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0750 - Swiss Steel Holding AG (ehemals Schmolz + Bickenbach AG)
Verfügung 750/01 vom 22. November 2019
Gesuche von Martin Haefner/BigPoint Holding AG und von Liwet Holding AG betreffend Ausnahmen von der Angebotspflicht bezüglich Schmolz+Bickenbach AG
Sachverhalt:
A.
SCHMOLZ+BICKENBACH AG (S+B oder Zielgesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Luzern. Das Aktienkapital beträgt CHF 472'500'000.00 und ist eingeteilt in 945'000'000 Namenaktien mit einem Nennwert von CHF 0.50 (S+B-Aktien). Die S+B-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) kotiert (ISIN: CH0005795668; SIX: STLN). S+B verfügt zudem über ein genehmigtes Aktienkapital im Betrag von CHF 236'250'000 und ein bedingtes Aktienkapital im Betrag von CHF 110'000'000.
B.
An S+B bestehen folgende wesentliche Beteiligungen:
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Liwet Holding AG (Liwet) hält 26.91% der Stimmrechte. |
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Martin Haefner hält 17.50% der Stimmrechte. |
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Gemäss Offenlegungsmeldung vom 25. Mai 2018 hält Schmolz+Bickenbach Beteiligungs GmbH, Oberbilker Allee 169, 40227 Düsseldorf, Deutschland, 10.09% der Stimmrechte; wirtschaftlich berechtigt an dieser Beteiligung ist Schmolz+Bickenbach GmbH & Co. KG, Oberbilker Allee 169, 40227 Düsseldorf, Deutschland. |
C.
Zurzeit besteht die Fremdfinanzierung von S+B aus:
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einer revolvierenden Kreditfazilität von EUR 375 Mio., |
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einem Bond von EUR 350 Mio. (350 Mio. EUR-Bond); unter dem 350 Mio. EUR-Bond ist im Fall eines Kontrollwechsels gestützt auf eine Change of Control-Klausel jeder Bondholder berechtigt, den Rückkauf seines Bonds zu einem Preis von 101% des Nominals zzgl. Zinsen zu verlangen, |
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einem Asset Backed Securities (ABS) Programm von ca. EUR 300 Mio., |
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sowie lokalen Krediten (einschliesslich Leasing) von EUR 82 Mio. |
D.
Gemäss Medienmitteilung vom 23. Oktober 2019 und Einladung zur ausserordentlichen Generalversammlung vom 2. Dezember 2019 (AGV) beabsichtigt S+B eine Kapitalerhöhung durchzuführen (beabsichtigte Kapitalerhöhung): Demnach soll die AGV eine Kapitalherabsetzung und gleichzeitig eine ordentliche Kapitalerhöhung beschliessen. Die Kapitalerhöhung soll einen Gesamtbetrag von mindestens CHF 189'000'000 und höchstens CHF 354'375'000 erreichen (vgl. hierzu aber unten die Ergänzung zur geplanten Kapitalerhöhung gemäss Sachverhalt lit. J). Der Ausgabepreis der neuen S+B-Aktien (neue S+B-Aktien) soll entweder CHF 0.15, CHF 0.20, CHF 0.25 oder CHF 0.30 pro neue S+B-Aktie betragen. Da jeder dieser vier Ausgabepreise niedriger ist als der gegenwärtige Nominalwert der S+B-Aktien von CHF 0.50 pro S+B-Aktie, soll gleichzeitig eine Nennwertreduktion auf CHF 0.15, CHF 0.20, CHF 0.25 bzw. CHF 0.30 pro S+B-Aktie erfolgen. Der Gesamtbetrag der Kapitalerhöhung soll mindestens so hoch sein wie der Gesamtbetrag der Nennwertreduktion.
In einer ersten Phase (Phase 1 oder Bezugsangebot) sollen die bisherigen Aktionäre von S+B nicht-handelbare und nicht-übertragbare Bezugsrechte erhalten. Dabei kann jeder Aktionär für jeden der vier möglichen Ausgabepreise, also für CHF 0.15, CHF 0.20, CHF 0.25 und CHF 0.30, angeben, wie viele neue S+B-Aktien er durch Ausübung seiner Bezugsrechte beziehen möchte. Bezugsrechte, die nicht ausgeübt werden, verfallen entschädigungslos. Die Bezugsrechte können voraussichtlich vom 5. Dezember 2019 bis zum 11. Dezember 2019 ausgeübt werden. Nach dem Ende dieser Frist wird das Ergebnis des Bezugsangebots bekannt gemacht.
In einer zweiten Phase (Phase 2 oder internationales Angebot) werden dann diejenigen neuen S+B-Aktien, die nicht im Bezugsangebot bezogen wurden, in einem internationalen Angebot auf dem Markt angeboten. Das internationale Angebot wird voraussichtlich vom 5. Dezember 2019 bis zum 16. Dezember 2019 erfolgen. Martin Haefner hat sich verpflichtet, im internationalen Angebot über die von ihm als Alleinaktionär beherrschte BigPoint Holding AG (BigPoint) neue S+B-Aktien im Umfang von bis zu CHF 325 Mio. zu zeichnen (Verpflichtungserklärung oder Commitment Letter), unter der Voraussetzung, dass er eine Beteiligung von mindestens 37.50% am Aktienkapital von S+B erhält. Weitere Bedingungen sind eine ausreichende Sicherheit für die Fremdfinanzierung und die Erteilung einer Sanierungsausnahme für die Abgabe eines Pflichtangebots durch die Übernahmekommission (vgl. zur späteren Anpassung der Verpflichtungserklärung Sachverhalt lit. I).
Der endgültige Angebotspreis für die Phasen 1 und 2 wird durch den Verwaltungsrat nach Abschluss des internationalen Angebots festgelegt. Dabei wird der Verwaltungsrat den Erfolg des internationalen Angebots und einen möglichst hohen Erlös aus der Kapitalerhöhung insgesamt berücksichtigen. Ebenfalls wird der Verwaltungsrat darauf achten, dass Aktionäre, die sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen, nicht unverhältnismässig benachteiligt werden.
E.
Mit Gesuch vom 24. Oktober 2019 (Gesuch 1) stellen Martin Haefner und BigPoint (Gesuchsteller 1) folgenden Antrag:
Es seien Martin Haefner und den von ihm kontrollierten Gesellschaften, einschliesslich BigPoint Holding AG, eine Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG ohne Auflagen zu gewähren.
Begründet wird dieser Antrag im Wesentlichen wie folgt:
Die deutlich gedrückten kurzfristigen Aussichten in den Industrien, die für S+B relevant seien, hätten zu einer raschen und unerwartet starken Abnahme der Nachfrage nach Stahlprodukten geführt. In Bezug auf die Geschäfts- und Finanzlage von S+B zeige eine Übersicht über die monatlichen Verkaufsvolumen gegenüber dem Vorjahr eine erhebliche Abnahme ab April dieses Jahres. Dieser Trend sei ungebrochen. Dementsprechend sei S+B gezwungen gewesen, die Prognosen für das Gesamtjahr mehrfach deutlich zu senken und entsprechende Gewinnwarnungen herauszugeben.
Unter den Instrumenten der Fremdfinanzierung (vgl. Sachverhalt lit. C) seien gegenwärtig (ca. Mitte September) EUR 825 Mio. gezogen. Der Barbestand belaufe sich auf rund EUR 50 Mio., was zu einer Nettoverschuldung per Mitte September von rund EUR 775 Mio. geführt habe. Dieser Nettoverschuldung steht eine Marktkapitalisierung von rund EUR 193 Mio. (Kurs von CHF 0.223 x 945 Mio. Aktien + 1.09 CHF/EUR) gegenüber. Der Verschuldungsgrad belaufe sich nach dieser Rechnung auf ca. 3.75x, bzw. die Gesellschaft habe eine Fremdkapitalquote von rund 80%. Bei einem prognostizierten bereinigten
EBITDA per Ende 2019 von weniger als EUR 70 Mio. betrage die Net Debt/EBITDA-Ratio mehr als 11.1x. Damit stehe fest, dass die Kreditverpflichtungen sowohl per Ende September als auch per Ende Dezember 2019 deutlich verletzt würden (Verletzung von Financial Covenants). Vor diesem Hintergrund sei klar, dass S+B darauf angewiesen sei, dass die Banken auf die Geltendmachung ihrer Rechte, namentlich des Rechts, die Kredite oder nicht gezogenen Tranchen zu kündigen, verzichten würden. Die Banken haben nach aktuellem Stand temporär bis Ende Januar 2020 auf die Geltendmachung ihrer Kündigungsrechte verzichtet (temporary waiver). Dies gebe S+B eine gewisse Zeit, um die nötigen Eigenkapitalmassnahmen zu treffen. Mit den Banken werde in jedem Fall eine Anschlussvereinbarung bis spätestens zum 31. Januar 2020 abzuschliessen sein. Für erfolgversprechende Verhandlungen sei eine Eigenkapitalerhöhung unmittelbar gefordert. Allein eine rasche Eigenkapitalfinanzierung vermöge die Situation auf Seiten der Banken und der Kreditversicherer zu beruhigen.
Moody's habe die Gesellschaft mit Caa 1 negative outlook am 18. September 2019 geratet. S&P habe die Gesellschaft auf B- mit negative outlook gesetzt. Das Caa 1 Rating bedeutet ein substantielles Risiko, wobei nur bei günstiger Entwicklung keine Ausfälle erwartet werden könnten.
Auf die weitere Begründung des Antrags wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
F.
Mit Eingabe vom 25. Oktober 2019 beantragte S+B die Gutheissung des Gesuchs 1. Sie begründet dies damit, dass der Sanierungsbedarf von S+B ausgewiesen sei. Die Sanierungsaussichten bestünden ebenfalls. Mit einer erfolgreichen Kapitalerhöhung würden S+B bedeutende Mittel zufliessen, die für die Fremdkapitalgeber die Risiken vermindern und helfen würden, die gegenwärtige Konjunkturschwäche zu überbrücken. Das von der Gesellschaft gewählte Verfahren einer Bezugsrechtskapitalerhöhung mit Auktionierung nicht bezogener Aktien stelle sicher, dass die Aktionäre, die an der Kapitalerhöhung teilnehmen, einen Marktpreis und nicht mehr bezahlen würden und dass es letztlich keinen Dritten gebe, der bereit sei, die Unterstützung zu leisten, welche die Gesuchsteller 1 zugesagt hätten.
G.
Mit Gesuch vom 7. November 2019 (Gesuch 2) stellt Liwet (Gesuchstellerin 2) folgende Anträge:
1. | Es sei die Liwet Holding AG von der Pflicht zu befreien, in Folge der beabsichtigten Rekapitalisierungskapitalerhöhung ein öffentliches Kaufangebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Schmolz+Bickenbach AG zu unterbreiten, sollte im Rahmen der Kapitalerhöhung (das internationale Angebot eingeschlossen) der angebotspflichtige Grenzwert erreicht oder überschritten werden. |
2. | Es seien die Verfahren betreffend Ausnahme von der Angebotspflicht in Bezug auf S+B für Martin Haefner resp. die BigPoint Holding AG und die Liwet Holding AG zu vereinigen. |
3. | Die Veröffentlichung der Verfügung der Übernahmekommission sei in Absprache mit der Liwet Holding AG vorzunehmen. |
Zur Begründung führt Liwet im Wesentlichen Folgendes aus:
Seit dem dritten Quartal des Jahres 2018 habe sich die finanzielle Situation von S+B kontinuierlich und deutlich verschlechtert. Massgebend sei zum einen die abnehmende operative Auslastung, bedingt durch die schwächelnde Nachfrage aus dem deutschen Automobilsektor und dem Handelskrieg zwischen den USA und China (Stichwort Tarife). Andererseits habe S+B durch den Zukauf von Ascometal im Frühjahr 2018 bereits die Nettoverschuldung deutlich erhöht und gleichzeitig den verfügbaren Liquiditätspuffer reduziert.
Die Nettoverschuldung von S+B habe sich seit der Übernahme von Ascometal deutlich erhöht, vor allem wegen der Finanzierung des zusätzlichen Nettoumlaufvermögens und hohen operativen Investitionen im Jahr 2018. Die rückläufigen Produktions- und Verkaufsvolumen in diesem Jahr hätten zwar ab dem zweiten Quartal zu einer leichten Abnahme des Nettoumlaufvermögens geführt, allerdings sei der Effekt auf die Nettoverschuldung zu gering im Vergleich zum Rückgang des operativen Ergebnisses. Die daraus resultierende Erhöhung des Verhältnisses Nettoverschuldung zu EBITDA werde sich gemäss Einschätzung des Managements weiter fortsetzen und bis Mitte 2020 sogar noch deutlich verschlimmern.
In Bezug auf das Eigenkapital stelle sich die Situation von S+B aus Sicht der Liwet wie folgt dar: Per 30. Juni 2019 habe das konsolidierte Netto-Eigenkapital rund EUR 670 Mio. bzw. 26.40% der Aktiva betragen. Das statutarische Eigenkapital habe per 31. Dezember 2018 CHF 1.131 Milliarden betragen (nach einem "Impairment" von CHF 324 Mio. auf Finkl). In der Situation deute dies auf Werthaltigkeitsrisiken hin und eine weitere Verschlechterung der operativen Leistung würde höchstwahrscheinlich zu "Impairments" führen.
Auf die weitere Begründung der Anträge des Gesuchs 2 wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
H.
Mit Stellungnahme vom 11. November 2019 beantragte die Zielgesellschaft die Gutheissung von Antrag Ziff. 1 des Gesuchs 2.
I.
Mit Medienmitteilung vom 11. November 2019 gab S+B folgende Ergänzung zur beabsichtigten Kapitalerhöhung bekannt: Am 23. Oktober 2019 habe S+B über ihre Pläne informiert, eine Aktienkapitalerhöhung mit einer gleichzeitigen Nennwertreduktion durchzuführen. Die beabsichtigte Kapitalerhöhung sollte demnach mindestens CHF 189 Mio. und höchstens CHF 350 Mio. betragen (vgl. Sachverhalt lit. D). Die weitergeführten Gespräche mit Fremdkapitalgebern, Grossaktionären und Banken hätten zum Entscheid geführt, den Mindestbetrag der beabsichtigten Kapitalerhöhung auf CHF 325 Mio. anzupassen. Der Verwaltungsrat habe entsprechend an seiner letzten Sitzung beschlossen, der AGV eine Aktienkapitalerhöhung im Gesamtbetrag von mindestens CHF 325 Mio. zur Genehmigung vorzuschlagen. BigPoint habe sich, wie bereits mitgeteilt, verpflichtet, die Kapitalerhöhung mit CHF 325 Mio. zu unterstützen, und verlange weiterhin als Voraussetzung unter anderem, dass sie nach der Kapitalerhöhung mindestens 37.50% an S+B halte. Um sicherzustellen. dass S+B im Rahmen der Kapitalerhöhung mindestens CHF 325 Mio. zufliessen werden (d.h. selbst sofern die 37.50% Bedingung der BigPoint infolge Ausübung aller Bezugsrechte durch die übrigen Aktionäre nicht eintreten sollte), wird der Maximalbetrag der Kapitalerhöhung im Antrag an die AGV formell auf CHF 614.25 Mio. angesetzt. Als Voraussetzung zur Aufrechterhaltung ihrer Verpflichtung habe BigPoint zudem verlangt, dass Liwet im Bezugsrechtsangebot teilnehmen könne, aber darüber hinaus im internationalen Angebot nicht berücksichtigt werde. Der Ausgabepreis der neuen S+B-Aktien werde entweder CHF 0.30, CHF 0.25, CHF 0.20 oder CHF 0.15 pro Aktie betragen. Der Verwaltungsrat werde am Morgen vor der AGV von den möglichen Ausgabepreisen unter CHF 0.30 diejenigen streichen, die um mehr als CHF 0.05 unter dem dann herrschenden Marktpreis liegen würden, dies entsprechend bekannt machen und an der AGV beantragen.
J.
Mit Stellungnahme vom 12. November 2019 beantragten die Gesuchsteller 1 u.a. die Gutheissung der Anträge Ziff. 1 und Ziff. 2 und die Abweisung des Antrags Ziff. 3 des Gesuchs 2. Zur neuen Bedingung im angepassten Commitment Letter, wonach Liwet im internationalen Angebot nicht berücksichtigt werden darf (vgl. Sachverhalt lit. I), führen die Gesuchsteller 1 aus, dass sich ansonsten nach Ansicht von BigPoint das Risiko erhöhe, dass S+B unter dem US-amerikanischen Sanktionsregime Secondary Sanctions zu erwarten hätte. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Zuteilung von zusätzlichen neuen S+B-Aktien an Liwet im internationalen Angebot als wesentliche Transaktion qualifiziert würde und die OFAC als Folge davon Secondary Sanctions gegen die Gesellschaft verhängen könnte. BigPoint sei nicht bereit, CHF 325 Mio. in eine Gesellschaft zu investieren, wenn das Risiko besteht, dass nach Durchführung der Transaktion das ganze US-amerikanische Geschäft zusammenbreche. Desweiteren sei BigPoint zur Investition nur bereit, wenn sie nach Abschluss der Transaktion grösste Einzelaktionärin der Gesellschaft sei. Sie erachtet dies notwendig, damit die Gesellschaft erfolgreich saniert werden könne.
K.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 13. November 2019 entschied die Übernahmekommission in Gutheissung von Antrag Ziff. 2 des Gesuchs 2, dass die Verfahren zur Beurteilung des Gesuchs 1 von Martin Haefner/BigPoint und des Gesuchs 2 von Liwet vereinigt werden.
L.
Mit Medienmitteilung vom 12. November 2019 informierte S+B über den Zwischenbericht Q3 2019 (Stichtag 30. September 2019). Dabei wird u.a. Folgendes festgehalten:
„3. Unternehmensfortführung
Die fortdauernde Schwäche in den wichtigen Endkunden-Märkten hat 2019 zu einer Krise in der Stahlindustrie geführt. … Eine spürbare Erholung von Bestellungseingang und Auftragslage ist auch in den ersten Wochen des vierten Quartals ausgeblieben. Dies hat – zusammen mit den nochmals gestiegenen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten sowie dem gegen Jahresende üblichen saisonalen Nachfragerückgang – einen negativen Einfluss auf das Resultat und die Liquidität der Gruppe und erfordert Massnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals respektive der Liquidität.
… Darüber hinaus und nach Prüfung aller machbaren Optionen hat der Verwaltungsrat beschlossen, bei den Aktionärinnen und Aktionären eine Kapitalerhöhung zu beantragen. Martin Haefner, als einer der Ankeraktionäre, ist dabei bereit, über die von ihm kontrollierte Gesellschaft BigPoint Holding AG bis zu CHF 325 Mio. einzubringen, sofern er damit einen Aktienkapitalanteil von mindestens 37,5 % über den Weg der Kapitalerhöhung erwerben kann. Weitere Bedingungen sind unter anderem eine ausreichende Sicherheit für die Fremdfinanzierung sowie die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung durch die Übernahmekommission zwecks Abgabe eines öffentlichen Pflichtangebots aufgrund eines Sanierungstatbestandes. Die von der ausserordentlichen Generalversammlung zu genehmigende Kapitalerhöhung soll einen Gesamtbetrag von mindestens CHF 325,0 Mio. und höchstens CHF 614,3 Mio. erreichen. Im Falle eines Erwerbs von Aktienanteilen über die Schwelle von 33,3 % durch BigPoint Holding AG und Martin Haefner wird die in den Anleihensvereinbarungen enthaltene Klausel «Change of control» ausgelöst, wonach eine wesentliche Änderung in der Beherrschung der Gruppe eine vollständige Rückzahlung der Anleihe zur Folge haben kann. In diesem Fall würden zusätzliche finanzielle Ressourcen benötigt, welche die Mittelzuflüsse aus der Kapitalerhöhung übersteigen könnten und ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen mit den verschiedenen Parteien sind.
… Auf Grund der oben erwähnten Bedingungen zur Kapitalerhöhung sowie der benötigten Sicherstellung der kurz- und langfristigen Fremdfinanzierung durch die kreditgebenden Banken bestehen zum jetzigen Zeitpunkt wesentliche Unsicherheiten, welche erhebliche Zweifel an der Unternehmensfortführung hervorrufen. Die Verfügbarkeit von ausreichend Liquidität sowie die Stärkung des Eigenkapitals sind zentral für die Fortführung der Unternehmenstätigkeit und die Sicherstellung des zukünftigen Wachstums. Bei der Erstellung der Konzernrechnung wurde die Fortführung der Unternehmensgruppe vom Verwaltungsrat als auch von der Konzernleitung als positiv beurteilt, da davon ausgegangen wird, dass die erforderlichen Mittel im Rahmen der oben beschriebenen Kapitalerhöhung beschafft und darüber hinaus auch die Fremdfinanzierung über die Banken entsprechend gelöst werden kann. Als Konklusion wird die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit für die nächsten zwölf Monate als nicht unrealistisch angenommen und infolgedessen wurde dieser Konzern-Quartalsabschluss auf Basis von Fortführungswerten erstellt.“
M.
Mit Eingabe vom 21. November 2018 (Ergänzung zum Gesuch 2) ergänzt die Gesuchstellerin 2 ihr Gesuch 2 und stellt die folgenden zusätzlichen Anträge:
1. | Es sei der BigPoint Holding AG/Martin Haefner im Rahmen der beabsichtigten Rekapitalisierung der Schmolz+Bickenbach AG, über welche an der Generalversammlung vom 2. Dezember 2019 Beschluss zu fassen ist, keine Ausnahme von der Pflicht zur Unterbereitung eines öffentlichen Kaufangebots für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Schmolz+Bickenbach AG zu gewähren. |
2. | Eventualiter, d.h. sofern BigPoint Holding AG/Martin Haefner eine Ausnahme von der Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots im Zusammenhang mit der Rekapitalisierung der Schmolz+Bickenbach AG gewährt wird, sei |
i. | BigPoint Holding AG/Martin Haefner die beantragte Ausnahme von der Pflicht zur Unterbereitung eines öffentlichen Kaufangebots nur mit der Auflage zu gewähren, dass auf die Bedingung (5)(e) (betreffend Nichtteilnahme der Liwet Holding AG am Internationalen Offering) im Commitment to Purchase Shares vom 10. November 2019 verzichtet wird resp. die Schmolz+Bickenbach AG bestätigt, dass deren Verwaltungsrat diese Bedingung nicht anwenden wird; und |
ii. | Schmolz+Bickenbach AG zu verpflichten, den Ausgabepreis im Interesse der Gesellschaft festzulegen und im Internationalen Offering die Aktien unter Beachtung des Gleichbehandlungsprinzips und ausschliesslich nach Massgabe der Interessen der Gesellschaft zuzuteilen und die Zuteilung sowie die Interessenwahrung in Bezug auf die Festlegung des Bezugspreises in einem Bericht transparent darzustellen und zu veröffentlichen. |
Zudem stellt Liwet folgenden Eventualantrag zum Antrag Ziff. 1 des Gesuchs 2:
3. | Sollte die Liwet Holding AG im Rahmen der Rekapitalisierung der Schmolz+Bickenbach AG durch die Ausübung von Bezugsrechten die Angebotspflicht auslösen, sei die Liwet Holding AG für eine Zeitspanne von einem Jahr von der Pflicht zu befreien, den Aktionären der Schmolz+Bickenbach AG ein öffentliches Kaufangebot unterbreiten zu müssen. |
Liwet macht u.a. geltend, der Maximalbetrag der Kapitalerhöhung "überschiesse" den Sanierungsbedarf: Der Umfang der beabsichtigten Kapitalerhöhung sei höher als der Sanierungsbedarf von S+B. Liwet ist der Ansicht, dass eine Kapitalerhöhung im Umfang von insgesamt rund CHF 200 Millionen hinreichend wäre; denn damit sei die Liquidität der S+B mittelfristig sichergestellt. Zudem erfülle die vorgeschlagene Kapitalerhöhung das Transparenzgebot des FinfraG nicht: Die Durchführung sowie das Ergebnis der Rekapitalisierung, die neuen Kontroll-verhältnisse resp. das Ausmass der Kontrollübernahme eingeschlossen, seien für die Aktionäre nicht transparent, und zwar weder im Zeitpunkt der Beschlussfassung an der Generalversammlung noch im Zeitpunkt, in welchem sie über die Ausübung ihres Bezugsrechts entscheiden müssten.
Auf die weitere Begründung der Ergänzung zum Gesuch 2 wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
N.
Mit Eingabe vom 22. November 2019 nahm S+B innert Frist zur Ergänzung zum Gesuch 2 Stellung. S+B beantragt, es sei den Gesuchstellern 1 und der Gesuchstellerin 2 eine Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG zu erteilen. Die übrigen Anträge seien abzuweisen. S+B macht u.a. geltend, die CHF 200 Mio. würden im Maximum kurzfristig etwas Liquidität verschaffen. Die finanziellen Verpflichtungen in den Darlehensverträgen wären aber über eine sehr lange Zeit andauernd verletzt, so dass man auf den Goodwill der Banken angewiesen wäre. Die finanzierenden Banken hätten jedoch klargestellt, dass eine Kapitalerhöhung von CHF 200 Mio. nicht ausreiche, sondern die Kapitalerhöhung mindestens CHF 325 Mio. betragen müsse. Auf die weiteren Argumente von S+B wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
O.
Mit Eingabe vom 22. November 2019 nahmen die Gesuchsteller 1 zur Ergänzung zum Gesuch 2 Stellung und beantragen die Abweisung sämtlicher Anträge der Ergänzung zum Gesuch 2. Die Gesuchsteller 1 machen u.a. geltend, eine Kapitalerhöhung im Umfang von CHF 200 Mio. würde nicht genügen, um den Verschuldungsgrad derart zu senken, dass die Financial Covenants unter der revolvierenden Kreditfazilität eingehalten würden. Dementsprechend hätten die kreditgebenden Banken darauf bestanden, dass die Kapitalerhöhung mindestens CHF 325 Millionen betrage. Auf die weiteren Argumente der Gesuchsteller 1 wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
P.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Thomas A. Müller (Präsident), Lionel Aeschlimann und Thomas Vettiger gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Angebotspflicht
[1] Gemäss Art. 135 Abs. 1 FinfraG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ob ausübbar oder nicht, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft unterbreiten.
[2] Martin Haefner hält gegenwärtig 17.50% der Stimmrechte an S+B (vgl. Sachverhalt lit. B). Im Rahmen der Kapitalerhöhung werden die Gesuchsteller 1 aufgrund der Verpflichtungserklärung bei gegebenen Voraussetzungen eine Beteiligung von mindestens 37.50% am Aktienkapital von S+B anstreben. Damit würden die Gesuchsteller den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte an S+B überschreiten und angebotspflichtig werden. Die Gesuchsteller 1 beantragen für diesen Fall die Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gestützt auf Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG.
[3] Liwet hält gegenwärtig 26.91% der Stimmrechte an S+B (vgl. Sachverhalt lit. B). Liwet beabsichtigt, die ihr in Phase 1 der geplanten Kapitalerhöhung zugeteilten Bezugsrechte in vollem Umfang auszuüben. Dies kann – abhängig von der Teilnahme bzw. der Nichtteilnahme der übrigen S+B-Aktionäre und/oder potentieller Investoren an der geplanten Kapitalerhöhung – dazu führen, dass Liwet nach Durchführung der Kapitalerhöhung unbeabsichtigt einen Aktienanteil von über 33 1/3% der Stimmrechte an S+B hält. Liwet beantragt für diesen Fall die Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht.
2. Ausnahme von der Angebotspflicht beim Erwerb zu Sanierungszwecken
[4] Gemäss Art. 136 Abs. 1 FinfraG kann die Übernahmekommission in berechtigten Fällen Ausnahmen von der Angebotspflicht gewähren, namentlich bei Erwerb zu Sanierungszwecken (lit. e). Mit einer Sanierungsausnahme sollen Investoren privilegiert werden, welche die Gesellschaft in einer prekären Finanzlage zu unterstützen bereit sind, da in solchen Fällen das Interesse der Aktionäre am Fortbestand der Gesellschaft grösser sein kann als ihr Interesse an einem Pflichtangebot (statt vieler Verfügung 606/01 in Sachen Züblin Immobilien Holding AG vom 11. Juni 2015, Erw. 2). Ohne eine Ausnahme von der Angebotspflicht könnten Sanierungen in vielen Fällen nur unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht durchgeführt werden.
[5] Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG ist ein betriebswirtschaftlicher Sanierungsbegriff zugrunde zu legen. Demnach muss der wirtschaftlich Not leidenden Zielgesellschaft eine existenzgefährdende Schwäche anhaften bzw. es müssen Risiken bestehen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden. Gemäss der bisherigen Praxis der Übernahmekommission wurde ein Sanierungsbedarf z.B. als gegeben angesehen, wenn eine Anzeigepflicht nach Art. 725 Abs. 1 OR (Anzeige eines Kapitalverlustes) besteht (zuletzt Verfügung 709/01 vom 27. November 2018 in Sachen Leclanché S.A., Erw. 2.1 Rz. 8; Verfügung 606/01 vom 11. Juni 2015 in Sachen Züblin Immobilien Holding AG Erw. 2.1) oder die Revisionsstelle die Einschätzung abgibt, dass die Gesellschaft aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb kurzer Zeit in eine Überschuldungssituation geraten würde (Verfügungen 681/01 vom 22. Februar 2018 in Sachen Leclanché S.A. Erw. 2 Rz 7) oder bereits geraten ist.
[6] Aus Sicht der (Minderheits-)Aktionäre stellt eine Sanierungsausnahme einen schweren Eingriff in ihre Rechte dar: Sie müssen einen neuen kontrollierenden Aktionär hinnehmen, ohne eine Ausstiegsmöglichkeit über ein Pflichtangebot zu erhalten, welches ihnen von Gesetzes wegen gemäss Art. 135 FinfraG im Fall eines Kontrollwechsels zustehen würde. Vor diesem Hintergrund darf eine Sanierungsausnahme nur als ultima ratio gewährt werden, wenn also andere Sanierungsmassnahmen – d.h. solche die ohne einen Kontrollwechsel durchgeführt werden können – bereits (erfolglos) ergriffen wurden oder von vornherein als aussichtslos erscheinen. Namentlich soll eine Sanierungsausnahme erst in einer Situation gewährt werden, in welcher sich anderweitig kein Investor finden lässt, der für die Sicherung des Fortbestandes der Zielgesellschaft notwendig ist (sog. Subsidiarität der Sanierungsausnahme; zuletzt Verfügung 709/01 vom 27. November 2018 in Sachen Leclanché S.A., Erw. 2; «Une dérogation pour assainissement ne doit, selon le sens et le but de la norme, être accordée que dans la situation où un investisseur ne pourrait guère être trouvé sans que ladite dérogation ne soit accordée»; Verfügung 681/01 vom 22. Februar 2018 in Sachen Leclanché S.A., Erw. 2 ; Verfügung 671/01 vom 6. September 2017 in Sachen 5EL SA, Erw. 2; . Verfügung 587/01 vom 23. Dezember 2014 in Sachen Leclanché S.A., Erw. 2; Verfügung 544/01 vom 13. August 2013 in Sachen Leclanché S.A., Erw. 2; Verfügung 535/01 vom 24. Mai 2013 in Sachen Schmolz+Bickenbach AG, Erw. 2).
2.1 Sanierungsbedarf
[7] S+B verfügt über einen hohen Verschuldungsgrad und wird mit grosser Wahrscheinlichkeit die Financial Covenants in den Finanzierungsverträgen per 31. Dezember 2019 nicht einhalten können, woraus ein Kündigungsrecht der Banken resultiert. Die Banken haben nur temporär bis Ende Januar 2020 auf die Geltendmachung ihrer Kündigungsrechte verzichtet, weshalb bis spätestens zum 31. Januar 2020 eine Anschlussvereinbarung mit den Banken abgeschlossen werden muss. Die Gesuchsteller 1 und die Gesuchstellerin 2 haben aufgezeigt, dass S+B auf eine Stärkung des Eigenkapitals angewiesen ist, um den Verschuldungsgrad zu senken, weitergehende Verzichte der Banken erhältlich zu machen, die Liquidität zu erhalten und die positive Fortführungsprognose zu sichern.
[8] Nach Gesagtem steht im Grundsatz fest, dass S+B einen Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln aufweist.
2.2 Subsidiarität der Sanierungsausnahme
[9] Die Gesuchsteller 1 und S+B machen geltend, das Verfahren der geplanten Kapitalerhöhung stelle sicher, dass diejenigen Aktionäre, die an der Kapitalerhöhung teilnehmen, einen Marktpreis und nicht mehr bezahlen und dass es letztlich tatsächlich keinen Dritten gebe, der bereit sei, die Unterstützung zu leisten, welche die Gesuchsteller 1 zugesagt haben. Damit sei die Subsidiarität der Sanierungsausnahme sichergestellt. Zu den Zuteilungskriterien im internationalen Angebot (vgl. Sachverhalt lit. D) führt S+B Folgendes aus: Bei der Zuteilung sei es das primäre Kriterium, eine möglichst hohe Kapitalerhöhung zu erreichen, das sekundäre einen möglichst hohen Preis. Dabei würden für die gesamte Zuteilung die Zuteilungsrichtlinien für den Emissionsmarkt der Bankiervereinigung zur Anwendung gelangen, die nach dem FINMA Rundschreiben 2008/10 als Mindeststandard nach Art. 7 Abs. 3 FINMAG gelten würden. Danach richteten sich alsdann auch die Zuteilungskriterien, einschliesslich der vorstehend genannten. Diese Kriterien müssten sachlich sein, überprüft werden können und müssten nachvollziehbar sein. Sie seien durch die Bank zu dokumentieren. Die genauen Kriterien würden aber nicht mechanisch festgelegt. Sie würden im Prozess definiert. Ein diversifiziertes und langfristig orientiertes Aktionariat sei bei solchen Angeboten oft ein wichtiges Kriterium. Es werde nicht einfach mechanisch, sondern differenziert gekürzt.
[10] Die erwähnten Zuteilungsrichtlinien räumen dem Verwaltungsrat von S+B bei der Zuteilung der neuen S+B-Aktien im internationalen Angebot ein sehr grosses Ermessen ein. Dieses Ermessen kann so ausgeübt werden, dass eine Zuteilung an die Gesuchsteller 1 erfolgt und diese infolgedessen die angebotspflichtige Schwelle von 33 1/3% der Stimmrechte überschreiten, obwohl es andere interessierte Investoren gäbe, welche ebenfalls eine ausreichende Kapitalerhöhung ermöglichen würden, ohne dabei die angebotspflichtige Schwelle von 33 1/3% der Stimmrechte zu überschreiten. Damit stellt das gewählte Vorgehen entgegen der Ansicht der Gesuchsteller 1 und von S+B nicht sicher, dass sich kein anderer Investor finden lässt, der für die Sicherung des Fortbestandes der Zielgesellschaft notwendig ist, wie dies gemäss Praxis der Übernahmekommission für die Gewährung einer Sanierungsausnahme erforderlich wäre (vgl. Erw. 2.2.1).
[11] Im Übrigen erscheint es auch nicht als aussichtslos, dass eine Kapitalerhöhung, welche S+B signifikante Mittel zuführen würde, auch ohne die Gewährung von Sanierungsausnahmen erfolgreich durchgeführt werden kann (vgl. Erw. 2.1.3). Dies gilt umso mehr als Liwet gemäss eigenen Angaben bereit ist, die ihr zugeteilten Bezugsrechte in vollem Umfang auszuüben und damit rund CHF 100 Mio. zu investieren. Ebenfalls ist nicht auszuschliessen, dass die Gesuchsteller 1 auf die Voraussetzung, eine Beteiligung von mindestens 37.50% am Aktienkapital von S+B zu erhalten, verzichten und sich gleichwohl – wenn auch in geringerem Umfang und ohne die Schwelle von 33 1/3% der Stimmrechte zu überschreiten – an einer Kapitalerhöhung beteiligen, insbesondere um eine Verwässerung ihrer Beteiligung zu verhindern. Schliesslich ist es auch möglich, dass sich neue Investoren am internationalen Angebot beteiligen und in grösserem Umfang neue S+B-Aktien erwerben. Kommt hinzu, dass der Verwaltungsrat von S+B angesichts des erwähnten grossen Ermessens, welches er sich in Bezug auf die Modalitäten der beabsichtigten Kapitalerhöhung (Preisfestlegung, Volumen, Zuteilung der neuen S+B-Aktien) vorbehalten hat, Einfluss darauf nehmen kann, dass die geplante Kapitalerhöhung nach Möglichkeit ohne Überschreitung der angebotspflichtigen Schwelle von 33 1/3% durchgeführt werden kann.
[12] In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der neue Mindestbetrag von CHF 325 Mio. zu einem wesentlichen Teil dem Umstand geschuldet ist, dass unter dem 350 Mio. EUR-Bond im Fall eines Erwerbs von Aktienanteilen über die Schwelle von 33 1/3% gestützt auf eine Change of Control-Klausel jeder Bondholder berechtigt ist, den Rückkauf seines Bonds zu einem Preis von 101% des Nominals zzgl. Zinsen zu verlangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Rückkauf verlangt wird, hängt von der ökonomischen Einschätzung der Bondholder ab. Gegenwärtig werden die Bonds bei ca. 83.03% gehandelt. S+B führt hierzu aus: „Die von der ausserordentlichen Generalversammlung zu genehmigende Kapitalerhöhung soll einen Gesamtbetrag von mindestens CHF 325,0 Mio. und höchstens CHF 614,3 Mio. erreichen. Im Falle eines Erwerbs von Aktienanteilen über die Schwelle von 33,3 % durch BigPoint Holding AG und Martin Haefner wird die in den Anleihensvereinbarungen enthaltene Klausel «Change of control» ausgelöst, wonach eine wesentliche Änderung in der Beherrschung der Gruppe eine vollständige Rückzahlung der Anleihe zur Folge haben kann. In diesem Fall würden zusätzliche finanzielle Ressourcen benötigt, welche die Mittelzuflüsse aus der Kapitalerhöhung übersteigen könnten und ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen mit den verschiedenen Parteien sind.“ (vgl. Sachverhalt lit. L). Beim Kapitalbedarf infolge Anwendbarkeit der Change of Control-Klausel handelt es sich jedoch nicht um einen eigentlichen Sanierungsbedarf, sondern um die Folge eines möglichen Kontrollwechsels. Er kann daher nicht zur Rechtfertigung einer Sanierungsausnahme herangezogen werden.
[13] Es erscheint nicht als aussichtlos, dass eine Kapitalerhöhung, allenfalls mit einem geringerem (aber für den eigentlichen Sanierungsbedarf ausreichenden) Mindestbetrag, erfolgreich durchgeführt werden kann, ohne dass einer der Investoren die Schwelle von 33 1/3% der Stimmrechte an S+B überschreitet und eine Sanierungsausnahme benötigt. Der Verwaltungsrat von S+B hat es selbst in der Hand, auf das Erreichen der Schwelle des neuen Mindestbetrags von CHF 325 Mio. zu verzichten, wenn sich damit ein Kontrollwechsel verhindern lässt. Dies wäre auch im Interesse der Zielgesellschaft, die angesichts der erwähnten Change Control-Klauseln ein ökonomisches Interesse daran hat, dass die Sanierung ohne einen Kontrollwechsel durchgeführt wird. Ein solcher würde sich negativ auf die Liquidität auswirken.
2.3 Fazit
[14] Nach Gesagtem scheitert die Gewährung einer Sanierungsausnahme daran, dass die geplante Kapitalerhöhung nicht sicherstellt, dass die Voraussetzung der Subsidiarität erfüllt ist. Es erscheint nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass S+B eine Rekapitalisierungskapitalerhöhung in einem für die Sanierung ausreichendem Umfang auch ohne einen Kontrollwechsel durchführen kann.
[15] Der Antrag der Gesuchsteller 1 ist daher abzuweisen.
2.4 Ausnahme wegen vorübergehender Überschreitung
[16] Dabei wird nicht übersehen, dass für die Gesuchsteller 1 und die Gesuchstellerin 2 (sowie möglicherweise für andere potentielle Investoren) das Risiko besteht, dass sie infolge Teilnahme an der beabsichtigten Kapitalerhöhung unabsichtlich die Schwelle von 33 1/3% überschreiten.
[17] Die Gesuchstellerin 2 beantragt für diesen Fall eine Ausnahme wegen vorübergehender Überschreitung des Grenzwertes gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. c FinfraG für den Zeitraum von einem Jahr (Antrag Ziff. 3 der Ergänzung zum Gesuch 2).
[18] Tatsächlich könnte einem Investor für den Fall der unabsichtlichen Überschreitung des Grenzwertes eine Ausnahme gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. c FinfraG erteilt werden, sofern der betreffende Investor (1) bereit wäre, seine Beteiligung nach der Kapitalerhöhung innert angemessener Frist wieder auf unter 33 1/3% zu reduzieren und (2) während dem Zeitraum der Grenzwertüberschreitung keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschicke der Zielgesellschaft ausüben würde (vgl. zur Ausnahme infolge vorübergehender Überschreitung des Grenzwertes statt vieler Verfügung 641/01 vom 7. Oktober 2016 in Sachen Sulzer AG, Erw. 1.4.2).
[19] Ob diese Voraussetzungen im Fall der Gesuchstellerin 2 erfüllt wären und ob insbesondere eine Frist von einem Jahr für Reduzierung der Beteiligung als „angemessen“ im Sinne der erwähnten Praxis erscheint, kann indes erst beurteilt werden, wenn der Sachverhallt diesbezüglich ausreichend klar ist und namentlich feststeht, wie gross gegebenenfalls die den Grenzwert übersteigende Beteiligung der Gesuchstellerin 2 sein wird, da dieses Element ein wichtiges Kriterium für die Festlegung der „angemessene Frist“ darstellt. Antrag Ziff. 3 der Ergänzung zum Gesuch 2 ist daher einstweilen abzuweisen.
3. Stellungnahme des Verwaltungsrats
[20] Wird der Übernahmekommission ein Gesuch um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht oder um Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht eingereicht, so eröffnet sie ein Verfahren und lädt die Parteien zur Abgabe einer Stellungnahme ein (Art. 61 Abs. 1 UEV). Vor der Eröffnung der Verfügung kann die Zielgesellschaft eine Stellungnahme ihres Verwaltungsrates vorlegen, die sie gleichzeitig mit der Verfügung der Übernahmekommission veröffentlichen möchte (Art. 61 Abs. 1bis UEV). Die Zielgesellschaft veröffentlicht (a) die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrates, (b) das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission und (c) den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen eine qualifizierte Aktionärin oder ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der Übernahmekommission erheben kann (Art. 61 Abs. 3 UEV).
[21] Demnach ist S+B verpflichtet, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung sowie den Hinweis auf das Einspracherecht qualifizierter Aktionäre zu veröffentlichen.
4. Publikation
[22] In den sogenannten übrigen Verfahren gemäss Art. 61 UEV ist die Zielgesellschaft verpflichtet, die Veröffentlichung gemäss Art. 61 UEV vorzunehmen, worauf die Art. 6 und 7 UEV Anwendung finden (Art. 61 Abs. 4 UEV).
[23] S+B hat diese Veröffentlichung vorzunehmen.
[24] Die vorliegende Verfügung wird gleichentags auf der Webseite der Übernahmekommission publiziert (Art. 138 Abs. 1 Satz 2 FinfraG).
5. Gebühr
[25] In Anwendung von Art. 126 Abs. 5 FinfraG und Art. 118 FinfraV wird für die Behandlung der vorliegenden Gesuche 1 und 2 eine Gebühr erhoben. Unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit des vorliegenden Falles setzt der Ausschuss die Gebühr für die Gesuchsteller 1 und die Gesuchstellerin 2 jeweils auf CHF 20'000 fest.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. | Das Gesuch von Martin Haefner und BigPoint Holding AG betreffend Ausnahme von der Angebotspflicht im Zusammenhang mit der geplanten Kapitalerhöhung bezüglich Schmolz+Bickenbach AG wird abgewiesen. |
2. | Das Gesuch von Liwet Holding AG betreffend Ausnahme von der Angebotspflicht im Zusammenhang mit der geplanten Kapitalerhöhung bezüglich Schmolz+Bickenbach AG wird abgewiesen. |
3. | Die übrigen Anträge werden abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos sind. |
4. | Schmolz+Bickenbach AG wird verpflichtet, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung und den Hinweis auf das Einspracherecht qualifizierter Aktionäre gemäss Art. 6 und 7 UEV zu veröffentlichen. |
5. | Diese Verfügung wird am Tag der Veröffentlichung von Schmolz+Bickenbach AG gemäss Dispositivziffer 4 hiervor auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht. |
6. | Die Gebühr zu Lasten von Martin Haefner und BigPoint Holding AG beträgt CHF 20'000, unter solidarischer Haftung. |
7. | Die Gebühr zu Lasten von Liwet Holding AG beträgt CHF 20'000. |
Der Präsident:
Thomas A. Müller
Diese Verfügung geht an die Parteien:
- Martin Haefner und BigPoint Holding AG, vertreten durch Hans-Jakob Diem, Lenz & Staehelin;
- Liwet Holding AG, vertreten durch Dr. iur. Dieter Dubs, Bär & Karrer AG;
- SCHMOLZ+BICKENBACH AG, vertreten durch Dr. iur. Matthias Courvoisier, Baker McKenzie Zürich.
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):
Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung des Dispositivs der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 4 UEV).