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Transaktionen

0251 - Aare-Tessin AG für Elektrizität

Empfehlung VII Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 12. Juni 2006 - Angebotsänderung

Öffentliches Umtauschangebot von Motor-Columbus AG, Baden, im Auftrag von Electricité de France International, Paris, EOS-Holding, Lausanne, Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano, Elektra Baselland, Liestal, Elektra Birseck, Münchenstein, IBAarau AG, Aarau, des Kantons Solothurn, der Wasserwerke Zug AG, Zug, und von Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von Aare-Tessin AG für Elektrizi-tät, Olten - Angebotsänderung

A.
Aare-Tessin AG für Elektrizität („Atel“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Olten. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 303'600'000 und ist eingeteilt in 3'036'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 100 („Atel-Aktien“). Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert.

B.
Motor -Columbus AG („Motor-Columbus“ oder „Anbieterin“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baden. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 253'000'000 und ist eingeteilt in 506'000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 500 („Motor-Columbus-Aktien“). Die Aktien sind an der SWX kotiert. Die Statuten von Motor-Columbus enthalten eine Opting out-Klausel. Motor-Columbus ist eine reine Finanzholding mit Beteiligungen vor allem im Energiebereich. Als wichtigste Beteiligung hält sie 58.51% aller Namenaktien der operativ tätigen Atel.

C.
UBS AG („UBS“) mit Sitz in Zürich und Basel hielt eine Beteiligung von 55.64% an Motor-Columbus. Bedeutende Aktionäre von Motor-Columbus waren Electricité de France International, Paris („ EDFI“), die 20% der Inhaberaktien von Motor-Columbus hielt und EOS-Holding, Lausanne („ EOSH“), welche 15.44% der Inhaberaktien von Motor-Columbus hielt. Am 29. September 2005 schloss UBS mit EOSH, Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano („AIL“), Elektra Birseck, Münchenstein („EBM“), Elektra Baselland, Liestal („EBL“), IBAarau AG, Aarau („IBA“), dem Kanton Solothurn („KtSO“) und den Wasserwerken Zug, Zug („WWZ“), sowie Atel einerseits und mit EDFI andererseits je einen Kaufvertrag ab, worin sich UBS verpflichtete, EOSH, AIL, EBM, EBL, IBA, KtSO, WWZ, EDFI und Atel ihre Beteiligung an Motor-Columbus in der Höhe von 55.64% zu verkaufen (nachfolgend „Aktienkaufverträge“). Zeitgleich mit den Aktienkaufverträgen hatten EOSH, AIL, EBM, EBL, IBA, KtSO, WWZ, EDFI (alle zusammen „Konsortium“ oder „Konsortialmitglieder“) und Atel eine Konsortialvereinbarung („Konsortialvereinbarung“) abgeschlossen und hielten insgesamt eine Beteiligung von 32.46% an Atel.

Das Konsortium und Atel verfolgen die industrielle Absicht, die führende Energiegesellschaft der westlichen Schweiz mit europäischer Ausrichtung und Dimension zu schaffen. Dazu waren ursprünglich folgende Transaktionsschritte vorgesehen: Unmittelbar nach Vollzug der Aktienkaufverträge, jedoch vor Veröffentlichung des öffentlichen Umtauschangebots, hatten Motor-Columbus und Atel einen Fusionsvertrag unterzeichnet, wonach vorgesehen war, dass Motor-Columbus in Atel als übernehmende Gesellschaft („NewCo“) fusionierte. Nach Vollzug der Fusion hätte NewCo in eine Holding umstrukturiert werden sollen, indem die betrieblichen Aktivitäten in operative Tochtergesellschaften hätten ausgegliedert werden sollen. Zudem hätte NewCo umfirmiert („HoldCo“), und ihr Sitz wäre von Olten nach Neuenburg verlegt worden. Vor der effektiven Implementierung dieser Holdingstruktur war beabsichtigt, dass EOSH ihre betrieblichen Aktivitäten und Aktiven mit HoldCo zusammenführte. Ferner bestand die Absicht, die schweizerischen Beteiligungen der Electricité de France, Paris („EDF“), ihren Tochtergesellschaften sowie den Gesellschaften, an denen sie (in)direkt Beteiligungen hält (zusammen „EDF-Gruppe“) in HoldCo einzubringen. Es war vorgesehen, dass – nach Vollzug der genannten Sacheinlagen – EOSH sowie das Konsortium der Schweizer Minderheiten (bestehend aus AIL, EBL, EBM, IBA, KtSO sowie WWZ) je eine Beteiligung von 30% und die EDF-Gruppe eine Beteiligung von 25% an HoldCo halten.

D.
Mit Empfehlung vom 11. August 2005 stellte die Übernahmekommission unter anderem fest, dass die Konsortialmitglieder und Atel mit Unterzeichnung der Konsortialvereinbarung direkt und indirekt insgesamt mehr als 33 1/3% der Stimmrechte an Atel halten und den Aktionären von Atel nach Art. 32 Abs. 1 BEHG ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreiten müssen. Gleichzeitig verlängerte die Übernahmekommission die Frist zur Unterbreitung des Pflichtangebots an die Aktionäre von Atel bis zum Vollzug der Aktienkaufverträge, längstens aber bis Februar 2006 (vgl.  Empfehlung I vom 11. August 2005 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) – Angebotspflicht ).

E.
Ebenfalls am 11. August 2005 entschied die Übernahmekommission, dass Motor-Columbus das Pflichtangebot an die Atel-Aktionäre im Auftrag der Konsortialmitglieder durchführen könne, indem Motor-Columbus im Rahmen eines Umtauschangebots Motor-Columbus-Aktien anbietet (vgl. Empfehlung II vom 11. August 2005 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) – Tauschangebot [„Empfehlung II vom 11. August 2005“] ).

F.
Mit Empfehlung III vom 19. Januar 2006 hielt die Übernahmekommission fest, dass den Konsortialmitgliedern und Atel keine Ausnahme vom Mindestpreis im Sinne von Art. 43 BEHV-EBK für die Bestimmung des Umtauschverhältnisses gewährt wird (vgl. Empfehlung III vom 19. Januar 2006 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) – Gesuch um Ausnahme vom Mindestpreis [„Empfehlung III vom 19. Januar 2006“] ).

G.
Am 23. Februar 2006 erstreckte die Übernahmekommission die Frist zur Unterbreitung des Pflichtangebots an die Atel-Aktionäre abermals bis längstens 31. März 2006 (vgl. Empfehlung IV vom 23. Februar 2006 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) – Fristverlängerung ).

H.
Die Aktienkaufverträge wurden am 23. März 2006 vollzogen. Im Rahmen des Vollzugs der Aktienkaufverträge gab EDFI eine Abtretungserklärung ab; nach dem Vollzug wurde die von ihr gehaltene Beteiligung an Motor-Columbus und Atel auf EDF Alpes Investissements Sàrl, Martigny („EDFAI“), übertragen. Durch die Abtretungserklärung von EDFI und infolge eines ausdrücklichen Vertragsbeitritts wurde EDFAI Partei der Konsortialvereinbarung.

I.
Am 24. März 2006 veröffentlichte Motor-Columbus in den elektronischen Medien die Voranmeldung des öffentlichen Umtauschangebots für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien von Atel.

J.
Infolge Intervention, mit welcher die Minderheitsaktionärin AEM S.p.A., Mailand („AEM“ oder „Intervenientin“), welche 5.76% an Atel hält, die Gesetzmässigkeit des vorliegenden Angebots in Frage stellte, gewährte die Übernahmekommission dem Konsortium und Atel bzw. Motor-Columbus keine Ausnahme von der Karenzfrist (vgl.  Empfehlung V vom 24. März 2006 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) – Karenzfrist).

K.
Am 28. März 2006 erfolgte die landesweite Verbreitung des öffentlichen Umtauschangebots von Motor-Columbus, indem dieses in den elektronischen Medien und mehreren Zeitungen auf Deutsch und Französisch veröffentlicht wurde. Das Angebot begann – nach Ablauf der Karenz-
frist – am 12. April 2006 zu laufen.

L.
Mit Empfehlung VI vom 7. April 2006 stellte die Übernahmekommission fest, dass das öffentliche Umtauschangebot dem BEHG entspreche unter der Auflage, dass Motor-Columbus den Angebotsprospekt und der Verwaltungsrat von Atel seinen Bericht in gewissen Punkten ergänzen und berichtigen (vgl.  Empfehlung VI vom 7. April 2006 in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) – Angebotsprospekt [„Empfehlung VI vom 7. April 2006“]).

M.
Am 12. April 2006 erfolgte die landesweite Verbreitung der Ergänzungen und Berichtigungen des Angebotsprospekts bzw. des Verwaltungsratsberichts in derselben Form wie das Angebot. Die Angebotsfrist dauerte bis zum 17. Mai 2006.

N.
Mit Eingabe vom 18. April 2006 an die Übernahmekommission wandte sich die Intervenientin gegen die Empfehlung VI vom 7. April 2006. Gleichentags leitete die Übernahmekommission die Eingabe an die Eidgenössische Bankenkommission („EBK“) weiter.

O.
Am 3. Mai 2006 trat die EBK auf die Begehren der Intervenientin ein und erliess eine Verfügung („Verfügung der EBK“), worin sie unter anderem feststellte, dass das Umtauschangebot von Motor-Columbus vom 28. März 2006 nicht dem BEHG entspreche; das Angebot wurde nicht sistiert.

P.
In der Folge verlängerte Motor-Columbus am 16. Mai 2006 – gestützt auf Art. 14 Abs. 4 UEV-UEK – die Angebotsfrist um 17 zusätzliche Börsentage, d.h. bis zum 13. Juni 2006 (vgl. auch lit. A Ziff. 5 Abs. 3 des Angebotsprospekts vom 28. März 2006).

Q.
Am 1. Juni 2006 veröffentlichte Motor-Columbus eine Änderung des öffentlichen Umtauschangebots zusammen mit dem Verwaltungsratsbericht („Angebotsänderung“) in derselben Form wie das Angebot. Das Konsortium und Atel bekräftigen die industrielle Absicht, bis Ende 2007 die führende Energiegesellschaft der westlichen Schweiz zu schaffen. Die wesentlichen Transaktionsschritte (vgl. Sachverhalt lit. C) bleiben unverändert, wobei Motor-Columbus und Atel den Fusionsvertrag vom 23. März 2006 aufgrund der Verfügung der EBK aufgehoben haben; Motor-Columbus wird demnach zumindest vorläufig nicht in Atel fusioniert. Nach Durchführung des öffentlichen Umtauschangebots werden Motor-Columbus und Atel im Hinblick auf die Schaffung einer vereinfachten Holdingstruktur umstrukturiert. Die Konsortialmitglieder und Atel werden frühestens Ende Dezember 2006, d.h. sechs Monate nach Ablauf der Nachfrist, über die Umstrukturierung von Motor-Columbus und Atel entscheiden. Ziel bleibt weiterhin die Bildung einer vereinfachten Holdingstruktur der Motor-Columbus-/Atel-Gruppe unter einer einheitlichen Obergesellschaft. Mittels welcher Transaktionsschritte dieses Ziel umgesetzt werden soll, wird unter Berücksichtigung von operationellen, fiskalischen, rechtlichen, buchhalterischen und politischen Kriterien festgesetzt werden. Diese Obergesellschaft soll zu einer Holding umfirmiert und der Sitz dieser Holding nach Neuenburg verlegt werden. Soweit möglich ist vorgesehen, dass die Sacheinlagen von EOSH bzw. der EDF-Gruppe in die Holding zeitgleich erfolgen. Den Atel-Aktionären werden nach wie vor 0.321 Motor-Columbus-Aktien pro Atel-Aktie angeboten; das Angebot ist an keine Bedingungen geknüpft.

R.
Am 2. Juni 2006 reichte Motor-Columbus beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der EBK ein insbesondere mit der Begründung, dass AEM im Rahmen des Verfahrens vor der Übernahmekommission keine Parteistellung zukomme und nicht befugt sei, die Empfehlung der Übernahmekommission vor der EBK abzulehnen (vgl. lit. A Abs. 4 der Angebotsänderung vom 1. Juni 2006).

S.
Am 6. Juni 2006 bot die Übernahmekommission der Intervenientin Gelegenheit, sich im Sinne von Art. 54 Abs. 3 UEV-UEK bis zum 7. Juni 2006 zur Angebotsänderung vernehmen zu lassen. Motor-Columbus bzw. das Konsortium und Atel ihrerseits konnten sich danach bis am 8. Juni 2006 zur Eingabe von AEM äussern. Auf die innert Frist eingereichten Stellungnahmen wird – soweit erforderlich – im Rahmen der Erwägungen eingegangen.

T.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Rudolf Widmer (Präsident), Frau Susan Emmenegger und Herrn Raymund Breu gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Änderung des Angebots

1.1 Eine Angebotsänderung kann bis zum Ablauf des Angebots erfolgen und ist in der gleichen Form wie das ursprüngliche Angebot zu veröffentlichen (Art. 15 Abs. 2 und 3 UEV-UEK). Die verlängerte Angebotsfrist endet am 13. Juni 2006 (vgl. Sachverhalt lit. P). Die Veröffentlichung der Angebotsänderung erfolgte am 1. Juni 2006 in der gleichen Form wie der Angebotsprospekt vom 28. März 2006, womit die oben erwähnten Anforderungen erfüllt sind.

1.2 Aufgrund der Verfügung der EBK änderte Motor-Columbus das Angebot am 1. Juni 2006 wie folgt: Da die EBK die Zeitspanne von 12 Börsentagen zwischen dem Vollzug des Umtauschs und der Genehmigung der Fusion als zu kurz betrachtete (vgl. Verfügung der EBK, Rz 39), wurde der zwischen Motor-Columbus und Atel abgeschlossene Fusionsvertrag vom 23. März 2006 aufgehoben. Motor-Columbus wird demnach zumindest vorläufig nicht in Atel fusioniert. Nach Durchführung des öffentlichen Umtauschangebots werden Motor-Columbus und Atel im Hinblick auf die Schaffung einer vereinfachten Holdingstruktur umstrukturiert, wobei die Konsortialmitglieder und Atel frühestens Ende Dezember 2006, d.h. sechs Monate nach Ablauf der Nachfrist, über die Umstrukturierung von Motor-Columbus und Atel entscheiden werden. Ziel bleibt weiterhin die Bildung einer vereinfachten Holdingstruktur der Motor-Columbus-/Atel-Gruppe unter einer einheitlichen Obergesellschaft (vgl. Sachverhalt lit. Q).

1.3 In ihrer Stellungnahme vom 7. Juni 2006 bringt die Intervenientin im Wesentlichen vor, auch die Angebotsänderung vom 1. Juni 2006 entspreche nicht dem BEHG, da nach wie vor vorgesehen sei, dass Motor-Columbus und Atel zusammengeführt würden. Unabhängig davon, ob ein „Reverse Merger“, eine Fusion oder eine vereinfachte Holdingstruktur angestrebt werde, sei das Ausstiegsrecht der Minderheitsaktionäre von Atel nicht gewährt. Überdies macht AEM geltend, dass die Möglichkeit, die Atel- bzw. Motor-Columbus-Aktien zu verkaufen – aufgrund des geringen Free Float – zu einem Kurssturz führen würde, was die Regeln über die Pflichtangebote gerade vermeiden wollen, um den Minderheitsaktionären einen Mindestpreis zu garantieren.

1.4.1 Zu dem von AEM vorgebrachten Argument, die dem Übernahmeangebot folgende Umstrukturierung von Motor-Columbus und Atel verwehre ihr das nach Art. 32 BEHG vorgesehene Austrittsrecht, ist zu betonen, dass Art. 39 BEHV-EBK neben einer Barzahlung auch den Tausch gegen Beteiligungspapiere zulässt. Selbst wenn ein vorausgegangener Erwerb – wie vorliegend der Verkauf der Beteiligung an Motor-Columbus von UBS AG an das Konsortium und Atel – gegen Barzahlung stattgefunden hat, kann der Angebotspreis mittels Beteiligungspapieren abgegolten werden (Art. 39 Abs. 2 BEHV-EBK). Der Angebotspreis kann mit Tausch gegen Beteiligungspapiere der Anbieterin selber oder einer anderen Gesellschaft geleistet werden, was mit der Empfehlung II vom 11. August 2005 festgestellt wurde. Diese Empfehlung ist nach wie vor gültig, da sie unangefochten blieb und sich materiell nichts geändert hat. Auch die Verfügung der EBK hat die Zulässigkeit des Tauschangebots als solches nicht in Frage gestellt (gleicher Meinung Rashid Bahar , www.unige.ch/cdbf , actualité n° 438 du 16 mai 2006 ) . Auch wenn dies international gesehen unüblich erscheinen mag, ist gemäss Art. 42 Abs. 2 BEHV-EBK unerheblich, ob die zum Umtausch angebotenen Titel kotiert, nicht kotiert, liquid oder illiquid sind. Selbst bei Illiquidität der Motor-Columbus-Aktien wäre demnach de lege lata in einem Pflichtangebot ein Tausch gegen solche Titel zulässig. Eine Änderung dieser Regelung hätte de lege ferenda zu erfolgen.

1.4.2 Dem Argument von AEM, sie könne ihre Beteiligung an Motor-Columbus bzw. Atel nicht über den Markt verkaufen, weil dies aufgrund des geringen Free Float der Titel zu einem Kurssturz führen würde und damit der Mindestpreis nicht garantiert sei, hält Motor-Columbus bzw. das Konsortium und Atel im Wesentlichen entgegen, dass weder das Übernahmerecht noch die Kotierungsregeln einen liquiden Markt für Aktien garantieren.

1.4.2.1 Soweit das Argument den „geringen Free Float“ der Motor-Columbus-Aktien betrifft, ist festzuhalten, dass im vorliegenden Angebot liquide Titel im Sinne der Praxis der Übernahmekommission zum Umtausch angeboten werden (vgl. Empfehlung III vom 19. Januar 2006, Erw. 4.1.3 sowie Empfehlung VI vom 7. April 2006, Erw. 5.1). Die Motor-Columbus-Aktien bedurften keiner Bewertung, da eine solche gemäss Art. 42 Abs. 2 BEHV-EBK nur bei nicht kotierten Beteiligungspapieren oder bei kotierten Beteiligungspapieren mit einem illiquiden Markt notwendig ist. Dies wurde auch von der EBK bestätigt, welche allerdings in Rz 39 Folgendes beanstandete: „Hier ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem Tausch von Atel-Aktien in Motor-Columbus-Titel ein ‚reverse merger’ folgt, wobei den Motor-Columbus-Aktionären (wiederum) Atel-Aktien angeboten werden, und zwar basierend auf dem gleichen Umtauschschlüssel, der bereits im Rahmen des Pflichtangebots zur Anwendung kommt. Dabei beträgt die Zeitspanne gemäss indikativem Zeitplan zwischen dem Vollzug des Umtauschs (20. Juni 2006) und der Genehmigung der Fusion (7. Juli 2006) gerade mal 12 Börsentage.“ Indem die Konsortialmitglieder und Atel frühestens Ende Dezember 2006 über die Umstrukturierung von Motor-Columbus und Atel entscheiden (vgl. Sachverhalt lit. Q), und damit diese Zeitspanne wesentlich verlängern, tragen sie den Bedenken der Verfügung der EBK Rechnung.

Soweit AEM mit dem Argument des „geringen Free Float“ einen Anspruch auf einen garantierten Verkaufspreis der zum Umtausch angebotenen Motor-Columbus-Titel nach dem Angebot ableiten will, ist festzuhalten, dass der Mindestpreis dies nicht garantiert. Dieser gewährt vielmehr einen Angebotspreis, der im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung mindestens dem Börsenkurs entspricht (vgl. Art. 32 Abs. 4 BEHG; Art. 37 ff. BEHV-EBK). Nach diesem Zeitpunkt ist der Börsenkurs, dessen Entwicklung im Übrigen nicht prognostiziert werden kann, für die Einhaltung der Regeln über den Mindestpreis irrelevant. Vorliegend sind die Mindestpreisbestimmungen eingehalten.

1.4.2.2 Zum Argument, dass der geringe Free Float der Atel-Aktien bei einem Verkauf zu einem Kurssturz führen würde, ist festzuhalten, dass beim Verkauf einer grösseren Beteiligung die Kursentwicklung nicht vorausgesagt werden kann, unabhängig davon, ob ein Titel liquid oder illiquid ist. Abgesehen davon ergibt sich aus einem Pflichtangebot kein Anspruch darauf, die Aktien der Zielgesellschaft ohne Kursverlust zu verkaufen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass vorliegend ein vorausgegangener Erwerb gegen Barzahlung stattgefunden hat, da ein Umtauschangebot gegen Beteiligungspapiere auch in einem solchen Fall möglich ist (Art. 39 Abs. 2 BEHV-EBK). Hinzu kommt, dass der von AEM behauptete geringe Free Float keine Konsequenz des vorliegenden Angebots ist; vielmehr investierte AEM in Atel in Kenntnis der damaligen Aktionärsstruktur.

1.4.3 Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Indem der Entscheid über die Umstrukturierung von Motor-Columbus und Atel bis auf weiteres ausgesetzt wird, trägt Motor-Columbus der Verfügung der EBK Rechnung. Wie in den Erwägungen 1.4.1 ff. dargelegt, dürfen den Atel-Aktionären Motor-Columbus-Aktien zum Tausch angeboten werden, und die Mindestpreisbestimmungen von Art. 37 ff. BEHV-EBK sind eingehalten. Das am 1. Juni 2006 geänderte Angebot von Motor-Columbus entspricht daher dem BEHG.

2. Bericht des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft

2.1 Der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft muss zu einer Angebotsänderung Stellung nehmen (Art. 33 UEV-UEK) und einen entsprechenden Bericht veröffentlichen. Der (neue) Bericht kann mit dem (geänderten) Angebot veröffentlicht werden (Art. 33 Abs. 2 UEV-UEK). In casu wurde die Ergänzung des Verwaltungsratsberichts zusammen mit der Angebotsänderung am 1. Juni 2006 publiziert (vgl. Sachverhalt lit. Q), so dass diese Anforderung erfüllt ist.

2.2.1 Der Verwaltungsrat von Atel nimmt zur Angebotsänderung vom 1. Juni 2006 Stellung und empfiehlt, das Angebot von Motor-Columbus nicht anzunehmen, unter anderem weil zur Zeit noch nicht feststehe, wie Motor-Columbus und Atel umstrukturiert würden (vgl. lit. D der Angebotsänderung).

2.2.2 Gemäss lit. D Ziff. 2 der Angebotsänderung vom 1. Juni 2006 sind die Verwaltungsräte von Atel und Motor-Columbus seit den ordentlichen Generalversammlungen von Atel und Motor-Columbus vom 27. bzw. 28. April 2006 identisch und setzen sich je aus folgenden Personen zusammen: Rainer Schaub (Präsident), Marc Boudier, Hans Büttiker, Dominique Dreyer, Marcel Guignard, Philippe Huet, Jean-Philippe Rochon, Hans Schweickardt, Alex Stebler, Urs Steiner, Christian Wanner und Giuliano Zuccoli. Wie bereits die Mitglieder des Verwaltungsrats in seiner Zusammensetzung vor der Generalversammlung vom 27. April 2006 (vgl. Empfehlung VI vom 7. April 2006, Erw. 7.3.2.1), stehen sämtliche Verwaltungsratsmitglieder von Atel in einem potentiellen Interessenkonflikt, was offengelegt wurde. Um zu vermeiden, dass sich der Interessenkonflikt zum Nachteil der Angebotsempfänger auswirkt, hatte der Verwaltungsrat von Atel PricewaterhouseCoopers AG beauftragt, das öffentliche Umtauschangebot aus finanzieller Sicht zu prüfen (sog. „Fairness Opinion“). Dies wurde auch in der Angebotsänderung offengelegt. Die Fairness
Opinion ist gemäss Art. 29 Abs. 4 UEV-UEK hinreichend begründet (vgl. Empfehlung VI vom 7. April 2006, Erw. 7.3.3).

2.2.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ergänzung des Verwaltungsratsberichts vom 1. Juni 2006 den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

3. Prüfstelle

Die Funktion der Prüfstelle nimmt neu Lombard Odier Darier Hentsch & Cie („LODH“) ein. LODH bestätigt nach Art. 26 UEV-UEK, dass das Angebot (der Angebotsprospekt vom 28. März 2006, die Ergänzung vom 12. April 2006 sowie die Angebotsänderung vom 1. Juni 2006) dem Gesetz und der Verordnung entspricht (vgl. lit. E der Angebotsänderung vom 1. Juni 2006). Der entsprechende Bericht wurde zusammen mit der Angebotsänderung am 1. Juni 2006 veröffentlicht.

4. Angebotsfrist / Suspendierung

4.1 Wird eine Änderung weniger als zehn Börsentage vor Ablauf des Angebots veröffentlicht, muss die Angebotsfrist nach Anzeige der Änderung um weitere zehn Börsentage verlängert werden. Beide Fristen werden auf fünf Börsentage verkürzt, wenn der Bericht der Zielgesellschaft zusammen mit der Änderung veröffentlicht wird (Art. 15 Abs. 4 UEV-UEK). Diese Bestimmung setzt jedoch voraus, dass bereits ein gesetzeskonformes Angebot vorliegt, was gemäss Verfügung der EBK nicht der Fall ist. Art. 15 Abs. 4 UEV-UEK kommt daher nicht zur Anwendung.

Motor-Columbus veröffentlichte die Änderung des Umtauschangebots vor Ablauf der Angebotsfrist am 1. Juni 2006. Die Gesetzeskonformität des Angebots von Motor-Columbus wird erst mit vorliegender Empfehlung der Übernahmekommission, welche am 13. Juni 2006 veröffentlicht wird (vgl. Erwägung 5), festgestellt. Würde das Angebot – wie vorgesehen – am 13. Juni 2006 enden, hätten die Angebotsempfänger nur einen Tag zur Verfügung, um in Kenntnis der Empfehlung der Übernahmekommission zur Gesetzeskonformität des Angebots zu entscheiden, ob sie das von der Übernahmekommission geprüfte und gesetzeskonforme Angebot annehmen oder ablehnen sollen. Aus diesem Grund ist es sachgerecht, das gesetzeskonforme Angebot um die von der UEV-UEK für ein Angebot vorgesehenen absoluten Mindestdauer von zehn Börsentagen (Art. 14 Abs. 3 UEV-UEK) von Amtes wegen zu verlängern. Das Angebot von Motor-Columbus endet somit am 27. Juni 2006.

In der Folge verschieben sich auch die Publikation der provisorischen und definitiven Zwischen- und Endergebnisse sowie der Beginn der Nachfrist. Motor-Columbus wird verpflichtet, bis spätestens am 16. Juni 2006 einen neuen Zeitplan in derselben Form wie die Angebotsänderung vom 1. Juni 2006 zu veröffentlichen.

4.2 Die Intervenientin macht in ihrer Stellungnahme zur Angebotsänderung geltend, das Angebot sei zu suspendieren, bis ein gesetzeskonformes Angebot unterbreitet werde. Da das geänderte Angebot vom 1. Juni 2006 dem BEHG entspricht (vgl. Erwägungen 1.4.3 und 2.2.3), besteht kein Anlass, das Angebot zu suspendieren.

5. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird am 13. Juni 2006 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

6. Gebühren

Die Gebühr für diese Empfehlung wurde bereits mit Empfehlung VI vom 7. April 2006 erhoben.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Das geänderte Angebot von Motor-Columbus AG, Baden, im Auftrag von Electricité de France International, Paris, bzw. EDF Alpes Investissements Sàrl, Martigny, EOS-Holding, Lausanne, Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano, Elektra Baselland, Liestal, Elektra Birseck, Münchenstein, IBAarau AG, Aarau, des Kantons Solothurn, der Wasserwerke Zug AG, Zug, und von Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten , an die Namenaktionäre von Aare-Tessin AG für Elektrizität , Olten, entspricht dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995.
  2. Das geänderte Angebot wird von Amtes wegen um zehn Börsentage verlängert und endet am 27. Juni 2006.
  3. Motor-Columbus wird verpflichtet, bis spätestens am 16. Juni 2006 einen neuen Zeitplan in derselben Form wie die Angebotsänderung vom 1. Juni 2006 zu veröffentlichen.
  4. Diese Empfehlung wird am 13. Juni 2006 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
  5. Es wird keine Gebühr erhoben.


Der Präsident:

Hans Rudolf Widmer


Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • Aare-Tessin AG für Elektrizität, durch ihren Vertreter;
  • Motor-Columbus AG, durch ihren Vertreter;
  • EOS-Holding, Electricité de France International bzw. EDF Alpes Investissements Sàrl,
    Elektra Birseck, Elektra Baselland, IBAarau AG, Aziende Industriali di Lugano SA, die Wasserwerke Zug AG, den Kanton Solothurn, je durch ihren Vertreter;
  • die Eidgenössische Bankenkommission;
  • die Prüfstelle;
  • AEM S.p.A., durch ihren Vertreter (zur Kenntnisnahme).