Transaktionen
0083 - Pragmatica Holding AG
Empfehlung Pragmatica Holding AG vom 14. Februar 2001
Öffentliches Umtausch- und Rückkaufsangebot der Pragmatica Holding AG, Spreitenbach
A.
Die Pragmatica Holding AG (Pragmatica Holding), vormals Complet-e Holding AG, ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Spreitenbach. Ihr Aktienkapital beträgt heute CHF 6'200'000.-- und ist eingeteilt in 500'000 Namenaktien von je CHF 2.-- Nennwert und 520'000 Namenaktien von je CHF 10.-- Nennwert, wobei jede Aktie eine Stimme vermittelt. Einzig die Namenaktien von CHF 2.-- Nennwert sind am SWX New Market kotiert. Sämtliche Namenaktien von CHF 10.-- Nennwert befinden sich im Besitz von Dr. Clino Vallone, Josef Mercurio und Hans Ziegler (die Sanierer).
B.
Wenige Monate nach dem Börsengang im Oktober 1999 kam es bei der vormaligen Complet-e Holding AG zu finanziellen Engpässen. Am 1. September 2000 kündigte der Verwaltungsrat an, dass Restrukturierungsmassnahmen ergriffen werden müssten, um das Überleben der Gesellschaft zu sichern. Nach Ansicht des Verwaltungsrates konnte dieses Ziel einzig durch das Eingehen einer Partnerschaft mit der Pragmatica AG (Pragmatica), Cham, erreicht werden. Diese verfügt über ein Aktienkapital von CHF 1'100'000.--, eingeteilt in 110'000 Inhaberaktien von je CHF 10.-- Nennwert. Im Herbst 2000 standen 68'750 Pragmatica-Inhaberaktien (62.5% des Kapitals und der Stimmrechte) im Besitz von Dr. Vallone, Mercurio hielt deren 37'015 (33.7% des Kapitals und der Stimmrechte) und Ziegler deren 4'235 (3.9% des Kapitals und der Stimmrechte).
C.
Anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung der vormaligen Complet-e Holding AG vom 22. Dezember 2000 stimmten die Aktionäre folgenden Sanierungsmassnahmen zu: Ihr Aktienkapital, welches sich zu diesem Zeitpunkt auf CHF 5'000'000.-- belief und in 500'000 Namenaktien von je CHF 10.-- Nennwert eingeteilt war, sollte durch eine Verminderung des Aktiennennwertes auf CHF 2.-- auf CHF 1'000'000.-- herabgesetzt werden. Danach war geplant, das Kapital mittels einer Sacheinlage in Form der 110'000 Pragmatica-Inhaberaktien und unter Ausschluss der Bezugsrechte der Aktionäre um CHF 5'200'000.-- auf CHF 6'200'000.-- zu erhöhen. Dabei sollten 520'000 neue Namenaktien zu je CHF 10.-- Nennwert ausgegeben werden.
Die Aktionäre wurden weiter darüber informiert, dass nach durchgeführter Kapitalerhöhung zur Bereinigung der Kapitalstruktur ein Umtausch- und Rückkaufsangebot durchgeführt werde, gemäss welchem fünf Namenaktien von je CHF 2.-- Nennwert in eine neu kotierte Namenaktie von je CHF 10.-- Nennwert umgetauscht werden können. Erstere würden danach dekotiert werden.
D.
Die drei Sanierer, welche nach der Kapitalerhöhung der vormaligen Complet-e Holding AG über 83.87 % des Kapitals und 50.98 % der Stimmrechte, nach einem gänzlich erfolgreichen Umtausch- und Rückkauf gar über 83.87 % der Stimmrechte verfügen würden, ersuchten mit Schreiben vom 13. Oktober und 14. November 2000 die Übernahmekommission, ihnen eine Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes an die Minderheitsaktionäre infolge Überschreitung des Grenzwertes von 331/3 % der Stimmrechte der Gesellschaft zu gewähren. Mit Empfehlung vom 21. November 2000 erhob die Übernahmekommission gestützt auf Art. 33 Abs. 1 lit. a BEHV-EBK keinen Widerspruch gegen die Beanspruchung dieser Ausnahme. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Freistellung des geplanten Umtausch- und Rückkaufsangebotes erachtete die Übernahmekommission als verfrüht. Dieser wurde deshalb zurückgestellt.
E.
Nach Durchführung der Kapitalherabsetzung und anschliessender Kapitalerhöhung ersuchte die vormalige Complet-e Holding AG unter der neuen Firma die Übernahmekommission mit Schreiben vom 5. Februar 2001, das angekündigte Umtausch- und Rückkaufsangebot von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freizustellen. Pragmatica Holding legte dar, dass das offizielle Umtauschangebot vom 26. Februar 2001 bis am 9. März 2001 dauern werde. In dieser Zeitspanne werde den Aktionären die Möglichkeit gegeben, fünf bisherige Pragmatica Holding-Namenaktien von je CHF 2.-- Nennwert gegen eine neue ebenfalls kotierte Pragmatica Holding-Namenaktie von CHF 10.-- Nennwert umzutauschen. Während der Umtauschfrist werde zudem ein Handel der Fraktionen stattfinden. Dadurch soll denjenigen Aktionären, welche nicht über eine durch fünf teilbare Anzahl Namenaktien von CHF 2.-- Nennwert verfügen, die Möglichkeit gegeben werden, weitere Zu- oder Verkäufe zu tätigen. Denjenigen Aktionären, welche über Fraktionen von weniger als fünf Titel verfügen, wird die Pragmatica Holding zudem ein Rückkaufsangebot unterbreiten. Der Rückkaufspreis soll zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt und veröffentlicht werden.
Die 520'000 Pragmatica Holding-Namenaktien von je CHF 10.-- Nennwert, welche sich im Besitz der Sanierer befinden, werden voraussichtlich am 26. Februar 2001 kotiert, unterstehen aber einem freiwilligen, gestaffelten Lock-up-Agreement. Die Namenaktien von je CHF 2.-- Nennwert werden nach Abschluss des Umtausch- und Rückkaufsangebotes dekotiert werden.
F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Frau Claire Huguenin und Herrn Thierry de Marignac gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Öffentliche Angebote einer Gesellschaft zum Rückkauf eigener Aktien stellen "öffentliche Kaufangebote" im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG dar. Sie unterstehen damit den Bestimmungen des 5. Abschnitts dieses Gesetzes (siehe Verfügung der EBK vom 4. März 1998 in Sachen Pharma Vision et al., E. 2). Dies gilt ebenfalls für freiwillige öffentliche Umtauschangebote für eigene Beteiligungspapiere (siehe Verfügung der EBK vom 5. Oktober 1998 in Sachen SGS Société Générale de Surveillance Holding SA, E. 2). Die Übernahmekommission kann dabei den Anbieter von der Beachtung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote befreien, wenn Gleichbehandlung, Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben gewährleistet sind und überdies keine Hinweise auf eine Umgehung des Börsengesetzes oder anderer Gesetzesbestimmungen vorliegen (siehe obgenannte Verfügung vom 4. März 1998, E. 3b). In ihrer Mitteilung Nr. 1 vom 28. März 2000, welche am 1. September 2000 in Kraft trat, legte die Übernahmekommission die diesbezüglichen Voraussetzungen fest.
Da sich das Angebot der Pragmatica Holding auf über zehn Prozent des Kapitals und der Stimmrechte der Gesellschaft bezieht und zudem zur Dekotierung des betroffenen Titels führt, erfüllt das vorliegende Umtausch- und Rückkaufsangebot weder die Voraussetzungen für eine generelle Freistellung nach Ziff. II der obgenannten Mitteilung, noch diejenigen für eine Freistellung durch Meldeverfahren gemäss Ziff. III derselben. Gestützt auf ein begründetes Gesuch kann die UEK aber Rückkaufsangebote dennoch von der Beachtung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freistellen, sofern dies mit den Zielsetzungen des BEHG vereinbar ist (Ziff. IV der Mitteilung Nr. 1). Diese Prüfung wird die Übernahmekommission nachstehend vornehmen.
2. Die Tatsache, dass sich das Umtauschangebot der Pragmatica Holding auf mehr als 10 % des Kapitals und der Stimmrechte bezieht, schliesst eine Freistellung nicht grundsätzlich aus. Wie bereits in Ziff. 1 oben dargelegt, kann eine Freistellung sehr wohl auch bei Überschreiten des Grenzwertes von 10 % gewährt werden, wenn dies mit den Zielsetzungen des BEHG zu vereinbaren ist. Zwar ist im vorliegenden Fall die Veränderung der Aktionariatsstruktur nicht als unwesentlich einzustufen. Dennoch erscheint eine Freistellung des Angebotes der Pragmatica Holding von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote gerechtfertigt. Es gilt insbesondere zu beachten, dass die vorliegende Transaktion als ein Bestandteil der umfassenden Sanierung der Gesellschaft zu sehen ist. In einer solchen Situation ist das Interesse der Aktionäre an einer strikten Beachtung der Schutzbestimmungen des BEHG im Fall von kontrollrelevanten Transaktionen weniger stark zu gewichten, als das Interesse aller Beteiligten an der Fortführung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Der in Art. 32 Abs. 2 lit. e BEHG geregelten Ausnahme von der Angebotspflicht im Sanierungsfall liegt dieselbe Überlegung zu Grunde. Auch dort geht das Interesse der Minderheitsaktionäre, bei Kontrollwechsel einer Ausstiegsmöglichkeit versichert zu sein, dem Interesse an der Weiterführung des Unternehmens nach.
3. Auch der Umstand, dass die vom Umtausch betroffenen Namenaktien nach Durchführung der Transaktion dekotiert werden, schliesst eine Freistellung von den Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote nicht zwingend aus (siehe Empfehlung der Übernahmekommission in Sachen Züblin Holding AG vom 11. Januar 1999). Da den Aktionären die Möglichkeit eröffnet wird, ihre Titel in neue, ebenfalls kotierte Namenaktien von CHF 10.-- Nennwert der Gesellschaft umzutauschen, verfügen sie nach dem Umtausch erneut über einen liquiden Markt. Hinzu kommt, dass die Aktionäre der Pragmatica Holding anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung vom 22. Dezember 2000 umfassend über die geplanten Sanierungsmassnahmen informiert wurden, und im Wissen um die geplante Dekotierung der Namenaktien von CHF 2.- Nennwert der Kapitalherabsetzung und anschliessender Kapitalerhöhung zugestimmt haben.
4. Pragmatica Holding plant, den Rückkaufspreis für Spitzenfraktionen von Namenaktien von CHF 2.-- Nennwert zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen und zu veröffentlichen. Gemäss Mitteilung Nr. 1, Ziff. III ist diese Vorgehensweise bei Rückkäufen zum Festpreis zulässig (Ziff. 2.6).
Bei der Festlegung des Rückkaufspreises gilt es, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre zu wahren. Mit anderen Worten: Denjenigen Aktionären, welche ihre Aktien im Rahmen des Rückkaufsangebotes andienen, wäre der gleiche Angebotspreis zu offerieren, wie denjenigen Aktionären, welche ihre Titel im Rahmen des Umtauschangebotes andienen. Dies bedeutet, dass der Angebotspreis für den Rückkauf einer Namenaktie von CHF 2.-- Nennwert einem Fünftel des Wertes der zum Umtausch angebotenen Pragmatica Holding-Namenaktie von CHF 10.-- Nennwert zu entsprechen hätte. Grundsätzlich wäre ein Abweichen von dieser Berechnungsmethode nur dann zulässig, wenn das Interesse der Gesellschaft dies verlangen würde und die Anforderungen des sachlichen Grundes, der Erforderlichkeit und des Übermassverbots eingehalten wären. Dies wäre bei einer Sanierung wohl der Fall. Wie in Ziff. 2 oben dargelegt, ist in einer solchen Situation das Interesse der Aktionäre an einer strikten Beachtung der Schutzbestimmungen des BEHG weniger stark zu gewichten, als dasjenige aller Beteiligten an der Fortführung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Weiter wäre zu berücksichtigen, dass Aktionäre im Besitz von Spitzenfraktionen die Möglichkeit hätten, diese während der gesamten Dauer des Umtauschangebotes über die Börse zu verkaufen.
5. Die Übernahmekommission hat im Übrigen keinen Anlass anzunehmen, dass im vorliegenden Fall Gleichbehandlung, Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben nicht gewährleistet sind. Die Freistellung wird folglich unter den bei Rückkaufsangeboten zum Festpreis üblichen Auflagen gewährt.
6. Diese Empfehlung wird am ersten Börsentag nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht
7. In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Bemühungen der Kommission im Zusammenhang mit dieser Transaktion eine Gebühr erhoben. Unter Berücksichtigung der schwierigen finanziellen Situation der Pragmatica Holding setzt der Ausschuss die Gebühr auf CHF 15'000.-- fest.
Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:
1. Das Umtausch- und Rückkaufsangebot der Pragmatica Holding AG wird von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote unter den folgenden Auflagen freigestellt:
a. Pragmatica Holding AG hat der Übernahmekommission und mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien, welche Börseninformationen verbreiten, am ersten Börsentag nach Ablauf des Umtausch- und Rückkaufsangebotes mitzuteilen, wieviele Titel zum Umtausch und Rückkauf angedient wurden.
b. Pragmatica Holding AG darf ihr Angebot nicht veröffentlichen:
wenn sie die Bekanntgabe einer kursrelevanten Tatsache entsprechend den Regeln der Schweizer Börse aufschiebt;
während zehn Börsentagen vor der Mitteilung der Finanzergebnisse an die Medien;
wenn der Stichtag ihres letzten veröffentlichten konsolidierten Abschlusses mehr als neun Monate zurückliegt.
c. Wenn Pragmatica Holding AG während der Dauer des Angebotes Beteiligungspapiere zu einem über dem Angebotspreis liegenden Preis erwirbt, so hat sie diesen Preis allen Empfängern des Angebotes anzubieten ("Best Price Rule").
d. Pragmatica Holding AG hat der Übernahmekommission am ersten Börsentag nach Ablauf des Umtausch- und Rückkaufsangebotes eine Erklärung abzugeben, in welcher sie bestätigt, die oben erwähnten Auflagen eingehalten zu haben.
2. Diese Empfehlung wird am ersten Börsentag nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
3. Die Gebühr beträgt CHF 15'000.--.
Der Präsident:
Hans Caspar von der Crone
Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.
Mitteilung an:
-
Pragmatica Holding AG, durch ihren Vertreter,
-
die EBK.