3.4 Fazit: Beantragte Ausnahme kann gewährt werden
25. Wie gezeigt, bleibt trotz Überschreitung der Schwelle von 33 1/3% der Stimmrechte der S+B AG durch die S+B Holding AG (direkt) und die S+B KG (indirekt) mit der Vornahme der oben unter lit. K dargestellten Entflechtungsschritte die gemeinsame Kontrolle durch die S+B KG und Dr. Büttiker gerade noch bestehen und es findet im Ergebnis kein Kontrollwechsel statt. Die beantragte Befreiung von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots kann daher gewährt werden.
2. Feststellungsbegehren
2.1 Übertragung der Aktien der SBGE auf die Gebuka
26. Nach durchgeführter Entflechtung (vgl. oben lit. K) ist die SBGE eine zu 100% von der Gebuka gehaltene und entsprechend von ihr kontrollierte Tochtergesellschaft. Nach der Übertragung der 1'504'996 S+B Aktien (entsprechend 5.02% der Stimmrechte) von der SBGE auf die Gebuka hält die Gebuka insgesamt 5.07% der Stimmrechte. Die Schwelle von 33 1/3% gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG wird nicht überschritten. Eine Angebotspflicht der Gebuka bzw. von Dr. Büttiker wird folglich nicht ausgelöst.
27. Da die Gebuka gleichzeitig mit der Übertragung der Aktien dem ABV II beitritt, bleiben die Aktien in gleicher Weise vom ABV II erfasst, wie vor der Übertragung. Damit ändert sich auch nichts an der gemeinsamen Kontrolle durch die Gruppe S+B KG/Dr. Büttiker (vgl. oben Erw. 1.1). Ein Kontrollwechsel findet demnach nicht statt, eine Angebotspflicht wird folglich nicht ausgelöst.
28. Damit ist festzustellen, dass die nach Durchführung der Entflechtung erfolgende Übertragung der S+B AG-Aktien der SBGE auf die Gebuka unter gleichzeitigem Beitritt der Gebuka zum ABV II keine Angebotspflicht auslöst.
2.2 Absorption der SBGE durch die Gebuka
29. Die Absorption der SBGE durch die Gebuka ist per 31. Dezember 2008 geplant. Die Übertragung der Aktien unter gleichzeitigem Beitritt der Gebuka zum ABV II (vgl. oben Erw. 2.1) soll zu diesem Zeitpunkt bereits stattgefunden haben. Damit wird die Gebuka mit der SBGE eine Gesellschaft absorbieren, die keine S+B AG-Aktien mehr hält. Diese Transaktion hat weder einen Einfluss auf die Zahl der von der Gebuka gehaltenen S+B AG-Aktien, noch einen Einfluss auf die Kontrollverhältnisse. Eine Angebotspflicht wird unter diesen Umständen mit der Absorption der SBGE durch die Gebuka per 31. Dezember 2008 folglich nicht ausgelöst, was entsprechend festzustellen ist.
2.3 Verkauf von 904'996 Aktien des Pakets Büttiker an Dritte
30. Solange Dr. Büttiker die vom ABV freigestellten 904'996 Aktien weiterhin hält, sind sie in der vorliegenden Konstellation trotz „Befreiung“ weiterhin der Aktionärsgruppe zuzurechnen. Für den materiellen Weiterbestand der gemeinsamen Kontrolle genügt es aber, wenn seitens Dr. Büttiker die SBGE bzw. die Gebuka die 600'000 explizit dem ABV II unterstellten Aktien behält (vgl. oben Erw. 1.3.3) und die ABV-Parteien gemeinsam die Schwelle von 33 1/3 % gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG nicht unterschreiten. Eine Angebotspflicht der Gesuchsteller entsteht mit dem Verkauf von 904'996 Aktien der SBGE bzw. Gebuka an unverbundene Dritte daher nicht, was entsprechend festzustellen ist.
3. Publikation
31. Nachdem den Anträgen 1 bis 4 vollumfänglich gefolgt wird, wird Antrag 5 betreffend Verzicht auf Publikation hinfällig.
32. In Anwendung von Art. 35 Abs. 2bis BEHV-EBK sind die Ausnahmegewährung und die Feststellungen des Nichtbestehens einer Angebotspflicht mit der Auflage für die S+B AG zu verbinden, die Stellungnahme ihres Verwaltungsrats (vgl. oben lit. J) zu veröffentlichen. Der Bericht muss landesweite Verbreitung finden, indem er in zwei oder mehreren Zeitungen auf deutsch und französisch veröffentlicht wird. Zudem muss er mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien, welche Börseninformationen verbreiten, zugestellt werden (Art. 35 Abs. 2bis BEHV-EBK i.V.m. Art. 29 Abs. 1 BEHG i.V.m. Art. 32 und Art. 18 Abs. 1 und 2 UEV-UEK). Zusammen mit der Stellungnahme des Verwaltungsrats ist auch der Wortlaut von Art. 35 Abs. 2quater BEHV-EBK zu veröffentlichen.
33. Zudem sind die Ausnahmegewährung und die Feststellungen des Nichtbestehens einer Angebotspflicht in Anwendung von Art. 35 Abs. 2ter BEHV-EBK im SHAB zu veröffentlichen. Die Zielgesellschaft ist aufzufordern, diese Veröffentlichung – zeitgleich mit der Publikation des Verwaltungsratsberichtes – spätestens am 30. Mai 2008 vorzunehmen.
34. Die vorliegende Empfehlung wird am Tag der Veröffentlichung im SHAB gemäss Art. 23 Abs. 3 BEHG auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
4. Gebühr
35. In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Gewährung einer Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes eine Gebühr erhoben. Diese wird auf CHF 50'000 festgesetzt. Die Gesuchsteller haften hierfür solidarisch.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
- Den Gesuchstellern wird für die geplante Entflechtungstransaktion eine Ausnahme von der Pflicht gewährt, den Aktionären der SCHMOLZ + BICKENBACH AG ein öffentliches Kaufangebot zu unterbreiten.
- Es wird festgestellt, dass die unmittelbar nach erfolgter Entflechtung geplante Übertragung der von der SBGE Stahl Holding AG gehaltenen Aktien der SCHMOLZ + BICKENBACH AG auf die Gebuka AG bei gleichzeitigem Beitritt der Gebuka AG zum zwischen den vorgenannten Parteien bestehenden Aktionärsbindungsvertrag keine Angebotspflicht auslöst.
- Es wird festgestellt, dass die nach Übertragung der Aktien der SCHMOLZ + BICKENBACH AG von der SBGE Stahl Holding AG auf die Gebuka AG per 31. Dezember 2008 geplante Absorption der SBGE Stahl Holding AG durch Gebuka AG keine Angebotspflicht auslöst.
- Es wird festgestellt, dass der unmittelbar nach erfolgter Entflechtung beginnende Verkauf von 904'996 der durch die SBGE Stahl Holding AG oder Gebuka nach Abschluss der Entflechtung gehaltenen Aktien der SCHMOLZ + BICKENBACH AG an unverbundene Dritte keine Angebotspflicht auslöst.
- Die SCHMOLZ+BICKENBACH AG wird aufgefordert, die Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Dispositiv-Ziffer 1 und die Feststellungen gemäss Dispositiv-Ziffern 2 bis 4 sowie die Stellungnahme ihres Verwaltungsrats entsprechend Erwägung 3, N. 32 und 33, zu veröffentlichen.
- Die vorliegende Empfehlung wird am Tag der Veröffentlichung im SHAB auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
- Die Gebühr zu Lasten der Gesuchsteller beträgt CHF 50'000, unter solidarischer Haftung.
Der Präsident:
Luc Thévenoz
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Gemäss Art. 35 Abs. 2quater BEHV-EBK können die an der Zielgesellschaft Beteiligten innert zehn Börsentagen bei der EBK den Erlass einer anfechtbaren Verfügung verlangen. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu laufen.
Mitteilung an:
-
Die Gesuchsteller (Seite Schmolz + Bickenbach vertreten durch Baker & McKenzie, RA Dr. Lukas Glanzmann und RA Bernhard Rubin; Seite Dr. Büttiker vertreten durch Nobel & Hug Rechtsanwälte, RA Dr. Christoph Peter).
-
Eidgenössische Bankenkommission.