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0672 - SHL Telemedicine Ltd.

Verfügung 672/07 vom 29. Mai 2019

Verfügung über die Anpassung des Angebotspreises betreffend das Pflichtangebot an die Aktionäre von SHL Telemedicine Ltd.

Sachverhalt:

A.
SHL Telemedicine Ltd. (SHL) ist eine Aktiengesellschaft israelischen Rechts mit Sitz in Tel Aviv, Israel. SHL entwickelt und vermarktet innovative Telemedizinsysteme. Das Aktienkapital von SHL beträgt 108'785 Israeli Shequel (NIS) und ist eingeteilt in 10'878'491 Namenaktien mit einem Nennwert von NIS 0.01 (SHL-Aktien). Alle ausstehenden SHL-Aktien berechtigen zu einer Stimme. Die SHL-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) mit dem Symbol SHL TN kotiert.

B.
Mit Verfügung 672/01 vom 26. Januar 2018 (Verfügung 672/01) entschied die Übernahmekommission (UEK), dass Himalaya (Cayman Islands) TMT Fund, Himalaya Asset Management Ltd., Xiang Xu und Kun Shen (gemeinsam die Himalaya Untergruppe) und Mengke Cai verpflichtet sind, ein öffentliches Kaufangebot für alle kotierten SHL-Aktien zu einem Preis von CHF 8.70 pro SHL-Aktie zu unterbreiten (Verfügung 672/01, Dispositiv Ziff. 1). Der Himalaya Untergruppe und Mengke Cai (beide gemeinsam die angebotspflichtige Gruppe) wurde eine Frist von zwei Monaten angesetzt, um das öffentliche Kaufangebot zu publizieren (Verfügung 672/01, Dispositiv Ziff. 2).

C.
Mit Verfügung 672/02 vom 21. März 2018 (Verfügung 672/02) verlängerte die UEK die Frist zur Unterbreitung des öffentlichen Pflichtangebots durch die angebotspflichtige Gruppe an die Aktionäre von SHL bis zum 30. Juni 2018 (Verfügung 672/02, Dispositiv Ziff. 1). Zudem wurde der angebotspflichtigen Gruppe die Auflage erteilt, die UEK alle zwei Wochen über die Fortschritte betreffend die Durchführung und die Finanzierung des Pflichtangebots zu informieren (Verfügung 672/02, Dispositiv Ziff. 2).

D.
Mit Verfügung 672/03 vom 27. Juni 2018 (Verfügung 672/03) verlängerte die UEK die Frist zur Unterbreitung des öffentlichen Pflichtangebots durch die angebotspflichtige Gruppe an die Aktionäre von SHL nochmals bis zum 31. August 2018 (Verfügung 672/03, Dispositiv Ziff. 1). Zudem wurde der angebotspflichtigen Gruppe die Auflage erteilt, die UEK wöchentlich über die Fortschritte betreffend die Durchführung und die Finanzierung des Pflichtangebots zu informieren (Verfügung 672/03, Dispositiv Ziff. 2).

E.
Mit Verfügung 672/04 vom 1. September 2018 (Verfügung 672/04) verlängerte die UEK die Frist zur Unterbreitung eines öffentlichen Pflichtangebots durch die angebotspflichtige Gruppe an die Aktionäre von SHL nicht (Verfügung 672/04, Dispositiv Ziff. 1) und stellte fest, dass das öffentliche Pflichtangebot der angebotspflichtigen Gruppe an die Aktionäre von SHL nicht fristgerecht unterbreitet worden war (Verfügung 672/04, Dispositiv Ziff. 2). Ferner wurden alle Stimmrechte und damit zusammenhängenden Rechte der angebotspflichtigen Gruppe aus den Aktien von SHL mit sofortiger Wirkung bis zur Publikation eines von der Übernahmekommission genehmigten Pflichtangebots suspendiert (Verfügung 672/04, Dispositiv Ziff. 3).

F.
Mengke Cai und die Himalaya Untergruppe fochten die Verfügung 672/04 mit Beschwerde vom jeweils 7. September 2018 bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA in allen Punkten an (act. 182/1 für die Beschwerde von Mengke Cai und act.184/1 für die Beschwerde der Himalaya Untergruppe).

G.
Mit Verfügung vom 23. November 2018 wies der Übernahme- und Staatshaftungsausschuss der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA die Beschwerden von Mengke Cai und der Himalaya Untergruppe gegen die Verfügung 672/04 ab (Verfügung der FINMA vom 23. November 2018; act. 200/3).

H.
Am 7. Dezember 2018 gingen zwei Zwischenverfügungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) in der Geschäfts-Nr. B-6879/2018 (Beschwerdesache Mengke Cai gegen Verfügung der FINMA vom 23. November 2018; act. 207; BVGer Zwischenverfügung 1) und in der Geschäfts-Nr. B-6887/2018 (Beschwerdesache Himalaya Untergruppe gegen Verfügung der FINMA vom 23. November 2018; act. 208; BVGer Zwischenverfügung 2) u.a. bei der UEK ein. Mit diesen Zwischenverfügungen bestätigte das BVGer den Eingang der Beschwerden von Mengke Cai und der Himalaya Untergruppe gegen die Verfügung der FINMA vom 23. November 2018 vom jeweils 3. Dezember 2018 (BVGer Zwischenverfügung 1, Dispositiv Ziff. 1 und BVGer Zwischenverfügung 2, Dispositiv Ziff. 1).

I.
An der Generalversammlung von SHL vom 10. Dezember 2018 wurde der Verwaltungsrat von SHL auf Antrag von Nehama & Yoram Alroy Investment Ltd. (diese bildet zusammen mit Elon Shalev die Alroy & Shalev Gruppe) vollständig neu besetzt. Die Mandate von Xuewen Wu, Cailong Su, Yi He, Yirong Qian, Yuan-Hsun Lo und Hava Shechter wurden dabei beendet. Sodann wurden folgende Personen bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung von SHL als Mitglieder des Verwaltungsrates von SHL gewählt: Elon Shalev, Erez Alroy, Yariv Alroy sowie Erez Nachtomy. Dvorah Kimhi wurde ebenfalls als unabhängiges externes Mitglied des Verwaltungsrates von SHL für die Dauer von drei Jahren gewählt (vgl. act. 213).

J.
Mit Verfügung 672/05 vom 18. Dezember 2018 (Verfügung 672/05) trat die UEK nicht auf die Gesuche der Himalaya Untergruppe sowie von Mengke Cai vom 30. November 2018 betreffend eine Fristverlängerung i.S.v. Art. 39 Abs. 2 FinfraV-FINMA und auf das Gesuch von Mengke Cai vom 5. Dezember 2018 betreffend die Aufhebung der Stimmrechtssuspendierung i.S.v. Art. 135 Abs. 5 lit. a FinfraG ein (Verfügung 672/05, Dispositiv Ziff. 1) und überwies diese Gesuche samt Verfahrensakten an das BVGer (Verfügung 672/05, Dispositiv Ziff. 2).

K.
Die beiden Verfahren vor dem BVGer mit der Geschäfts-Nr. B-6879/2018 (für Mengke Cai) und mit der Geschäfts-Nr. B-6887/2018 (für die Himalaya Untergruppe) sind zum Zeitpunkt des Erlasses der vorliegenden Verfügung noch rechtshängig.

L.
Gemäss der Datenbank der Offenlegungsstelle der SIX halten derzeit folgende Personen bedeutende Beteiligungen an SHL:

Mengke Cai und Kun Shen halten indirekt über GF Fund Management Co. Ltd. 54.9% der Aktien und Stimmen von SHL. Die entsprechende Meldung ist im Nachgang der Verfügung 672/01, mit welcher die Angebotspflicht von Mengke Cai und der Himalaya Untergruppe festgestellt worden war, am 29. Juli 2018 erfolgt.
Yoram Alroy, Erez Alroy, Yariv Alroy, Hila Alroy, Nahama Alroy, Elon Shalev und Ziva Shalev halten direkt und indirekt als wirtschaftlich berechtigte Personen i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA 23.05% der Aktien und Stimmen an SHL als eine organisierte Gruppe i.S.v. Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA seit dem 22. Dezember 2016. Als direkte Halter der entsprechenden Aktien an SHL sind in der Offenlegungsmeldung Nehama & Yoram Alroy Investment Ltd., Y. Alroy Family Ltd., Elon Shalev Investments Ltd., Southland Holding Ltd., Yoram Alroy, Erez Alroy und Eron Shalev offengelegt;
Ziv Carthy hält 8.47% der Aktien und Stimmen an SHL indirekt über die G.Z Assets and Management Ltd. seit dem 9. Dezember 2015;
SHL hält direkt 3.58% der eigenen Aktien seit dem 9. Dezember 2015.

M.
Am 13. März 2019 ging ein Gesuch von Mengke Cai mit diversen Anträgen bei der UEK ein (act. 240/01).

N.
Am 13. März 2019 setzte die UEK mit verfahrensleitender Verfügung desselben Tages der Alroy & Shalev Gruppe, der Himalaya Untergruppe und SHL eine Frist bis am 21. März 2019, 18:00 Uhr, an, um zum Gesuch Stellung zu nehmen (act. 241/01). Die entsprechenden Stellungnahmen sind bei der UEK eingegangen und wurden am 2. April 2019 an Mengke Cai, die Himalaya Untergruppe, die Alroy & Shalev Gruppe sowie an SHL (alle gemeinsam die Parteien) zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 261/01).

O.
Am 18. März 2019 kündigte SHL an, dass der Verwaltungsrat von SHL am 17. März 2019 beschlossen hat, eine Dividende von USD 1.00 pro Aktie von SHL auszuschütten. Von dieser Dividende ausgeschlossen sind die Aktien von SHL, die SHL selbst hält, zumal diese gemäss israelischem Recht nicht dividendenberechtigt sind (vgl. act. 243). Die am 17. März 2019 beschlossene Dividende wurde am 16. April 2019 ausgeschüttet. Seit diesem Datum wird die Aktie von SHL ex Dividende gehandelt. Diese Dividende beläuft sich auf rund 19 Prozent der Gesamtaktiven von SHL, die rund USD 55 Millionen gemäss der Jahresrechnung 2018 von SHL betrugen (vgl. act. 264/03).

P.
Am 21. März 2019 ging eine Eingabe von CR Capital Investment Management Ltd., Hong Kong (CRC), mit diversen Anträgen bei der UEK ein (act. 248/01).

Q.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 2. April 2019 gewährte die UEK den Parteien eine Frist bis am 10. April 2019, 12:00 Uhr, um zur Frage Stellung zu nehmen, ob infolge der Ausschüttung der Dividende durch SHL (vgl. dazu lit. O oben) der Angebotspreis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL anzupassen ist (act. 262/01).

R.
Am 10. April 2019 gingen folgende Stellungnahmen zur Frage ein, ob der Angebotspreis von CHF 8.70 infolge der Ausschüttung der Dividende (vgl. dazu lit. O oben) anzupassen ist:

Stellungnahme der Alroy & Shalev Gruppe (Stellungnahme 1; act. 263/01);

Stellungnahme von Mengke Cai mit folgendem Antrag (Stellungnahme 2; act. 264/01):

„Der Angebotspreis pro Aktie der SHL Telemedicine Ltd. in der Höhe von gegenwärtig CHF 8.70 sei um einen Betrag zu senken, der einem in CHF umgerechneten Betrag von USD 1 entspricht, wobei zur Umrechnung der Wechselkurs am Zahlungstag der Dividende (d.h. dem 16. April 2019), wie er von der SNB publiziert wird (https://www.snb.ch/de/aux/xlsx/current_exchange_rates.xlsx) zu verwenden sei.“;

Stellungnahme von SHL (Stellungnahme 3; act. 265/01);
Stellungnahme der Himalaya Untergruppe (Stellungnahme 4; act. 266/01).

S.
Am 2. Mai 2019 erliess die UEK die (Zwischen-)Verfügung 672/06 (Verfügung 672/06; act. 268/01) mit der CRC die Parteistellung gewährt wurde, soweit es um die Frage geht, ob CRC angebotspflichtig i.S.v. Art. 135 Abs. 1 FinfraG wird oder ob CRC mit der angebotspflichtigen Gruppe in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 11 UEV handelt (Verfügung 672/06, Dispositiv Ziff. 1).

T.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 8. Mai 2019 stellte die UEK die Stellungnahmen 1- 4 den Parteien zur Kenntnis zu und gewährte ihnen eine Frist bis am 15. Mai 2019, 16:00 Uhr, um sich zu diesen zu äussern (act. 270).

U.
Am 15. Mai 2019 gingen folgende Stellungnahmen der Parteien bei der UEK ein:

  • Stellungnahme der Alroy & Shalev Gruppe (Stellungnahme 5; act. 274/01);
  • Stellungnahme von Mengke Cai (Stellungnahme 6; act. 272/01);
  • Stellungnahme von SHL (Stellungnahme 7; act. 273/01).

Die Himalaya Untergruppe reichte keine weitere Stellungnahme ein.

V.
Die Stellungnahmen 5 – 7 wurden den Parteien am 21. Mai 2019 zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 276/01).

W.
Am 23. Mai 2019 ging eine weitere, unaufgeforderte Stellungnahme von SHL ein (Stellungnahme 8; act. 277/01), die am 27. Mai 2019 den anderen Parteien weitergeleitet wurde (act. 278).

X.
Auf die Begründung der Stellungnahmen 1 – 8 wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Y.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Thomas A. Müller (Präsident), Jean-Luc Chenaux, Lionel Aeschlimann und Franca Contratto gebildet.

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.  Gegenstand der vorliegenden Verfügung

[1] Vorliegend bilden insbesondere zwei Fragen den Gegenstand dieser Verfügung. Zunächst wird geklärt, ob die UEK zum Erlass dieser Verfügung zuständig ist (Ziff. 2). Sodann wird geprüft, ob der Angebotspreis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL nach Ausschüttung der Dividende von USD 1.00 seitens SHL am 16. April 2019 anzupassen ist (Ziff. 3). Anschliessend folgen Erwägungen betreffend die Publikation der vorliegenden Verfügung (Ziff. 4) und betreffend die in diesem Fall erhobene Gebühr (Ziff. 5).

2.  Zuständigkeit der UEK

[2] Die vorliegend behandelte Frage, ob der Preis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL infolge der Dividendenausschüttung durch SHL in der Höhe von USD 1.00 anzupassen ist, unterscheidet sich vom Gegenstand der mit Beschwerden an das BVGer angefochtenen FINMA-Verfügung vom 23. November 2018. Diese Frage ist somit nicht vom Devolutiveffekt der Beschwerden an das BVGer i.S.v. Art. 54 VwVG betroffen. Entsprechend kann die UEK darüber entscheiden, was sie hiermit von Amtes wegen tut (vgl. Art. 138 Abs. 1 Satz 1 FinfraG).

[3] Zudem gilt es, mit Blick auf die Frage des Preises für das in diesem Fall noch zu unterbreitende Pflichtangebot Rechtssicherheit zu schaffen. Das wiederum rechtfertigt den Erlass dieser separaten Verfügung zusätzlich.

[4] Entsprechend tritt die UEK im vorliegenden Fall auf die Frage ein, ob der Angebotspreis anzupassen ist.

3.  Anpassung des Angebotspreises

3.1 Aufbau

[5] Vorliegend ist die Frage zu klären, ob der in Verfügung 672/01 festgelegte Angebotspreis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL anzupassen ist, nachdem SHL am 16. April 2019 eine Dividende von USD 1.00 ausgeschüttet hat. Hierzu werden nachfolgend zunächst die einschlägigen rechtlichen Grundlagen präsentiert (Ziff. 3.2). Danach wird auf die entsprechenden Stellungnahmen 1 – 8 eingegangen (Ziff. 3.3). Schliesslich folgt in Ziff. 3.4 die Subsumtion im vorliegenden Fall, bevor in Ziff. 3.5 ein Fazit gezogen wird.

3.2 Die rechtlichen Grundlagen

3.2.1 Allgemeines

[6] Schon die Botschaft zum alten Börsengesetz führte aus, dass es ein „Kernpunkt“ der Regelung der Angebotspflicht ist, einen Mindestpreis festzulegen (Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel [Börsengesetz, BEHG] vom 24. Februar 1993, S. 1418; vgl. auch Karl Hofstetter/Evelyn Schilter-Heuberger/Thomas Brönnimann, Rn 89 zu Art. 135 FinfraG, in: Basler Kommentar zum Finanzmarktaufsichtsgesetz und Finanzmarktinfrastrukturgesetz, Rolf Watter/Rashid Bahar [Hrsg.], 3. Aufl., Basel 2019).

[7] Im Folgenden werden hier die Regeln zur Ermittlung des Angebotspreises präsentiert (Ziff. 3.2.2).

3.2.2 Die Regeln zur Ermittlung des Angebotspreises

3.2.2.1 Die Bestimmung des Angebotspreises

[8] In ihrer Verfügung 672/01 berechnete die UEK den Preis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL auf Grundlage des Vorerwerbs von Aktien von SHL durch Mengke Cai (Verfügung 672/01, Rn 100 f.).

[9] Gemäss Art. 135 Abs. 2 FinfraG muss der Preis eines Pflichtangebots mindestens gleich hoch sein wie der höhere Betrag entweder des Börsenkurses (lit. a) oder des höchsten Preises, den der Anbieter in den zwölf letzten Monaten für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat (lit. b). Diese Norm wird in der FinfraV-FINMA weiter präzisiert. Der dritte Abschnitt der FinfraV-FINMA hat den Titel „Ermittlung des Angebotspreises“ und enthält die Art. 42 – 47 FinfraV-FINMA.

[10] Art. 42 FinfraV-FINMA figuriert unter der Regeste „Börsenkurs“. Art. 42 Abs. 1 FinfraV-FINMA präzisiert diesbezüglich, dass der Preis bei Pflichtangeboten für jede Art von Beteiligungspapieren mindestens dem Börsenkurs entsprechen muss. Nachdem in Art. 42 Abs. 2 FinfraV-FINMA festgestellt wird, wie der Börsenkurs i.S.v. Art. 135 Abs. 2 lit. a FinfaG bei Pflichtangeboten zu berechnen ist, hält Art. 42 Abs. 3 Satz 1 FinfraV-FINMA fest, dass dieser Kurs von den erheblichen Kurseinflüssen durch besondere Ereignisse wie eine Dividendenausschüttung oder Kapitaltransaktionen, denen er innerhalb dieses Zeitraums ausgesetzt ist, zu bereinigen ist.

[11] Art. 43 FinfraV-FINMA seinerseits ist mit der Regeste „Preis des vorausgegangenen Erwerbs“ betitelt. Abs. 1 von Art. 43 FinfraV-FINMA besagt, dass der Preis des vorausgegangenen Erwerbs i.S.v. Art. 135 Abs. 2 lit. b FinfraG dem höchsten Preis entspricht, den die erwerbende Person im Laufe der letzten zwölf Monate vor Veröffentlichung des Angebots oder der Voranmeldung für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat.

[12] Die Mindestpreisvorschriften nach Art. 135 Abs. 2 und 3 FinfraG sind unter dem Vorbehalt des nachfolgend unter Ziff. 3.2.2.2 besprochenen Art. 47 FinfraV-FINMA zwingend (Hofstetter/Schilter-Heuberger/Brönnimann, zit. in Rn [6], Rn 91 zu Art. 135 FinfraG).

3.2.2.2 Gewährung einer Ausnahme aus wichtigem Grund nach Art. 47 FinfraV-FINMA

[13] Art. 47 FinfraV-FINMA sieht die Möglichkeit vor, dass die UEK aus wichtigen Gründen dem Anbieter in Einzelfällen Ausnahmen von den Regelungen dieses Abschnittes (Art. 40 – 44 FinfraV-FINMA) gewähren kann. Diese Bestimmung kann zur Anwendung kommen, wenn „die Mindestpreisberechnungen gem. Art. 135 Abs. 2 und 3 FinfraG aufgrund besonderer Umstände (…) zu unangemessenen Angebotspreisen führen würden“ (Hofstetter/Schilter-Heuberger/Brönnimann, zit. in Rn [6], Rn 90 zu Art. 135 FinfraG).

[14] In ihrer bisherigen Praxis hat die sich UEK in ihrer Empfehlung III 0251/03 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 19. Januar 2006 mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen eine Ausnahme im Sinne des heutigen Art. 47 FinfraV-FINMA mit Blick auf die Bestimmungen des Mindestpreises gewährt werden kann. Darin hielt sie fest, dass als wichtige Gründe im Sinne des heutigen Art. 47 FinfraV-FINMA „ausserordentliche Umstände wie Börsencrashs, die geradezu zu offensichtlich unangemessenen bzw. unhaltbaren Angebotspreisen führen würden“, gelten (Empfehlung III 0251/03 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 19. Januar 2006, E. 4.1.2).

3.3 Die Begründungen der Stellungnahmen

3.3.1 Stellungnahmen 1 - 4

[15] Die Alroy & Shalev Gruppe führt in Stellungnahme 1 aus, dass es möglich wurde, eine Dividende von USD 10'503'152 zu bezahlen, weil SHL „im vergangenen Jahr einen Reingewinn von USD 10'141'000 erzielt hat“ (act. 263/01, Rn 5). Ferner ist die Alroy & Shalev Gruppe der Meinung, dass der von der UEK festgesetzte Angebotspreis nicht angepasst werden kann, zumal „[e]ine gesetzliche Grundlage für dessen Anpassung – so wie in Art. 42 Abs. 3 FinfraV-FINMA für den Börsenkurs vorgesehen – fehlt“ (act. 263/01, Rn 12).

[16] Mengke Cai hält in Stellungnahme 2 fest, dass „[b]ei einer Substanzdividende wie vorliegend die Abzugsfähigkeit (…) ausser Diskussion“ stehe (act. 264/01, Rn 8). Sie erklärt des Weiteren, dass die UEK schon akzeptiert hat, dass bei Pflichtangeboten eine Preisanpassungsklausel aufgenommen wurde für den Fall, dass die Zielgesellschaft Dividenden auszuzahlen beschliesst (act. 264/01, Rn 9 m.H.). Eine Dividende wäre zudem gemäss Mengke Cai ohne Stimmrechtssuspendierung nicht erfolgt (act. 264/01, Rn 10).

[17] SHL äussert sich in Stellungnahme 3 dahingehend, dass die Dividende von USD 1.00 pro Aktie von SHL in etwa dem Nettogewinn des Jahres 2018 von SHL entspreche. Die Dividende stamme somit im Wesentlichen aus dem ausschüttbaren Gewinn von SHL für das Finanzjahr 2018. Der Preis des Pflichtangebotes basiere aber auf den Vorerwerben durch Mengke Cai zu CHF 8.70 pro Aktie von SHL (act. 265/01, Rn 3). Ferner beziehe sich Art. 42 Abs. 3 FinfraV-FINMA nur auf die Preisanpassung, die basierend auf den Börsenkurs vorgenommen werden kann, nicht jedoch auf den Preis, welcher auf Grund eines Vorerwerbes festgesetzt worden sei (act. 265/01, Rn 10).

[18] Die Himalaya Untergruppe vertritt in Stellungnahme 4 die Ansicht, dass der Mindestpreis im vorliegenden Fall anzupassen sei (act. 266/01, S. 1). Weiter bringt die Himalaya Untergruppe vor, dass „die Dividendenausschüttung eine direkte Folge der Stimmrechtssuspendierung [ist].“ (act. 266/01, S. 2).

3.3.2 Stellungnahmen 5 - 8

[19] Die Alroy & Shalev Gruppe äussert sich in Stellungnahme 5 dahingehend, dass SHL die Mittel zur Ausschüttung der Dividende „unbestrittenermassen zur Verfügung“ gestanden hätten (act. 274/01, Rn 4). Bezüglich der Stellungnahme 4 der Himalaya Untergruppe ist die Alroy & Shalev Gruppe der Ansicht, es sei eine „ebenso unzutreffende wie irrelevante Behauptung“, dass der Wert von SHL durch die Dividendenausschüttung gemindert worden sei (act. 274/01, Rn 8).

[20] Mengke Cai führt in Stellungnahme 6 aus, dass sie „an ihrem Antrag und an Ihren Ausführungen in ihrer Eingabe vom 10. April 2019 vollumfänglich“ festhält (act. 272/01, Intro).

[21] SHL hält in Stellungnahme 7 fest, dass es „a windfall gain for Mrs. Cai and Mrs. Shen“ wäre, „if they could appropriate the whole profits of the company of successive years even though for two or more years they neglect their obligation to launch a tender offer in breach of Swiss law“ (act. 273/01, Rn 2 lit. a). Zudem führt SHL in Stellungnahme 8 aus, dass „SHL and its management remain neutral in the current proceeding“ (act. 277/01).

3.4 Die Ausschüttung der Dividende ist vorliegend ein wichtiger Grund i.S.v. Art. 47 FinfraV-FINMA zur Reduktion des Preises für das Pflichtangebot

[22] Vorliegend kann offengelassen werden, ob die Möglichkeit zur Bereinigung des Bösenkurses i.S.v. Art. 135 Abs. 2 lit. a FinfraG i.V.m. Art. 42 Abs. 3 FinfraV-FINMA anwendbar ist. Denn Art. 47 FinfraV-FINMA ermächtigt die UEK, einem Anbieter aus wichtigen Gründen Ausnahmen von den Vorgaben von Art. 40 – 44 FinfraV-FINMA zu gewähren.

[23] Im vorliegenden Fall wird entsprechend geprüft, ob die Ausschüttung der Dividende von USD 1.00 pro Aktie von SHL vom 16. April 2019 einen wichtigen Grund i.S.v. Art. 47 FinfraV-FINMA darstellt, um den Preis des Pflichtangebotes zu reduzieren.

[24] Diese Dividendenausschüttung konnte erst am 17. März 2019 vom Verwaltungsrat von SHL beschlossen werden, nachdem die FINMA die Suspendierung der Stimmrechte von Mengke Cai und der Himalaya Untergruppe durch die UEK bestätigt hatte (vgl. dazu Sacherhalt lit. G zur Verfügung der FINMA vom 23. November 2018, Rn [16] zur Stellungnahme von Mengke Cai und Rn [18] zur Stellungnahme der Himalaya Untergruppe). Der Verwaltungsrat von SHL wurde zu diesem Zeitpunkt gesamthaft von der Alroy & Shalev Gruppe beherrscht, nachdem er am 10. Dezember 2018 vollständig mit von der Alroy & Shalev Gruppe gewähnten Personen ausgewechselt worden war (vgl. dazu Sachverhalt lit. I). Diese Dividendenausschüttung ist ausserordentlich hoch (vgl. Sachverhalt lit. O) und hat einen Verwässerungseffekt mit Blick auf SHL zur Folge. Dieser Verwässerungseffekt ist von Amtes wegen zu berücksichtigen, zumal dieser erst nach Erlass der Verfügung 672/01 eingetreten ist, mit welcher die UEK zuvor den Preis für das Pflichtangebot an die Aktionäre von SHL verbindlich festgestellt hatte.

[25] Darin liegen ausserordentliche Umstände, die einen wichtigen Grund i.S.v. Art. 47 FinfraV-FINMA darstellen und zu einem offensichtlich unangemessenen Angebotspreis im Sinne der Praxis zu Art. 47 FinfraV-FINMA führen würden, wenn der Preis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL nicht um die erfolgte Dividendenausschüttung von USD 1.00 reduziert wird.

[26] Es ist dabei unerheblich, dass sich die Dividende auf das Geschäftsjahr 2018 bezieht, zumal der Unternehmenswert von SHL bereits in den Jahren davor (mit-)kreiert wurde. Mithin liegt in diesem Einzelfall ein wichtiger Grund i.S.v. Art. 47 FinfraV-FINMA vor, der dazu berechtigt, den in der Verfügung 672/01 festgelegten Preis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL Telemedicine Ltd. um den Betrag von USD 1.00 zu reduzieren. USD 1.00 entsprach am 16. April 2019 CHF 1.0048 gemäss der publizierten Übersicht über aktuelle Wechselkurse der Schweizerischen Nationalbank SNB (https://www.snb.ch/de/aux/xlsx/current_exchange_rates.xlsx, zuletzt besucht am 29. Mai 2019). Somit beträgt der angepasste Preis für das Pflichtangebot an die Aktionäre von SHL CHF 7.70.

3.5 Fazit

[27] Der in der Verfügung 672/01 festgelegte Preis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL ist angesichts der obigen Erwägungen um den Betrag von CHF 1.00 auf CHF 7.70 zu reduzieren.

4.  Publikation

[28] Nach Art. 61 Abs. 3 UEV veröffentlicht die Zielgesellschaft die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrates (lit. a) und das Dispositiv der Verfügung der UEK (lit. b). Art. 6 und 7 UEV sind auf diese Veröffentlichung anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).

[29] Gestützt auf Art. 61 Abs. 3 lit. b UEV wird SHL verpflichtet, bis spätestens am 3. Juni 2019 die Öffentlichkeit über die vorliegende Verfügung zu informieren und das Dispositiv der vorliegenden Verfügung zu veröffentlichen. Gleiches gilt für die Verfügung 672/06 und deren Dispositiv.

[30] Diese Verfügung wird anschliessend gemeinsam mit der Verfügung 672/06 auf der Webseite der UEK publiziert.

5.  Gebühr

[31] Nach Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 Abs. 1 FinfraV erhebt die UEK eine Gebühr, wenn sie in anderen Übernahmesachen entscheidet, insbesondere über das Bestehen einer Angebotspflicht. Die Gebühr beträgt je nach Schwierigkeit und Umfang des Falles bis zu CHF 50'000 (Art. 118 Abs. 2 FinfraV).

[32] Im vorliegenden Fall hatte die UEK acht Stellungnahmen zu beurteilen. In den Verfügungen 672/02, 672/03 und 672/05 wurden für die Bearbeitung von zwei Gesuchen und von einer Stellungnahme Mengke Cai und der Himalaya Untergruppe jeweils CHF 20'000 in Rechnung gestellt. Berücksichtigt man den Umfang und die Schwierigkeit des mit der vorliegenden Verfügung behandelten Sachverhaltes sowie die damit verbrachte Dauer, wird die Gebühr auf CHF 20'000 festgesetzt.

[33] Diese Verfügung musste erlassen werden, weil SHL am 18. März 2019 angekündigt hat, eine Dividende von USD 1.00 pro Aktie von SHL auszuschütten. Zu diesem Zeitpunkt wurde SHL, wie bereits erwähnt, infolge der mit Verfügung der FINMA vom 23. November 2018 bestätigten Stimmrechtssuspendierung durch die Alroy & Shalev Gruppe beherrscht. Entsprechend hat die Alroy & Shalev Gruppe gemeinsam mit SHL den Erlass der vorliegenden Verfügung mitverursacht. Mengke Cai und die Himalaya Untergruppe haben ihrerseits dazu beigetragen, dass diese Verfügung erlassen werden musste, da sie weiterhin gemäss der Verfügung 672/01 angebotspflichtig sind. Somit werden zunächst SHL und die Alroy & Shalev Gruppe solidarisch verpflichtet, eine Gebühr von CHF 10'000 zu bezahlen. Ebenfalls werden sodann Mengke Cai und die Himalaya Untergruppe ihrerseits solidarisch verpflichtet, eine Gebühr von CHF 10'000 zu bezahlen.

 

Die Übernahmekommission verfügt:

1. Der in der Verfügung 672/01 vom 26. Januar 2018 in Sachen SHL Telemedicine Ltd. in Ziff. 1 des Dispositivs festgelegte Preis von CHF 8.70 pro Aktie von SHL Telemedicine Ltd. für das Pflichtangebot von Himalaya (Cayman Islands) TMT Fund, Himalaya Asset Management Ltd., Xiang Xu, Kun Shen und Mengke Cai ist um den Betrag von CHF 1.00 pro Aktie von SHL Telemedicine Ltd. auf CHF 7.70 pro Aktie von SHL zu reduzieren.
2. SHL Telemedicine Ltd. wird verpflichtet, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung bis spätestens am 3. Juni 2019 zu veröffentlichen.
3. Die vorliegende Verfügung wird im Anschluss an ihre Veröffentlichung durch SHL Telemedicine Ltd. gemäss Ziff. 2 des Dispositivs hiervor auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht.
4. Die Gebühr zu Lasten von Himalaya (Cayman Islands) TMT Fund, Himalaya Asset Management Ltd., Xiang Xu, Kun Shen und Mengke Cai beträgt unter solidarischer Haftung CHF 10'000.
5. Die Gebühr zu Lasten von Nehama & Yoram Alroy Investment Ltd., Elon Shalev und SHL Telemedicine Ltd. beträgt unter solidarischer Haftung CHF 10'000.

 

 

Der Präsident:

Thomas A. Müller

 

Diese Verfügung geht an die Parteien:

- SHL Telemedicine Ltd., vertreten von Dr. iur. Thomas Müller und PD Dr. iur. Daniel Dedeyan, Walder Wyss AG, Seefeldstrasse 123, 8008 Zürich;
- Nehama & Yoram Alroy Investment Ltd. und Elon Shalev, vertreten von André A. Girguis und Matthias Hirschle, Blum & Grob Rechtsanwälte AG, Neumühlequai 6, 8021 Zürich;
- Mengke Cai, vertreten von Dr. iur. Matthias Courvoisier und Martina A. Kessler, Baker McKenzie Zürich, Holbeinstrasse 30, 8034 Zürich;
- Himalaya Asset Management Ltd., Himalaya (Cayman Island) TMT Fund, Xiang Xu und Kun Shen, vertreten von Dr. iur. Mariel Hoch und Fabienne Perlini-Frehner, Bär & Karrer AG, Brandschenkestrasse 90, 8027 Zürich;

 

Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):

Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.