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0202 - Aare-Tessin AG für Elektrizität

Empfehlung Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. Mai 2004

Gesuch der UBS AG, Zürich und Basel, um Verlängerung der Sechs-Wochen-Frist nach Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Aare Tessin AG für Elektrizität, Olten

A.
Die Aare-Tessin AG für Elektrizität („Atel" oder „Zielgesellschaft") ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Olten. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 303'600'000, eingeteilt in 3'036'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 100. Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX") kotiert. Die Statuten der Atel enthalten keine Opting out-Klausel.

B.
Die Motor-Columbus AG („Motor-Columbus") ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baden. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 253'000'000, eingeteilt in 506'000 Inhaberaktien mit einen Nennwert von je CHF 500. Die Aktien sind an der SWX kotiert. Die Statuten der Motor-Columbus enthalten eine Opting out-Klausel.

Motor-Columbus ist eine Holdinggesellschaft mit Beteiligungen vor allem im Energiebereich. Als wichtigste Beteiligung hält sie 58.5% aller Namenaktien der operativ tätigen Atel.

C.
Die UBS AG („UBS" oder „Anbieterin" oder „Gesuchstellerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich und Basel. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 946'437'411.20, eingeteilt in 1'183'046'764 Namenaktien mit einen Nennwert von je CHF 0.80. Die Aktien sind an der SWX kotiert.

Die UBS AG hält derzeit 35.6% der Inhaberaktien der Motor-Columbus. Weitere bedeutende Aktionäre sind die RWE Plus Beteiligungsgesellschaft Zentral mbH („RWE"), Deutschland, sowie die Electricité de France („EDF"), Frankreich, die je 20% der Inhaberaktien an Motor-Columbus halten. Die drei Aktionäre bilden heute aufgrund eines im Jahre 1996 abgeschlossenen Aktionärsbindungsvertrages (Konsortialvertrages) eine „organisierte Gruppe" im Sinne von Art. 27 BEHV-EBK i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BEHV-EBK, welche seit 1996 eine Beteiligung von insgesamt 75.6% an der Motor-Columbus hält.

D.
Am 2. April 2004 schlossen UBS und RWE einen Kaufvertrag ab, in dem sich UBS verpflichtet, von RWE 101'200 Inhaberaktien der Motor-Columbus zu einem Preis von CHF 3'700 pro Aktie und 37'253 Namenaktien der Atel zu einem Preis von CHF 1'220 pro Aktie zu erwerben (nachfolgend „Kaufvertrag"). Der Vollzug dieses Kaufvertrages, mit dem UBS ihre Beteiligung an Motor-Columbus von 35.6% auf 55.6% erhöhen wird, ist an die Bedingung geknüpft, dass die zuständigen Wettbewerbsbehörden, namentlich der Schweiz, von Ungarn, der Slowakei und der Europäischen Union („EU"), wenn sich die EU für zuständig erklärt (andernfalls von Deutschland und Österreich), den Erwerb des Kaufgegenstandes rechtskräftig genehmigt und/oder eine Freistellungsbescheinigung erteilt und/oder die Prüfungsfrist unbenützt verstreichen lassen.

Durch den Verkauf ihrer sämtlichen Motor-Columbus Aktien wird die RWE als Partei des oben erwähnten Aktionärsbindungsvertrages (vgl. oben lit. D.) ausscheiden, und dieser wird voraussichtlich zwischen der UBS und der EDF allein weitergeführt werden.

E.
Am 5. April 2004 veröffentlichte UBS in den elektronischen Medien die Voranmeldung eines öffentlichen Kaufangebots für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Atel. Am 7. April 2004 erfolgte die Publikation der Voranmeldung in den Tageszeitungen in deutscher, französischer und italienischer Sprache gemäss Art. 8 Abs. 1 UEV-UEK.

Die Voranmeldung sieht für das Kaufangebot die folgenden Bedingungen vor:

a) Alle zuständigen Behörden (insbesondere Wettbewerbsbehörden) haben den Erwerb von 101'200 Inhaberaktien der Motor-Columbus von je CHF 500 Nennwert und 37'253 Namenaktien der Atel von je CHF 100 Nennwert durch UBS von der RWE rechtskräftig genehmigt und/oder eine Freistellungsbescheinigung erteilt und/oder die Prüfungsfrist unbenützt verstreichen lassen.

b) Der Kaufvertrag zwischen UBS und RWE wird vollzogen.

F.
Am 14. April 2004 legte die UBS der Übernahmekommission ein Gesuch vor mit dem Antrag, es sei ihr durch entsprechende Erstreckung der Sechs-Wochen-Frist nach Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK zu erlauben, das am 5. April 2004 vorangemeldete öffentliche Kaufangebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von je CHF 100 Nennwert der Atel voraussichtlich am 12. Juli 2004 zu veröffentlichen. Am 22. April 2004 reichte die Gesuchstellerin auf Verlangen der Übernahmekommission einen Nachtrag mit weiterführenden Angaben zur Begründung des Gesuchs vom 14. April 2004 ein.

G.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Herrn Henry Peter und Herrn Alfred Spörri gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Verlängerung der Frist zur Veröffentlichung des Angebots

1.1 Gemäss Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK muss die Anbieterin innerhalb von sechs Wochen nach der Publikation der Voranmeldung ein Angebot veröffentlichen, das den Konditionen der Voranmeldung entspricht. Die Übernahmekommission kann die sechswöchige Frist verlängern, namentlich wenn die Anbieterin eine Bewilligung einer Behörde, insbesondere einer Wettbewerbsbehörde, einholen muss.

Im vorliegenden Fall veröffentlichte die UBS ihre Voranmeldung für das öffentliche Kaufangebot an die Aktionäre der Atel am 5. April 2004. Folglich muss UBS ihr Angebot spätestens am 17. Mai 2004 lancieren.

1.2 Die UBS begründet ihr Gesuch damit, dass sie das öffentliche Kaufangebot nur dann unterbreite, wenn der mit RWE abgeschlossene Kaufvertrag (vgl. oben Sachverhalt lit. D.) auch vollzogen werde, da ihre Angebotspflicht erst dadurch ausgelöst würde. Der Vollzug dieses Vertrages setze seinerseits voraus, dass die zuständigen Wettbewerbsbehörden diesen Aktienerwerb rechtskräftig genehmigen und/oder eine Freistellungsbescheinigung erteilen und/oder die Prüfungsfrist unbenutzt verstreichen lassen. Sollte der Erwerb der Motor-Columbus Aktien durch die UBS von den zuständigen Wettbewerbsbehörden nicht oder nur unter einschränkenden Auflagen bewilligt werden, werde der Kaufvertrag zwischen der UBS und der RWE nicht vollzogen. Mit einer rechtskräftigen Genehmigung und/oder einer Freistellungsbescheinigung und/oder einem unbenützten Verstreichen der Prüfungsfrist durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden könne indessen frühestens Anfang Juli 2004 und somit nicht vor dem letzten Tag der regulären sechswöchigen Frist von Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK gerechnet werden.

1.3 Im Rahmen einer sog. Informal Guidance hat die UBS am 6. April 2004 die Europäische Kommission ersucht zu bestätigen, dass der geplante Erwerb der Aktien an Motor-Columbus und Atel einen Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Europäischen Zusammenschlusskontrolle darstellt. Am 21. April 2004 habe die Europäische Kommission telephonisch bestätigt, dass ein Zusammenschlusstatbestand vorliege.

Demzufolge seien nun die folgenden fusionskontrollrechtlichen Verfahrensschritte vorgesehen: Die UBS habe Notifikationen für die EU, die Schweiz, die Slowakische Republik sowie Ungarn zu erstellen. Während es in der EU und in der Schweiz üblich sei, der Wettbewerbsbehörde die Notifikation im Entwurf vorzulegen (wobei die Wettbewerbsbehörden nach Prüfung dieses Entwurfs dem meldenden Unternehmen mitteilen, welche Angaben zur Beurteilung des Zusammenschlussvorhabens zusätzlich benötigt werden), sei die Einreichung eines Entwurfs in der Slowakischen Republik und Ungarn unüblich. In diesen Ländern werde die Notifikation direkt eingereicht. Da die Erstellung der Notifikation die Sichtung und die Sammlung einer relativ grossen Menge von Informationen erfordere, sei die Einreichung der Notifikation in der Slowakischen Republik und Ungarn bzw. des Notifikationsentwurfes in der EU und in der Schweiz frühestens in der 18. Kalenderwoche (d.h. in der Woche vom 26. - 30. April 2004) möglich gewesen. Aufgrund des Umstandes, dass die Prüfung des Notifikationsentwurfes seitens der Behörden ein bis zwei Wochen in Anspruch nehme, werde die Einreichung der definitiven Notifikation in der EU und in der Schweiz voraussichtlich frühestens zwei Wochen später, d.h. in der Woche vom 10. - 14. Mai 2004 erfolgen können.

Mit dem Einreichen der von der jeweiligen Wettbewerbsbehörde als vollständig anerkannten Notifikation beginne sodann die Frist für die Phase 1-Untersuchung zu laufen. In der Schweiz und in der EU dauerten die Vorabklärungen durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden jeweils einen Monat (Phase I). Sollten sich dabei Anhaltspunkte ergeben, dass durch den Vollzug des Kaufvertrages eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, folge der Vorabklärung eine eingehendere Prüfung, die vier Monate dauere (Phase II). In Ungarn, wo die Atel über die Entrade Hungary Kft. Dienstleistungen im Bereich Stromvertrieb und Stromhandel anbiete und über drei Tochtergesellschaften einen Kraftwerkskomplex betreibe, dauere eine Vorabklärung 45 Tage. In der Slowakischen Republik dauere die Prüfung 60 Tage (verlängerbar auf 90 Tage). Zusammenfassend, so die UBS, könne festgehalten werden, dass mit einer rechtskräftigen Genehmigung und/oder einer Freistellungsbescheinigung und/oder einem unbenütztem Verstreichen der Prüfungsfrist durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden frühestens Anfang Juli 2004 gerechnet werden könne (Ende Phase I). Sollte indessen z.B. die slowakische Wettbewerbsbehörde zusätzliche Angaben einfordern, würde sich die Freigabe durch die slowakische Wettbewerbshörde entsprechend in den Juli 2004 hinein verzögern. Basierend auf diesem Hintergrund werde der Erwerb der Aktien der Motor-Columbus AG voraussichtlich erst in der Woche vom 12. Juli 2004 vollzogen werden.

1.4 Aufgrund des Erörterten ist ersichtlich, dass im vorliegenden Fall der in Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK ausdrücklich genannte sachliche Grund für eine Verlängerung der Sechs-Wochen-Frist, nämlich das Einholen der Bewilligung einer Wettbewerbsbehörde, vorliegt. Die oben aufgeführten notwendigen fusionskontrollrechtlichen Verfahrensschritte rechtfertigen demzufolge eine Fristverlängerung bis am 12. Juli 2004.

2. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird am ersten Börsentag nach ihrer Eröffnung an die Parteien, d.h. am 12. Mai 2004, auf der Website der Übernahmekommission publiziert.

3. Gebühr

Die Gebühr für diese Empfehlung wird mit der Empfehlung der Übernahmekommission betreffend die Prüfung des Angebots erhoben werden.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Die Frist für die Veröffentlichung des Angebots der UBS AG, Zürich und Basel, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Aare Tessin AG für Elektrizität, Olten, mit einem Nennwert von je CHF 100 wird bis zum 12. Juli 2004 verlängert.

  2. Diese Empfehlung wird am 12. Mai 2004 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

  3. Die Gebühr für diese Empfehlung wird mit der Empfehlung der Übernahmekommission betreffend die Prüfung des Angebots erhoben werden.

 

Der Präsident:

Hans Caspar von der Crone

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

Mitteilung an:

  • die UBS AG, durch ihren Vertreter;
  • die Aare Tessin AG für Elektrizität, durch ihren Vertreter;
  • die EBK.