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0649 - Orascom Development Holding AG
Verfügung 649/01 vom 17. Januar 2017
Gesuch von Orascom Development Holding AG betreffend Feststellung der Nichtanwendbarkeit des schweizerischen Übernahmerechts
Sachverhalt:
A.
Orascom Development Holding AG (Orascom oder die Gesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Altdorf, Kanton Uri (Firmennummer: CHE-114.029.051). Das Aktienkapital von Orascom beträgt CHF 937'510'283.20 und ist in 40'409'926 Namenaktien à je CHF 23.20 eingeteilt (Orascom Aktien). Die Orascom Aktien sind gemäss International Reporting Standard an der SIX Swiss Exchange AG (SIX Swiss Exchange) mit der ISIN-Nummer CH0038285679 primärkotiert.
B.
Bis Dezember 2009 waren die Orascom Aktien an der ägyptischen Börse Egyptian Exchange (EGX) kotiert, die damals noch Cairo and Alexandria Stock Exchange hiess. Um den Handel und die Liquidität an der EGX zu verbessern, wurde im Dezember 2009 der Handel von Orascom Aktien in Egyptian Depositary Receipts (EDRs) umgestellt, die in ägyptischen Pfund gehandelt werden. Die EDRs sind dabei im Verhältnis von 20:1 durch Orascom Aktien unterlegt. Auf jede beim Depositär hinterlegte Aktie entfallen somit 20 EDRs.
C.
Derzeit sind 181 Millionen EDRs an der EGX kotiert. Das entspricht 9.05 Millionen Orascom Aktien. Insgesamt kommt dies einer Beteiligung von 22.4% der derzeit im Handelsregister eingetragenen Orascom Aktien gleich.
D.
Die 181 Millionen EDRs werden wie folgt gehalten, wobei die nachfolgenden Zahlen gerundet sind:
- 125.4 Millionen EDRs, und somit 69% aller EDRs, werden direkt oder indirekt durch den Hauptaktionär von Orascom, Samih O. Sawiris (Hauptaktionär), gehalten. Das entspricht 6.3 Millionen Orascom Aktien und umgerechnet 16% aller Orascom Aktien.
- 22.2 Millionen EDRs, und somit 18% aller EDRs, werden durch die vier nebst dem Hauptaktionär grössten Investoren in EDRs gehalten. Dies entspricht 1.6 Millionen Orascom Aktien und umgerechnet 4% aller Orascom Aktien.
- Die restlichen 23.5 Millionen EDRs, und somit 13% aller EDRs, befinden sich im Publikumsbesitz. Das entspricht 1.2 Millionen Orascom Aktien und somit knapp 3% aller Orascom Aktien.
E.
Am 18. Mai 2015 liess sich der Verwaltungsrat von Orascom anlässlich der ordentlichen Generalversammlung von den Aktionären ermächtigen, Entscheidungen betreffend Kotierung oder Dekotierung für Börsen ausserhalb der Schweiz zu treffen.
F.
Am 26. Dezember 2016 beschloss der Verwaltungsrat von Orascom, unter Vorbehalt der erforderlichen behördlichen Zustimmungen und Genehmigungen, die EDRs von der EGX zu dekotieren.
G.
Indem Orascom die EDRs von der EGX dekotiert, beabsichtigt sie, (i) die Streuung und dadurch die Liquidität der Aktien an der SIX Swiss Exchange zu erhöhen und (ii) Verwechslungen mit der grössten ägyptischen Tochtergesellschaft, der Orascom Hotels and Development S.A.E., zu vermeiden, die ebenfalls an der EGX kotiert ist und deren Aktien mehrheitlich von Orascom gehalten werden. Ausserdem sollen (iii) Kosteneinsparungen realisiert werden und (iv) es soll der Aufwand verringern werden, der sich daraus ergibt, dass sowohl die ägyptischen wie auch die schweizerischen Kotierungsvorschriften anwendbar sind. Des Weiteren (v) erwartet man für Orascom Hotels and Development S.A.E. ein höheres Handelsvolumen, weil sie fortan die einzige Gesellschaft der Orascom Gruppe sein wird, die an der EGX kotiert ist. Die Dekotierung der EDRs führt sodann dazu, dass diese aufgehoben werden.
H.
Gemäss einem Rechtsgutachten von MHR & Partners (vgl. Sachverhalt lit. L nachfolgend) verpflichten die anwendbaren ägyptischen Kotierungsvorschriften Orascom, die EDRs bis spätestens einen Monat nach dem Dekotierungsbeschluss abzugelten. Der Abgeltungspreis entspricht dabei dem höheren der beiden folgenden Werte:
- Der höchste gehandelte Kurs der EDRs im Kalendermonat, der dem Dekotierungsbeschluss des Verwaltungsrats voranging; und
- Der durchschnittliche Schlusskurs in den drei Kalendermonaten, die dem Dekotierungsbeschluss des Verwaltungsrats vorausgingen.
Ausserdem räumt das ägyptische Recht jedem Inhaber von EDRs die Möglichkeit ein, wahlweise statt einer Abgeltung seine EDRs in einen entsprechenden Anteil an Orascom Aktien umzutauschen, das im erwähnten Verhältnis von 20:1.
I.
Die infolge Dekotierung aufgehobenen EDRs werden also entweder in bar abgegolten oder in Orascom Aktien umgewandelt. Inhaber von EDRs, welche sich nicht für die Barabgeltung ihrer EDRs durch die Gesellschaft entscheiden, nehmen zwingend am Umtausch teil und erhalten für ihre EDRs Orascom Aktien.
J.
Der Hauptaktionär wird seine EDRs in Orascom Aktien umtauschen. Ausserdem haben die oben genannten vier grössten Investoren und Halter von EDRs bestätigt, dass sie ihre EDRs ebenfalls in Orascom Aktien umtauschen werden. Somit erfasst die mögliche Barabgeltung von EDRs höchstens jene EDRs, die von Publikumsaktionären gehalten werden, sollten diese eine Barabgeltung verlangen. Die Barabgeltung bezieht sich also höchstens auf knapp 3% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals.
K.
Am 5. Januar 2017 reichte die Orascom ein Gesuch (Gesuch) mit folgenden Anträgen ein:
1. Es sei festzustellen, dass das Recht der Inhaber von Egyptian Depositary Receipts (EDRs) der Orascom Development Holding AG, Altdorf, infolge der Dekotierung der EDRs von der Egyptian Exchange ihre EDRs der Gesellschaft anzudienen bzw. die entsprechende Pflicht der Gesellschaft, die EDRs zurückzukaufen bzw. in Aktien der Gesellschaft umzutauschen, nicht unter die Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote fällt.
2. Eventualiter sei der Gesellschaft eine Ausnahme zu gewähren und der in diesem Gesuch dargelegten [recte: dargelegte] Sachverhalt von der Anwendbarkeit der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote nach FinfraG (einschliesslich den ausführenden Verordnungen) auszunehmen.
Auf die Begründung der Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.
L.
Zusammen mit dem Gesuch reichte Orascom ein Gutachten vom 29. Dezember 2016 von MHR & Partners aus Kairo, Ägypten, ein, das sich zum ägyptischen Recht bezüglich der Dekotierung äussert.
M.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Thomas A. Müller (Präsident), Jean-Luc Chenaux und Lionel Aeschlimann gebildet.
Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:
1. Anwendbarkeit des schweizerischen Übernahmerechts
[1] Nach Art. 125 Abs. 1 lit. a FinfraG gelten die Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote des 4. Kapitels des FinfraG für öffentliche Angebote für Beteiligungspapiere von Gesellschaften, die ihren Sitz in der Schweiz haben und deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz kotiert sind.
[2] Orascom hat ihren Sitz in Altdorf im Kanton Uri. Die Orascom Aktien sind an der SIX Swiss Exchange primärkotiert. Orascom ist damit eine Gesellschaft i.S.v. Art. 125 Abs. 1 lit. a FinfraG. Das schweizerische Übernahmerecht ist im vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar.
2. EDRs sind Beteiligungspapiere
[3] Gemäss Art. 2 lit. i FinfraG gelten als öffentliche Kaufangebote Angebote zum Kauf von Aktien oder von anderen Beteiligungspapieren, die sich öffentlich an Inhaber von Aktien oder von anderen Beteiligungspapieren richten. Papiere, welche Rechte auf Beteiligungspapiere oder auf Teile von solchen verbriefen, stellen dabei ebenfalls Beteiligungspapiere in Sinne dieser Bestimmung dar. Das gilt namentlich für die US-amerikanischen American Depositary Receipts (Empfehlung 0049/02 in Sachen Tag Heuer International SA vom 4. Oktober 1999; vgl. auch Tschäni/Iffland/Diem, in Watter/Vogt (Hrsg.), Basler Kommentar, Börsengesetz Finanzmarktinfrastrukturgesetz, Basel 2011, 2. Aufl., Rn 8 zu Art. 2 lit. e BEHG).
[4] Wie die American Depositary Receipts verkörpern auch die EDRs eine bestimmte Anzahl von Aktien eines Unternehmens. Der Unterschied ist dabei, dass die EDRs in ägyptischen Pfund anstatt in US Dollar gehandelt werden und an einer ägyptischen Börse statt an einer US-amerikanischen Börse gehandelt werden. Entsprechend handelt es sich bei den EDRs um Beteiligungspapiere i.S.v. Art. 2 lit. i FinfraG.
3. Pflichten infolge Dekotierung sind kein öffentliches Kaufangebot
[5] Vorliegend stellt sich die Frage, ob die aus der Dekotierung resultierende Pflicht von Orascom, ihre EDRs zurückzukaufen oder die Alternative, EDRs in eigene Aktien umzutauschen, ein öffentliches Kaufangebot i.S.v. Art. 2 lit. i FinfraG darstellt.
[6] Nach Praxis der Übernahmekommission ist die Wahlmöglichkeit der Aktionäre, die individuell für sich entscheiden können, ob sie ein unterbreitetes Angebot annehmen oder ablehnen wollen, ein wesentliches Element eines öffentlichen Angebots i.S.v. Art. 2 lit. i FinfraG (Verfügung 447/01 vom 23. September 2013 in Sachen International Minerals Corporation, Erw. 2, Rn 5; Empfehlung 13/02 vom 20. Juli 1998 in Sachen SGS Société gégérale de surveillance SA, Erw. 1). Der Inhaber von Beteiligungspapieren muss mithin im Rahmen eines Angebots die Wahl haben, ob er seine Beteiligungspapiere andienen will oder nicht. Ebenso muss er von diesem Recht nach seinem Ermessen Gebrauch machen können.
[7] Die Generalversammlung von Orascom hatte deren Verwaltungsrat am 18. Mai 2015 bevollmächtigt, Entscheidungen betreffend die Kotierung oder die Dekotierung von Orascom ausserhalb der Schweiz zu treffen. Das ägyptische Recht schreibt Orascom vor, den Inhabern von EDRs den Rückkauf dieser EDRs anzubieten. Alternativ können diese EDRs in Aktien von Orascom umgewandelt werden. Dabei besteht lediglich eine Wahlmöglichkeit, eine Entschädigung in der Form von Geld oder sonst von Orascom Aktien zu erhalten. Es ist dabei jedoch nicht möglich, die EDRs nach ihrer Dekotierung weiterhin zu halten, da diese wie erwähnt aufgehoben werden.
[8] Im gesamten geschilderten Prozess haben die Inhaber von EDRs entsprechend keine Möglichkeit zu wählen, ob sie die EDRs behalten möchten. Da die Inhaber von ERDs keine Wahl im Hinblick auf diese Rechtsfolge haben, liegt kein öffentliches Angebot i.S.v. Art. 2 lit. i FinfraG vor. Dabei wird nicht übersehen, dass die Wahlmöglichkeit zwischen einer Barabgeltung oder einem Umtausch nur eine Wahl bezüglich der Entschädigungsform darstellt, nicht aber bezüglich der Aufhebung als solcher.
[9] Demnach handelt es sich bei der beschriebenen Transaktion nicht um ein öffentliches Angebot i.S.v. Art. 2 lit. i FinfraG. Entsprechend sind die Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote nach Art. 125 ff. FinfraG nicht anwendbar.
4. Publikation
[10] Die Übernahmekommission erlässt Verfügungen und veröffentlicht sie auf ihrer Webseite (Art. 61 Abs. 2 UEV). Nach Art. 61 Abs. 3 lit. b UEV muss die Zielgesellschaft das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission veröffentlichen. Zudem veröffentlicht die Zielgesellschaft den Hinweis, innert welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der Übernahmekommission erheben kann (Art. 61 Abs. 3 lit. c UEV). Auf diese Veröffentlichung sind Art. 6 und Art. 7 UEV anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).
[11] Nachdem die vorliegende Verfügung Orascom eröffnet wurde, wird sie auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht (Art. 61 Abs. 2 UEV). Zudem wird Orascom verpflichtet, das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV zu veröffentlichen.
5. Gebühr
[12] Nach Art. 118 Abs. 1 und 2 FinfraV wird für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs eine Gebühr von Orascom erhoben. Unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit des vorliegenden Falles setzt der Ausschuss die Gebühr auf CHF 30'000 fest.
Die Übernahmekommission verfügt:
1. | Das Recht der Inhaber von Egyptian Depositary Receipts (EDRs) der Orascom Development Holding AG, infolge der Dekotierung der EDRs von der Egyptian Exchange ihre EDRs der Gesellschaft anzudienen bzw. die Pflicht der Gesellschaft, die EDRs zurückzukaufen oder diese in Aktien der Gesellschaft umzutauschen, fällt nicht unter die Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote. |
2. | Die vorliegende Verfügung wird nach ihrer Eröffnung an Orascom Development Holding AG auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht. |
3. | Orascom Development Holding AG wird verpflichtet, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung der Übernahmekommission und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, zu veröffentlichen. |
4. | Die Gebühr zu Lasten von Orascom Development Holding AG beträgt CHF 30'000. |
Der Präsident:
Thomas A. Müller
Diese Verfügung geht an die Partei:
- Orascom Development Holding AG, vertreten durch Dr. Thomas Reutter und Annette Weber, Bär & Karrer AG;
Rechtsmittelbelehrung:
Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):
Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.
Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):
Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung des Dispositivs der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 4 UEV).